Kommentarwerk Bergsportkommentar

Hochtouren

Achtung: Diese Version ist eine maschinelle Übersetzung mit www.DeepL.com des französischen Originaltextes und soll den Leser*innen lediglich einen Überblick über den Inhalt des Textes geben. Nur die französische Fassung ist verbindlich; die übersetzte Form des vorliegenden Textes darf nicht zitiert werden.


Zitiervorschlag: Stéphanie Kuonen, Alpinisme, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar, https://bergsportkommentar.ch/X, 1. Aufl., (veröffentlicht am 4. Januar 2023).


Kurzzitat: Kuonen, Rz. xx


Literatur

Caille, Frédéric, Le guide comme professionnel de l’alpinisme : perception et enjeux du traitement judiciaire de la responsabilité dans le domaine des sports de montagne, in : Hoinian Olivier/Defrance Jacques (édits.), Deux siècles d’alpinisme européens, origine et mutations des activités de grimpe, Paris 2002, pp. 369-384; Carron, Maxence, Le mandat de durée, Genève - Zurich - Bâle 2018 ; Cassani, Ursula/Villard, Katia, in : Moreillon, Laurent et al. (édits), Commentaire romand Code pénal I, 2e édition, 2021 ; Dupont, Anne-Sylvie/Longchamp, Guy, III. L’Etat et le sport / A. Droit privé / L’accident sportif et l’assurance-accidents sociale, in: Rigozzi, Antonio/Sprumont, Dominique/Hafner, Yann (édits.), citius, altius, fortius, mélanges en l'honneur de Denis Oswald , Bâle, Neuchâtel 2012 ; Frésard-Fellay, Ghislain/Kahil-Wolff, Bettina/Perrenoud, Stéphanie, Droit suisse de la sécurité sociale, volume II, Berne 2015 ; Hurtado Pozo, José/Illànez, Federico, in : Macaluso, Alain/Moreillon, Laurent/Queloz, Nicolas (édits), Commentaire romand code pénal II, 1ère édition, 2017 ; Ionta, David, Accidents de sport et entreprises téméraires, reas 2020, p. 196 ; Rémy, Marc, in : Macaluso Alain/Moreillon Laurent/Queloz Nicolas (édits), Commentaire romand code pénal II, 1ère édition, 2017 ; Tercier, Pierre/Pichonnaz, Pascal, Le droit des obligations, 5e édition, Genève 2012 ; Tercier, Pierre/Bieri, Laurent/Carron, Blaise, Les contrats spéciaux, 5e édition, Genève Zurich Bâle 2016 ; Villard, Katia/Corboz, Bernard, in : Moreillon, Laurent et al. (édits), Commentaire romand Code pénal I, 2e édition, 2021 ; Werro, Franz/Perritaz, Vincent, in : Thevenoz, Luc/Werro, Franz (édits), Commentaire romand, Code des obligations I – art. 1-252 CO , 3e édition, Bâle 2021.

I. Einleitung: Die Praxis des Bergsteigens und allgemeine Regeln


Das Bergsteigen hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen und sich einem viel breiteren Publikum geöffnet. Die Leistung, berühmte Gipfel wie das Matterhorn und den Mont Blanc zu besteigen, wird immer begehrter, vor allem von Personen, denen es an Erfahrung mangelt und/oder die sich auf den Leistungsaspekt konzentrieren. Unweigerlich steigt die Zahl der Unfälle, was zu einer immer präsenteren Regulierung führt (Caille, S. 8 und 11).


Angesichts dieser Entwicklung haben unsere französischen Nachbarn 2019 beschlossen, die Notwendigkeit einer Genehmigung für die Besteigung des Mont-Blanc einzuführen. Obwohl die Notwendigkeit einer Genehmigung in der Schweiz bislang noch nicht eingeführt wurde, bleibt die Frage bis heute offen, insbesondere für das Matterhorn (Artikel der RTS vom 07.08.2019 : Todesfälle von Bergsteigern werfen erneut die Frage nach dem Zugang zu den Gipfeln auf).


Was die Durchführung des Bergsteigens betrifft, kommt es vor, dass der Staat den Zugang zu bestimmten alpinen Gebieten einschränkt, insbesondere aus Gründen des Wildtier- oder Naturschutzes im Allgemeinen. Die Begegnung zwischen wilden Tieren und Menschen kann nicht gänzlich vermieden werden. Menschliche Aktivitäten sind - vor allem im Winter – zu kanalisieren werden, um ausreichend grosse Gebiete zu belassen, in denen die Tiere Schutz und Nahrung finden können. Menschliche Aktivitäten können die Natur beeinträchtigen, was es zu vermeiden gilt.


Schutzmassnahmen werden auf der Ebene der Landnutzung durch die Einrichtung von Schutzzonen (Ruhezonen; Art. 7 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [Jagdgesetz; JSG; SR 922.0]) getroffen. Ihre Bezeichnung ist höchst unterschiedlich: Wildruhe- und Wildschutzgebiete, Naturschutzgebiete, private Schutzgebiete usw. Für jedes dieser Gebiete gelten eigene Regeln (Ruhezonen).


Der Zugang zu Schutzgebieten kann ganz verboten oder nur zu bestimmten Zeiten im Jahr erlaubt sein. Unter bestimmten Bedingungen können Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, wenn man vorher bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellt. Die Gemeindebehörden, die für die Planung ihres Gebietes zuständig sind, erteilen grundsätzlich erste Auskünfte. Es wird daher dringend empfohlen, sich im Zweifelsfall vorab mit ihnen in Verbindung zu setzen.


Was speziell die Bergsteiger*innen als solche betrifft, so schreibt das Bundesgesetz über die Bergführer und die Veranstalter anderer Risikoaktivitäten vor, dass Bergführer*innen ein Patent und eine staatliche Bewilligung besitzen müssen (Art. 4 ff. Bundesgesetz vom 17. März 2010 über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten [RiskG; SR 935.91]), da diese als Berufsleute tätig sind. Die Erteilung der Bewilligung ermöglicht es dem Staat, die Fähigkeiten, insbesondere im Bereich des Bergsteigens, jedes Bergführers zu überprüfen. Durch diesen Mechanismus hat der Staat also ein Kontrollrecht über die professionellen Praktiker des Bergsteigens.


Dies ist nicht der Fall bei Tourenleiter*innen, die nicht der Gesetzgebung für Bergführer und Organisatoren anderer Risikoaktivitäten unterliegen (Art. 1 e contrario RiskG). Die Fähigkeit, als Tourenleiter tätig zu sein, wird also nicht durch staatliche Vorschriften geregelt, sondern durch Vorschriften, die von privaten Organisationen stammen, wie z. B. die internen Vorschriften des Alpenvereins. Zur Erinnerung: Diese Regeln verpflichten die Tourenleiter*innen unter anderem dazu, eine Grundausbildung sowie Fortbildungskurse zu absolvieren. Der Staat hat also kein Recht, die Praxis der Alpenvereins-Tourenleiter*innenzu kontrollieren. Es sei hier angemerkt, dass Tourenleiter*innen aufgrund seiner/ihrer geringeren Ausbildung nicht das Recht haben, eine Tour zu organisieren, deren Schwierigkeitsgrad den Beizug eines Bergführers oder einer Bergführerin erforderern (SAC-Schwierigkeitsskalen).


Die erfahrenste Person einer Gruppe wird regelmässig die Funktion der faktischen Führerin resp. des faktischen Führers übernehmen. Es wird also keine Ausbildung verlangt oder auch nur gefordert; jeder kann sich aufgrund seines Erfahrungsniveaus in dieser Position wiederfinden (Tercier/Bieri/Carron, Rn. 4378).

II. Privatrecht: Zivilrechtliche Haftung

A. Einführung


Wird ein Vertrag schlecht erfüllt, kann die geschädigte Person zivilrechtlich Schadenersatz oder sogar eine Entschädigung für immaterielle Schäden erhalten. Die Schuldner*innen sind für die Schlechterfüllung des Vertrages und den daraus entstehenden Schaden ersatzpflichtig, sofern sie nicht beweisen, dass ihnen keinerlei Verschulden zur Last fällt (Art. 97 ff. OR).


Nachfolgend wird untersucht, wie die rechtliche Situation der Bergführer*innen bzw. Tourenleiter*innen zu bewerten ist, wenn sie eine Tour leiten; insbesondere die Pflichten und die Verantwortung, die sich daraus ergeben.

B. Die vertragliche Haftung der Bergführer*innen und der Tourenleiter*innen

1. Der Auftrag


Bergführer*innen oder Tourenleiter*innen sind durch ein Auftragsverhältnis an die Teilnehmenden der Tour gebunden (Carron, S. 55). Da das Auftragsverhältnis eine gemeinsame Grundlage darstellt, werden zunächst die Grundzüge dieses Vertragstyps in Erinnerung gerufen, vor die spezifischen Verantwortlichkeiten der Bergführer*innen und der Tourenleiter*innen dargelegt werden.


Das Auftragsverhältnis ist in Art. 394 ff. OR geregelt. Der Abschluss des Auftragsverhältnisses unterliegt keiner besonderen Form und kann sogar stillschweigend erfolgen (BGE 110 II 360 = JdT 1985 I 130, 113 II 522 = JdT 1988 I 354, SJZ 1990 143 ff.; Tercier/Pichonnaz, Rz. 192). In der bergsteigerischen Praxis erfolgt der Abschluss des Auftragsverhältnisses sehr häufig mündlich (für Bergführer siehe Art. 2 der Allgemeinen Bedingungen für Schweizer Bergführer*innen; speziell für den Alpenverein gilt die Anmeldung zu einer Tour über die Website als Antrag auf Abschluss des Mandatsvertrags). Durch die Annahme dieser Anfrage nehmen die Tourenleiter*innen den Antrag als Hilfsperson des Alpenvereins an, was zum Abschluss des Vertrags führt (vgl. Art. 395 ZGB). Dieser Vertrag kann entgeltlich – im Falle der Bergführer*innen – oder (teilweise) unentgeltlich – im Falle der Tourenleiter*innen des Alpenvereins – abgeschlossen werden (Art. 394 Abs. 3 OR).


Der Auftrag ist ein Vertrag, durch den sich der Beauftragte (die Bergführer*in oder die Tourenleiter*in) verpflichtet, Dienstleistungen für den Auftraggeber, in diesem Fall der/die Kund*in oder dem Teilnehmenden, zu erbringen (Art. 394 OR; Tercier/Pichonnaz, Rz. 1000 ff.). Mittels Auftrags wird kein Erfolg, sondern lediglich ein sorgfältiges Tätigwerden geschuldet (BGE 134 III 361 E. 6; BGE 127 III 357 E. 1b, Jdt 2002 I 192). Wenn also die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen alle Sorgfalt walten lassen, die man von ihnen erwarten kann, das erwartete Ergebnis aber nicht erzielt wurde, wird davon ausgegangen, dass sie ihre Pflichten korrekt erfüllt haben und nicht für einen allfälligen Schaden haftbar gemacht werden können (Tercier/Bieri/Carron, Rz. 4317).


Konkret werden Bergführer*innen bzw. Tourenleiter*innen beauftragt eine Tour anführen, mit dem Ziel einen Gipfel zu erreichen. Diese müssen alles daransetzen, diesen Gipfel zu erreichen. Sie sind aber nicht verpflichtet, die Gruppe zum Gipfel zu bringen, wenn dies gegen ihre Sorgfaltspflicht verstossen würde.

2. Die Sorgfaltspflicht


Die Hauptpflicht der Bergführer*innen bzw. der Tourenleiter*innen besteht in der Einhaltung der Sorgfaltspflicht bei der Erfüllung des ihnen anvertrauten Auftrags (Art. 398 Abs. 2 OR). Die Sorgfaltspflicht wird durch mehrere Regeln bestimmt, die sich gegenseitig ergänzen (BGE 133 IV 138, E. 5.1; TF 6B_1036/2019 vom 16. Januar 2020, E. 2.2; TF 6B_738/2012 vom 18. Juli 2013, E. 2.3.1; CR-Villard/Corboz, Art. 12 CP N 145).


Zunächst muss im Gesetz nach speziellen Normen gesucht werden, die ein bestimmtes Verhalten vorschreiben, im Falle des Bergsteigens also nach Regeln, die zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Vermeidung von Unfällen erlassen wurden (BGE 135 IV 56, E. 2.1; BGE 134 IV 255 E. 4.2.3; BGer 6b_364/2020; 6B_ 365/2020 und 6B_380/2020 vom 26. Juni 2020; 6B_ 122/2019 vom 17. September 2019). Die Sorgfaltspflicht wird sodann durch Sicherheitsstandards ergänzt bzw. definiert, die von privaten oder halböffentlichen Organisationen erlassen werden, sofern diese Regeln allgemein anerkannt sind (BGE 136 IV 97, E. 6.2.2; 6B_ 1036/2019 vom 16. Januar 2020). Typischerweise handelt es sich dabei um Regeln und Richtlinien, die vom Schweizer Bergführerverband oder vom Alpenverein verabschiedet wurden. Schliesslich wird die Sorgfaltspflicht durch – teils ungeschriebene – Verhaltensgrundsätze präzisiert, die allgemein anerkannt sind. Dabei handelt es sich um die Regeln der Kunst (BGE 6B_1008/2016 vom 22. November 2017, E. 5.3.1).


Sobald die anwendbaren Regeln bestimmt sind, müssen die gesamten konkreten Umstände berücksichtigt werden, um den Sorgfaltsgrad zu bestimmen, dem die Bergführer*innen bzw. Tourenleiter*innen unterliegen (Tercier/Bieri/Carron, N. 4434; BGE 133 III 121 c. 3.1). Dieser Sorgfaltsgrad hängt von der Gesamtheit der Umstände des konkreten Falls ab, insbesondere von der Art der geplanten Aktivitäten, der Schwierigkeit der vorgeschlagenen Tour, der Eignung der Teilnehmenden sowie den technischen Kenntnissen und Fähigkeiten der Bergführer*innen bzw. der Tourenleiters*innen (BGE 117 III 563 c. 2a; BGE 134 III 534 c. 3.2.2; BGE 127 III 357 c. 1c). Aufgrund ihres Ausbildungsgrades und ihrer umfassenderen Fähigkeiten unterliegen die Bergführer*innen einem höheren Sorgfaltsmassstab als die Tourenleiter*innen, deren Ausbildung weitaus weniger qualifizierend ist.


Wie nachfolgend beschrieben, führt die schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht zur zivilrechtlichen Haftung der Bergführer*innen bzw. der Tourenleiter*innen (Art. 398 OR).

3. Die Verantwortung

a. Allgemein

Die Regeln über die zivilrechtliche Haftung haben nicht zum Ziel, die betroffene Person zu bestrafen, sondern den Geschädigten für den ihm zugefügten Schaden zu entschädigen (CR-Werro/Perritaz, Art. 41 CO N. 1 ff.). Die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen haften für den Schaden, welcher den Teilnehmenden absichtlich oder fahrlässig zugefügt wurde (Art. 321 e Abs. 1 OR, durch Verweis auf Art. 398 Abs. 1 OR, der vorsieht, dass die Haftung des Beauftragten im Allgemeinen den gleichen Regeln unterliegt wie die des Arbeitnehmenden).


Damit die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen haftbar gemacht werden können, müssen die folgenden vier Bedingungen kumulativ erfüllt sein:

  1. Ein Schaden: Die Teilnehmenden einer Hochtour müssen beweisen, dass sie einen Schaden erlitten haben (BGE 132 III 359 c. 4, JdT 2006 I 295). Dabei kann es sich um einen körperlichen Schaden (z.B. eine Verletzung) und/oder einen materiellen Schaden (z.B. einen gebrochenen Eispickel) handeln (auch seelische Unbill kann als Schaden gelten, sofern sie ausreichend schwer ist, BG 4A_227/2007 vom 26. September 2007, E. 3.7.2).
  2. Eine Vertragsverletzung (Verletzung der Sorgfaltspflicht): Die Teilnehmenden müssen beweisen, dass die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen eine oder mehrere ihrer vertraglichen Pflichten verletzt haben (BGer 4A_577/2015 vom 1. März 2016, E. 4). Da das im Auftragsverhältnis kein Ergebnis, sondern nur ein sorgfältiges Tätigwerden geschuldet wird, stellt das Fehlen oder Misslingen eines Ergebnisses allein noch keinen Beweis für eine Vertragsverletzung dar. Die geschädigte Person muss daher beweisen, dass die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben (BGE 127 III 357 c. 1b, JdT 2002 I 192).
  3. Ein Verschulden: Bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verschulden wird die Vertragsverletzung grundsätzlich dem/der Bergführer*innen bzw. dem/der Tourenleiter*innen zugeschrieben. Dieses Verschulden muss vom Teilnehmenden nicht bewiesen werden, da es vermutet wird, insbesondere wenn eine Sicherheitsregel nicht beachtet wurde. Es obliegt also dem/der Bergführer*innen bzw. dem/der Tourenleiter*innen zu beweisen, dass ihm/ihr das Verschulden nicht anzulasten ist (BGE 127 III 357 c. 1b, JdT 2002 I 192).
  4. Ein Kausalzusammenhang: Die geschädigten Teilnehmenden müssen nachweisen, dass ein (natürlicher und adäquater) Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Vertragsverletzung und dem von ihm/ihr geltend gemachten Schaden besteht (TF 4A_577/2015 vom 1. März 2016, E. 4). Mit anderen Worten: Es muss nachgewiesen werden, dass der verursachte Schaden auf den Fehler zurückzuführen ist, der den Bergführer*innen bzw. den Tourenleiter*innen vorgeworfen wird.

Wenn alle vier oben genannten Bedingungen erfüllt sind, sind die Bergführer*innen bzw. die Tourenleiter*innen für den Schaden ersatzpflichtig, der einem oder mehreren Teilnehmenden entstanden ist.


Das Gesetz sieht jedoch die Möglichkeit vor, die dem Opfer zustehende Entschädigung bei einem Mitverschulden zu kürzen oder sogar zu streichen (Art. 97 OR). Ein Mitverschulden des Geschädigten liegt vor, wenn dieser es unterlässt, die ihm zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, die geeignet waren, den Eintritt oder die Verschlimmerung des Schadens zu verhindern. Das Mitverschulden setzt voraus, dass der geschädigten Person ein vorwerfbares Verhalten, insbesondere mangelnde Aufmerksamkeit oder das Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt, vorgeworfen werden kann, weil sie nicht die geistige oder Willensanstrengungen unternommen hat, die nach den konkreten Umständen von ihr erwartet werden konnten (BGer 4A_119/218 vom 7. Januar 2019, E. 5). Als Beispiel können wir den Fall eines Opfers anführen, das nicht auf die Anweisungen des Bergführers hört und eine andere als die angegebene Route nimmt.

b. Die besondere Verantwortung der Bergführer*innen

Wie bereits erwähnt, muss die geschädigte Person beweisen, dass eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegt. Um nicht haftbar gemacht zu werden, muss die beauftragte Person ihrerseits beweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat.


Um festzustellen, ob die Bergführer*innen mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt haben, muss zunächst der Inhalt dieser Pflicht geklärt werden. Dazu müssen die einschlägigen Vorschriften herangezogen werden. Diese Vorschriften legen fest, welche Ausbildungen absolviert werden müssen, um als Bergführer*innen tätig sein zu können, sowie angemessene Verhaltensweisen und Sicherheitsregeln für das Bergsteigen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die theoretischen Regeln im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände korrekt angewendet worden sind.


Bergführer*innen dürfen ohne den Erwerb eines eidgenössischen Fachausweises sowie einer Berufsausübungsbewilligung nicht als solche tätig sein (Art. 3 RiskG). Der Erwerb des eidgenössischen Fachausweises gewährleistet fundierte Kenntnisse der Bergwelt, die eine hohe Sorgfaltspflicht rechtfertigen (Art. 3 der Allgemeinen Bedingungen für Schweizer Bergführer). Im Rahmen ihrer Ausbildung lernen Bergführer*innen die Sicherheitsregeln des Bergsteigens. Sie sind verpflichtet, diese Regeln bei der Ausübung ihres Berufes zu befolgen. Berufsverbände wie der Schweizer Bergführerverband erlassen ebenfalls Regeln für geführte Bergtouren, die die Bergführer*innen befolgen müssen, um ihre Sorgfaltspflichten nicht zu verletzen.


Das RiskG enthält eine Generalklausel sowie bestimmte Sicherheitsregeln (Art. 2 RiskG). So sieht das Gesetz allgemein vor, dass "[w]er eine diesem Gesetz unterstellte Aktivität anbietet, muss die Massnahmen treffen, die nach der Erfahrung erforderlich, nach dem Stand der Technik möglich und nach den gegebenen Verhältnissen angemessen sind, damit Leben und Gesundheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht gefährdet werden". Diese allgemeine Sorgfaltspflicht konkretisiert sich insbesondere in den folgenden Pflichten:

  • Eine erhöhte Informationspflicht: Die Leiter*innen müssen ihre Kunden über die besonderen Gefahren aufklären, die mit der Ausübung der gewählten Aktivität verbunden sein können (Bst. a);
  • Eine Pflicht, die Fähigkeiten bzw. das Leistungsvermögen der Klientinnen und Klienten in Bezug auf die Ausübung der gewählten Aktivität zu überprüfen (Bst. b) ;
  • Eine Pflicht zur Überprüfung des Materials (Bst. c) ;
  • Eine Pflicht zur Überprüfung der Angemessenheit der Aktivität im Hinblick auf die Wetterbedingungen, insbesondere die Schneeverhältnisse (Bst. d) ;
  • Eine Pflicht zur Überprüfung der Anzahl der Begleitpersonen unter Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrades der Aktivität und ihrer Risiken (Bst. f).

Nachdem die anwendbaren Regeln ermittelt wurden, müssen die gesamten Umstände des konkreten Falls geprüft werden, um festzustellen, ob Bergführer*innen die geltenden Regeln korrekt umgesetzt haben und ob eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegt. Dabei werden insbesondere das Alter der Bergführer*innen, ihre Erfahrung, der Schwierigkeitsgrad der Tour, die Wetterbedingungen, das Niveau der Tourenteilnehmenden usw. berücksichtigt. Ein Fehlverhalten des Bergführers resp. der Bergführerin kann auch Auswirkungen auf die für die Ausübung der Aktivität erforderliche Bewilligung haben (vgl. Art. 3 RiskG in Verbindung mit Art. 8 Verordnung über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten vom 30. November 2012 [RiskV; SR 935.911]).


Eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung liegt beispielsweise vor, wenn Bergführer*innen mehr Gäste auf eine Tour mitnehmen, als in der Praxis für einen bestimmten Gipfel üblich ist, wenn die Gäste nicht über den genauen Verlauf einer gefährlichen Passage informiert werden oder wenn einem Gast, der in einer schwierigen Passage unsicher ist, nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird.

c. Die besondere Verantwortung der Tourenleiter*innen

Wie bei Bergführer*innen bestimmt sich die Sorgfaltspflicht von Tourenleiter*innen in erster Linie nach den für sie geltenden Vorschriften. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese theoretischen Regelungen im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände korrekt angewendet worden sind.


Wie bereits gesagt, unterliegen die Tourenleiter*innen nicht dem RiskG. Daher sollten in erster Linie die Regelungen des Alpenvereins herangezogen werden. Nach diesen Regelungen müssen Tourenleiter*innen eine Grundausbildung absolvieren, die sie für diese Funktion qualifiziert. In diesen Kursen wird ein bestimmtes Niveau an Wissen und Können in den Bergen bestätigt. Die Tourenleiter*innen müssen zudem in regelmässigen Abständen Fortbildungskurse besuchen, um ihre Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten (Reglement über die Aus- und Fortbildungspflicht der Tourenleiter*innen des SAC).


Wenn Tourenleiter*innen als solche tätig sind, müssen sie die Sicherheitsregeln des Bergsteigens anwenden, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben. Einige dieser Regeln werden vom Alpenverein durch allgemein zugängliche Richtlinien in Erinnerung gerufen (Gedächtnisstütze). Diese Regeln verdeutlichen die Sorgfaltspflicht der Tourenleiter*innen.


Als Beispiel seien hier die Richtlinien für die Planung von Touren genannt, aus denen Folgendes hervorgeht (CAS Planung):

  • Eine Pflicht, eine Tour auszuwählen, die für Mitglieder des Alpenvereins zugänglich ist und deren Schwierigkeitsgrad die Fähigkeiten der Tourenleiters*innen nicht übersteigt;
  • Eine Verpflichtung, das Niveau jedes Teilnehmenden zu überprüfen;
  • Eine Pflicht, den Wetter- und Lawinenbericht zu konsultieren;
  • Im Falle einer Stornierung der ursprünglich geplanten Route eine Verpflichtung, die zuständige Stelle zu informieren und sicherzustellen, dass die ausgewählten Teilnehmenden auch über ein ausreichendes Niveau verfügen, um an dem alternativen Berg- oder Hochtourenroute teilzunehmen, das auf keinen Fall schwieriger sein darf als die ursprüngliche Route;
  • Eine Informationspflicht während der gesamten Tour, die es den Teilnehmenden ermöglicht, die richtigen Anweisungen zu erhalten; die jüngsten bzw. unerfahrensten Teilnehmenden benötigen besondere Aufmerksamkeit;
  • Ein Verbot für ddie Tourenleiter*innen wie auch für die Teilnehmenden, die Gruppe zu verlassen, bevor alle sicher im Ziel angekommen sind.

Tourenleiter*innen haben auch eine implizite Pflicht, die Teilnehmenden zur Verantwortung zu ziehen. Denn die Informations- und Überprüfungspflicht, die den Tourenleitenden obliegt, entbindet die Teilnehmenden nicht von jeglicher Verantwortung. Im Gegenteil, es obliegt den Teilnehmenden unaufgefordert über besondere Umstände zu informieren, die bei der üblichen Kontrolle nicht erkennt werden können. Dazu gehören z. B. der physische und psychische Gesundheitszustand der Teilnehmenden oder der Funktionszustand der eigenen Ausrüstung. Wenn Teilnehmende dieser Informationspflicht nicht nachkommen und dadurch ein Schaden entsteht, kann ihnen ein Mitverschulden angelastet werden.


Wie bei Bergführer*innen müssen alle Umstände des konkreten Falls berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die Tourenleiter*innen ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben. So werden beispielsweise die Schwierigkeit der Tour, das Niveau der Teilnehmenden, die Wetterbedingungen, die Erfahrung und das Alter der Tourenleiter*innen berücksichtigt. (Zur Erinnerung: Das RiskG ist nur auf Bergführer*innen anwendbar, nicht aber auf Tourenleiter*innen in der Praxis des Alpenvereins [Art. 1 Abs. 2 RiskG]).


Die schuldhafte Verletzung von Sorgfaltspflichten durch Tourenleiter*innen hat zur Folge, dass der entstandene Schaden zu ersetzen ist. Folgende Beispiele können als haftungsbegründende Verhaltensweisen der Tourenleiter*innen genannt werden: Annahme einer teilnehmenden Person, die weder geeignete Schuhe noch warme Kleidung trägt, die den Bedingungen der geplanten Tour entsprechen; Zulassung einer teilnehmenden Person zu einer Gletschertour, obwohl diese weder Steigeisen noch Eispickel besitzt; Unterlassen der Sicherung einer teilnehmenden Person beim Abseilen; Vernachlässigung der Anseilkontrolle; Unterlassen der Funktionskontrolle der LVS (Les Alpes 9/1996, S. 25). 25), Vernachlässigung elementarer Vorsichtsmassnahmen, wie das Anseilen von Teilnehmenden an gefährlichen Stellen.

d. Exkurs: Die besondere Verantwortung der Stellvertreter*innen der Tourenleiter*innen

Was die Stellvertreter*innen betrifft, so unterstützen sie die Tourenleiter*innen bei ihrer Leistung und handeln als Hilfspersonen (Art. 101 OR). In der Regel sind die Tourenleiter*innen für die Handlungen ihrer Stellvertreter*innen verantwortlich, insbesondere für deren mangelnden Sorgfalt. Die Tourenleiter*innen sollten daher ihre Stellvertreter*innen sorgfältig auswählen und prüfen, ob diese über die nötige Erfahrung verfügen, um diese Position im Hinblick auf die Schwierigkeit der gewählten Tour zu übernehmen.


Da die Tourenleiter*innen für die Handlungen ihrer Stellvertreter*innen verantwortlich sind, wird diesen derselbe Sorgfaltsmassstab wie den Tourenleiter*innen zugerechnet. Dieser Grundsatz unterliegt jedoch einer Ausnahme: Wenn die stellvertretende Person mehr Erfahrung hat als die Tourenleiter*in, wird diese zusätzliche Erfahrung der Tourenleiter*in angerechnet und erhöht ihren Sorgfaltsmassstab entsprechend (BGE 130 III 591, E. 5.5.4, JdT 2006 I 131).

C. Die deliktische Haftung der faktischen Führer*innen


Bestehen zwischen den Teilnehmenden einer Hochtour Unterschiede in Fähigkeit und Erfahrung, so ist die erfahrenste Person verpflichtet, die Verwirklichung der Gefahr auf die weniger erfahrenen Personen soweit wie möglich abzuwenden. Diese Person nimmt dann die Position der faktischen Führerperson ein. Ein Schutzverhältnis kann auch zwischen gleich starken und gleich erfahrenen Partnern bestehen. Diese müssen dann eine gegenseitige Hilfe- und Unterstützungspflicht übernehmen und nehmen gleichzeitig die Position des faktischen Führers resp. der faktischen Führerin ein (CR-Cassani/Villard, Art. 11 CP N 39).


Der Fall der faktischen Führerperson liegt vor, wenn Bergführer*innen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse mit einer Gruppe von Personen ausserhalb ihres beruflichen Rahmens anwenden. Dasselbe gilt für die Tourenleiter*innen, die ausserhalb des Rahmens des Alpenvereins praktizieren. Meistens handelt es sich um einen Ausflug unter Freunden. Sowohl die Bergführer*innen als auch die Tourenleiter*innen verfügen in der Regel über mehr Wissen und Erfahrung als der Rest der Gruppe. Dieser Fall kann natürlich auch eintreten, wenn Mitglieder des Alpenvereins, die keine Tourenleiter*innen sind, beschliessen, eine Hochtour unter sich zu organisieren. Der oder die Erfahrenste in der Gruppe wird de facto die Position des Leiters einnehmen. Dadurch übernimmt er oder sie implizit die Verantwortung für die Gruppe, d.h. die Rolle des faktischen Führers resp. der faktischen Führerin, und ist verpflichtet, mit einer gewissen Sorgfalt zu handeln.


Der Fall der faktischen Führer*innen kann auch eintreten, wenn Bergführer*innen bzw. Tourenleiter*innen an einer Hochtour teilnehmen, die über mehr Erfahrung verfügen als die offiziellen Leiter*innen der Tour. In einer solchen Situation liegt nicht die gesamte Verantwortung für die Hochtour bei dem/der erfahreneren Bergführer*in bzw. Tourenleiter*in, sondern wird mit der Verantwortung, die dem offiziellen Tourenleiter zuzuschreiben ist, geteilt. Die Bergführer*innen bzw. die erfahreneren Tourenleiter*innen müssen eine höhere Sorgfaltspflicht erfüllen als die anderen Teilnehmenden.


Im Gegensatz zu Bergführer*innen und Tourenleiter*innen stehen faktischen Führer*innen nicht in einem Vertragsverhältnis mit den Teilnehmenden. Faktische Führer*innen wurden nicht mit der Leitung einer Tour beauftragt, sondern sie nehmen diese Position aus Gefälligkeit und oftmals stillschweigend ein. Wer jedoch aus Gefälligkeit handelt, haftet mangels Vertrag nicht vertraglich, sondern deliktisch im Sinne von Art. 41 OR (Tercier/Bieri/Carron, Rz. 4378).


Wenn die faktische Führerperson einem Mitglied der Gruppe schuldhaft einen Schaden zufügt, ist er verpflichtet, diesen zu ersetzen (Art. 41 OR). Damit die faktische Führerperson aus unerlaubter Handlung haftbar gemacht werden kann, müssen vier Bedingungen kumulativ erfüllt sein:

  1. Schaden: Der Schaden kann physisch und/oder materiell sein und muss von der geschädigten Person bewiesen werden (Art. 42 OR).
  2. Verschulden: Dieses Kriterium verlangt, dass die faktischen Führer*innen der Tat eine Pflichtverletzung begangen haben, d.h. sie haben fahrlässig gehandelt, indem sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben. Wie bereits dargelegt, wird der Grad der Sorgfalt anhand der konkreten Umstände beurteilt (CR-Werro/Perritaz, Art. 41 CO N 56 f.).
  3. Kausalzusammenhang: zwischen dem Schaden und dem Verschulden.
  4. Widerrechtlichkeit: Es darf kein Rechtfertigungsgrund vorliegen, der die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung der faktischen Führerperson aufhebt (BGE 132 II 305, E. 4.1, SJ 2000 i 549; BGE 123 II 577, E. 4), wie etwa die Einwilligung des Geschädigten, Notwehr usw. (vgl. u.a. Art. 52 OR, Art. 28 Abs. 2 ZGB).

Wenn diese vier Bedingungen erfüllt sind, ist die faktische Führerperson für den verursachten Schaden verantwortlich und ist schadenersatzpflichtig.


Wie bei der vertraglichen Haftung sieht das Gesetz auch hier die Möglichkeit vor, die Entschädigung der geschädigten Person zu kürzen oder sogar zu streichen, wenn sie dem Schaden zugestimmt hat oder wenn sie dazu beigetragen hat, den Schaden zu verursachen oder zu vergrössern (Art. 44 OR). In diesem Fall spricht man von einem Mitverschulden der geschädigten Partei. Ein solches liegt beispielsweise vor, wenn die geschädigte Person es unterlässt, die ihr nach den konkreten Umständen zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um dem Eintritt oder der Vergrösserung des Schadens entgegenzuwirken (CR-Werro/Perritaz, Art. 44 CO N 12). Typischerweise handelt es sich um den Fall, dass Teilnehmende es unterlassen, Tourenleiter*innen über eine besondere Situation zu informieren, die diese bei ihren üblichen Überprüfungen und Kontrollen nicht hätten entdecken können.

III. Strafrecht: Deliktische Haftung

A. Einführung


Im Zusammenhang mit dem Bergsteigen sind die gängigsten Delikte, die fahrlässige schwere Körperverletzung, die fahrlässige einfache Körperverletzung (Art. 125 StGB) sowie die fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB). Schwere Körperverletzung sowie Tötung sind Delikte, die von Amts wegen verfolgt werden, da sie als schwere Straftaten gelten (Art. 117 und 125 Abs. 2 StGB). Einfache Körperverletzung hingegen wird nur auf Antrag verfolgt.


Im Rahmen dieses Beitrags gehen wir davon aus, dass Täter*innen die Straftat nicht vorsätzlich begangen haben. Aus diesem Grund wird nur die Fahrlässigkeit untersucht und insbesondere werden nachfolgend nur die oben genannten Straftaten betrachtet.

B. Fahrlässig begangene Straftaten

1. Definition von Vernachlässigung


Damit Fahrlässigkeit strafbar ist, müssen die Täter*innen eine schuldhafte Unvorsichtigkeit begehen, die zur Begehung einer Straftat führt. Dies ist der Fall, wenn Täter*innen die Folgen ihres Handelns nicht bedacht haben, weil sie nicht nach den Umständen und ihren persönlichen Verhältnissen gebotene Sorgfalt haben walten lassen (Art. 12 Abs. 3 StGB). Damit Fahrlässigkeit strafbar ist, müssen also zwei Bedingungen erfüllt sein.


Zunächst muss ein Verstoss gegen die Regeln der Vorsicht begangen worden sein. Beim Bergsteigen ist diese Vorsichtspflicht mit der Sorgfaltspflicht vermischt (Villard/Corboz, Art. 12 StGB N. 133 ff.). So sind zunächst die Sorgfaltspflichten der Täter*innen zu ermitteln und anschliessend ist zu fragen, ob eine vernünftige Person in der gleichen Situation und mit den gleichen Fähigkeiten wie der/die Täter*in den Ablauf der Ereignisse in groben Zügen vorhersehen konnte und gegebenenfalls welche Massnahmen diese Person ergreifen konnte bzw. hätte ergreifen müssen, um den Eintritt des Erfolgs zu verhindern, wobei die Kenntnisse, die sie zum Zeitpunkt des Geschehens haben konnte, zu berücksichtigen sind (BGE 134 IV 255 E. 4.2.3). Auch das Verhalten Dritter, wie etwa der Teilnehmenden der Hochtour, wird im Rahmen der Prüfung der konkreten Umstände zu berücksichtigen sein, da diese ebenfalls einer gewissen Sorgfaltspflicht unterliegen (BGE 143 IV 138 E. 2.1 ff.; BGE 143 IV 500 E. 1.2.4).


Zweitens muss die Verletzung schuldhaft erfolgt sein, d.h. dem/der Täter*in muss unter Berücksichtigung seiner/ihrer persönlichen Umstände eine vorwerfbare Unachtsamkeit oder mangelnde Anstrengung vorgeworfen werden können (BGE 134 IV 255 E. 4.2.3; CR-Villard/Corboz, Art. 12 CP N 205).

2. Die Garantenstellung


Fahrlässigkeit kann durch aktives oder passives Verhalten verursacht werden. Passives Verhalten ist jedoch nur dann strafbar, wenn der/die Täter*in eine rechtliche Pflicht zum Handeln hat. Man spricht dann von einer Garantenstellung (Art. 11 StGB).


Die Bergführer*innen und die Tourenleiter*innen nehmen aufgrund des Auftragsverhältnisses, das sie mit ihren Kunden*innen bzw. Teilnehmenden verbindet, eine Garantenstellung ein. Die Garantenstellung ergibt sich aus der Sorgfaltspflicht, die die vertragliche Beziehung, die das Mandat darstellt, mit sich bringt (CR-Cassani/Villard, Art. 11 CP N 32 ff.).


Die faktischen Führer*innen nehmen aufgrund ihrer Schutzpflicht, die sich aus der freiwillig eingegangenen Risikosituation ergibt, ebenfalls eine Garantenstellung ein (Art. 11 Abs. 2 Bst. c StGB).

3. Fahrlässige einfache/schwere Körperverletzungen


Gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB wird, wer fahrlässig einen Menschen an Körper oder Gesundheit schädigt, auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Im Falle einer schweren Körperverletzung wird der Verantwortliche von Amts wegen verfolgt (Art. 125 Abs. 2 StGB).


Eine Körperverletzung kann in einer Verletzung des menschlichen Körpers bestehen (Verletzungen wie Brüche, Verstauchungen, Schnitte oder Hämatome) oder in einer Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Gesundheit (krank machen, Krankheit verschlimmern oder Heilung verzögern) (BGE 134 IV 191 E. 1.1, 119 IV 26).


Grundsätzlich wird eine Körperverletzung als schwer eingestuft, wenn die verursachte Verletzung eine unmittelbare Lebensgefahr für das Opfer schafft, wobei es unerheblich ist, ob die Lebensgefahr nur von kurzer Dauer ist. Eine Verletzung ist auch dann schwer, wenn sie zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit, einem dauerhaften Gebrechen oder einer dauerhaften Geisteskrankheit führt (CR-Rémy, Art. 122 CP N 5 ff.). Eine schwere und dauerhafte Entstellung wird ebenfalls als schwere Körperverletzung charakterisiert (BGE 115 IV 19 E. 2a).


Eine einfache Körperverletzung liegt hingegen vor, wenn es sich um eine Verletzung des menschlichen Körpers oder der Gesundheit handelt, die die Kriterien für eine schwere Körperverletzung nicht erfüllt (Art. 123 StGB). Die Verletzung muss also den Zustand des menschlichen Körpers oder der Gesundheit in feststellbarer Weise verschlechtern. Beispiele hierfür sind das Fallenlassen des Opfers, das eine Verstauchung, einen Bruch, eine Schnittwunde, ein Hämatom oder eine andere feststellbare, nicht lebensbedrohliche Beeinträchtigung des menschlichen Körpers verursacht (CR-Rémy, Art. 123 CP N 2 ff.).


Um strafbar zu sein, muss die Fahrlässigkeit noch einen kausalen Zusammenhang mit der verursachten Verletzung aufweisen (BGE 115 IV 199 E. 5b; BGE 133 IV 158 E. 6.1).


Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass im Bergsport, insbesondere beim Bergsteigen, das Risiko von Körperverletzungen mit der Aktivität einhergeht. Bis zu einem gewissen Grad sind Körperverletzungen beim Bergsteigen durch die implizite Zustimmung des Geschädigten gedeckt und gelten daher als rechtmässig (CR-Villard/Corboz, Art. 12 CP N 177). Dies wäre typischerweise der Fall bei leichten Schürfwunden oder Hämatomen, die auf eine ordnungsgemässe Ausübung des Bergsteigens zurückzuführen sind.

4. Fahrlässige Tötung


Nach Art. 117 StGB wird derjenige, der fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft.


Die Straftat besteht darin, fahrlässig gegen eine Sorgfaltspflicht zu verstossen und dadurch den Tod eines anderen zu verursachen.


Zwischen der Fahrlässigkeit und dem Tod des Opfers muss ein Kausalzusammenhang bestehen (BGE 115 IV 199 E. 5b; BGE 133 IV 158 E. 6.1).

C. Die besondere Verantwortung der Bergführer*innen und der Tourenleiter*innen: Garantenstellung aus dem Auftragsverhältnis


Die Bergführer*innen und Tourenleiter*innen nehmen aufgrund des Auftragsverhältnisses eine Garantenstellung ein. Diese Garantenstellung beinhaltet eine Pflicht zum Schutz der Teilnehmenden bzw. eine Pflicht zum Handeln. So können sowohl die Bergführer*innen als auch die Tourenleiter*innen entweder aktiv oder passiv fahrlässig handeln. Im letzteren Fall muss der eine Handlung unterlassen, obwohl die Umstände eine Handlung erfordert hätten (CR-Villard/Corboz, Art. 12 CP N 123 ff.).


Fahrlässigkeit ist nur dann schuldhaft, wenn eine Sorgfaltsregel schuldhaft verletzt wurde. Analog zu der im Zivilrecht dargelegten Sorgfaltspflicht wird die Sorgfaltspflicht anhand der konkreten Umstände bestimmt. So muss in erster Linie geprüft werden, ob Rechts- bzw. Sicherheitsregeln verletzt wurden. Im Einzelnen geht es um die Richtlinien und Gesetze, denen die Bergführer*innen (insbesondere das RiskG und die von privaten Verbänden erlassenen Sicherheitsregeln sowie die allgemeinen Vorsichtsregeln) bzw. die Tourenleiter*innen unterworfen sind. Hierzu zählen insbesondere die Regeln und Richtlinien des Alpenvereins, die Sicherheitsregeln sowie die allgemeinen Vorsichtsregeln. Werden diese Regeln nicht beachtet, wird eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vermutet (BGE 134 IV 255 E. 4.2.3). Sodann werden die konkreten Umstände berücksichtigt, um festzustellen, ob die Sorgfaltspflicht tatsächlich verletzt wurde.


Wie im Zivilrecht geht die Sorgfaltspflicht der Bergführer*innen weiter als jene der Tourenleiter*innen, da sie über eine qualifiziertere Ausbildung verfügen.


Wenn die Bergführer*innen oder die Tourenleiter*innen ihre Sorgfaltspflicht schuldhaft verletzen, werden sie mit einer strafrechtlichen Sanktion belegt.


Als Beispiel für eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht können wir den Fall eines Bergführers anführen, der sich für eine Route entschied, deren potenzielle Gefahr aufgrund des Lawinenrisikos er erkannt hatte, aber keine weiteren Vorkehrungen traf, ausser einem einfachen Test der Schneequalität mit einem Stock, obwohl er ohne zusätzlichen Aufwand und ohne Beeinträchtigung der Tour eine andere, ungefährliche Stelle hätte passieren können. Einer seiner Kunden löste auf dieser Route eine Lawine aus. Der Bergführer wurde der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden, da er ein Risiko eingegangen war, das über das zulässige Mass hinausging, und dadurch seine Sorgfaltspflicht verletzt hatte. Interessant ist, dass das Bundesgericht in seiner Entscheidung die Frage des Mitverschuldens des Opfers untersuchte. Dieses wurde aufgrund der Tatsache verneint, dass der Bergführer keine klaren Hinweise auf die zu befolgende Route gegeben hatte und das Opfer kaum von der Route abwich, die vom Rest der Gruppe begangen wurde. Der Kausalzusammenhang wurde auch nicht durch ein mögliches Fehlverhalten des Opfers unterbrochen, da die Lawine laut Gutachten sehr wohl beim Vorbeigehen der ersten Teilnehmenden hätte ausgelöst werden können. Selbst wenn man also davon ausgehen würde, dass das Opfer nicht genau dem vom Bergführer vorgegebenen Weg gefolgt war, wäre dies keinesfalls die wahrscheinlichste Unfallursache und würde die Verantwortung des Bergführers in den Hintergrund drängen (TF 6_B_275/2015 vom 22. Juni 2016).


Wenn der oben genannte Fall auf den/die Tourenleiter*innen angewendet werden sollte, ist die Verletzung der Sorgfaltspflicht so offensichtlich, dass es zweifellos ebenfalls zu einer Verurteilung kommen würde. Die vom Richter verhängte Strafe wäre jedoch aufgrund der geringeren Sorgfaltspflicht des Tourenleiters niedriger als bei einem Bergführer.

D. Die besondere Verantwortung der faktischen Führer*innen: Garantenstellung im Rahmen eines Wagnisses


Bergführer*innen gelten als faktische Führer*innen, wenn sie nicht im Rahmen der Berufsausübung unterwegs sind oder, wenn sie über mehr Erfahrung als die offiziellen Tourenleiter*innen verfügen. Tourenleiter*innen gelten als faktische Führer*innen, wenn sie nicht im Rahmen einer Tour des Alpenvereins handeln, oder sie über mehr Erfahrung als die offizielle Tourenleiter*innen verfügen. Weitere Personen können aufgrund ihrer Erfahrung als faktische Führer*innen gelten.


Wie bei Bergführer*innen und Tourenleiter*innen ist die Schuld der faktischen Führer*innen nur dann zu bejahen, wenn sie schuldhaft gegen eine Regel der Vorsicht verstossen. Wie bei den erstgenannten wird die Sorgfaltspflicht der faktischen Führer*innen nach den konkreten Umständen bestimmt. Beispiele hierfür sind das Alter und die Erfahrung der faktischen Führer*innen, der Schwierigkeitsgrad der Hochtour, das Niveau der Teilnehmenden usw. Der faktischen Führer*innen muss sich an die Regeln halten, die für die Durchführung der Hochtour gelten.


Die persönlichen Umstände sind also entscheidend, da sich die Frage stellt, ob der Täter aufgrund seiner Kenntnisse die Begehung der Straftat hätte verhindern können. Zur Erinnerung: Der Grad der Vorsicht der Bergführer*innen ist höher als der eines Dritten, der über keinerlei Ausbildung verfügt.

IV. Sozialversicherungsrecht: Leistungskürzung und -verweigerung

A. Der Begriff des Unfalls angewandt auf das Bergsteigen


Dieses Kapitel ist dem Sonderfall der Leistungskürzung und -verweigerung im Bereich des Bergsteigens vorbehalten.


Zur Erinnerung und ganz allgemein: Ein Unfall ist ein unfallbedingter Prozess, der die Gesundheit des Versicherten beeinträchtigt. Der Vorgang und die Beeinträchtigung müssen kausal miteinander verbunden sein (Art. 4 ATSG). Ein Unfall setzt das Eintreten eines aussergewöhnlichen äusseren Faktors voraus, der plötzlich und ohne Zutun des Versicherten eintreten muss (Dupont/Longchamp, S. 296).


Der Begriff des Unfalls wird im Bereich des Bergsports bzw. des Bergsteigens strenger angewendet. Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht hervor, dass das Gericht bei sportlichen Aktivitäten berücksichtigt, dass bei der Ausübung der betreffenden Sportart, z.B. Bergsteigen, das Unfallrisiko höher ist als im Durchschnitt und dass dadurch die Unvorhersehbarkeit des Unfalls verringert wird. Das Gericht prüft daher in einem ersten Schritt, ob der Unfall zu den Risiken gehört, die mit der betreffenden sportlichen Aktivität verbunden sind. In einem zweiten Schritt prüft es, ob der Sportler konkret und unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände vernünftigerweise mit dem Eintreten dieses Unfalls rechnen musste (Dupont/Longchamp, S. 303).


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass je erfahrener die betroffene Person ist und je mehr Risiken sie bei der Ausübung ihres Sports wie dem Bergsteigen eingehen kann, desto weniger wird die Aussergewöhnlichkeit des Unfalls anerkannt. Das Gericht tendiert also generell dazu, einen Unfall im Bereich des Bergsteigens weniger leicht anzuerkennen.

B. Die Kürzung von Leistungen bei grober Fahrlässigkeit


Wenn die versicherte Person den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt hat, hat die Versicherung die Möglichkeit, die Taggelder, die in den ersten zwei Jahren nach dem Unfall ausbezahlt werden, zu kürzen (Art. 37 Abs. 1 UVG, abweichend von der allgemeinen Regelung in Art. 21 Abs. 1 ATSG). Grobe Fahrlässigkeit ist eine Verletzung der elementaren Vorsichtsregeln, die jeder vernünftige Mensch in der gleichen Situation und unter den gleichen Umständen beachtet hätte, um den Eintritt des Unfalls zu vermeiden (BGE 134 V 340 E. 3.1 und BGE 121 V 45 E. 3b). Ein blosses unangemessenes, fehlerhaftes oder kurzsichtiges Verhalten, das nur ein leichtes Verschulden darstellt, führt nicht zu einer Kürzung der Entschädigung (Frésard-Fellay/Kahil-Wolff/Perrenoud, S. 446).


Damit die Versicherung eine Leistungskürzung vornimmt, muss der Kausalzusammenhang zwischen der groben Fahrlässigkeit und dem schädigenden Ereignis gegeben sein (BGE 121 V 45 E. 3a und BGE 118 V 307 E. 2c).


Beispielsweise wenn Tourenleiter*innen es versäumen, das Anbringen von Steigeisen auf einem steilen Gletscher vorzuschreiben, oder wenn Bergführer*innen es versäumen, das Tragen eines Helms an einem Ort mit hohem Steinschlagrisiko vorzuschreiben.

C. Die Kürzung oder Verweigerung von Leistungen bei Wagnissen


Das Rechtssystem der Sozialversicherungen sieht vor, dass bei einem Wagnis die Leistungen um die Hälfte gekürzt und in besonders schweren Fällen verweigert werden können (wichtig ist, dass auch bei einem Wagnis die Rettung einer Person, so unzulänglich sie auch sein mag, gemäss Art. 50 Abs. 2 UVV immer von der Versicherung gedeckt ist; BGE 134 V 340 E. 4.2).


Unter Wagnissen sind Fälle zu verstehen, in denen sich die versicherte Person wissentlich einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne Massnahmen zu ergreifen, um das Risiko zu vermindern (Art. 50 UVV). Das Wagnis muss in einem kausalen Zusammenhang mit dem verursachten Gesundheitsschaden stehen (BGE 138 V 522, E. 6 und 7). Die Reduktion bzw. Verweigerung richtet sich nach der Rolle des Wagnisses für den verursachten Schaden (BGE 126 V 116, E. 5b und BGE 115 V 413).


Das System unterscheidet zwischen absoluten und relativen Wagnissen. Absolute Wagnisse sind gefährliche Aktivitäten, unabhängig von der Ausbildung, der Vorbereitung, der Ausrüstung und den Fähigkeiten der versicherten Person (Ionta, S. 196). Als Beispiele können wir Base-Jumping, Quad-Rennen und bergige Autorennen nennen (Frésard-Fellay/Kahil-Wolff/Perrenoud, S. 449). Relative Wagnisse hingegen sind Aktivitäten, die mit einem hohen Risiko verbunden sind, deren Ausübung aber als zumutbar gilt, wenn der Versicherte bestimmte Anforderungen erfüllt, insbesondere in Bezug auf seine persönliche Eignung (Ionta, S. 196). Somit hängt die Leistungsverweigerung oder -kürzung davon ab, ob die Versicherte für die Ausübung der Tätigkeit geeignet war und die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat, um die Risiken auf ein zulässiges Mass zu beschränken. Wenn die Antwort positiv ist, gilt die Tätigkeit nicht als Wagnis (Art. 39 UVG und 50 UVV; Dupont/Longchamp, S. 308). Als Beispiele für relative Wagnisse können Canyoning (BGE 125 V 312), Tauchen (BGE 134 V 340), Klettern (BGE 97 V 72) sowie Bergsteigen (BGE 97 V 72) genannt werden.


So ist es je nach Schwierigkeitsgrad und Risikoniveau im Einzelfall nicht ausgeschlossen, das Bergsteigen in einem konkreten Fall als Wagnis zu betrachten, das eine Leistungskürzung oder gar -verweigerung seitens der Unfallversicherung zur Folge hat (BG 8C_472/2011 vom 27. Januar 2012, E. 2.3).


In der Praxis ist die vollständige Verweigerung von Leistungen jedoch selten. Ein Beispiel hierfür wäre ein unerfahrener Wanderer, der sich bei schlechtem Wetter und trotz der Warnung von Bergsteiger*innen mit soliden Kenntnissen auf eine sehr schwierige Hochtour begibt (Ionta, S. 201).

D. Die Kürzung oder Verweigerung von Leistungen bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens


Wenn die versicherte Person bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens verunfallt ist, auch wenn dies nicht vorsätzlich geschah (die Kürzung wird jedoch bei vorsätzlicher Begehung höher ausfallen als bei nicht vorsätzlicher; BGE 134 V 227 E. 3.5), können die Leistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden (Art. 21 Abs. 1 ATSG und 37 Abs. 3 UVG). Der Unfall muss sich bei der Begehung einer Straftat ereignen, es ist jedoch nicht erforderlich, dass die strafbare Handlung die Ursache für den verursachten Schaden ist (Frésard-Fellay/Kahil-Wolff/Perrenoud, S. 447).


Wenn also Bergführer*innen bzw. Tourenleiter*innen fahrlässig eine Körperverletzung bzw. den Tod eines Teilnehmenden verursacht haben und in diesem Zusammenhang selbst einen Unfall erleiden, muss mit einer Kürzung bzw. einem Wegfall der Entschädigung durch ihre Versicherungsleistungen gerechnet werden.

V. Spezifische Frage: Sichererer Zugang zur Hütte


Wie wir gesehen haben, tragen die Bergführer*innen und die Tourenleiter*innen alle eine Verantwortung bei der Durchführung einer Hochtour. Aufgrund ihres jeweiligen Ausbildungs- und Wissensstandes ist dieser Grad der Verantwortung mehr oder weniger hoch.


Unabhängig vom Grad der Verantwortung müssen sich die Leiter*innen immer vergewissern, dass sie unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten, der Fähigkeiten der Teilnehmenden und der konkreten Situation mit der gebotenen Sorgfalt handeln. Im Falle eines Unfalls werden sie die Erbrinung der Sorgfalt nachweisen müssen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, die Beweispflicht im Auge zu behalten und die Vorbereitung jeder Tour sorgfältig und schriftlich zu dokumentieren. Während der Tour ist es natürlich sehr schwierig, schriftliche Beweise zu erbringen, aber die Kontrollen und Überlegungen, die während der Tour angestellt werden, können den Gruppenmitgliedern mitgeteilt werden, die dann in einem eventuellen Verfahren über diesen Punkt aussagen können.


Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch die Teilnehmenden eine gewisse Verantwortung tragen. Auch wenn die Verantwortung bei einer von Bergführer*innen geleiteten Tour geringer, bei einer Alpenvereinstour höher und bei faktischen Führer*innen sehr hoch ist, müssen die Teilnehmenden einige grundlegende Kontrollen selbst durchführen und sicherstellen, dass ihre eigene Ausrüstung funktioniert. Ausserdem haben sie eine spontane Informationspflicht, falls ungewöhnliche Probleme auftreten. Es ist daher wichtig, jeden Teilnehmende immer wieder an diese Informations- und Kontrollpflicht zu erinnern.


Auch Bergführer*innen und Tourenleiter*innen müssen ihr Wissen auf dem neuesten Stand halten und an den empfohlenen Fortbildungen teilnehmen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich bestimmte Praktiken ändern, und es ist absolut notwendig, diese zu kennen, da man sonst haftbar gemacht werden kann.


Da sich die Garantenstellung aus schlüssigen Handlungen ergeben kann (TF 6B_301/2010, E. 2.4), sind die Anführer der Tat gut beraten, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und dementsprechend zu handeln. So ist es vor jedem Ausflug von entscheidender Bedeutung, die Rolle jedes Einzelnen und die sich daraus ergebenden Verantwortlichkeiten zu klären, insbesondere im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht und die Notwendigkeit des Nachweises ihrer Einhaltung.