Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 14

Besondere Abklärungen bei erhöhten Risiken



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Der Finanzintermediär trifft mit angemessenem Aufwand besondere Abklärungen, wenn Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit erhöhten Risiken vorliegen. Abzuklären ist je nach den Umständen namentlich:

  1. ob es sich bei der Vertragspartei oder dem wirtschaftlich Berechtigten um eine politisch exponierte Person handelt;
  2. die wirtschaftliche Herkunft der eingebrachten Vermögenswerte;
  3. die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person;
  4. die finanzielle Lage der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person;
  5. wenn der Anspruchsberechtigte eine juristische Person ist: wer diese beherrscht;
  6. der Verwendungszweck von Vertragsleistungen.

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Das Versicherungsunternehmen überprüft die Ergebnisse der besonderen Abklärungen auf ihre Plausibilität hin.



Zu Abs. 1


Art. 14 R SRO-SVV befasst sich mit der Frage, welche Abklärungen im Einzelfall zumutbar und verhältnismässig sind.


«Angemessener Aufwand»: Das Ausmass und die Intensität der Abklärungspflicht hängen wesentlich davon ab, wie gut das Versicherungsunternehmen die Vertragspartei kennt. Je weniger diese bekannt ist, desto intensivere Abklärungen sind in der Regel erforderlich.


Allgemein sind nur diejenigen Informationen zu beschaffen, welche für eine ausreichende Beurteilung der Hintergründe des Vertragsabschlusses notwendig und mit vertretbarem Rechercheaufwand zugänglich sind. Die zusätzlichen Abklärungen sind so schnell als möglich durchzuführen. Liegt noch kein Vertragsabschluss vor, so sind die Abklärungen vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung abzuschliessen.


Die Erklärungen der Vertragspartei oder von Dritten sind auf ihre Plausibilität hin zu prüfen.


Das Ergebnis der Abklärungen ist schriftlich festzuhalten und im Vertragsdossier der Vertragspartei oder in elektronischer Form abzulegen.


Können die Ungewöhnlichkeiten durch Rückfragen bei der Vertragspartei oder durch andere Abklärungen beseitigt werden, ist dies aktenkundig festzuhalten. Der Hintergrundbericht ist zu datieren und vom Kundenberater zu unterzeichnen. Elektronisch gespeicherte Berichte müssen jederzeit abrufbar sein. Können die Ungewöhnlichkeiten trotz zusätzlicher Abklärungen der Hintergründe über den Vertragsabschluss nicht vollständig ausgeräumt werden, ist die interne Fachstelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung einzuschalten. Sie entscheidet über das weitere Vorgehen, insbesondere darüber, ob eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei zu erfolgen hat. Im Zweifel betreffend Verdacht auf Geldwäscherei hat das Versicherungsunternehmen Meldung nach Art. 9 GwG zu erstatten.


Wurde das beabsichtigte bzw. beantragte Geschäft aufgrund von Ungewöhnlichkeiten oder Verdachtsmomenten durch das Versicherungsunternehmen abgelehnt und ist der Antrag bereits elektronisch oder schriftlich erfasst, so ist der Grund der Ablehnung aktenkundig in den Abklärungen der wirtschaftlichen Hintergründe festzuhalten. Im Anschluss ist die interne Geldwäscherei-Fachstelle einzuschalten, welche prüft, ob eine Meldung gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b GwG erforderlich ist. Falls eine Rückzahlung erfolgt, ist diese an jene Zahlstelle zu überweisen, welche die ursprüngliche Überweisung vorgenommen hat, sofern dies technisch möglich ist (eine Rücküberweisung auf das Ursprungskonto ist beispielsweise nicht mehr möglich, wenn dieses saldiert worden ist). Der Papierweg («paper trail») darf nicht unterbrochen werden. Zu beachten ist, dass eine Rückzahlung dann nicht mehr zulässig ist, wenn der Finanzintermediär im Stadium der Verhandlungen zur Aufnahme der Geschäftsbeziehung oder später ein Verdacht auf Terrorismusfinanzierung vorliegt. Besteht nach Vertragsabschluss ein begründeter Verdacht ist die interne Geldwäscherei-Fachstelle einzuschalten, welche eine Meldung und Vermögenssperre nach Art. 9 und 10 GwG prüft und gegebenenfalls vornimmt.


Die involvierten Kundenberater sowie die mit den vertieften Abklärungen betrauten Mitarbeitenden des Versicherungsunternehmens dürfen gegenüber der Vertragspartei sowie gegenüber Dritten keinerlei Auskünfte erteilen und müssen betreffend der Meldung Stillschweigen bewahren. Hintergrundberichte und dazugehörige Unterlagen wie z.B. Steuererklärungen (mit Ausnahme von Identifikationsdokumenten und Dokumenten betreffend die wirtschaftliche berechtigte Person) sind daher separat zu archivieren und mit restriktiven Zugriffsberechtigungen zu versehen. Ausgenommen von der Verschwiegenheit sind die Mitarbeitenden in der internen Fachstelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. Die Fachstelle Geldwäscherei koordiniert die Kommunikation gegenüber der FINMA, der SRO-SVV sowie der Prüfgesellschaft, welche das Versicherungsunternehmen prüft.


Gegenstand zusätzlicher Abklärungen kann beispielsweise sein:

  • Litera a: Insbesondere bei Vertragsparteien und/oder wirtschaftlich Berechtigten aus kritischen Ländern ist es wichtig, zusätzlich zum PEP-Status abzuklären, ob Anhaltspunkte vorliegen, dass die betreffende Person über Mittel aus kriminellen Machenschaften seines Staates verfügt bzw. aufgrund seines Amtes oder Stellung verfügen könnte.
    Kritische Länder sind Länder, deren Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung den grundlegenden Prinzipien des GwG nicht entsprechen (Art. 13bis Abs. 2 lit. k R SRO-SVV) bzw. in deren Rechtssystemen der Missbrauch der staatlichen Macht vorherrscht, z.B. durch verbreitete Korruption, staatliche Willkür oder generell durch kriminelle Handlungen aller Art.
  • Litera b: Die Herkunft der Mittel (Erspartes, Erbschaft, Firmenverkauf etc.), wobei das Ausmass der Abklärungen für das Versicherungsunternehmen im Einzelfall verhältnismässig und zumutbar sein muss. Die wirtschaftliche Herkunft der eingebrachten Vermögenswerte ist nur insofern zu plausibilisieren, als dieser Umstand in einem zeitlichen Konnex zum Vertragsabschluss steht. Das Versicherungsunternehmen ist nicht verpflichtet, sich Vermögensanfälle von Kunden nachweislich belegen zu lassen, welche beispielsweise bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen. Hier genügen der gute Glaube und die Plausibilität der Kundenangaben.
  • Litera c: Die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit des Antragstellers und der wirtschaftlich berechtigten Person. Diese Informationen können die Plausibilisierung der wirtschaftlichen Herkunft der zufliessenden Mittel unterstützen (z.B. wenn aus dem so ermittelten Einkommen nach Abzug der Lebenshaltungskosten der betroffenen Person, die dem Versicherungsunternehmen zufliessenden Mittel ohne weiteres bezahlt werden können und dies auch so mitgeteilt wurde).
  • Litera d: Die Einkommensverhältnisse (Höhe, Herkunft etc.) und die Vermögensverhältnisse (Höhe, Herkunft, Art der Anlagen etc.) der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person sind zu dokumentieren.
  • Litera e: Ist eine juristische Person begünstigt, bestehen die Abklärungspflichten bei Vorliegen von erhöhten Risiken darin, mit zumutbarem und verhältnismässigem Aufwand vom Vertragspartner respektive vom Begünstigten schriftlich feststellen zu lassen, welche natürlichen Personen die juristische Person beherrschen. Bei börsenkotierten Unternehmen oder bei öffentlich-rechtlichen Gesellschaften/Körperschaften (z. B. Gemeinde, Kanton, Staatsfonds etc.) als begünstigte Publikumsgesellschaft entfällt diese Abklärungspflicht (vgl. Kommentar zu Art. 9).
  • Litera f: Wenn bei einer Auszahlung äussere Umstände über den mutmasslichen Verwendungszweck an das Versicherungsunternehmen herangetragen werden, die auf einen widerrechtlichen Verwendungszweck hinweisen, müssen die Hintergründe abgeklärt werden. Nicht gemeint ist jedoch, dass die betreffende Gesellschaft bei jeder Auszahlung von sich aus den Verwendungszweck feststellen muss.

Gegenstand zusätzlicher Abklärungen können beispielsweise auch sein:

  • Abklärung der wirtschaftlichen Berechtigung an den Vermögenswerten, welche durch einen treuhänderisch handelnden Dritten eingebracht werden (treuhänderische Verwaltung etc.);
  • Bei Geltendmachung der zeitlichen Dringlichkeit durch den Kunden ist die Begründung der Dringlichkeit eines Vertragsabschlusses, einer Auszahlung oder Mutation festzuhalten;
  • Abklärung der Steuersituation beim Kunden oder wirtschaftlich Berechtigten; dies kann beispielsweise erfolgen durch:
  • Einholung einer Selbstdeklaration des Kunden betreffend Versteuerung der transferierten Vermögenswerte oder
  • Einholung von Steuerunterlagen (definitive Veranlagung, Steuerrechnung etc.) oder
  • Bestätigungen/Belege von Dritten über die Besteuerung (z.B. Erklärungen des Family Office, des Steuerberaters etc.)

Zu Abs. 2:


Die Angaben der Vertragspartei müssen mit zumutbarem Aufwand unter Berücksichtigung des risikobasierten Ansatzes auf ihre Plausibilität hin geprüft werden.