Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 12

Erneute Identifizierung der Vertragspartei oder erneute Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person



Entstehen im Laufe der Geschäftsbeziehung Zweifel an der Identität der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person, wiederholt das Versicherungsunternehmen die Identifizierung der Vertragspartei oder die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person nach den Art. 3–10. Es wiederholt dies insbesondere dann, wenn Zweifel auftreten:

  1. der Richtigkeit der Angaben über die Identität der Vertragspartei;
  2. der Tatsache, dass die Vertragspartei oder der Kontrollinhaber die wirtschaftlich berechtigte Person ist;
  3. der Glaubwürdigkeit der Erklärung der Vertragspartei über die wirtschaftlich berechtigte Person;
  4. beim Rückkauf einer Versicherung, wenn die wirtschaftlich berechtigte Person nicht identisch ist mit derjenigen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.


Vorbemerkungen


Identifizierung der Vertragspartei und Einholung einer schriftlichen Erklärung über die wirtschaftlich berechtigte Person (vgl. Art 9 ff. R SRO-SVV) sind Daueraufgaben des Finanzintermediärs. Entstehen im Verlaufe der Geschäfts- bzw. Vertragsbeziehung Zweifel über die Identität der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person, sind die Identifizierung der Vertragspartei bzw. die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person zu wiederholen (vgl. Art. 5 Abs. 1 GwG). Mangelnde Sorgfalt kann zivil- und strafrechtliche Rechtsfolgen auslösen (z.B. Verletzung von Art. 305ter StGB).


Die Identität der Vertragspartei muss nicht nur bei der Aufnahme, sondern während der ganzen Dauer der Vertragsbeziehung feststehen. Bestehen diesbezüglich von aussen herangetragene Zweifel, ist der Identifikationsvorgang zu wiederholen (Graber, GwG, Art. 5 Rz 1).


Zeigen sich während der Vertragsdauer ungewöhnliche Geschäftsvorfälle, die auf Geldwäscherei hindeuten, ist die gesamte Geschäftstätigkeit auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen.


Beim Zweifel an der Richtigkeit der Daten lässt sich der Zeitpunkt nicht unbedingt genau fixieren. Von einem Zweifelsfall auszugehen ist einerseits erst, wenn die durch die einzelnen Wahrnehmungen geschaffene Auffälligkeit eine gewisse Intensität erreicht hat. Andererseits ist Zweifel nicht mit Gewissheit oder annähender Gewissheit gleichzusetzen. Das Mass der Intensität hängt vom Einzelfall ab und lässt sich nicht definieren. Bei der Beurteilung der Umstände muss das Versicherungsunternehmen die gebotene Sorgfalt anwenden (De Capitani, a. a. O., Komm. zu Art. 5 GwG N 21).


Treten nach der Beziehungsaufnahme Umstände ein, die eine Änderung der ursprünglichen, korrekten Daten bewirken, ist die Identifizierung bzw. das Feststellungsverfahren zu wiederholen. Ist die Unrichtigkeit der beim Versicherungsunternehmen vorhandenen Angaben darauf zurückzuführen, dass die Vertragspartei falsche Daten geliefert hat, und hierdurch ein Verdachtsmoment entsteht, so ist allenfalls eine Meldung nach Art. 9 GwG zu erstatten.


zu Art. 12:


Zweifel über die Identität der Vertragspartei können entstehen, wenn die Kontakte mit ihr nach der ersten Identifikation nur noch über Dritte erfolgen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 1 E-GwG).


Die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person ist insbesondere dann zu wiederholen, wenn im Laufe der Geschäftsbeziehungen Zweifel auftreten hinsichtlich

  • der Tatsache, dass die Vertragspartei die wirtschaftlich berechtigte Person ist. Dieser Tatbestand trifft dann zu, wenn die Bezahlung der Versicherungsprämie offensichtlich mehrheitlich durch andere Personen als durch den Versicherungsnehmer erfolgt und diese Personen in keiner plausiblen Beziehung zum Versicherungsnehmer stehen.
  • der Glaubwürdigkeit der Erklärung der Vertragspartei über die wirtschaftlich berechtigte Person. Dies gilt dann, wenn der Umfang und Wert der Transaktionen nicht den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person entsprechen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 1 E-GwG).

Bei einem Wechsel des Prämienzahlers während der Vertragsdauer ist die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person ebenfalls zu wiederholen.


Eine Pflicht zur Klärung der Kontrollinhaber bei bestehenden Vertragsbeziehungen besteht ebenfalls nur, wenn im Laufe der Geschäftsbeziehung Zweifel an der Identität der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person entstehen. Eine Pflicht zur Feststellung der Kontrollinhaber besteht somit z.B. in folgenden Situationen nicht:

  1. bei einem bestehenden Vertrag erfolgen weitere Prämienzahlungen oder Zins- und Amortisationszahlungen durch die bisherigen Zahler;
  2. bei bereits fällig gewordenen Rentenzahlungen erfolgt eine weitere Rentenzahlung an den bisherigen Rentenempfänger.

Eine Pflicht zur Klärung der Kontrollinhaber liegt somit z. B. in folgenden Situationen vor:

  1. Bei einem bestehenden Vertrag erfolgen weitere Prämienzahlungen oder Zins- und Amortisationszahlungen durch andere Personen oder die Feststellung der wirtschaftlichen Berechtigung muss aus anderen Gründen wiederholt werden.
  2. Bei einem bestehenden Vertrag erfolgt ein Wechsel der Vertragspartei.
  3. Ein bestehender Vertrag wird nach Ablauf verlängert (z.B. Verlängerung einer Hypothekarfinanzierung oder Abschluss eines Anschlussgeschäftes wie eine neue Lebensversicherung).

Die Dokumente, die der erneuten Identifizierung der Vertragspartei bzw. der erneuten Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person dienen, sind zusammen mit den Antrags- bzw. Vertragsunterlagen abzulegen.