- Einleitung
- Allgemeines
- Begriffsbestimmung
- Klettergarten/Sportkletterrouten
- Alpines Klettern/Mehrseillängenrouten
- Klettersteig
- Kletterlehrer*innen
- Einrichten von Kletterrouten
- Recht auf Routenerschliessung
- Kletterrouten
- Klettergärten und Klettersteige
- Pflicht zur Routensanierung
- Kletterrouten
- Klettergärten und Klettersteige
- Recht auf Routenerschliessung
- Begriffsbestimmung
- Privatrecht
- Grundsatz der Eigenverantwortung
- Haftung aus Verschulden
- Haftungsvoraussetzungen
- Haftung der Kletterpartner*innen
- Haftung der Kletterlehrer*innen
- Haftung der Routenerschliesser
- Werkeigentümerhaftung
- Haftungsvoraussetzungen
- Haftung der Werkeigentümer
- Exkurs künstliche Kletteranlagen
- Vertragliche Haftung und Vertrauenshaftung
- Haftungsvoraussetzungen
- Haftung der Kletterlehrer*innen/Veranstalter
- Haftung des Routenerschliessers/der Betreiber
- Strafrecht
- Sozialversicherungsrecht
- Zusammenfassende Bemerkungen
Literatur
Arter, Oliver/Gut, Eva, Verantwortlichkeit des Veranstalters von Sportanlässen, in: Kleiner, Jan/Baddeley, Margareta/Arter, Oliver (Hrsg.), Sportrecht Band II, Bern 2018, S. 19 ff.; Auckenthaler, Maria/Hofer, Norbert, Klettern und Recht, 2. Aufl., Wien 2011; Brehm, Roland, Berner Kommentar, Art. 58 OR, 5. Aufl., Bern 2021; Brehm, Roland, Berner Kommentar, Art. 41-61 OR, 5. Aufl., Bern 2021; Brunner, Andreas/Vollenweider, Doris, in: Frésard-Fellay, Ghislaine/Leuzinger, Susanne/Pärli, Kurt (Hrsg.), Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz, Basel 2019; Burger, Klaus, Bewusste Risikoübernahme - Rechtsentwicklung zur Eigenverantwortung am Beispiel des Bergsports, SpuRt 4/2007, S. 149 ff.; Christen, Rita, Gutachten bei Bergunfällen, HAVE: Haftung und Versicherung 2015, S. 268 ff.; Ermacora, Andreas, Haftung versus Eigenverantwortung am Berg, in: Büchele, Manfred/Ganner, Michael/Khakzadeh-Leiler, Lamiss/Mayr, Peter G./Reissner, Gert-Peter/Schopper, Alexander (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bergsportrechts, Wien 2016, S. 37 ff. (zit. Ermacora, Eigenverantwortung); Ermacora, Andreas, Mizzi Langer Urteil, bergundsteigen 2/04, S. 16 f. (zit. Ermacora, Mizzi Langer Urteil); Ermacora, Andreas, Haftung und Eigenverantwortung am Berg, in: Dach Europäische Anwaltsvereinigung e.V., Rechtsfragen rund um den Sport, Zürich 2017, S. 1 ff. (zit. Ermacora, Haftung); Feser, Holger/Lustenberger, Erik, Haftungsfragen bei Erstellung und Unterhalt von Kletterrouten, Sicherheit & Recht 1/2014, S. 3 ff.; Fellmann, Walter, Berner Kommentar, Art. 394-406 OR, 5. Aufl., Bern 2021; Gehring, Kaspar, Berner Kommentar, Art. 39 UVG, Bern 2018; Glünkin, Rolf, Kletterregelung im Solothurner Jura, Umweltrecht in der Praxis 2010, S. 381 ff; Häfelin, Ulrich/Müller, Georg/Uhlmann, Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich/St. Gallen 2020; Hinteregger, Monika, Klettern und Recht, in Büchele, Manfred/Ganner, Michael/Khakzadeh-Leiler, Lamiss/Mayr, Peter G./Reissner, Gert-Peter/Schopper, Alexander (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bergsportrechts, Wien 2016, S. 37 ff.; Hügi, Thomas, Sportrecht, Bern 2015; Klaus, Mathis/Meyer, Conrad, Basiswissen Recht, Ein praxisorientierter Leitfaden, 9. Aufl., Zürich 2013; Kocholl, Dominik, Die Schwerkraft vor dem Gesetz. Die Rechtswidrigkeit bei stürzenden Menschen und Steinschlag, bergundsteigen 3/06, S. 18 ff.; Kuonen, Stéphanie, Hochtouren, in: Schneuwly, Anne Mirjam/Müller, Rahel, Bergsportkommentar 2022; Müller, Christoph, Berner Kommentar, Art. 1-18 OR, 5. Aufl., Bern 2021; Müller, Rahel, Vorbemerkungen zu den Bergsportarten, in: Schneuwly, Anne Mirjam/Müller, Rahel, Bergsportkommentar 2022 (zit. Müller, Bergsportkommentar); Müller, Rahel, Haftungsfragen am Berg, Zürich/St. Gallen 2016 (zit. Müller, Haftungsfragen); Müller, Rahel, Wenn der Kletterausflug im Gerichtssaal endet, Sicherheit & Recht 2/2012, S. 101 ff. (zit. Müller, Kletterausflug); Schwenzer, Ingeborg/Fountoulakis, Christiana, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bern 2020; Stark, Emil, Haftpflicht für Kletterhallen, in Mélanges Pierre Engel, Lausanne 1989, S. 393 ff.; Szépfalusi, Csaba, Klettersteig-Guide Österreich, 4. Aufl., Innsbruck 2016; von Känel, Jürg, Zum Bohren und Sanieren von Plaisirrouten. Gedanken und Tipps rund um den Bohrhaken, https://www.filidor.ch/de/verlag/tipps-and-tricks?highlight=bohren%20sanieren (besucht am 17. August 2022); Weber, Rolf H./Emmenegger, Susan, Berner Kommentar, Art. 97-109 OR, 5. Aufl., Bern 2021; Werner, Paul/Kürschner, Iris/Hemmleb, Jochen/Huttenlocher, Thomas, Klettersteigatlas Alpen: Über 900 Klettersteige zwischen Wienerwald und Côte d'Azur, 9. Aufl., München 2022; Winkler, Kurt/Brehm, Hans-Peter/Haltmeier, Jürg, Ausbildung. Bergsport Sommer. Technik/Taktik/Sicherheit, 6. Aufl., Thun/Gwatt 2022.
Materialien
Ad-hoc-Kommission Schaden UVG, Empfehlungen zur Anwendung von UVG und UVV Nr. 5/83 Wagnisse vom 10. Oktober 1983, Totalrevision vom 16. Juni 2010, angepasst per 18. November 2016 und 27. Juni 2018; Beratungsstelle für Unfallverhütung – bfu, Fachbroschüre Kletteranlagen, 2015; Botschaft zu einem Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG) vom 26. September 1983, BBl 1983 IV S. 1 ff.; Bundesamt für Sport BASPO, Sportklettern Ausbildungsstruktur vom 26. Oktober 2017; Re-Bolting Verein für nachhaltiges sanieren und einrichten von Kletterrouten; SAC-Richtlinien Umwelt und Raumentwicklung, Bern 2017.
I. Einleitung
Wer felsklettert, möchte in der Natur sein, sich sportlich betätigen, seine Grenzen austesten. Auch wenn Kletternde davon ausgehen, dass es sie nicht treffen wird, so können doch Felsausbrüche, Materialfehler, Sicherungsfehler oder generell Seilhandlingsfehler zu Unfällen führen. Wer haftet, wenn ein Unfall Verletzungs-, allenfalls sogar tödliche Folgen hat? Liegt die Haftung alleine bei der sichernden Person, oder allenfalls beim Routenerschliesser, weil der Sicherungshaken falsch gesetzt wurde? Ein Unfall kostet sodann schnell mehrere 10’000 Franken: Spital, Rehabilitation, Arbeitsausfall etc. Dabei werden auch die Versicherungen mitreden wollen: wurde ein zu hohes, bzw. vermeidbares Risiko eingegangen? Der Berg gilt nicht mehr als rechtsfreie Zone, so wie das früher vielleicht der Fall war.
II. Allgemeines
Wer am Fels klettert, wird für gewöhnlich auf Kletterrouten, in Klettergärten oder in Klettersteigen unterwegs sein. Bevor auf die Haftungsfragen eingegangen wird, sind ein paar grundsätzliche Aspekte wie Begrifflichkeiten und Fragen betreffend Routenerschliessung und -sanierung zu klären.
A. Begriffsbestimmung
Eine Kletterroute beschreibt die vorgegebene Strecke zum Besteigen eines Berggipfels oder einer Felswand. Eine Kletterroute ist also quasi ein vertikaler Wanderweg. Sie fällt allerdings nicht in den Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über Fuss- und Wanderwege (vgl. Art. 2 und 3 FWG sowie BBl 1983 IV 8).
Der Sammelbegriff Kletterroute umfasst verschiedenste Routenarten: unter anderem alpine Kletterrouten, Sportkletterrouten, Klettergärten oder Klettersteige (vgl. die ausführliche Darstellung in Feser/Lustenberger, S. 7 f.; Müller, Haftungsfragen, Rz. 113).
1. Klettergarten/Sportkletterrouten
Ein Klettergarten besteht aus einer Vielzahl von Sportkletterrouten. Zumeist handelt es sich um Einseillängenrouten, die auch im Toprope geklettert werden können (beim Toprope-Klettern ist das Seil bereits in der Umlenkung eingehängt; der Kletternde kann sich jederzeit ohne Sturz in das Seil setzen oder vom Sicherungspartner*in abgelassen werden). Klettergärten befinden sich in der Regel in gut zugänglichem Gelände (Feser/Lustenberger, S. 7).
Bei Klettergärten kann zwischen eingerichteten und gewachsenen Klettergärten unterschieden werden. Bei Ersteren ist das gesamte Gebiet bzw. die Sektoren planvoll und systematisch erschlossen. Ein gewachsener Klettergarten hingegen entsteht im Laufe der Zeit durch das sukzessive Hinzufügen neuer Routen (Feser/Lustenberger, S. 7; Müller, Kletterausflug, S. 102).
Die Kletterrouten werden in Kletterguides, auf Internetportalen oder teilweise auch direkt am Fels mit Schwierigkeitsgraden versehen. Dabei geht es grundsätzlich darum die Schwierigkeit einer Route zu definieren, um sie im Vergleich mit anderen Routen einordnen zu können. Die Aussagekraft dieser Bewertungen ist aber nur begrenzt und dient mehr einer Orientierung, da zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen, die sich nur bedingt einberechnen lassen: Neigung der Wand, Grösse und Anzahl der möglichen Griffe und Tritte, Felsbeschaffenheit, Ausrichtung, Zustand und Charakter (vgl. die verschiedenen Kletterskalen und ihre Entsprechung: https://www.bergfreunde.de/out/pictures/wysiwigpro/kalkulatoren/pdf/kletterskalen-vergleich-tabelle.pdf, https://www.sac-cas.ch/fileadmin/Ausbildung_und_Wissen/Tourenplanung/Schwierigkeitsskala/Kletterskala-UIAA.pdf, Schwierigkeitsgrade Klettern (kletterportal.ch)). In der Schweiz ist die französische Skala am häufigsten zu finden. Die Schwierigkeitsgrade lassen sich grob in Routen für Anfänger (1-3c+), Fortgeschrittene (4a-6a), Erfahrene (6a+-7a+) und Experten (7b-9c) einteilen.
2. Alpines Klettern/Mehrseillängenrouten
Alpines Klettern oder Mehrseillängenklettern ist eine Unterform des Kletterns, bei der häufig das Erreichen des Berggipfels das Ziel der Begehung ist. Dabei werden mehrere Seillängen hohe Felswände oder Pfeiler beklettert. Alpine Kletterrouten sind oft weniger gut abgesichert als Sportkletterrouten, so dass zu den vorhandenen Haken zusätzliche mobile Zwischensicherungen erforderlich sein können (Feser/Lustenberger, S. 7 und Müller, Haftungsfragen, Rz. 142).
Mehrseillängenrouten werden mit denselben Kletterskalen bewertet wie Sportkletterrouten. In manchen Gebieten findet man aber auch Schwierigkeitsangaben zur technischen Bewältigung eine Passage. Das bedeutet, dass an einer Stelle ein Sicherungspunkt auch zur Fortbewegung genutzt wird (Fortbewegung mit Trittschlingen, Leitern, Nutzung von Expressschlingen als Griff etc.; vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Schwierigkeitsskala_(Klettern)#Technisches_Klettern; https://www.alpenverein-freistadt.at/UIAASkala.htm).
3. Klettersteig
Ein Klettersteig (via ferrata) ist ein mit Eisenleitern, Eisenstiften und Stahlseilen gesicherter Kletterweg im Fels. Der Klettersteig zeichnet sich dadurch aus, dass kein Seilpartner zur Sicherung erforderlich ist, sondern mit einer Selbstsicherung geklettert wird. Zudem können in ein und derselben Route gleichzeitig mehrere Personen klettern. Für das Begehen von Klettersteigen ist je nach Schwierigkeit keine oder nur wenig Klettererfahrung erforderlich (Müller, Haftungsfragen, Rz. 143; Müller, Kletterausflug, S. 102; Winkler/Brehm/Kaltmeier, S. 128).
Auch für Klettersteige gibt es Bewertungsskalen, in welchen Gelände, Sicherung, Können und Ausrüstung erfasst sind (vgl. https://www.berg-freunde.ch/klettersteig-schwierigkeitsgrade-rechner/, https://www.sac-cas.ch/fileadmin/Ausbildung_und_Wissen/Tourenplanung/Schwierigkeitsskala/Klettersteigskala-SAC.pdf). Die gängigste Kategorisierung in der Schweiz ist die «Hüsler-Skala» und geht von K1 (leicht) bis K6 (extrem schwierig).
4. Kletterlehrer*innen
Kletterlehrer*innen mit eidgenössischem Fachausweis unterrichten Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Klettersport. Am Fels oder in der Kletterhalle bringen sie ihrer Kundschaft Materialkunde, Seilhandhabung, Sicherungs- und Klettertechniken bei. Die für die Prüfung erforderlichen Qualifikationen werden in verschiedenen Modulen erworben (vgl. Christen, S. 269; https://sbv-asgm.ch/kletterlehrer-kletterlehrerin/#toggle-id-8). Voraussetzung für die Zulassung zur Ausbildung als Kletterlehrer*in ist u.a. eine absolvierte J&S Ausbildung Sportklettern bis und mit Modul «Zulassung WB2» (vgl. dazu Bundesamt für Sport, S. 2 f.). Die Ausbildung als Kletterlehrer*in ist umfassend. Mit Bestehen der Fachprüfung erlangen Kletterlehrer*innen die Möglichkeit Gruppen- und Einzelunterricht auf verschiedenen Fähigkeitsniveaus zu erteilen (Indoor, Outdoor, Mehrseillängenklettern etc.; vgl. auch https://sbv-asgm.ch/wp-content/uploads/Kletterlehrerausbildung-Schema_Vers._2022.pdf; zur Abgrenzung zu den Bergführer*innen siehe Kuonen, Rz. xx).
B. Einrichten von Kletterrouten
Früher war das Eröffnen einer Kletterroute, die «Erstbegehung» eine Pioniertat. Nur die Besten und Mutigsten wagten sich an unbestiegene Wände. Mit dem Einzug des Sportkletterns Ende der 70er Jahre veränderte sich der Schwerpunkt des Kletterns. Nicht der Berggipfel lockte an den Felsen, sondern die Schwierigkeit der Kletterei als solche. Mit dem Plaisierklettern – dem Klettern in gut abgesicherten Routen im unteren bis mittleren Schwierigkeitsgrad – wurde der Klettersport in den 90er Jahren für die breitere Masse zugänglich. Wie im extremen Klettern – Klettern im mittleren und hohen Schwierigkeitsgrad – sind auch Plaisirkletternde darauf bedacht, in der Natur zu sein und ihre Grenzen auszuloten. Sie sammeln ihre Erfahrung jedoch in leichteren und gut abgesicherten Routen, um ihre Klettertechnik zu verbessern (ausführlich dazu von Känel, S. 1 ff.; so auch Feser/Lustenberger, S. 8).
Nebst dem klassischen Klettern ist in den letzten Jahren ein wahrlicher «Klettersteig-Hype» entstanden. Im Alpenraum gibt es weit über 1000 Klettersteige und jährlich kommen weitere hinzu (Szépfalusi, S. 14). Klettersteige werden oft aus der Überlegung angelegt, den sportlichen Bergtourist*innen eine Herausforderung zu bieten. Initiant*innen sind häufig örtliche Tourismusverbände oder Seilbahngesellschaften (Szépfalusi, S. 14; Werner/Kürschner/Huttelochker/Hemmleb, S. 13, 22).
Die Entwicklung der Kletterei hat dazu geführt, dass viele Kletterrouten, Klettergärten und Klettersteige eingerichtet wurden. Damit entstand auch ein grundsätzlicher Diskurs betreffend Routenerschliessung, Sanierung und Sicherheit.
1. Recht auf Routenerschliessung
a. Kletterrouten
Kletterrouten werden meist von Privatpersonen oder Vereinen durch Einbohren, Einschlagen oder Kleben von Sicherungshaken errichtet. Je nach Route kommen Standplätze und Abseilstellen hinzu. Dies stellt einen Eingriff in Grundeigentum dar (Müller, Kletterausflug, S. 103). Auch wenn nach schweizerischem Recht so genannt kulturunfähiges Land wie Felsen frei betreten werden darf (Art. 664 Abs. 2 ZGB), gestattet dies nicht per se dessen beliebige Verwendung. Das Einrichten einer Kletterroute kann einen schlichten oder einen gesteigerten Gemeingebrauch darstellen (ausführlich zum Gemeingebraucht Häfelin/Müller/Uhlmann, N 2252 ff.).
In Österreich wurde diese Frage in der Literatur sowie in der Rechtsprechung ausgiebig untersucht (vgl. dazu Hinteregger, S. 40 f. m.w.V.). Gemäss österreichischer Literatur und Rechtsprechung ist das Klettern (Klettern, Routenerschliessung, Anbringen von Sicherungsmitteln) von der Wegfreiheit gemäss § 33 Forstgesetz erfasst. § 33 Forstgesetz erlaubt jedermann, ähnlich wie Artikel 664 Absatz 2 ZGB, das Betreten von Wald zu Erholungszwecken. In einem konkreten Fall kam das zuständige österreichische Gericht zum Schluss, dass die Tätigkeit des Kletterns sich nicht wesentlich vom Gehen und Laufen unterscheide, auch wenn verschiedene Sicherungsmittel wie Seil, Schlingen, Karabiner und Haken verwendet werden. Dabei sei nicht nur das Klettern von der Wegfreiheit umfasst, sondern auch das Anbringen von Bohrhaken sowie das Einrichten von Routen durch das Setzen von Haken. Das Urteil wurde von beiden Berufungsinstanzen bestätigt (ausführlich dazu Ermacora, Mizzi Langer Urteil, S. 17; Hinteregger, S 40 f.). Auch nach schweizerischem Recht scheint es sachgerecht, das Einrichten einer Kletterroute als bestimmungsgemässe Nutzung einer Felswand zu bezeichnen. Dass an einer Felswand geklettert werden kann, ergibt sich aus der natürlichen Beschaffenheit. Auch kann die Gemeinverträglichkeit durchaus bejaht werden, da andere Personen nicht von einer zeitgleichen Nutzung des Felsens und seiner Umgebung ausgeschlossen werden. Eine Einwilligung des Grundeigentümers, bzw. eine Bewilligungspflicht des Gemeinwesens kann nach schweizerischem Recht aber erforderlich sein, wenn es sich z.B. um ausgewiesene Schutzzonen (Nationalpark, Jagdbannbezirke, Naturschutzgebiet etc.) oder private Grundstücke handelt (Winkler/Brehm/Kaltmeier, S. 27; von Känel, S. 4).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Erschliessen einer Kletterroute grundsätzlich erlaubt ist. Es entspricht dem geltenden Recht, dass Felsen betreten werden dürfen (Art. 664 Abs. 2 ZGB). Sodann stellt das Erschliessen einer Kletterroute keinen gesteigerten Gemeingebrauch dar. Es bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob eine Einwilligung des Grundeigentümers bzw. eine Bewilligungspflicht des Gemeinwesens erforderlich ist (so auch Feser/Lustenberger, S. 6; Glünkin, S. 386; Müller, Kletterausflug, S. 103).
b. Klettergärten und Klettersteige
Für Klettergärten und Klettersteige gilt grundsätzlich das zuvor Gesagte. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass es sich bei Klettergärten und Klettersteigen um grössere Installationen handelt. Nebst den umfangreicheren Sicherungselementen (insbesondere bei Klettersteigen) werden Klettergärten und Klettersteige auch mit dem Ziel errichtet, diese einer grösseren Anzahl von Sportler*innen zugänglich zu machen. Das führt oft dazu, dass auch die Zustiege besser ausgebaut, eventuell mit Fixseilen, Eisen- oder Holztritten abgesichert werden. Auch das Gebiet am Wandfuss wird aus Sicherheits- und Komfortaspekten ausgebessert (Sicherungen, Rodung von Sträuchern und Gebüsch etc.). Diese Nutzung dürfte in der Regel nicht mehr unter die bestimmungsgemässe Nutzung von Felsen fallen. Im Einzelfall (insbesondere bei Klettersteigen) ist eine Bewilligungspflicht einzuholen: zum einen eine Baubewilligung, zum anderen eine Bewilligung für gesteigerten Gemeingebrauch bzw. für die Sondernutzung (Müller, Kletterausflug, S. 104).
Der österreichische oberste Gerichtshof stellte dazu fest, dass das systematische Anlegen eines Klettergartens (44 Kletterrouten mit 500 fixen Bohrhaken) die traditionelle Nutzung des Gebirges durch die Allgemeinheit übersteigt und folglich eine bewilligungspflichtige Nutzung einer Felswand darstellt (Hinteregger, S. 42). Eine Bewilligungspflicht gibt dem Gemeinwesen die Möglichkeit, eine Interessenabwägung vorzunehmen. Erfahrungen haben gezeigt, dass oftmals Interessen des Umweltschutzes (z.B. Schutzgebiete) für die Erteilung einer Bewilligung mit Auflagen oder sogar gegen die Erteilung einer Bewilligung sprechen können (Müller, Kletterausflug, S. 104). So wurden beispielsweise im Solothurner Jura (Thal und Dorneck) umfassende Kletterregelungen erlassen, damit Klettern, Jagd und Naturschutz miteinander vereinbart und koordiniert werden können (ausführlich dazu Glünkin, S. 381 ff.). Bei Klettergärten und Klettersteigen ist im Zweifelsfall also von einer Bewilligungspflicht auszugehen.
2. Pflicht zur Routensanierung
a. Kletterrouten
Dank einer eingerichteten Kletterroute können Kletternde eine Route begehen. Die bestehenden Haken und Standplätze dienen dabei als Wegweiser und Sicherungspunkte. Weder für die Erschliessung noch für den Unterhalt einer Kletterroute gibt es staatlich oder von Fachverbänden anerkannten Regeln (Feser/Lustenberger, S. 8; Müller, Haftungsfragen, Rz. 116). Es bestehen jedoch (Einrichtungs- und Sanierungs-)Empfehlungen, denen aber (noch) kein Charakter eines anerkannten Standards im Sinne einer Verkehrsnorm zukommt (Auckenthaler/Hofer, S. 61; Burger, S. 151). Das Einrichten einer Route ist auch nicht ausgewiesenen Fachpersonen vorbehalten (Müller, Kletterausflug, S. 106). Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist, dass die Erschliesser einer Kletterroute regelmässig ohne kommerzielles Interesse tätig werden und die Materialkosten selbst tragen (Feser/Lustenberger, S. 13).
Aus Vorgesagtem lässt sich ableiten, dass keine Verpflichtung zur Routensanierung bestehen kann. Eine solche Pflicht wäre realitätsfremd und steht auch in keiner Relation zur wirtschaftlichen Bedeutung einer Kletterroute (Müller, Haftungsfragen, Rz. 132). Hinzu kommt, dass Kletternde allgemein ein Interesse daran haben, dass neue Routen erschlossen werden. Die Routenerschliessung mit einer Unterhaltspflicht zu verknüpfen, stünde dem entgegen. Schliesslich könnte eine Unterhaltspflicht durch die Erschliesser auch schlicht an Faktoren wie klettertechnische Fitness, Alter, Krankheit, Tod, Wohnortwechsel, Aufgabe des Kletterns etc. scheitern (Feser/Lustenberger, S. 14).
b. Klettergärten und Klettersteige
Wie bereits bei der Erschliessung erwähnt, entspricht die Konzeption von Klettergärten und Klettersteigen nicht vollends jener von Kletterrouten. Klettergärten und Klettersteige werden oft mit dem Ziel errichtet, sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 150). Eine Sanierungspflicht kann hier schon eher angenommen werden. Dabei muss auch berücksichtigt werden, wie ein Klettergarten bzw. ein Klettersteig gegen aussen vermarktet wird, ob eine Betreiberin aktiv auftritt oder ein kommerzielles Interesse am Betrieb des Klettergartens bzw. des Klettersteigs besteht.
In Österreich gibt es eine klare Haltung betreffend Sanierungspflicht von Klettergärten und Klettersteigen. Bei gewachsenen Klettergärten (siehe vorstehend N. 13, Ziff. II.B.) gibt es mangels einer vorhandenen Betreiberin keine Sanierungspflicht. Die Routen wurden meist in unterschiedlichen Zeiträumen erstellt. Geklettert wird in Eigenverantwortung. Bei eingerichteten Klettergärten und Klettersteigen tritt hingegen oft eine Organisation wie ein Tourismusverband, eine Gemeinde oder ein alpiner Verein als Betreiberin auf. Diese sind auch für den Erhalt des ordnungsgemässen Zustands verantwortlich. Die Rechtsprechung verlangt dabei eine jährliche Überprüfung sowie die Beseitigung allfälliger Beschädigungen oder Mängel, gegebenenfalls die Sperrung der Klettergärten bzw. Klettersteige (Hinteregger, S. 49 ff.). Zu beachten ist, dass eingerichtete Klettergärten und Klettersteige gemäss österreichischem Recht als Wege bezeichnet werden (§ 1319a ABGB) und der Halter für den ordnungsgemässen Zustand eines Weges verantwortlich ist (Auckenthaler/Hofer, S. 39).
Diese Rechtslage ist nicht per se auf die Schweiz übertragbar, da (eingerichtete) Klettergärten und Klettersteige keine Wege im Sinne des Bundesgesetzes über Fuss- und Wanderwege sind. Ob eine Sanierungspflicht besteht, ist im Einzelfall zu beurteilen, wird aber nie über das Zumutbare hinausgehen können (jährliche Kontrolle, Anbringen von Warnhinweise bei Gefahren, Hinweis, dass Klettergarten nicht unterhalten wird etc.). Schliesslich gilt wie bei Kletterrouten, dass Kletternde ein Interesse daran haben, dass neue Klettergebiete erschlossen und Klettersteige eingerichtet werden. Die Errichtung mit einer Unterhaltspflicht zu verbinden, würde dem entgegenstehen.
III. Privatrecht
Kletterunfälle können unterschiedlichste Ursachen haben: ausbrechende Haken oder Stände (was wiederum natürliche Ursachen [Felsausbrüche etc.] oder menschliches Versagen [unsachgemässe Verwendung des Materials, falsche Platzierung etc.] als Ursache habe kann), Sicherungsfehler des Kletterpartners, Felsausbrüche, Stürze in der Route oder beim Zustieg, fehlerhafte Routenbeschreibung oder fehlerhafte Routenführung (Feser/Lustenberger, S. 4; Müller, Haftungsfragen, Rz. 114). Entsprechend kommen auch verschiedene privatrechtliche Haftungsgrundlagen in Betracht: Haftung aus Verschulden, Werkeigentümerhaftung, vertragliche Haftung, Vertrauenshaftung (Müller, Haftungsfragen, Rz. 118).
A. Grundsatz der Eigenverantwortung
Felsklettern sowie das Begehen von Klettersteigen ist mit Risiken verbunden, die von Kletternden bewusst in Kauf genommen werden. Sie handeln weitgehend eigenverantwortlich bzw. auf eigene Gefahr (Müller, Haftungsfragen, Rz. 24).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein Handeln auf eigene Gefahr vor, wenn sich der oder die Geschädigte absichtlich oder fahrlässig in die konkrete Gefahr begibt, die ihm oder ihr zum Verhängnis wird, oder wenn er oder sie diese Gefahr durch sein bzw. ihr Verhalten absichtlich oder fahrlässig erhöht und damit den Eintritt des schädigenden Ereignisses fördert (Urteil 5A_54/2008 vom 30. April 2008 E. 4.2 mit weiteren Verweisen). Für das Klettern bedeutet das insbesondere, dass Gefahren, die dem Klettern inhärent sind, zu Lasten der Kletternden gehen (Burger, S. 149 ff.; Ermacora, Haftung, S. 3). Daraus folgt, dass sich Kletternde entsprechend vorbereiten, ausbilden, schützen und informieren müssen (Müller, Kletterausflug, S. 109; Feser/Lustenberger, S. 17). Handeln auf eigene Gefahr hat dabei nicht zur Folge, dass Geschädigte keinen Schadenersatzanspruch haben, kann aber zu einer Schadenersatzreduktion oder zu einem Schadenersatzwegfall führen (BK-Brehm, Art. 44 OR N 9 ff.). Es wird also im Einzelfall zu beurteilen sein, wie weit die Eigenverantwortung der Kletternden geht und wie sich diese auf eine mögliche Haftung auswirkt.
B. Haftung aus Verschulden
Wer einem andern widerrechtlich einen Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatz verpflichtet (Art. 41 OR). Voraussetzungen für die Verschuldenshaftung sind ein Schaden, die Kausalität, die Widerrechtlichkeit der Schadenszufügung sowie ein Verschulden des Schädigers. Den Geschädigten kommt dabei die Beweislast zu (Art. 8 ZGB; vgl. auch Urteil 4A_399/2012 vom 3. Dezember 2012 E. 2.1).
1. Haftungsvoraussetzungen
Keine Haftpflicht ohne Schaden! Der Schaden ist conditio sine qua non der Haftpflicht (BK-Brehm, Art. 41 OR N 69, ausführlich dazu N 70 ff.). Liegt kein Schaden vor, sind die übrigen Voraussetzungen von Art. 41 OR bedeutungslos (Urteil 4C_412/2004 vom 23. Februar 2005 E. 4). Bei Kletterunfällen kommen verschiedene Schadensarten in Frage: Personenschaden (alle durch Körperverletzung oder Tötung eines Menschen verursachten materiellen Einbussen), Sachschaden (durch Beschädigung, Zerstörung oder Verlust einer Sache entstandener Schaden) sowie auch Frustrationsschaden (materielle Einbussen aufgrund von bereits getätigtem Aufwand, der aufgrund eines Kletterunfalles obsolet wird; vgl. zum Ganzen Müller, Haftungsfragen, Rz. 49 ff.).
Die Haftung für einen Schaden ist nur gegeben, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg vorliegt (ausführlich dazu BK-Brehm, Art. 41 OR N 103 ff.). Führen mangelhaftes Material (Haken, Kletterausrüstung), falsche Verwendung von Sicherungselementen (bei der Routenerschliessung sowie auch bei der Sicherung der Kletternden) oder auch fehlerhafte Routenbeschreibung oder -führung zu einem Unfall, dürfte die Kausalität in der Regel gegeben sein.
Widerrechtlichkeit liegt grundsätzlich immer vor, wenn absolute Rechtsgüter wie Leib, Leben, Gesundheit, weitere Persönlichkeitsrechte sowie Eigentum oder Besitz verletzt werden (BK-Brehm, Art. 41 OR N 35). Kein absolut geschütztes Rechtsgut ist das Vermögen als solches. Bei einem reinen Vermögensschaden muss mangels einer generellen Schutznorm vorab abgeklärt werden, ob eine besondere Verhaltensnorm verletzt worden ist (Urteil 4A_337/2018 vom 9. Mai 2019 E. 4.1.1). Bei einem Kletterunfall dürfte regelmässig ein absolut geschütztes Rechtsgut betroffen sein, womit die Widerrechtlichkeit grundsätzlich gegeben ist. Geht es lediglich um den Ersatz von Frustrationsschaden, so müsste wohl im Einzelfall überprüft werden, ob eine besondere Verhaltensnorm greift.
Ein Verhalten wird nur dann haftpflichtrechtlich relevant sein, wenn ein Verschulden vorliegt (ausführlich dazu BK-Brehm, Art. 41 OR N 166 ff.). Bei einem Kletterunfall wird kaum von einem absichtlich herbeigeführten (Vorsatz) bzw. einem in Kauf genommenen (Eventualvorsatz) Ereignis die Rede sein. In der Regel wird ein Unfall fahrlässig verursacht.
2. Haftung der Kletterpartner*innen
Geht eine Seilschaft gemeinsam an den Felsen, entstehen wechselseitige Schutz- und Sorgfaltspflichten. Kletterpartner*innen sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung bei der Bewältigung der Tour verpflichtet (Hinteregger, S. 46). Führt ein offensichtliches Fehlverhalten in der Seilschaft zu einem Unfall, dürften die Voraussetzungen von Art. 41 OR in der Regel gegeben sein. Der Sorgfaltsmassstab der Kletterpartner*innen beurteilt sich dabei nach den grundsätzlichen Kletterregeln und Standardmassnahmen. Dem gegenüber zu stellen ist der Grundsatz der Eigenverantwortung (Müller, Kletterausflug, S. 112).
Ist einer der Kletternden der technisch Bessere und Erfahrenere, führt dies nicht per se dazu, dass er oder sie die Verantwortung für die Sicherheit der anderen übernimmt. Gemäss österreichischer Literatur und Praxis können derartige Verpflichtungen aber dann entstehen, wenn ein Kletternder ausdrücklich oder schlüssig die Verantwortung für die Sicherheit der anderen übernimmt (mit Verweisen auf die Rechtsprechung Hinteregger, S. 47). Dies ist dann der Fall, wenn ein erfahrener Kletternder Anfänger*innen auf eine Klettertour mitnimmt und diesen die für sie nicht erkennbaren Schwierigkeiten und Gefahren verschweigt oder sie zu einer Tour überredet, indem die Schwierigkeiten und Gefahren verharmlost werden. In solchen Fällen ist das vom unerfahrenen Kletternden dem kompetenteren Partner entgegengebrachte Vertrauen schutzwürdig. Die Tourenführer*innen «aus Gefälligkeit» werden zwar nicht an den Kenntnissen und Fähigkeiten der professionellen, erwerbsmässig tätigen Bergführer*innen gemessen, aber sie müssen doch einem objektiven Sorgfaltsmassstab genügen. Entscheidend für das Ausmass der zugewiesenen Sorgfaltspflichten ist dabei die durch das vorangegangene Verhalten (Einladen oder Überreden des anderen) geschaffene Vertrauenslage (Hinteregger, S. 47; Ermacora, Eigenverantworung, S. 4 f.). In der Schweiz besteht hierzu noch keine Rechtsprechung. Die Literatur geht aber ebenfalls von weitergehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten der Tourenführer*innen «aus Gefälligkeit» gegenüber den anderen Kletternden, die keine Führungsverantwortung übernehmen, aus (Christen, S. 270). Gemäss der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Gefälligkeit haftet der Gefällige (erfahrene Person) nach den Grundsätzen über die unerlaubte Handlung. Es wird also kein vertragliches oder vertragsähnliches Verhältnis angenommen (Urteil 4A_275/2011 vom 20. Oktober 2011 E. 4.1 und 5.1). Der Gefällige muss dabei nur jene Sorgfalt anwenden, die er für sich selbst beachten würde (sog. eigenübliche Sorgfalt oder diligentia quam in suis; BGE 137 III 539 E. 5.2; Urteil 4A_604/2017 vom 30. April 2018 E. 3.5). Es bleibt abzuwarten, ob sich ein Gericht in einem konkreten Fall für eine weitergehende Schutz- und Sorgfaltspflicht von Klettertourenleiter*innen «aus Gefälligkeit» ausspricht oder der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichts folgt.
3. Haftung der Kletterlehrer*innen
Die Haftung aus Verschulden kommt grundsätzlich auch in Frage, wenn eine Person oder eine Gruppe mit Kletterlehrer*innen unterwegs ist. Eine Haftung kann sich ergeben, wenn Kletterlehrer*innen ihre pflichtgemässe Sorgfalt verletzen, z.B. trotz schlechter Wetterbedingungen eine Klettertour durchführen, unerfahrene Kletternde ungenügend instruieren, korrigieren oder überwachen oder andere Sicherheitsvorkehrungen missachten (Müller, Kletterausflug, S. 111 f.; Winkler/Brehm/Kaltmeier, S. 111). Der Umfang dieser Sorgfaltspflichten bemisst sich an den besonderen Umständen des Einzelfalles und darf den Rahmen des Zumutbaren nicht übersteigen (Hinteregger, S. 45 m.w.V.; Ermacora, Haftung, S. 3). Ebenso ist die Eigenverantwortung der Kletternden zu beachten (Müller, Kletterausflug, S. 112).
Klettern mit mehr als einer Seillänge sowie das Begehen von Klettersteigen gelten als Risikoaktivitäten im Sinne des Risikoaktivitätengesetzes (Art. 3 Abs. 1 Bst. f und h RiskV). Sobald Kletterlehrer*innen Mehrseillängenrouten mit Kundschaft durchführen, sind zum einen eine anerkannte Ausbildung sowie eine Bewilligung erforderlich (Art. 3 RiskG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 4 RiskV). Zum anderen konkretisiert das Gesetz verschiedene Sorgfaltspflichten, die bei der Prüfung einer allfälligen Verschuldenshaftung zum Tragen kommen (beispielsweise die Aufklärungspflicht betreffend besondere Gefahren, die Überprüfung des Leistungsvermögens der Kundschaft oder die Sicherstellung, dass das Material mängelfrei ist und die Installationen in einem guten Zustand sind; vgl. Art. 2 Abs. 2 RiskG).
Auch wenn das Risikoaktivitätengesetz nur das Klettern mit mehr als einer Seillänge sowie das Begehen von Klettersteigen als Risikoaktivitäten definiert, folglich für Kletterkurse in Klettergärten weder eine anerkannte Ausbildung als Kletterlehrer*in noch eine Bewilligung erforderlich sind (Christen, S. 269), dürften die in der Risikoaktivitätenverordnung genannten Sorgfaltspflichten für Kletterlehrer*innen bei sämtlichen Klettertätigkeiten greifen. Auch im Bereich des Sportkletterns scheint es angemessen und zumutbar, dass Kletterlehrer*innen eine Aufklärungspflicht zukommt, dass das Leistungsvermögen der Kundschaft sowie auch die Mängelfreiheit des Materials überprüft werden sollten. Da für den Bereich des Sportkletterns keine anerkannte Ausbildung erforderlich ist, dürften die Sorgfaltspflichten allenfalls etwas geringer ausfallen.
4. Haftung der Routenerschliesser
Damit eine Haftung der Routenerschliesser nach Art. 41 OR greifen kann, muss zum einen bekannt sein, wer die Erschliesser sind (und dass dieser noch lebt) und wann die Route allenfalls saniert wurde. Darüber hinaus muss bewiesen werden, dass die Kletterroute in pflichtwidriger Weise mangelhaft angelegt und/oder unterhalten wurde (Müller, Haftungsfragen, Rz. 116, 120). Wie zuvor ausgeführt, gibt es für die Routenerschliessung keine staatlich oder von Fachverbänden anerkannte Regeln. Auch ist die Erschliessung einer Route nicht Fachpersonen vorbehalten (siehe vorstehend Rz. 21, Ziff. III.B.2.a). Aufgrund dessen sowie der Tatsache, dass mit der Erschliessung einer Kletterroute keine kommerziellen Interessen verfolgt werden, lässt sich folgern, dass Kletternde grundsätzlich kein berechtigtes Vertrauen in die Sicherheit einer Kletterroute haben dürfen. Unter dem Titel der Eigenverantwortung haben Kletternde die Sicherheit einer Kletterroute sowie ihre eigenen Fähigkeiten zu hinterfragen. Der Nachweis eines Verschuldens seitens des Routenerschliessers dürfte kaum möglich sein (Müller, Haftungsfragen, Rz. 120, 123; Müller, Kletterausflug, S. 104).
Bei Klettergärten und insbesondere Klettersteigen ist die Sachlage etwas differenzierter zu betrachten. Wie vorerwähnt, werden Klettergärten und Klettersteige oft mit der Absicht angelegt, diese einem breiteren Publikum zu öffnen. Werbung für einen Klettersteig oder einen Klettergarten, Wegweiser zum Einstieg, Hinweistafeln und insbesondere «Offen-Schilder» können die Sicherheitsanforderungen an die Erschliesser bzw. Sanierer beeinflussen respektive anheben. Erhöhte Sicherheitsanforderungen ergeben im Umkehrschluss, dass die Hürde für eine pflichtwidrige Unsorgfalt tiefer angesiedelt sind und bereits kleinere Pflichtwidrigkeiten ein Verschulden begründen können (Müller, Haftungsfragen, Rz. 147; Müller, Kletterausflug, S. 105).
5. Haftung von Dritten
Kletterunfälle können auch durch Dritte verursacht werden, z.B. wenn ein Wanderweg oberhalb einer Kletterroute verläuft und Wanderer Steine auslösen, welche in die Kletterroute stürzen, oder aber wenn sich mehrere Seilschaften in einer Kletterroute befinden und die erste Seilschaft Steinschlag verursacht. Dasselbe gilt für Klettersteige, wo sich üblicherweise mehrere Personen gleichzeitig im Klettersteig befinden. Auch in diesen Fällen kommt eine Haftung gemäss Art. 41 OR in Frage. Diese wird aber wiederum davon abhängen, dass das Verschulden nachgewiesen werden kann.
Es gibt bereits Rechtsprechung betreffend das vorwerfbare Auslösen von Lawinen, welche den Tod von Personen zur Folge hatten (vgl. die Hinweise auf die Urteile in Müller, Haftungsfragen, Rz. 273). Es sind also durchaus Konstellationen denkbar, in welchen das Verhalten von Drittpersonen zu einer haftungsbegründenden Schädigung führen kann. Insbesondere wenn sich mehrere Personen oder Seilschaften in derselben Kletterroute oder in einem Klettersteig befinden, dürfte die Eigenverantwortung aber stark ins Gewicht fallen. So müsste es für Kletternde klar sein, dass beispielsweise die Steinschlaggefahr grösser ist, wenn eine Seilschaft in derselben Route klettert oder aber viele Personen nah beieinander in einem Klettersteig stehen. Kletternde müssen das Risiko abwägen und notfalls auf einen Einstieg in dieselbe Route verzichten, oder abwarten, bis genügend Abstand vorliegt.
C. Werkeigentümerhaftung
Der Eigentümer eines Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den dieses infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Instandhaltung verursacht (Art. 58 Abs. 1 OR). Voraussetzungen sind wiederum ein Schaden, die Kausalität sowie die Widerrechtlichkeit der Schadenszufügung. Anders als bei der Verschuldenshaft handelt es sich bei der Werkeigentümerhaftung um eine Kausalhaftung, bei welcher der Schaden verschuldensunabhängig durch ein mangelhaftes Werk entsteht.
2. Haftungsvoraussetzungen
Betreffend Schaden, Kausalität und Widerrechtlichkeit wird auf die Ausführungen bei der Verschuldenshaftung verwiesen (siehe vorstehend Rz. 30, Ziff. III.B.1). Nachfolgend wird ausschliesslich auf den Werkbegriff sowie die Mangelhaftigkeit näher eingegangen.
Ein Werk i.S.v. Art. 58 OR ist ein materielles Objekt, das von Menschenhand gestaltet worden und mit dem Erdboden direkt oder indirekt fest verbunden ist (BK-Brehm, Art. 58 OR N 26). Eine Kletterroute entsteht durch das Anbringen bleibender Elemente im Felsen (Kletterhaken, Standplätze etc.), welche die Routenführung bzw. den Weg vorgeben. Die Ansichten, ob die Werkeigenschaften erfüllt sind, gehen auseinander (dafür: BK-Brehm, Art. 58 OR N 45; Müller, Kletterausflug, S. 106; Müller, Haftungsfragen, Rz. 125; Stark, S. 398 f.; dagegen: Feser/Lustenberger, S. 14 f.). Vorliegend wird davon ausgegangen, dass eine Kletterroute zumindest dann ein Werk darstellt, wenn diese mit fixen Bohr- oder Klebehaken sowie Zwischen- und Abseilständen versehen ist. Bei sogenannten Clean-Kletterrouten (Klettern ohne Bohrhaken mit mobilen Sicherungsmitteln, die wieder entfernt werden) dürfte der Werkbegriff nicht erfüllt sein. Bei Klettergärten und insbesondere bei Klettersteigen handelt es sich sodann um grössere Installationen, die von Menschenhand gestaltet sind und direkt mit dem Erdboden bzw. dem Felsen verbunden sind, womit der Werkbegriff klar erfüllt sein dürfte (Müller, Haftungsfragen, Rz. 149; Schwenzer/Fountoulakis, Rz. 53.25; SAC-Richtlinien Umwelt und Raumentwicklung, S. 20).
Die Beurteilung der Mangelhaftigkeit erfolgt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Dabei kommt der Zweckbestimmung des Werkes vorrangige Bedeutung zu (Schwenzer/Fountoulakis, Rz. 53.24; BK-Brehm, Art. 58 OR N 54 ff.). Eine Sicherungspflicht besteht zudem nur, soweit diese verhältnismässig und zumutbar ist (Schwenzer/Fountoulakis, Rz. 53.26; BK-Brehm, Art. 58 OR N 54a). Das Bundesgericht besagt ergänzend, dass sich die Sicherheit eines Werkes auch am bestimmungsgemässen Gebrauch bemisst (Urteil 4C_386/2004 vom 2. März 2005 E. 2.1; Urteil 4A_612/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.3). Dies stellt wiederum auf den jeweiligen Benutzerkreis ab, wobei der Werkeigentümer mit einem vernünftigen und dem allgemeinen Durchschnitt entsprechenden vorsichtigen Verhalten rechnen darf (Müller, Haftungsfragen, Rz. 80, 88; Schwenzer/Fountoulakis, Rz. 53.25).
Die Zweckbestimmung einer Kletterroute besteht darin, den Kletternden die Möglichkeit zu bieten, die Route zu klettern und dabei die bestehenden Haken/Standplätze zu benutzen. Wie bereits erwähnt, müssen Kletternde die Qualität und Sicherheit einer Kletterroute hinterfragen. Es steht den Kletternden zudem frei, zusätzliche Sicherungsvorrichtungen (Klemmkeile, Friends) anzubringen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 127 ff.). Bei Klettergärten und Klettersteigen weicht die Zweckbestimmung von jener der Kletterroute ab. Klettergärten und insbesondere Klettersteige werden mit dem Zweck erstellt, diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Müller, Kletterausflug, S. 107; ausführlich dazu Müller, Haftungsfragen, Rz. 150 ff.). Aber auch dies befreit Kletternde nicht davon, die Verhältnisse vor Ort und den Zustand der verwendeten Materialien zu hinterfragen. Gerade bei gut besuchten Klettergärten und Klettersteigen können Materialermüdungen und Materialverschleiss rascher vorkommen als in Kletterrouten (z.B. eingekerbte Karabiner aufgrund von Seilrieb).
Betreffend Verhältnismässigkeit und Zumutbarkeit einer Sicherungspflicht wird im Einzelfall zu beurteilen sein, welche Massnahmen ergriffen werden müssen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 130 f.; Feser/Lustenberger, S. 15). Es gilt zu berücksichtigen, dass Routenerschliesser keiner Ausbildungspflicht unterstehen und die Erschliessung einer Kletterroute nicht gesetzlich reglementiert ist. Es darf aber erwartet werden, dass beim Einrichten einer Kletterroute konkret erkennbare Gefahren berücksichtigt werden (Vermeiden von brüchigem Gestein und fragilen Platten, sinnvolle Hakensetzung). Eine Sanierungspflicht kann nicht angenommen werden (siehe vorstehend N. 22, Ziff. II.B.2.a). Angesichts der Zweckbestimmung sowie der wirtschaftlichen Bedeutung von Klettergärten und Klettersteigen (siehe auch vorstehend Rz. 23 ff., Ziff. II.A.2 und II.B.2) sind weitergehende Massnahmen in Bezug auf Erschliessung und Unterhalt zumutbar. Die in Österreich als zumutbar erachteten Massnahmen scheinen auch für die Schweiz tragbar: eine jährliche Überprüfung der Anlagen; zusätzliche Kontrollen nach Unwettern; Information, allenfalls Wegsperrung, falls keine Kontrolle durchgeführt werden kann oder der Klettergarten bzw. Klettersteig bereits lange nicht mehr kontrolliert wurde (Hinteregger, S. 50; so auch Müller, Haftungsfragen, Rz. 156).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kletterende, die eine Kletterroute begehen – sei dies in einem Klettergarten, in einem Klettersteig oder einer alpinen Route – eigenverantwortlich handeln. Es darf nicht auf die Mangelfreiheit einer Route vertraut werden (siehe vorstehend Rz. 28, Ziff. III.A). Die Eigenverantwortung wird dort geschmälert, wo die Kletternden berechtigterweise in die Mangelfreiheit vertrauen dürfen, beispielsweise die Sicherungen eines Klettersteigs, die gerade auf dem Prinzip beruhen, dass keine weiteren Sicherungen angebracht werden müssen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 158).
2. Haftung der Werkeigentümer
Haftbar für ein mangelhaftes Werk sind die Werkeigentümer. Es stellt sich also vorab die Frage nach der Passivlegitimation. Sachenrechtliche Eigentümer von kulturunfähigem Land und somit von dem im Felsen verbauten Material (Bohrhaken, Stände) sind regelmässig die Gemeinwesen (Art. 644 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 671 Abs. 1 ZGB). Die Erschliessung und allenfalls Sanierung von Kletterrouten erfolgen aber zumeist nicht im Auftrag der Gemeinwesen, sondern resultieren aus der Eigeninitiative von Privatpersonen. Auch wenn heute in vielen Fällen in Kletterguides sowie auf Internetportalen (siehe https://www.rebolting.ch) Routenersteller, Erschliessungsjahr sowie Informationen betreffend Routensanierung bekannt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Personen auch Werkeigentümer sind. Zieht man den Zweck einer Kletterroute, das Interesse der Erschliesser sowie auch der Gemeinwesen in Betracht, erscheint es problematisch, sowohl Erschliesser als auch Gemeinwesen als Werkeigentümer zu betrachten (Müller, Haftungsfragen, Rz. 136). Bei Klettersteigen und Klettergärten dürften schon eher Werkeigentümer auszumachen sein. Gerade Klettersteige oder Klettergärten bei Bergbahnen oder Hütten haben oft gegen aussen wahrnehmbare Betreiber (vgl. z.B. https://www.engelberg.ch/sommer/klettersteige-klettern/klettersteige, https://grindelwald.swiss/de/sommer/sehen-und-erleben/wandern/klettersteige/, https://www.valais.ch/de/aktivitaeten/sommersport/klettersteige, https://jungfrauregion.swiss/de/sommer/sehen-und-erleben/aktivitaeten/klettern/klettergarten-riggli/). In diesen Fällen dürfte wohl eine Passivlegitimation der Betreiber angezeigt sein, auch wenn diese nicht Grundeigentümer sind (vgl. zum Auseinanderfallen von sachenrechtlichem und haftpflichtrechtlichem Eigentum BK-Brehm, Art. 58 OR N 5 ff.). Bei Klettergärten ohne wahrnehmbare Betreiber dürften wohl eher die Gemeinwesen passivlegitimiert sein (Müller, Haftungsfragen, Rz. 159).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Anspruch von in Kletterrouten verunfallten Kletternden gegen Werkeigentümer wohl kaum durchsetzbar sein wird. Sollten Werkeigentümer auszumachen sein, dürfte eine Haftung an den Kriterien der Zweckbestimmung der Kletterroute, der Zumutbarkeit von Sicherungsmassnahmen und der Eigenverantwortung der Kletternden scheitern. Im Zusammenhang mit Informationen in Kletterguides und auf Webseiten betreffend Routenerschliessung, Absicherung, Sanierung, Felsqualität etc., ist zu berücksichtigen, dass diese Informationen oft nicht vom Routenerschliesser zur Verfügung gestellt werden. Auch daraus lässt sich kein Anspruch auf Mängelfreiheit der Kletterroute ableiten (so auch Müller, Haftungsfragen, Rz. 137).
Bei Klettersteigen und Klettergärten dürften regelmässig Betreiber als Werkeigentümer auszumachen sein. Aufgrund der abweichenden Zweckbestimmung ist auch die Hürde des Werkmangels tiefer. Aber auch bei Klettergärten und Klettersteigen greifen die Kriterien der Zumutbarkeit von Sicherungsmassnahmen und der Eigenverantwortung der Kletternden. Eine Haftung der Werkeigentümer*innen wird nur bei groben Mängeln greifen (vgl. auch Müller, Kletterausflug, S. 109).
3. Exkurs künstliche Kletteranlagen
Mit der rasanten Entwicklung des Sportkletterns gewinnen auch künstliche Kletteranlagen (Kletterhallen, Kletterwände auf Spielplätzen oder in Sporthallen etc.) an Bedeutung. Bei künstlichen Kletteranlagen handelt es sich eindeutig um Werke im Sinne der Werkeigentümerhaftung. Auch wird es ein Einfaches sein, Betreiber von Sportanlagen auszumachen. Eigentümer bzw. Betreiber einer künstlichen Kletteranlage haben folglich alle notwendigen und zumutbaren Vorsichtsmassnahmen zu treffen, um einen Schaden zu vermeiden. Die Normenreihe DIN EN 12572 definiert zudem Mindestanforderungen an künstliche Kletteranlagen und deren Sicherungspunkte sowie an Boulderwände und Klettergriffe (vgl. auch Beratungsstelle für Unfallverhütung, S. 2). Eine Werkeigentümerhaftung dürfte bei künstlichen Kletteranlagen eher in Frage kommen, da es klare Anforderungen und Sicherheitsstandards gibt, die eingehalten werden müssen. Aber auch bei künstlichen Kletteranlagen wird grundsätzlich in Eigenverantwortung geklettert und ein Restrisiko bleibt bestehen. Erfolgt die Benutzung einer künstlichen Kletteranlage gegen Entgelt wird auch eine vertragliche Haftung zu prüfen sein (siehe dazu nachfolgend Rz. 54).
D. Vertragliche Haftung und Vertrauenshaftung
Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung sind das Vorliegen eines Vertrags, ein Schaden, eine Vertragsverletzung, die Kausalität sowie das Verschulden. Die vertragliche und die ausservertragliche Haftung stehen in Anspruchskonkurrenz.
1. Haftungsvoraussetzungen
Betreffend Schaden, Kausalität und Verschulden kann grundsätzlich auf die Ausführungen zur Verschuldenshaftung verwiesen werden (siehe vorstehend Rz. 30 ff., Ziff. III.B.1). Im Unterschied zur ausservertraglichen Haftung gilt bei der vertraglichen Haftung eine Beweislastumkehr. Das Verschulden wird vermutet (Klaus/Meyer, S. 389 f.). Dem Schuldner obliegt der Exkulpationsbeweis (Art. 97 Abs. 1 OR).
Das Zustandekommen einer vertraglichen Verpflichtung erfordert die übereinstimmenden gegenseitigen Willensäusserungen der Parteien (BK-Müller, Art. 1 OR N 195). Konkret bedeutet dies eine ausdrückliche oder konkludente gegenseitige Willensäusserung, Konsens, Einigung in den wesentlichen Vertragspunkten und die Geschäftsfähigkeit der Parteien (Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit). Ebenso muss die Einhaltung allfälliger Formvorschriften beachtet werden (ausführlich dazu Schwenzer/Fountoulakis, Rz. 27.01 ff.). Kann die Erfüllung einer Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle (Art. 97 Abs. 1 OR). Auch wenn sich Artikel 97 OR auf alle Obligationen erstreckt, so geht es dabei primär um Verpflichtungen, die vertraglich begründet wurden. Die Pflichtverletzung im Sinne von Artikel 97 OR ist im Regelfall gleichbedeutend mit einer Vertragsverletzung.
Nebst den vertraglich vereinbarten Leistungen bedürfen die Sorgfaltspflichten als Kernelement der vertraglichen Nebenpflichten besonderer Erwähnung (BK-Werner/Emmenegger, Art. 97 OR N 25 ff.). Schadenersatz wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten (so genannte Vertrauenshaftung) setzt nicht zwingend ein Vertragsverhältnis voraus. Damit ein Anspruch entsteht, bedarf es einer rechtlichen Sonderverbindung, der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit zum Vertragsabschluss, der Begründung von schutzwürdigem Interesse sowie treuwidriger Enttäuschung des Vertrauens. Die Vertrauenshaftung ist zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt.
Das Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen jedoch an strenge Voraussetzungen. Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird (Urteil 4A_299/2015 vom 2. Februar 2016 E. 3.3 m.w.V). In Bezug auf das Felsklettern kann dabei vor allem an Informations-, Aufklärungs- oder Warnpflichten zugunsten von Kletternden gedacht werden (vgl. auch Müller, Haftungsfragen, Rz. 102).
2. Haftung der Kletterlehrer*innen/Veranstalter
Wenn eine Person oder eine Gruppe mit Kletterlehrer*innen unterwegs ist, kann ein Vertragsverhältnis (Auftrag nach Art. 394 OR) angenommen werden. Als Beauftragte schulden Kletterlehrer*innen sowie auch Veranstalter Sorgfalt und Treue. Sie werden dem Gast gegenüber ersatzpflichtig, wenn dieser durch unsorgfältig oder treuwidrige Besorgung des Auftrags geschädigt wird (BK-Fellmann, Art. 394 OR N 216 ff.). Die vertraglich geschuldete Leistung von Kletterlehrer*innen bzw. Veranstaltern besteht also darin, dass die Klettertour einwandfrei vorbereitet und geführt wird. Dies unter bestmöglicher Vermeidung aller Gefahren für die Gäste (Müller, Haftungsfragen, Rz. 295). Wie bereits vorhergehend erwähnt, gelten das Klettern mit mehr als einer Seillänge sowie das Begehen von Klettersteigen als Risikoaktivitäten im Sinne des Risikoaktivitätengesetzes (vgl. vorstehend Rz. 37, Ziff. III.B.3). Das Gesetz begründet keinen eigenen Haftungstatbestand, konkretisiert aber verschiedene Sorgfaltspflichten, die bei der Prüfung einer allfälligen Sorgfaltspflichtverletzung herangezogen werden können (vgl. Art. 2 Abs. 2 RiskG).
Kletterlehrer*innen haften folglich, wenn sie ihre pflichtgemässe Sorgfalt verletzen, beispielsweise trotz schlechter Wetterbedingungen eine Tour durchführen, unerfahrene Kletternde ungenügend instruieren, korrigieren oder überwachen (vgl. auch die Sorgfaltspflichten gemäss Art. 2 Abs. 2 RiskG; vgl. auch Winkler/Brehm/Kaltmeier, S. 111). Betreffend eine mögliche Haftung des Veranstalters werden vor allem die Auswahl, Überwachung und Instruktion der Kletterlehrer*innen und die Auswahl der Klettertouren sowie der Tourenbeschrieb massgeblich sein (Müller, Kletterausflug, S. 112). Die Eigenverantwortung der Kletternden wird den Sorgfaltspflichten der Kletterlehrer*innen bzw. der Veranstalter aber immer gegenüber zu stellen sein.
3. Haftung des Routenerschliessers/der Betreiber
Bei einer einzelnen Kletterroute sind kaum Fälle denkbar, in welchen ein Vertragsverhältnis oder eine rechtliche Sonderverbindung (Vertrauenshaftung) zwischen den Kletternden und dem Routenerschliesser bzw. -sanierer besteht (Müller, Haftungsfragen, Rz. 138).
Es gibt aber Klettersteige und Klettergärten, die nur gegen Entgelt oder z.B. Vereinsmitgliedern offenstehen (z.B. der Klettergarten Palestra di Roccia in Belinzona https://www.ticino.ch/it/commons/details/Palestra-di-Roccia-San-Paolo/85221.html). In solchen Fällen kann von einem Vertragsverhältnis ausgegangen werden. Die Anforderungen an die vertraglich begründeten Verkehrssicherungspflichten entsprechen in etwa denen der Werkeigentümerhaftung (Müller, Haftungsfragen, Rz. 162; Müller, Kletterausflug, S. 111). Soweit es zumutbar und verhältnismässig ist, darf davon ausgegangen werden, dass die Betreiberin den Klettersteig bzw. den Klettergarten regelmässig, allenfalls nach Unwettern zusätzlich überprüft, Informationen, wenn nötig Wegsperrungen anbringt.
E. Würdigung
Die Frage der Haftung wird immer von einer strengen Einzelfallbeurteilung abhängen. Dem Prinzip der Eigenverantwortung kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Nur bei groben Sorgfaltspflichtverletzungen wird eine Haftung begründet werden können.
Der Entwicklung des Klettersports zum Breitensport muss allerdings auch bei der vertraglichen und ausservertraglichen Haftung Rechnung getragen werden. Verglichen mit früher klettern heute viele Personen mit unterschiedlichsten Ambitionen und Niveau. Über diverse Kanäle (Kletterguides in Buchform oder online, Webseiten, Kletterapps etc.) ist eine Vielzahl von Informationen betreffend Kletterrouten, Felsqualität, Sicherungsstandards, Sanierung etc. verfügbar. Nicht immer ist erkennbar, ob es sich um persönliche Ansichten oder um offizielle Informationen handelt. Klar scheint aber, dass sich Kletternde bis zu einem gewissen Grad auf diese Informationen verlassen und auf deren Richtigkeit vertrauen dürfen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass diejenigen, die Informationen zu Kletterrouten, Klettergärten und Klettersteigen veröffentlichen eine Verantwortung gegenüber ihren Nutzern übernehmen. Um allfällige Haftungsansprüche auszuschliessen, scheint es massgeblich, dass die Personen/Organisationen, die Informationen veröffentlichen, klarstellen, in welcher Rolle diese Informationen generiert werden (rein persönliche Wahrnehmung; Verein, der quasi offiziell Routen bewertet und/oder saniert; Verlag, der Kletter- und Klettersteigguides in Papierform und online gegen Entgelt anbietet; Betreiberin, die über Öffnung des Klettersteigs informiert; etc.). Um die Kletternden an ihre Eigenverantwortung zu erinnern, sollten diese Informationen immer mit einer allgemein anerkannten und aussagekräftigen Skala für die Ernsthaftigkeit der Kletterei ergänzt werden.
IV. Strafrecht
Kletterunfälle können nebst zivilrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Dabei stehen die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung [Art. 122-125 StGB], Tätlichkeiten [Art. 126 StGB] und schlimmstenfalls auch vorsätzliche oder fahrlässige Tötung [Art. 113 und 117 StGB]) im Vordergrund. Ebenfalls ist die Rettungspflicht (Art. 128 StGB) zu beachten.
A. Voraussetzungen der Strafbarkeit
Strafbarkeitsvoraussetzungen sind grundsätzlich die Tatbestandsverwirklichung (objektiver und subjektiver Tatbestand), die Rechtswidrigkeit und die Schuld.
Die Erfüllung des objektiven Tatbestands, namentlich die Verletzung von Leib und Leben, sowie auch die Schuldfähigkeit des Täters (Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, Art. 19 Abs. 1 StGB) dürften bei Sportunfällen normalerweise gegeben sein. Zu prüfen sind der subjektive Tatbestand und die Rechtswidrigkeit (Hügi, Rz. 19; Arter/Gut, S. 93).
Wenn von einem Unfall gesprochen wird, darf davon ausgegangen werden, dass Fahrlässigkeit (Art. 12 Abs. 3 StGB) oder höchstens Eventualvorsatz (der Eintritt des Erfolgs wird für möglich erachtet und in Kauf genommen, vgl. dazu BGE 134 IV 26 E. 3.2.2) in Frage kommen. Ob Eventualvorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegen, hängt unter anderem von der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung ab und davon, wie leicht sich das dem Täter bekannte Risiko realisieren kann. Bei der Festlegung des zulässigen Verhaltens und der zu respektierenden Sorgfaltspflicht sind insbesondere auch die einschlägigen «Spielregeln» von Bedeutung. Je klarer die Verhaltens- und Spielregeln verletzt werden, desto weniger kann von der Verwirklichung eines dem Sport inhärenten Risikos gesprochen werden, was eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters begründen kann (Hügi, Rz. 22; Arter/Gut, S. 101; Kocholl, S. 22).
Wie bei der zivilrechtlichen Haftung fehlt es auch bei strafrechtlichen Tatbeständen an der Rechtswidrigkeit, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Bei sportlichen Tätigkeiten ist insbesondere die Einwilligung der Sportler*innen in das dem Sport inhärente Risiko und damit das Bewusstsein, verletzt werden zu können, zu betrachten (Hügi, Rz. 23; Arter/Gut, S. 101). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann dann nicht mehr von einer Einwilligung ausgegangen werden, wenn eine Verhaltens- oder Spielregel, die den Schutz der Sportler*innen bezweckt, absichtlich oder in grober Weise missachtet wird (BGE 134 IV 26 E. 3.2.4; BGE 121 IV 249 E. 4).
B. Strafbarkeit der Kletterpartner*innen
Von einem strafrechtlich relevanten Verhalten der Kletterpartner*innen darf dann ausgegangen werden, wenn die geltenden Kletterregeln klar verletzt werden. Dabei kann es sich um ein fahrlässiges Verhalten des Sichernden (Bremshandfehler, Unaufmerksamkeit, falsches Handling des Sicherungsgeräts etc.) sowie auch des Kletternden handeln (nicht Einhängen der Sicherungshaken, zu dichtes Nachklettern bzw. Nebeneinanderklettern, Verwendung eines erkennbaren oder bekanntermassen lockeren Felsblocks etc.).
Auch auf Klettersteigen sind Konstellationen denkbar, welche strafrechtlich relevant sein können. So gilt beispielsweise die Empfehlung, dass sich immer nur eine Person zwischen zwei Verankerungen befinden darf (Winkler/Brehm/Kaltmeier, S. 132). Trotzdem wird oft zu dicht hintereinander geklettert. Rechtswidrig handelt hier der zu schnell Nachkommende und nicht der Stürzende (Kocholl, S. 20).
C. Strafbarkeit der Kletterlehrer*innen
Auch Kletterlehrer*innen werden sich dann strafrechtlich verantworten müssen, wenn ihnen ein strafrechtlich relevantes Verhalten subjektiv nachgewiesen werden kann und dieses Verhalten rechtswidrig ist.
Ähnlich wie bei den zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen kann auch ein strafrechtlich relevantes Verhalten eher angenommen werden als bei gleichgestellten Kletterpartner*innen, da den Kletterlehrer*innen eine sogenannte Garantenstellung zukommt. Die aus der Garantenstellung erwachsenden Pflichten sind das Pendant zu den zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflichten (Arter/Gut, S. 96).
Da Klettern mit mehr als einer Seillänge sowie Begehen von Klettersteigen dem Risikoaktivitätengesetz unterstehen (Art. 6 Abs. 1 und 4 RiskV; siehe auch vorstehend Rz. 37, Ziff. III.B.3.), gelangt auch die Strafbestimmung des Risikoaktivitätengesetzes zur Anwendung. Widerhandlungen gegen die Bestimmungen des Risikoaktivitätengesetzes werden mit einer Busse bis 10’000 Franken bestraft. Straftatbestände sind das Erschleichen einer Bewilligung durch unvollständige, unrichtige oder irreführende Angaben (Art. 15 Abs 1 Bst. a RiskG) oder das Anbieten einer Risikoaktivität ohne Bewilligung (Art. 15 Abs. 1 Bst. b RiskG). In Bezug auf Kletterlehrer*innen ist anzumerken, dass die Strafbestimmung nur dann zur Anwendung gelangt, wenn eine Aktivität im Sinne des Risikoaktivitätengesetzes angeboten wird. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten während eines Kurses in einem Klettergarten ist für das Risikoaktivitätengesetz nicht massgebend.
D. Strafbarkeit des Veranstalters/Werkeigentümers
In Bezug auf die Strafbarkeit können der Veranstalter und der Werkeigentümer gemeinsam betrachtet werden. Veranstalter sowie auch Werkeigentümer haben eine Garantenstellung, also die strafrechtlich relevante Pflicht, alle Gefahren und Schädigungen abzuwehren oder eine bestimmte Gefahrenquelle unter Kontrolle zu halten. Die Grenze der Abwehrpflichten sind einerseits in der Zumutbarkeit andererseits im Handeln auf eigene Gefahr oder im Selbstverschulden der Sportler*innen zu finden (Arter/Gut, S. 94 f.).
Der Veranstalter von Klettertouren sowie auch der Werkeigentümer eines Klettergartens oder eines Klettersteigs werden sich für die Instruktion des Personals, Auswahl, Verwendung und Überprüfung von Material verantworten müssen, soweit dies zumutbar ist. Wie bei der zivilrechtlichen Haftung ist das Handeln der Kletternden ebenfalls in Betracht zu ziehen.
E. Würdigung
Ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Kletternden, Kletterlehrer*innen, Veranstalter oder Werkeigentümer muss tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft sein. Bei Kletterunfällen kommen insbesondere die Tatbestände der eventualvorsätzlichen bzw. fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung in Frage. Mit Bezug auf die Rechtswidrigkeit ist insbesondere die Einwilligung der Kletternden zu betrachten, weil diese durch die Ausübung des Klettersports, das dem Sport inhärente Verletzungsrisiko akzeptieren.
Wie im Zivilrecht ist also auch im Strafrecht das Handeln auf eigene Gefahr, die Eigenverantwortung der Kletternden ein wesentlicher Aspekt. Grobe Pflichtverletzungen der Kletterpartner, Kletterlehrer*innen, Veranstalter oder Werkeigentümer sind klar von strafrechtlicher Relevanz. Gleichzeitig begründet die Tatsache, dass Kletternde in die Kletterroute oder den Klettersteig einsteigen, einen Rechtfertigungsgrund oder zumindest eine Verschuldensminderung seitens des Täters.
V. Sozialversicherungsrecht
Die Versicherungsdeckung bei Kletterunfällen wird regelmässig vernachlässigt, da ein Unfall wohl weder geplant noch willkommen ist. Anbei wird lediglich allgemein auf die Möglichkeit der Leistungskürzung oder -verweigerung eingegangen.
A. Leistungskürzung und -verweigerung
Die Unfallversicherung kann Leistungskürzungen oder sogar Leistungsverweigerungen vornehmen, wenn die versicherte Person ein Wagnis eingegangen ist (Art. 39 UVG). Wagnisse werden dabei als Handlungen verstanden, mit denen sich die Versicherten einer besonders grossen Gefahr aussetzen, ohne die Vorkehren zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken (Art. 50 Abs. 2 UVV). Der tiefere Sinn der erwähnten Rechtsnormen liegt darin, dass eine Interessenabwägung vorgenommen werden soll zwischen dem Gesamtinteresse der Versicherten (der Prämienzahler) und dem schützenswerten Mass einer Betätigung (z.B. Sportart; dazu BSK UVG-Brunner/Vollenweider, Art. 39 N 8).
Es wird zwischen absoluten und relativen Wagnissen unterschieden. Bei einem Kletterunfall wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob nach den persönlichen Fähigkeiten und der Art der Durchführung eine Gefahrenherabsetzung möglich gewesen wäre und diese unterlassen wurde (ausführlich dazu BK-Gehring, Art. 39 UVG N. 71 ff.; BSK UVG-Brunner/Vollenweider, Art. 39 N 49 ff.; siehe auch Müller, Bergsportkommentar, Rz. xx).
Nach dem Wortlaut von Artikel 50 Absatz 1 UVV besteht bei Wagnissen die Möglichkeit einer Leistungskürzung um 50% oder der völligen Leistungsverweigerung, wobei letzteres ein besonderes Verschulden oder eine besondere Schwere der Gefahr voraussetzt (Urteil 8C_683/2010 vom 5. November 2010).
B. Klettern als Wagnis
Eine abschliessende Liste von absoluten oder relativen Wagnissen gibt es nicht. Die Ad-hoc-Kommission Schaden UVG führt eine nicht verbindliche Liste von Tätigkeiten, die als Richtschnur herangezogen werden kann (https://www.svv.ch/sites/default/files/2018-08/83-05-Wagnisse_Anpassung%202018D.pdf). Gemäss dieser Liste ist Klettern dann als ein relatives Wagnis einzustufen, wenn die sportüblichen Regeln und Vorsichtsgebote in schwerwiegender Weise missachtet werden.
Ob ein Kletterunfall eine Leistungskürzung oder sogar -verweigerung zur Folge hat, hängt im Ergebnis von der Persönlichkeit des Versicherten, der Art der Ausführung der Handlung sowie den Umständen, unter denen eine Handlung erfolgte, ab. Die Gefährlichkeit der Handlung wird sodann in Bezug auf die handelnde Person individuell beurteilt (BK-Gehring, Art. 39 UVG N 89). Kletternde werden somit mit einer Leistungskürzung der Unfallversicherung rechnen müssen, sofern ihre Ausbildung, Vorbereitung, Erfahrung/Befähigung und Ausrüstung nicht der ausgewählten Route und den zu erwartenden Verhältnissen entsprochen haben (Müller, Kletterausflug, S. 112 f.). Die Voraussetzungen für eine Leistungskürzung sind aber sehr hoch anzusetzen. In einem der wenigen vom Bundesgericht beurteilten Fälle wurde ein Wagnis verneint, obwohl es zu einem tödlichen Unfall gekommen war, nachdem sich einer der Kletternden verstieg und, um sich das mühsame Zurücksteigen zu ersparen, rund 15m über den letzten Sicherungshaken hinauskletterte (BGE 97 V 72).
VI. Zusammenfassende Bemerkungen
Der Klettersport hat sich in den letzten Jahrzenten zum Breitensport entwickelt. Nicht mehr nur waghalsige Extremsportler*innen wagen sich an die Felsen. Gut abgesicherte Kletterrouten, Klettergärten und Klettersteige ermöglichen einer Vielzahl von Menschen, Felswände zu erklimmen. Die Ambitionen, Fähigkeiten und Kenntnisse der Kletternden sind so unterschiedlich wie die Kletterrouten. Dass es beim Klettern zu Unfällen kommen kann, ist eine Tatsache. Dass sich die schweizerischen Gerichte aber nur selten mit zivil- oder strafrechtlichen Haftungsfragen im Klettersport beschäftigen müssen, zeigt, dass das Grundprinzip der Eigenverantwortung anerkannt und gelebt wird. Kletternde, egal ob Profi oder Freizeitsportler*innen, handeln grundsätzlich auf eigene Gefahr und müssen sich dem Risiko des Klettersports bewusst sein.
Das Prinzip der Eigenverantwortung endet aber dort, wo andere (Kletterpartner*in, Kletterlehrer*in, Veranstalter, Betreiber von Kletteranlagen, Drittpersonen) ihre Sorgfaltspflichten in grober Weise missachten bzw. das berechtigte Vertrauen anderer verletzen. Dabei sind auch die heutigen Informationskanäle zu beachten. Verglichen mit früher können heute über diverse Kanäle Informationen zu Kletterrouten, Felsqualität, Routensanierung, Bewertungen etc. abgerufen werden. Auch wenn Kletternde immer eigenverantwortlich handeln, können Informationen zu Kletterrouten und Klettersteigen ein berechtigtes Vertrauen begründen. Sorgfaltspflichten greifen also auch betreffend das Zurverfügungstellen von Informationen und nicht nur in Bezug auf das Verhalten am Felsen. Im Ergebnis wird immer im konkreten Einzelfall zu klären sein, ob eine Sorgfaltspflicht missachtet, oder ein berechtigtes Vertrauen verletzt wurde und wie es mit der Eigenverantwortung aussieht.
Bleibt zu hoffen, dass im Klettersport die Eigenverantwortung auch in Zukunft grossgeschrieben wird, damit zivil- oder strafrechtliche Haftungsstreitigkeiten nicht die sportliche Herausforderung in den Hintergrund stellen und das Erschliessen, Sanieren und Unterhalten von Kletterrouten, Klettergärten und Klettersteigen bremsen.