- I. Allgemein
- Einleitung
- Begriffserklärungen
- 1. Langlaufen
- 2. Loipe
- II. Öffentliches Recht
- Gesetzliche Grundlagen und Verhaltensregeln für Langläuferinnen und Langläufer
- 1. Fehlende spezialgesetzliche Grundlagen für Langläuferinnen und Langläufer
- 2. Anwendbarkeit des Strassenverkehrsgesetzes
- 3. Verhaltensregeln für Langläuferinnen und Langläufer gemäss FIS-Regeln
- Begegnungsfall von Langläuferinnen und Langläufern und Skifahrerinnen und Skifahrern
- Loipenorganisationen
- 1. Aufgabenbereich und Organisationsform von Loipenorganisationen
- 2. Die SKUS-Richtlinien als Konkretisierung der Verkehrssicherungspflicht
- 3. Informationspflicht
- 4. Betriebszeiten der Loipen
- 5. Markierungen
- 6. Künstliche und natürliche Hindernisse
- 7. Einsatz von Motorfahrzeugen
- 8. Massnahmen bei Lawinengefahr
- 9. Loipen- und Rettungsdienst
- Raumplanung und Baurecht
- Umweltrecht
- Gesetzliche Grundlagen und Verhaltensregeln für Langläuferinnen und Langläufer
- III. Privatrecht
- Allgemeines
- 1. Zutrittsrecht zu Wald und Weide, Abwehrrecht des Grundeigentümers und prekaristische Gestattung
- 2. Grundsatz der Eigenverantwortung
- Privatrechtliche Haftung im Verhältnis Loipenorganisation zu Pistennutzerinnen und Pistenbenutzer
- 1. Vertragliche Haftung?
- 2. Ausservertragliche Haftung
- Werkeigentümerhaftung (Art. 58 f. OR)
- Haftung für widerrechtliches Handeln (Art. 41 ff. OR)
- Haftung nach SVG
- Privatrechtliche Haftung
- 1. Vertragliche Haftung des Langlauflehrers oder der Langlauflehrerin
- 2. Ausservertragliche Haftung
- Allgemeines
- IV. Strafrecht
- V. Sozialversicherungsrecht
Literatur
Brehm Roland, Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht, Allgemeine Bestimmungen, Die Entstehung durch unerlaubte Handlungen, Art. 41-61, Bern 2021; Brunner Andreas/Vollenweider Doris, in: Frésard-Felly Ghislaine/Leuzinger Susanne/Pärli Kurt (Hrsg.), Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz, Basel 2019; Duc Nicolas, La responsabilité civile des usagers des pistes de ski, Diss. Lausanne 2000; Elsener Fabio/Wälchli Dominic, Pisten-Skifahren, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar 2023; Furgler Kurt Johannes, Die Verkehrssicherungspflicht im Schweizerischen Haftpflichtrecht, Diss. Freiburg i.Ue. 1978; Greiner Andrea, Errichten und Änderung von Skisportanlagen, Diss. Basel 2003; Koch Patrick, Skitouren und Variantenfahren (Teil 1), in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar 2023; Müller Rahel, Vorbemerkungen zu den Bergsportarten, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel, Bergsportkommentar 2022; Rey Heinz/Strebel Lorenz, in: Geiser, Thomas/Wolf, Stephan (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 7. Aufl., Basel 2023; Stiffler Hans-Kaspar, Schweizerisches Skirecht, 2. Aufl., 1991; Toller-Schwarz Marianne, Die Inanspruchnahme von Grundstücken für die Ausübung des Skisports, Diss. Zürich 1982; Zollinger Marco, Zugang zu den Bergern, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar 2023.
Materialien
BFU, Statistik der Nichtberufsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz 2022, S. 40; Internationaler Ski Verband (FIS), 10 FIS Rules for Conduct; SKUS/Loipen Schweiz, Richtlinien für Anlage, Betrieb- und Unterhalt von Langlaufloipen, genehmigt am 1. September 2018 (zit. SKUS-Richtlinien).
I. Allgemein
A. Einleitung
Das Langlaufen hat in der Schweiz Rückenwind. Dies zeigen u.a. die steigenden Teilnehmerzahlen an der zweitgrössten Skilanglaufveranstaltung der Welt, dem Engadiner Skimarathon, welcher alljährlich in der verschneiten Seenlandschaft des Oberengadins stattfindet. Die Erfolge von Dario Cologna in den letzten Jahren haben das ihrige zur zunehmenden Beliebtheit des Langlaufsports in der Breite beigetragen.
Langlaufen ist zudem ein vergleichsweise sicherer Sport. Dennoch verunfallen jährlich rund 6'600 Personen beim Langlaufen (BFU, Statistik der Nichtberufsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz 2022, S. 40). Neben den offensichtlichen Folgen für die Gesundheit der Langläuferinnen und Langläufer ziehen Unfälle auch volkswirtschaftliche Kosten nach sich, die von der Gesellschaft getragen werden. Für die Vermeidung dieser Unfälle und der Verteilung und Minimierung der damit einhergehenden Kosten gibt es Regeln. Die Loipe ist kein rechtsfreier Raum. Es gibt zahlreiche juristische Fragen, welche sich im Zusammenhang mit dem Langlaufsport stellen.
Die Struktur dieses Artikels lehnt sich an diejenige von Elsener/Wälchli zum Pisten-Skifahren in diesem Kommentar an. Die sich im Zusammenhang mit dem Langlaufen stellenden juristischen Fragen sind häufig ähnlich gelagert wie jene beim Pisten-Skifahren und zugleich nicht minder zahlreich. Auch die rechtlichen Grundlagen sind vergleichbar. So hat der Internationale Ski Verband (FIS) für das Langlaufen eigene Regeln aufgestellt. Gleiches gilt für die Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportanlagen (SKUS), welche in Zusammenarbeit mit dem Verband Loipen Schweiz Richtlinien für Anlage, Betrieb- und Unterhalt von Langlaufloipen herausgegeben hat, welche am 1. September 2018 genehmigt wurden.
B. Begriffserklärungen
1. Langlaufen
Das Langlaufen ist eine nordische Skidisziplin. Es wird im Wesentlichen zwischen zwei unterschiedlichen Langlaufstilen unterschieden:
- Beim klassischen Stil verwenden die Langläuferinnen und Langläufer die eigens für die Ausübung dieses Sports auf der Loipe angelegten Spuren. Die Skier werden dabei parallel geführt, wobei der untere Teil des Skis mit einer Haftzone versehen ist, welcher das effektive Abstossen ermöglicht. Dieses Abstossen mit den Beinen wird durch den Stockeinsatz ergänzt.
- Beim freien Stil (auch Skating-Stil genannt) verwenden die Langläuferinnen und Langläufer die breitere, gewalzte Loipe. Der Beinabstoss erfolgt dabei unter Verwendung des Schlittschuhschritts, welcher eine schnellere Fortbewegung als diejenige im klassischen Stil ermöglicht. Auch beim Langlaufen im Skating-Stil werden die Stöcke ergänzend zur Fortbewegung eingesetzt.
2. Loipe
Für die Definition der Loipe kann aus Stifflers «Schweizerisches Skirecht» zitiert werden: «Die Langlauf-Loipe ist eine allgemein zugängliche, für das Skilanglaufen […] vorgesehene und geeignete Strecke, welche vom Verkehrssicherungspflichtigen in leicht begehbarem Gelände ohne wesentliche Steigungen und Abfahrten angelegt, markiert, gespurt, unterhalten und vor alpinen Gefahren gesichert wird» (Stiffler, Skirecht, Rz. 748).
Anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern wie Fussgängerinnen und Fussgängern, Bikerinnen und Bikern, Kutscherinnen und Kutschern sowie Langläuferinnen und Langläufern mit Hunden oder Hundeschlitten ist die Benützung der Loipen regelmässig untersagt (vgl. Art. 123 Abs. 4 Baugesetz der Gemeinde Davos), wobei die Überquerung häufig dennoch gestattet ist (vgl. Art. 123 Abs. 5 Baugesetz der Gemeinde Davos).
II. Öffentliches Recht
A. Gesetzliche Grundlagen und Verhaltensregeln für Langläuferinnen und Langläufer
1. Fehlende spezialgesetzliche Grundlagen für Langläuferinnen und Langläufer
Der Gesetzgeber hat bis anhin keine spezialgesetzlichen Grundlagen für das Verhalten von Langläuferinnen und Langläufern auf der Loipe geschaffen. Es gelangen somit die allgemeinen rechtlichen Grundlagen des Zivil-, des Straf- und des öffentlichen Rechts zur Anwendung.
2. Anwendbarkeit des Strassenverkehrsgesetzes
In BGE 101 Ia 565 E. 4a führt das Bundesgericht aus, dass der Begriff der öffentlichen Strasse sehr breit zu fassen sei. Eine Strasse sei öffentlich, wenn jeder und jede sie benützen könne. Es sei nicht notwendig, dass die Strasse für alle Arten von Benützerinnen und Benutzern geöffnet sei. Damit ein Weg als öffentlich qualifiziert werde, genüge es i.S. der VRV (SR 741.11), dass er dem öffentlichen Verkehr diene. Würden auf Skipisten, Schlittenwegen und Sparzierwegen, mithin auf öffentlichen Verkehrsflächen motorisierte Fahrzeuge benützt, so finde für diese das Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01, SVG) auch Anwendung.
Soweit dies überblickt werden kann, gibt es keine entsprechende, spezifische Rechtsprechung für Loipen. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, weshalb die im Bundesgerichtsentscheid festgelegten Grundsätze nicht auch für das Langlaufen gelten sollten. Loipen sind mit Skipisten, Schlittenwegen und Spazierwegen vergleichbar. Sie sind somit ebenfalls als öffentliche Strassen zu qualifizieren.
Das SVG ist allerdings nicht direkt auf Langläuferinnen und Langläufer anwendbar, da die darin festgesetzten Verkehrsregeln nur auf den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr Anwendung finden (im Ergebnis dieselbe Auffassung vertretend: Duc, S. 17). Ist eine Langläuferin oder ein Langläufer allerdings in einen Unfall mit einem motorisierten Fahrzeug verwickelt, welches auf der Piste zugelassen ist (z.B. Pistenfahrzeug), so besteht eine Ausnahme. In diesem Fall kommt die in Art. 58 SVG aufgestellte Kausalhaftung zur Anwendung (siehe unten Ziff. II. B. 2c).
Im Übrigen kann betreffend die Anwendbarkeit des Strassenverkehrsgesetzes auf das zum Pisten-Skifahren Gesagte verwiesen werden (Elsener/Wälchli, Rz. 7 ff.).
3. Verhaltensregeln für Langläuferinnen und Langläufer gemäss FIS-Regeln
Die FIS-Langlaufregeln für Langläuferinnen und Langläufer wurden 1977 von der FIS aufgestellt (Stiffler, Skirecht, Rz. 211 ff. zur Entstehungsgeschichte der FIS-Langlaufregeln). In der aktuellen Fassung (Version 2016) lauten die Regeln wie folgt:
- Rücksichtnahme: Jeder Langläufer und jede Langläuferin muss sich stets so verhalten, dass er/sie keinen anderen gefährdet oder schädigt.
- Signalisation, Laufrichtung und Lauftechnik: Markierungen und Signale (Hinweisschilder) sind zu beachten. Auf Loipen und Pisten ist in der angegebenen Richtung und Lauftechnik zu laufen.
- Wahl von Spur und Piste: Auf Loipen mit mehr als einer Spur muss die Langläuferin oder der Langläufer die rechte Spur wählen.
- Langläuferinnen und Langläufer in Gruppen müssen in der rechten Spur hintereinander laufen. Bei freier Technik müssen die Langläuferinnen und Langläufer auf der rechten Seite der Loipe laufen.
- Überholen: Überholt werden darf rechts oder links. Die vordere Langläuferin oder der vordere Langläufer muss einem überholenden Langläufer oder einer überholenden Langläuferin nicht ausweichen. Er oder sie sollte aber ausweichen, wenn er oder sie es gefahrlos kann.
- Gegenverkehr: Bei Gegenverkehr hat jeder und jede nach rechts auszuweichen. Die abfahrende Langläuferin oder der abfahrende Langläufer hat stets Vortritt.
- Stockführung: Eine Langläuferin oder ein Langläufer hat, sobald er oder sie in der Nähe eines Langläufers oder einer Langläuferin ist, die Stöcke eng am Körper zu führen.
- Anpassung der Geschwindigkeit an die Verhältnisse: Jede Langläuferin und jeder Langläufer muss, insbesondere wenn er oder sie bergab fährt, seine oder ihre Geschwindigkeit dem Gelände, der Sichtweite und dem eigenen Können anpassen. Er oder sie muss immer einen genügenden Sicherheitsabstand zur vorderen Person einhalten. Im Notfall sollte sich eine Langläuferin oder ein Langläufer fallen lassen, um einen Zusammenstoss zu verhindern.
- Freihalten der Loipen und Pisten: Wer stehenbleibt, hat aus der Loipe zu treten. Wer stürzt, hat die Loipe schnellstmöglich wieder freizugeben.
- Hilfeleistung: Bei Unfällen ist jede und jeder zur Hilfeleistung verpflichtet.
- Ausweispflicht: Jede Person, ob als Zeuge oder Zeugin, ob als Beteiligte oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss bei einem Unfalle seine oder ihre Personalien angeben.
Die Regeln 1, 9 und 10 lauten gleich wie die Alpin-Regeln. Die Langlauf-Regeln 2 und 7 sind den Alpin-Regeln 2 und 8 nachempfunden. Die übrigen Regeln (3, 4, 5, 6 und 8) sind langlaufspezifisch ausgestaltet, da die alpinen Fahrregeln nicht ohne Weiteres auf Loipen übertragen werden können (Stiffler, Skirecht, Rz. 218).
Wenngleich die FIS-Langlaufregeln nicht im ordentlichen gesetzgeberischen Prozess als Gesetzesgrundlage verabschiedet wurden, sie weniger weit verbreitetet sind als im Pisten-Skifahren (Duc, S. 82), und es schweizweit nur zu sehr wenigen Streitigkeiten aufgrund von Zusammenstössen auf Loipen kommt (Duc, Fn. 302 auf S. 82), so bestimmen diese dennoch weitgehend den im Einzelfall zugrunde zu legenden Massstab des «sorgfaltsgemässen Verhaltens» im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 108 IV 130 E. 3a). Gleich verhält es sich beim Pisten-Skifahren und den einschlägigen FIS-Regeln (Duc, S. 82). Der sich daraus ergebende Sorgfaltsmassstab gelangt sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht zur Anwendung.
Der persönliche Anwendungsbereich der FIS-Langlaufregeln bezieht sich auf alle Langläuferinnen und Langläufer, unabhängig ihres Könnens. Davon sind sowohl Langläuferinnen und Langläufer, welche den Sport in der klassischen Technik als auch solche, die ihn in der freien Technik (Skating) ausüben, erfasst.
Sachlich sind die FIS-Langlaufregeln auf den Verkehr auf Loipen anwendbar. Ski und damit auch Langlaufski dürfen als Verkehrsmittel und somit auch auf Strassen benützt werden, wo dies ortsüblich ist (Art. 48 Abs. 1bis Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, SR 741.11, VRV). Es gelten dort allerdings die Regeln des SVG; lediglich subsidiär können auch die FIS-Langlaufregeln zur Anwendung gelangen.
B. Begegnungsfall von Langläuferinnen und Langläufern und Skifahrerinnen und Skifahrern
Begegnen sich Langläufer und Langläuferinnen und Skifahrerinnen und Skifahrer, so gelangen folgende Regeln zur Anwendung (Duc, S. 161):
- Der Skifahrer oder die Skifahrerin untersteht weiterhin den FIS-Skialpinregeln und muss insbesondere dem Talskifahrer oder der Talskifahrerin Vorfahrt gewähren. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Talskifahrer oder die Talskifahrerin eine Langläuferin oder ein Langläufer auf einer die Skipiste querenden Loipe ist.
- Begegnen sich zwei Langläuferinnen und/oder Langläufer, so gelangen die FIS-Langlaufregeln unabhängig vom Terrain (Skipiste oder Loipe), auf welchem sie sich begegnen, zur Anwendung.
- Begegnen sich zwei Skifahrerinnen und/oder Skifahrer, so gelangen unabhängig vom Terrain (Skipiste oder Loipe) die FIS-Skialpinregeln zur Anwendung.
- Verkehrt eine Skifahrerin oder ein Skifahrer auf einer reinen Loipe, so gelangen im Verhältnis zu weiteren Langläuferinnen und Langläufern die FIS-Langlaufregeln zur Anwendung.
- Verkehrt eine Langläuferin oder ein Langläufer auf einer reinen Skipiste, so muss er oder sie sich an die FIS-Skialpinregeln halten.
C. Loipenorganisationen
1. Aufgabenbereich und Organisationsform von Loipenorganisationen
Die Loipenorganisation, welche eine Loipe durch das Anbringen der Markierung eröffnet, ist Trägerin der Verkehrssicherungspflicht (Stiffler, Skirecht, Rz. 809). Die Loipenorganisation präpariert die Loipe, nimmt die Verkehrssicherung vor, schildert die Loipe aus und gibt sie zur Benützung frei. Andernorts wird auch der synonyme Begriff «Loipenbetreiberin» verwendet. Die in BGE 130 III 193 E. 2.2 gemachten Ausführungen zur Verkehrssicherungspflicht beim Pisten-Skifahren gelten analog auch für den Langlaufsport.
Loipenorganisation können je nach Standort eine privatrechtliche juristische Person (z.B. ein Verein oder eine Aktiengesellschaft, wie dies bei Bergbahnen regelmässig der Fall ist), eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder eine öffentlich-rechtliche Anstalt sein. Auch andere öffentlich-rechtliche Rechtsformen sind denkbar.
2. Die SKUS-Richtlinien als Konkretisierung der Verkehrssicherungspflicht
Da es bezüglich der Verkehrssicherung kein Spezialgesetz gibt, welches die einzuhaltenden Standards bei der Verkehrssicherung im Zusammenhang mit Loipen vorgibt, ist auf die SKUS-Richtlinien abzustellen.
Die SKUS-Richtlinien legen fest, wie Loipen anzulegen, zu betreiben und zu unterhalten sind. Sie konkretisieren die Verkehrssicherungspflicht inhaltlich. Adressaten der Richtlinien sind die «Loipenchefs» sowie die «Loipenorganisationen». Primärer Zweck der Richtlinien ist es, dass die Loipenchefs die entsprechenden Vorkehrungen treffen können, damit sie «weder zivil- noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können» (Ziff. 1 SKUS-Richtlinien). Ein weiterer Zweck der Richtlinien ist die Unterstützung der Loipenorganisationen im Aufbau der Infrastruktur und der Umsetzung der Verhaltensregeln auf den Loipen (Ziff. 1 SKUS-Richtlinien). Regelungsgegenstand sind Loipen in der Schweiz im Allgemeinen, das heisst sowohl Loipen zur Ausübung des Sports in der klassischen als auch in der freien Technik.
Die Loipenorganisation ist für die von ihr präparierten Loipen verkehrssicherungspflichtig (siehe zur Verkehrssicherungspflicht Furgler, passim). So sind Loipenorganisationen verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen vorzukehren (sog. Verkehrssicherungspflicht). Die Verkehrssicherungspflicht verlangt zum einen, dass die Langläuferinnen und Langläufer vor nicht ohne weiteres erkennbaren, sich als eigentliche Fallen erweisenden Gefahren geschützt werden. Zum anderen haben die Loipenorganisationen dafür zu sorgen, dass Langläuferinnen und Langläufer vor Gefahren bewahrt werden, die selbst bei vorsichtigem Fahrverhalten nicht vermieden werden können.
Grenzen der Verkehrssicherungspflicht stellen die Zumutbarkeit der Schutzmassnahmen und die Selbstverantwortung der einzelnen Langläuferinnen und Langläufer dar. Zur Beurteilung, ob der Verkehrssicherungspflicht nachgekommen wurde, sind die SKUS-Richtlinien beizuziehen.
3. Informationspflicht
Die SKUS-Richtlinien legen in Ziff. 2 eine Informationspflicht der Loipenorganisation gegenüber den Langläuferinnen und Langläufern fest. Der Langläufer oder die Langläuferin muss sich stets darüber orientieren können, was für das jeweilige Langlaufgebiet gilt. Er oder sie muss sich auf veränderte Verhältnisse einstellen können. Bei Lawinengefahr ist diese unverzüglich durch die Loipenorganisation zu publizieren. Ziff. 8 sieht weiter vor, dass der Langläufer oder die Langläuferin durch die Loipenorganisation darüber zu informieren ist, wie man sich bei Unfällen zu verhalten habe. Die Notrufnummern (z.B. 144 bzw. 112) müssen bekannt sein. Als Kommunikationsmittel dienen Informationstafeln an zentralen Begegnungsorten, Hinweistafeln in direkt betroffenen Loipensektoren und das Internet (Ziff. 2).
4. Betriebszeiten der Loipen
Im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten schreiben die SKUS-Richtlinien in Ziff. 3 vor, dass die Loipen bei Tageslicht geöffnet sind. Nachts sind die Loipen grundsätzlich gesperrt. Nachtlanglaufen mit Stirnlampen, Biken, etc. ist nur auf den speziell dafür geöffneten Loipen erlaubt. Der Betrieb von Nachtloipen muss eigens publiziert werden. Auf die Dauer der Beleuchtung haben sich Langläuferinnen und Langläufer verlassen zu können. Auf Loipen finden im Grundsatz keine Schlusskontrollen statt, wobei die Benutzerinnen und Benutzer darüber zu informieren sind. Die Präparierung während des Loipenbetriebs ist grundsätzlich zu vermeiden, wobei bei speziellen Verhältnissen, wie dies beispielsweise bei starkem Schneefall der Fall sein dürfte, Pistenfahrzeuge allerdings auch während der Betriebszeit eingesetzt werden dürfen. Dabei ist vonseiten der Fahrzeuglenker besondere Vorsicht erforderlich.
5. Markierungen
Weiter geben die SKUS-Richtlinien vor (Ziff.4), dass die Loipen zu Sicherungs- und Orientierungszwecken zu markieren sind, wobei Gefahrenstellen, Hindernisse oder Engpässe auf dem ganzen Loipennetz klar signalisiert werden müssen. Markierung und Signalisation müssen während des ganzen Winters kontrolliert und instandgehalten werden. Werbung an der Loipe darf die Gefahren- und Informationssignalisation nicht beeinträchtigen.
Zur Signalisation der Loipen sind die offiziellen Signalisationstafeln gemäss dem Materialkatalog Loipen Schweiz zu verwenden. Diese Signalisationstafeln haben Angaben zum Schwierigkeitsgrad der Loipe (Loipenprofil mit Kilometer- und Höhenangaben), zur empfohlenen Laufrichtung, zur Trennung von Loipen und Winterwanderwegen (Türkisblau für Langlauf und Pink für Winterwanderwege), zum Gegenverkehr sowie zu gefährlichen Streckenabschnitten zu enthalten. Zusätzlich kann die Markierung mit fluoreszierenden Signalen in oranger Tagesleuchtfarbe ergänzt werden.
6. Künstliche und natürliche Hindernisse
Ziff. 5 der SKUS-Richtlinien schreibt die Beseitigung von wegräumbaren Hindernissen vor, die bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt und auch bei vorsichtigem und den persönlichen Fähigkeiten angepasstem Fahren nicht leicht zu erkennen sind (sog. eigentliche Fallen). Mit natürlichen Hindernissen wie Steinen und Baumstrunken am Loipenrand muss der Langläufer oder die Langläuferin allerdings rechnen. Solche Hindernisse sind entsprechend nicht wegzuräumen. Nicht wegräumbare Hindernisse wie Betonsockel, Brunnen, Gräben, Telefonstangen usw., die sich im direkten Loipenbereich befinden, sind hingegen zu markieren und nötigenfalls zu polstern.
Meines Erachtens ergibt die Unterscheidung in künstliche und natürliche Hindernisse allerdings nur wenig Sinn, da von natürlichen Hindernissen kein grundsätzlich geringeres Gefährdungspotenzial als von künstlichen Hindernissen ausgeht. Bei einer Revision wäre es deshalb zu empfehlen, diese Unterscheidung aufzuheben.
7. Einsatz von Motorfahrzeugen
Zum Einsatz von Pisten- und Ersatzfahrzeugen jeglicher Art empfehlen die SKUS-Richtlinien, dass diese aufgrund der von ihnen ausgehenden Gefahr in der Regel nicht während des Loipenbetriebs eingesetzt werden sollte. Bei erforderlichem Einsatz aufgrund von Schneefall, Rettung usw. sind 1) unübersichtliche Loipenabschnitte oder einzelne Sektoren vorübergehend teilweise oder gesamthaft zu sperren, 2) das Gefahrensignal «Loipenbearbeitungsmaschine» aufzustellen und 3) ist ein «Triopan» (Faltsignal) als Gefahrensignal mit der Aufschrift «Achtung Loipenfahrzeug» oder dem entsprechenden Signet auf allen drei Seiten aufzustellen (Ziff. 6 SKUS-Richtlinien).
8. Massnahmen bei Lawinengefahr
Loipenorganisationen mit lawinengefährdeten Streckenabschnitten müssen in einem Konzept festhalten, welche Vorkehrungen zu treffen sind (Ziff. 7 SKUS-Richtlinien). Diesbezüglich müssen sie eng mit dem regionalen Lawinenwarndienst zusammenarbeiten und dessen Weisungen strikt befolgen.
Im Grundsatz gilt, 1) dass wenn Loipen lawinengefährdet sind, diese unverzüglich zu sperren sind, und 2) dass die gesperrten Loipen auf den Orientierungstafeln unmissverständlich als «gesperrt» zu kennzeichnen sind. Die Signalisation ist durch die «Gesperrt Lawinengefahr»-Kennzeichnung gegeben, wobei die Sperrung nötigenfalls mit Absperrwimpel ergänzt werden kann. Weiter gilt, 3) dass die Signalisation überall dort angebracht werden muss, wo der Einstieg zur gefährdeten Loipe üblich ist, und 4) dass wenn geöffnete Loipen aufgrund von Lawinengefahr gesperrt werden müssten, so ist eine Kontrollfahrt erforderlich. Läuferinnen und Läufer, die sich noch auf den Loipen befinden, werden auf die Gefahr aufmerksam gemacht und angehalten, die gefährdete Zone zu verlassen. Im Übrigen sind 5) nach Abklingen der Lawinengefahr alle Warn- und Sperrmassnahmen wieder aufzuheben.
Die soeben beschriebenen Massnahmen 1) – 5) kommen auch dann zum Einsatz, wenn Loipenabschnitte wegen Schneemangels oder aus anderen Gründen geschlossen werden müssen (Ziff. 7 SKUS-Richtlinien).
9. Loipen- und Rettungsdienst
Die Loipenorganisationen sind zur Aufstellung eines Sicherheitsdispositivs verpflichtet (Ziff. 8 SKUS-Richtlinien). Sie müssen einen Loipen- und Rettungsdienst unterhalten oder mit einer anderen Organisation zusammenarbeiten, welche die Aufgaben und die Verantwortung des Loipen- und Rettungsdienstes übernehmen. Die Rettungspflicht hat aus der Erste-Hilfe-Leistung sowie einem raschen und sachgemässen Abtransport zu bestehen. Die Unfälle sind von der Loipenorganisation zu erfassen. Bei schweren Unfällen, insbesondere bei Kollisionen, hat der Loipen- und Rettungsdienst zwecks Beweissicherung unverzüglich auch die zuständige Polizeibehörde zu benachrichtigen.
D. Raumplanung und Baurecht
Loipen sind Gegenstand der Raumplanungs- und Baugesetzgebung. Die öffentlich-rechtliche Regelung ist somit, vorbehältlich der Bundesgesetzgebung (namentlich das Bundesgesetz über die Raumplanung [SR 700] und das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz [SR 451, NHG]), in die Hoheit der Gemeinden und Kantone gestellt. Die Regelungen können unterschiedlich ausgestaltet sein. Nachfolgend werden die in den kommunalen Baugesetzen der politischen Gemeinden St. Moritz und Davos vorkommenden Regelungen exemplarisch zur Veranschaulichung aufgeführt.
Im kommunalen Baugesetz der Gemeinde St. Moritz umfasst die Wintersportzone auch die Loipen (Art. 98 Abs. 1 BauG St. Moritz). Gemäss Art. 98 Abs. 2 BauG St. Moritz haben die Grundeigentümer die Durchfahrt im Bereich von Pisten, Wegen und Loipen zu gewährleisten bzw. müssen sie vorsehen, dass der Boden von jedermann für die entsprechende sportliche Nutzung beansprucht werden darf. Art. 98 Abs. 3 und 5 BauG St. Moritz regelt zudem, gleich wie Art. 86 BauG Davos die mechanische Präparierung und Beschneiung der Loipen.
Art. 84 Abs. 1 BauG Davos sieht eine Pflicht der Gemeinde zur Gewährleistung von Anlage, Unterhalt und Benutzung der Loipen vor. Auch der Erschliesssungsplan der Gemeinde Davos erfasst die Loipen (siehe Art. 84 und Art. 123 BauG Davos). Art. 123 Abs. 4 und 5 BauG Davos schliesst zudem gewisse Personengruppen (Fussgänger, Biker, Reiter, Kutscher sowie Langläufer mit Hunden und Hundeschlitten) explizit von der Benützung der Loipen aus. Art. 85 Abs. 4 BauG Davos untersagt zudem auch die Erstellung von Bauten und Anlagen, Terrainveränderungen und Pflanzungen sowie das Düngen des Bodens im Bereich der Wintersportzone.
E. Umweltrecht
Bei der Anlage von Loipen sind die umweltrechtlichen sowie natur- und heimatschützerischen Vorgaben zu respektieren.
Gemäss Art. 10a Abs. 2 Bundesgesetz über den Umweltschutz (SR 814.01, USG) sind der Umweltverträglichkeitsprüfung Anlagen unterstellt, welche Umweltbereiche erheblich belasten können, so dass die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Umwelt voraussichtlich nur mit projekt- oder standortspezifischen Massnahmen sichergestellt werden kann. Sofern für Loipen Terrainveränderungen von mehr als 5'000 m2 für Schneesportanlagen vorgenommen oder Beschneiungsanlagen für eine Fläche von über 50'000 m2 beschneibarer Fläche eingerichtet werden, ist für diese eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des USG oder gemäss kantonalen Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen (Anhang 6 Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung, SR 814.011).
Gleich wie bei Skigebieten (siehe Elsener/Wälchli, Rz. 107) müssen auch Loipen die Anforderungen des NHG erfüllen. Jagdbanngebiete und Wildruhezonen gemäss dem Jagdgesetz (SR 922.0) sowie den kantonalen und kommunalen Erlassen sind ebenfalls zu respektieren (vgl. zu den Einschränkungen des Zugangs zur Natur Koch, Rz. 30 ff.). Wird für die Anlage neuer Loipen eine Waldrodung notwendig, so sind die Bestimmungen des Waldgesetzes (SR 921.0) betreffend die Bewilligung einzuhalten. Weitere relevante Erlasse sind das Gewässerschutzgesetz (SR 814.20) und das Bundesgesetz über die Fischerei (SR 923). Die Anwendbarkeit weiterer öffentlich-rechtlicher Erlasse ist im Einzelfall zu prüfen.
II. Privatrecht
A. Allgemeines
1. Zutrittsrecht zu Wald und Weide, Abwehrrecht des Grundeigentümers und prekaristische Gestattung
In Art. 699 Abs. 1 ZGB wird jedermann ein Recht auf Betreten von Wald und Weide gewährt. Davon ist im Grundsatz auch das mittelbare Betreten auf Skiern erfasst (BSK ZGB II – Rey/Strebel, Art. 699 N 13; siehe Zugang zu den Bergen im Allgemeinen: Zollinger, passim). Nicht erfasst vom Zutrittsrecht ist allerdings eine intensive und massenmässige Sportausübung, wie dies beim Langlaufen der Fall ist (Toller-Schwarz, S. 37 ff.; S. 170; BSK ZGB II – Rey/Strebel, Art. 699 N 14; siehe auch Greiner, S. 195 f.). Das Zutrittsrecht zu Wald und Weide über die Loipen fusst deshalb häufig auf Verträgen privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur; oft handelt es sich um Dienstbarkeitsverträge (Toller-Schwarz, S. 75 f., S. 92). Das Zutrittsrecht wird zudem regelmässig direkt im entsprechenden kantonalen oder kommunalen oder Baugesetz verankert (Toller-Schwarz, S. 93 ff.). Formelle Enteignungen zur Erstellung von Loipen haben gemäss Auskunft vom 23. Januar 2023 der Präsidentin von Loipen Schweiz, Frau Mariette Brunner, gemäss ihrem Kenntnisstand bisher keine stattgefunden.
Bestehen keine Verträge und auch keine öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, so kann der Grundeigentümer oder die Grundeigentümerin das Betreten oder Überqueren des Grundstücks durch den Langläufer oder die Langläuferin bzw. die Anlage einer Loipe durch die Loipenorganisation mit der Geltendmachung des Abwehrrechts gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB verhindern (Toller-Schwarz, S. 93 f.).
Gestattet der Grundeigentümer oder die Grundeigentümerin, ohne dazu öffentlich-rechtlich verpflichtet worden zu sein oder einen Vertrag abgeschlossen zu haben, die Inanspruchnahme seines oder ihres Grundstücks zur Ausübung des Langlaufsports auf Zusehen hin, so liegt eine prekaristische Gestattung vor. Die Benutzung ist diesfalls so lange nicht widerrechtlich, als sie vom Eigentümer oder der Eigentümerin zugelassen wird (Toller-Schwarz, S. 189 f.)
2. Grundsatz der Eigenverantwortung
Langlaufen ist mit Risiken verbunden, die von Langläuferinnen und Langläufern bewusst in Kauf genommen werden. Wie auch in anderen Bergsportarten (vgl. Müller, Rz. 40 ff.) gilt beim Langlaufen der Grundsatz der Eigenverantwortung (vgl. Ziff. 1 SKUS-Richtlinien). Mögliche Gefahren sind Stürze (z.B. auf vereisten Loipen), Verletzungen durch fremde Langlaufstöcke oder Zusammenstösse mit anderen Langläuferinnen und Langläufern oder Fussgängerinnen und Fussgängern. Langläuferinnen und Langläufer trifft die Pflicht, sich wo nötig entsprechend auf das Langlaufen vorzubereiten, auszubilden und zu informieren.
Begibt der oder die Geschädigte sich fahrlässig oder absichtlich in eine konkrete Gefahr, die ihr oder ihm zum Verhängnis wird, so liegt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Handeln auf eigene Gefahr vor. Erhöht sie oder er diese Gefahr durch sein oder ihr Verhalten fahrlässig oder absichtlich und fördert er oder sie damit den Eintritt des schädigenden Ereignisses, so stellt dies ebenfalls ein Handeln auf eigene Gefahr dar. Dies kann zu einem Ausschluss der Widerrechtlichkeit der schädigenden Handlung oder der gerichtlichen Herabsetzung bzw. Aufhebung der Ersatzpflicht führen (zum Ganzen: BGer 5A_54/2008 vom 30. April 2008 E. 4.2 mit weiteren Verweisen; siehe auch BK OR-Brehm, Art. 44 N 9 ff. zum Handeln auf eigene Gefahr im Sport).
B. Privatrechtliche Haftung im Verhältnis Loipenorganisation zu Pistennutzerinnen und Pistenbenutzer
1. Vertragliche Haftung?
Auf dem Loipennetz der Schweiz sowie im Internet werden ein Schweizer Langlaufpass, örtliche Saisonkarten, Loipenpässe, Wochenkarten und Loipentickets (nachfolgend: Ticket) «verkauft». Die Anbieter der Langlauftickets werben regelmässig mit Loipenqualität oder landschaftlicher Vielfalt. Tickets können sowohl physisch als Karte als auch digital über die App «gekauft» werden (https://www.langlauf.ch/de/langlaufpass). Die Langläuferinnen und Langläufer erhalten daraufhin eine Urkunde betreffend den Erwerb des Passes, der Karte oder des Tickets. Für Langläuferinnen und Langläufer besteht allerdings keine rechtliche Pflicht zum Erwerb eines Tickets. Weder besteht wie beim Pisten-Skifahren ein privatrechtlicher Transportvertrag zwischen der Loipenorganisation und dem Langläufer oder der Langläuferin, noch besteht eine gesetzliche Grundlage für die Leistung einer öffentlich-rechtlichen Gebühr oder Abgabe.
Vielmehr handelt es sich beim Erwerb des Tickets um eine freiwillige Spende (vgl. schon Stiffler, Skirecht, Rz. 812 zum damaligen «Loipenkleber»), welche mit der Auflage verbunden ist, diese zweckgemäss zu verwenden. Die Einnahmen des schweizerischen Langlaufpasses werden gemäss den Angaben der Präsidentin von Loipen Schweiz, Frau Mariette Brunner, vom 23. Januar 2023 ans Langlaufgebiet, an die Nachwuchsförderung, an die Poolgebiete aus der ganzen Schweiz sowie an den Tech-Pool verteilt.
Die Loipenorganisationen werden durch den Erwerb der Langlaufpässe allerdings nicht zur Bereitstellung und Präparierung von Loipen verpflichtet. Vielmehr tun sie dies aus eigenem Antrieb: So kann der Zweck eines privatrechtlichen Vereins darin bestehen, Loipen zur Verfügung zu stellen oder eine politische Gemeinde erbringt diese Dienstleistung für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Touristinnen und Touristen.
Anders als bei einem Bergbahnunternehmen stellt die Loipenorganisation ihre Leistungen allen zur Verfügung und nicht nur denjenigen, welche ein Ticket erworben haben (Stiffler, Skirecht, Rz. 756). Der Erwerb eines Tickets stellt somit eine Schenkung an die Loipenorganisation dar, verbunden mit der Auflage, das Geld zweckgemäss zu verwenden. Aufseiten der Loipenorganisation entstehen allerdings keine weitergehenden vertraglichen Pflichten gegenüber der Ticket-Erwerberin oder dem Ticket-Erwerber (vgl. auch Stiffler, Skirecht, Rz. 756 zum Loipenkleber).
Sollte eine präparierte Loipe einmal nicht den durch die SKUS-Richtlinie gesetzten Standards entsprechen, so entsteht aus einem daraus sich ergebenden Nachteil folglich kein vertraglicher Schadenersatzanspruch, sondern wenn eine Forderung aus Delikt (Art. 41 ff. OR, Art. 55 OR oder Art. 58 OR). Denkbar wäre eine vertragliche Schadenersatzpflicht aus (verletzter) Verkehrssicherungspflicht lediglich im Falle, wo ein Bergbahnunternehmen bspw. Loipen auf seinem Einzugsgebiet erstellt, dafür wirbt und mit dem Transport der Langläuferinnen und Langläufer zu den Loipen sodann auch Geld verdient (Stiffler, Skirecht, Rz. 755).
2. Ausservertragliche Haftung
a. Werkeigentümerhaftung (Art. 58 f. OR)
Zur Frage, ob Loipen Werkcharakter haben, kann auf das zum Pisten-Skifahren gesagte verwiesen werden (siehe Elsener/Wälchli, Rz. 46 f.). Da gesetzliche oder reglementarische Vorschriften zu Sicherheit und Unfallverhütung fehlen, sollte folgendes gelten: Kommt einer Loipe bzw. einem Loipenabschnitt Werkqualität zu, so ist sie dann i.S.v. Art. 58 OR fehlerhaft angelegt oder mangelhaft instandgehalten, wenn sie den Standards der SKUS-Richtlinien nicht genügt (vgl. fürs Pisten-Skifahren Elsener/Wälchli, Rz. 47). Damit eine Werkeigentümerhaftung vorliegt, müssen neben der fehlerhaften Anlage der Loipe und/oder der mangelhaften Instandhaltung zudem ein Schaden sowie ein Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden bestehen.
b. Haftung für widerrechtliches Handeln (Art. 41 ff. OR)
Weiter kann eine Schadenersatzpflicht mit Art. 41 ff. OR begründet werden. Voraussetzung dafür sind das Vorliegen eines Schadens, ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen schädigendem Verhalten und Schaden, die Widerrechtlichkeit der Schädigung und das Verschulden des Schädigers (BSK OR I – Kessler, Art. 41N 2c), wobei die Widerrechtlichkeit bzw. das Verschulden der Loipenorganisation in einer Verletzung des allgemeinen Gefahrensatzes (vgl. BGer 4A_206/2014 vom 18. September 2014 E. 3.2 fürs Pisten-Skifahren) und im Speziellen in einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt. Die Loipenorganisation ist nämlich Trägerin der Verkehrssicherungspflicht, da sie den Verkehr auf einer Loipe durch das Anbringen der Markierung eröffnet (Stiffler, Skirecht, Rz. 809). Als solche kann sie ins Recht gefasst werden. Im Weiteren kann auf die zum Pisten-Skifahren gemachten Ausführungen verwiesen werden (siehe Elsener/Wälchli, Rz. 49 ff.)
c. Haftung nach SVG
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Zusammenstoss zwischen einem Skifahrer und einem Pistenfahrzeug (BGE 116 IV 214 E. 1b) hat analog auch für einen allfälligen Zusammenstoss zwischen einem Langläufer oder einer Langläuferin und einem Pistenfahrzeug zu gelten. Gleich wie beim Pisten-Skifahren gelangt somit bei Pistenfahrzeugen auf der Loipe ebenfalls das SVG zur Anwendung, wobei insbesondere auf die damit einhergehende Kausalhaftung des Motorfahrzeughalters für den Schaden nach Art. 58 SVG hinzuweisen ist (siehe zum Pisten-Skifahren Elsener/Wälchli, Rz. 53).
C. Privatrechtliche Haftung
1. Vertragliche Haftung des Langlauflehrers oder der Langlauflehrerin
Wird ein Langläufer oder eine Langläuferin von einem Langlauflehrer oder einer Langlauflehrerin unterrichtet, so besteht in der Regel ein Auftragsverhältnis gemäss Art. 394 ff. OR. Veranstalter und Langlauflehrerinnen und -lehrer schulden u.a. Sorgfalt und Treue (Art. 398 Abs. 2 OR). Bei Verletzung der Auftragspflichten werden Veranstalter und Langlauflehrerinnnen und -lehrer schadenersatzpflichtig, sofern sie nicht zu beweisen vermögen, dass der Schaden ohne ihr Verschulden entstanden ist (Art. 402 Abs. 2 OR).
Bezogen auf den Langlaufunterricht bedeutet pflichtgemässe Sorgfalt u.a. angemessene Instruktion, Korrektur und Überwachung der Langlaufschülerinnen und -schüler. Dabei haben die Langlauflehrerinnen und -lehrer sicherzustellen, dass die Langlaufschülerinnen und -schüler die FIS-Langlaufregeln kennen. Der Ausbildungs- und Kenntnisstand der Langlaufschülerinnen und -schüler muss beim Langlaufunterricht mitberücksichtigt werden.
Da Langlauflehrerinnen und Langläuflehrer ihre Tätigkeit in den allermeisten Fällen wohl ausserhalb des Verantwortungsbereichs von Betreibern von Skilift- und Seilbahnanlagen ausüben (Art. 1 Abs. 2 RiskG), unterstehen sie dem Bundesgesetz über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten (RiskG, SR 935.91, vgl. auch https://www.sbfi.admin.ch/dam/sbfi/de/dokumente/schneesport.pdf.download.pdf/schneesport.pdf, Ziff. 1 und 2). Die für sie geltenden, öffentlich-rechtlichen Sorgfaltspflichten (Art. 2 RiskG), entfalten als anerkannter Sorgfaltsmassstab auch im Vertragsverhältnis Anwendung. Die Langlauflehrerinnen und -lehrer müssen demnach die Massnahmen treffen, die nach der Erfahrung erforderlich, nach dem Stand der Technik möglich und nach den gegebenen Verhältnissen angemessen sind, damit Leben und Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht gefährdet werden.
Betreffend eine mögliche Haftung des Veranstalters sind insbesondere die Auswahl, Überwachung und Instruktion der Langlauflehrerinnen und -lehrer massgebend.
2. Ausservertragliche Haftung
Als ausservertragliche Haftungsgrundlage für Unfälle zwischen Langläuferinnen und Langläufern kommt Art. 41 OR infrage. Eine vertragliche Haftung ist in der Regel ausgeschlossen.
Verursacht eine Langläuferin oder ein Langläufer einen Unfall bei einem Dritten, so kann er oder sie ausservertraglich nach Art. 41 OR haften. Ob ein widerrechtliches Handeln im Sinne eines Verhaltensunrechts vorliegt, bestimmt sich dabei anhand der in den FIS-Langlaufregeln aufgestellten Verhaltenspflichten (vgl. Elsener/Wälchli, Rz. 62 f.).
IV. Strafrecht
Geschehnisse auf Loipen können auch strafrechtlich relevant sein. In den allermeisten Fällen liegen dabei Fahrlässigkeitsdelikte vor. Auch (eventual)vorsätzliches Handeln ist denkbar. Auf Loipen sind insbesondere Sachverhalte vorstellbar, welche als fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB), fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB), Tätlichkeit (Art. 126 StGB), Aussetzung (Art. 127 StGB), Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB), Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB), Ehrverletzungsdelikte (Art. 173 ff. StGB) oder als fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB) qualifizieren. Sowohl die Loipenorganisation als auch die Langläuferinnen und Langläufer können sich strafbar machen.
Wie bereits erwähnt, sind zur Eruierung des Sorgfalsmassstabs aus strafrechtlicher Perspektive die FIS-Langlaufregeln für Loipenbenutzerinnen und -benutzer und die SKUS-Richtlinien für Loipenorganisationen anwendbar (siehe auch BGE 118 IV 130 E. 3a). Im Übrigen wird für das Strafrecht auf die entsprechenden Ausführungen von Elsener/Wälchli, Rz. 64 ff. verwiesen, welche in analoger Weise auch für das Langlaufen gelten. Die Loipenorganisation nimmt die Rolle der Bergbahn bzw. des Pistenverantwortlichen ein, die Langläuferinnen und Langläufer diejenige der Skifahrerinnen und Skifahrer. Die Ausführungen zur Auslösung von Lawinen sind dabei für Langläuferinnen und Langläufer allerdings weniger relevant, da der Langlaufsport regelmässig in flacherem Gelände stattfindet und kaum abseits der Loipen ausgeübt wird.
V. Sozialversicherungsrecht
Im Allgemeinen kann auf das zum Pisten-Skifahren ausgeführte verwiesen werden (Elsener/Wälchli, Rz. 94). Ergänzend ist Folgendes zu sagen:
Der Langlaufsport ist, wenn er auf gekennzeichneten und geöffneten Loipen ausgeübt wird, gleich wie der Skisport kein Wagnis. Aber auch im Langlaufsport kann ein Wagnis vorliegen, wenn die anwendbaren FIS-Langlaufregeln oder allgemeine Vorsichtsgebote wie bspw. die Sperrung von Loipen in der Nacht bzw. bei Lawinengefahr oder die Anweisungen der Loipenorganisation, grob missachtet werden (vgl. BSK UVG–Brunner/Vollenweider, Art. 39 N 52). Dabei haben Langläuferinnen und Langläufer auch die allgemein verfügbaren Informationen (z.B. online und/oder auf allgemeinen Anschlagtafeln) zu konsultieren.
Die Sperrung von Loipen in der Nacht, bzw. die Tatsache, dass es sich nicht um Nachtloipen handelt, sollte dabei von der Loipenorganisation nicht täglich gesondert signalisiert werden müssen, da dies zu einem unverhältnismässigen Aufwand für die Loipenorganisation führen würde. Wird allerdings auf einem gefrorenen See für gewöhnlich eine Loipe angelegt, so sollte die Loipenorganisation ausdrücklich kennzeichnen, dass auf dem bereits gefrorenen See noch kein Langlaufsport betrieben werden darf. Wird eine Loipe aufgrund von Lawinengefahr gesperrt, so ist dies ebenfalls gesondert zu kennzeichnen.