Viertes Kapitel: Schluss- und Übergangsbestimmungen

Art. 27

Übergangsbestimmungen


1

Das Versicherungsunternehmen muss die Vertragspartei identifizieren:

  1. beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages mit Sparanteil (inklusive Kapitalisationsgeschäfte), wenn die Prämien den Betrag von CHF 15'000 pro Vertrag innert fünf Jahren übersteigen;
  2. bei einer Einzahlung von mehr als CHF 15'000 auf ein Prämienkonto zu Gunsten einer Lebensversicherung mit Sparanteil, sofern noch keine Identifikation erfolgt ist;
  3. beim Anbieten oder Vertreiben von kollektiven Kapitalanlagen gemäss Kollektivanlagegesetz (SR 951.31; KAG), sofern die Zeichnung den Betrag von CHF 15‘000 übersteigt;
  4. beim Abschluss von Hypothekarverträgen im Rahmen der berufsmässigen Ausübung des Kreditgeschäfts gemäss der Geldwäschereiverordnung (GwV).

2

Die Vertragspartei ist in jedem Fall zu identifizieren, wenn Verdachtsmomente für eine mögliche Geldwäscherei im Sinne von Art. 3 Abs. 4 GwG vorliegen.

3

Bei Lebensversicherungsverträgen muss die Identifizierung im Zeitpunkt der Zustellung der Police erfolgt sein. Bei Hypothekargeschäften muss die Identifizierung vor Auszahlung von Vermögenswerten abgeschlossen sein.



zu Abs. 1:


Zu identifizieren ist diejenige Person, die den Versicherungsvertrag beantragt, also der künftige Versicherungsnehmer. Er allein gilt als Vertragspartei im Sinne des Reglements. Wird ein Lebensversicherungsvertrag durch zwei oder mehrere Versicherungsnehmer begründet, so sind sämtliche Personen zu identifizieren. Als Vertragspartei bzw. als Versicherungsnehmer gilt weder ihr Stellvertreter noch die versicherte oder begünstigte Person.


Die Pflicht zur Identifikation der Vertragspartei besteht beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages mit Sparanteil, wenn die Einmalprämie oder die periodischen Prämien den Betrag von CHF 15'000 pro Vertrag innert 5 Jahren übersteigen. Demnach muss sich der Versicherungsnehmer zu einer Prämienzahlung von mehr als CHF 15'000 pro Vertrag innert 5 Jahren verpflichten. Aufgrund der internationalen Vorgaben beträgt der Schwellenwert seit Januar 2020 CHF 15‘000 (vorher CHF 25‘000). Der Schwellenwert entspricht jenem bei den Banken für das Kassageschäft (Art. 2 Abs. 2 lit. j VSB). Relevant ist der tatsächliche Geldfluss nach allfälligen Prämienabzügen oder Prämienzuschlägen (Nettoprinzip inklusive Steuern), d.h. grundsätzlich die gemäss Police geschuldete Prämie inkl. Steuern zu der sich die Vertragspartei verpflichtet hat. Wie oder wer diese bezahlt (wird), spielt dabei keine Rolle. Besteht der Verdacht, dass durch den Abschluss von mehreren Versicherungsverträgen oder Prämienkonti (vgl. auch nachfolgende Rz 8) mit Prämienzahlungen unterhalb der Mindestgrenze die Identifikationspflicht umgangen werden soll (Smurfing), muss die Identifikation trotzdem vorgenommen werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände keine sachlich gerechtfertigten Gründe für den Abschluss von mehreren Lebensversicherungsverträgen oder Prämienkonti erkennbar sind.


Unter einem Lebensversicherungsvertrag mit Sparanteil sind sowohl Kapital- als auch Rentenversicherungen (d.h. mit und ohne Rückgewähr sowie lebenslängliche Todesfallversicherungen) zu verstehen. Der Begriff «Kapitalisationsgeschäfte» umfasst die in Anhang 1 unter Punkt A6 der Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (Aufsichtsverordnung, AVO) geregelten Geschäfte. Da diese einen Sparanteil aufweisen, fallen sie ebenfalls unter den Anwendungsbereich des Reglements. Versicherungsverträge, die der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) im Sinne von Art. 1 BVV 3 dienen und reine Risikoversicherungen fallen gemäss Art. 1 Abs. 2 nicht in den Anwendungsbereich des Reglements. Auch wenn die Risikoversicherungen im Laufe der Zeit ein (versicherungstechnisches) Deckungskapital aufweisen. Verträge zwischen Personalvorsorge-Einrichtungen und ihren Versicherten, sowie Kollektivversicherungsverträge zum Zwecke der beruflichen Vorsorge zwischen einer Lebensversicherungsgesellschaft und einer Personalvorsorge-Einrichtung können ebenfalls nicht unter eine Lebensversicherung mit Sparanteil im Sinne des Reglements subsumiert werden (vgl. Kommentar zu Art. 1 Abs. 2).


Anteilgebundene Lebensversicherungen sind bezüglich der Sorgfaltspflichten den konventionellen Lebensversicherungen mit Sparanteil gleichgestellt. Somit ist die Vertragspartei nach Art. 3 Abs. 1 lit. a und b R SRO-SVV zu identifizieren, wenn die Einmalprämie oder die periodischen Prämien den Betrag von CHF 15'000 pro Vertrag innert 5 Jahren übersteigen.


Bei Änderungs- bzw. Mutationsgeschäften, welche eine Erhöhung der Jahresprämien zur Folge haben, entsteht die Pflicht zur Identifizierung der Vertragspartei, wenn erstmals mit der vorgenommenen Änderung die Betragslimite überschritten wird. Davon ausgenommen sind automatische Anpassungen, welche sich aufgrund einer Bindung an einen Index etc. ergeben. Massgebend ist die neue Gesamtprämie und nicht der Betrag der Erhöhung. Erfolgt die erhöhte Prämienzahlung aufgrund einer im Versicherungsvertrag vereinbarten Nachversicherungsgarantie, ist dann keine Identifikation vorzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss vor dem 1. April 1999 (Inkrafttreten des ersten Reglements SRO-SVV) nicht identifiziert worden ist. Erfolgte der Vertragsabschluss nach dem 1. April 1999 und wurde der Antragsteller bisher nicht identifiziert, ist die Identifikation anlässlich der Erhöhung der Prämienzahlung vorzunehmen.


Werden Ablaufleistungen aus Lebensversicherungsverträgen reinvestiert, ist dann keine erneute Identifikation vorzunehmen, wenn die Identifizierung anlässlich der ersten Vertragsbeziehung erfolgt und nach den damals geltenden Bestimmungen dokumentiert worden ist. Ist dies nicht der Fall, muss die Vertragspartei bei Reinvestitionen über der Mindestgrenze identifiziert werden.


Werden Versicherungsanträge durch Dritte eingereicht, welche nicht Mitarbeitende des Versicherungsunternehmens (unabhängige Vermittler) und nicht mit der Vornahme der Identifikation nach Art. 18 R SRO-SVV «Delegation von Sorgfaltspflichten» beauftragt worden sind, hat das Versicherungsunternehmen die Identifikation des Geschäftspartners selbst vorzunehmen.


Unter den Begriff «Prämienkonto» fallen auch Kontos, welche vor der Ausstellung der Police oder nach Ablauf des Versicherungsvertrags zwecks Überweisung der Vermögenswerte eröffnet werden.


Beim Vertrieb von kollektiven Kapitalanlagen besteht in Anlehnung an die Vorgaben in der GwV-FINMA eine Identifizierungspflicht erst, sofern die Zeichnung den Betrag von CHF 15‘000 übersteigt.


Bei der Gewährung eines Hypothekarkredites ist die Vertragspartei der Hypothekarkreditnehmer (Schuldner des hypothekarisch gesicherten Darlehens; Darlehensschuldner). Dieser ist in der Regel auch der Eigentümer des belasteten Grundstücks. Wird ein Hypothekarkreditvertrag durch zwei oder mehrere Hypothekarkreditnehmer begründet, so sind sämtliche Parteien zu identifizieren. Dabei müssen nicht sämtliche Hypothekarkreditnehmer auch Eigentümer des belasteten Grundstücks sein. Es ist sogar denkbar, dass es sich um ein reines Drittpfand handelt. Ist der Eigentümer/Drittpfandsteller nicht auch Darlehensschuldner, muss der Eigentümer/Drittpfandsteller nicht identifiziert werden, da er nicht Vertragspartei des Hypothekarkreditvertrages ist. Die Identifikation muss bei der Gewährung von Hypothekarkrediten immer unabhängig eines Schwellenwertes vorgenommen werden.


Bei der Verlängerung eines bestehenden Hypothekarkredites muss eine erneute Identifizierung nur erfolgen, falls diese nicht bereits vorgängig durchgeführt worden ist.


zu Abs. 2:


Bei einem Geldwäschereiverdacht ist die Vertragspartei gemäss den gesetzlichen Vorgaben immer zu identifizieren, auch wenn die Einmaleinlage oder die periodische Prämienzahlung die Mindestgrenze nicht erreicht oder wenn gegebenenfalls Ausnahmen hinsichtlich der formellen Identifikationspflicht vorliegen (Art. 3 Abs. 4 GwG).


Vor Eintreffen des unterzeichneten Antrags bei der Gesellschaft (d.h. bevor Verhandlungen zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung beginnen), wenn beispielsweise der Aussendienstmitarbeiter ein Geschäft aufgrund von Ungewöhnlichkeiten oder Verdachtsmomenten von sich aus ablehnt, besteht noch keine Identifikationspflicht nach Art. 3 Abs. 2 R SRO-SVV. Dieser Ansatz entspricht der Meldepflicht nach Art. 9 GwG. Verzichtet nämlich der Aussendienstmitarbeiter bereits nach einem ersten, unverbindlichen Kundenkontakt darauf einen unterzeichneten Antrag bei der Gesellschaft einzureichen, so entfällt die Meldepflicht nach Art. 9 GwG (vgl. Kommentar zu Art. 19).


Ebenso besteht keine Pflicht zur Identifikation der Vertragspartei, wenn das Versicherungsunternehmen den unterzeichneten Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung im Verhandlungsstadium aufgrund von Ungewöhnlichkeiten oder Verdachtsmomenten anlässlich der Antragsprüfung ablehnt. Natürlich besteht jedoch allenfalls eine Meldepflicht nach Art. 9 Abs. 1 lit. b GwG, wenn der Versicherungsunternehmen die Verhandlungen zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung wegen eines begründeten Verdachts abbricht (vgl. dazu Art. 19 R SRO-SVV).


Unter dem Begriff «Verdachtsmomente» im Sinne von Art. 3 Abs. 2 R SRO-SVV ist kein begründeter Verdacht nach Art. 9 Abs. 1 GwG zu verstehen. Insofern geht der Begriff Verdachtsmoment weniger weit als der «begründete Verdacht». Die Identifikationspflicht bei Verdachtsmomenten in einem laufenden Vertrag, welcher naturgemäss nach Vertragsabschluss erfolgt, besteht bereits dann, wenn eine Plausibilitätsprüfung ungewöhnlich erscheint.


Bestehen Zweifel bzw. liegen Verdachtsmomente hinsichtlich der legalen Herkunft der Geldmittel vor, hat sich das Versicherungsunternehmen für die nachträgliche Identifikation der Vertragspartei zu entscheiden. Jedoch beinhaltet diese Identifikation beim Vorliegen von Verdachtsmomenten für eine mögliche Geldwäscherei im Sinne von Art. 3 Abs. 2 R SRO-SVV noch keinen Entscheid über eine spätere Meldung des Geschäfts an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Sie soll lediglich die Möglichkeit sicherstellen, dass eine Meldung im Sinne von Art. 19 R SRO-SVV allenfalls später erstattet werden kann, falls ein begründeter Verdacht nach Art. 9 GwG vorliegt, wobei die Identifizierung keine Voraussetzung für eine Meldung bildet, jedoch das Hemmnis für eine Meldung senkt, da die Behörden im Zuge ihrer Untersuchungen wohl auch die Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch den Finanzintermediär eingehend untersuchen.


Indizien für Ungewöhnlichkeiten und damit mögliche Verdachtsmomente für Geldwäscherei können auch während der Vertragsdauer entstehen. Sie entstehen beispielsweise immer dann, wenn

  • die Vertragspartei einen Betrag von mehr als CHF 15'000 in bar einzahlen möchte.
  • sich das wirtschaftliche Umfeld oder die Kenntnisse und Erfahrungen über den Kunden nicht oder nicht mehr mit dem Vertrag vereinbaren lassen.
  • spezielle Dienstleistungen oder Produkte (namentlich Wrapper Produkte) verlangt werden.
  • die Konstruktion des Vertrages darauf hindeutet, dass ein krimineller Zweck erreicht werden soll.
  • Art und Ort der Geschäftstätigkeit der Vertragspartei und/oder des wirtschaftlich Berechtigten Fragen aufwirft.
  • der Zweck des Vertragsabschlusses nicht erkennbar ist oder wirtschaftlich geradezu unsinnig erscheint (Abschluss von mehreren kapitalbildenden Lebensversicherungen mit gleichem Risikoschutz und kurzer Laufzeit sowie Finanzierung mit Einmalprämien knapp unter der Identifikationslimite).
  • eine Vollmacht an eine Person, welche erkennbar nicht in einer genügend engen Beziehung zur Vertragspartei steht, erteilt wird.
  • eine Anweisung, die Versicherungssumme der begünstigten Person bar auszubezahlen, erteilt wird.
  • die Vertragspartei Diskretionsbedürfnisse, die über das branchenübliche Mass hinausgehen hat, oder der persönliche Kontakt fehlt.
  • die Vertragspartei zusätzlich zur Versicherungspolice eine Garantieerklärung verlangt.
  • eine Geschäftsbeziehung mit Vermögenseinheiten, an denen keine bestimmte Person wirtschaftlich berechtigt ist, eingegangen wird, oder bei Geschäftsbeziehungen mit Personenverbindungen, Trusts und Sitzgesellschaften.
  • eine Geschäftsbeziehung oder Transaktion in Verbindung mit natürlichen oder juristischen Personen resp. wirtschaftlich Berechtigten mit Nationalität, Wohnsitz oder Sitz in Ländern, deren Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung den grundlegenden Prinzipien des GwG nicht entsprechen, eingegangen wird.
  • Verdachtsmomente auftreten, wonach die Vertragspartei oder die wirtschaftlich berechtigte Person zu einer terroristischen oder einer anderen kriminellen Organisation gehört oder Verbindungen zu Personen hat, welche solchen Organisationen angehören, sie unterstützen oder ihnen sonst wie nahestehen.
  • der Abschluss sonst wie ungewöhnlich erscheint, es sei denn, dessen Rechtmässigkeit sei erkennbar.

(vgl. auch die Ausführungen zu Art. 13bis und 13ter des Reglements)


Bei Geschäftsbeziehungen zu Trusts ist der Trustee als Vertragspartner zu identifizieren. Der Trust selber kann nicht Vertragspartner sein. Der Trustee ist entweder nach den Vorgaben für natürliche oder juristische Personen bzw. Personengesellschaften zu identifizieren.


Zu Abs. 3


Die Regelung von Abs. 3 stellt einerseits die Kodifizierung der bisherigen Praxis im Lebensversicherungsbereich dar, wonach die Identifizierung spätestens mit Zustellung der Police abgeschlossen werden muss.


Im Hypothekarbereich ist analog zum Bankbereich (VSB) iim Hinblick auf die möglichen GwG-Risiken nicht der Vertragsabschluss für die Identifizierung massgebend, sondern der Zeitpunkt, in welchem ein Geldfluss erfolgen kann. Die Identifizierungsdokumente müssen somit beim Versicherungsunternehmen spätestens vor Auszahlung des Darlehens und nicht bereits vor der Ausstellung der Vertragsofferte vorliegen. Dies ermöglicht es, die Identifizierung erst nach Ausstellung einer verbindlichen Vertragsofferte vorzunehmen.


Im Bereich kollektive Kapitalanlagen muss die Identifizierung vor dem Austausch von Leistungen (Annahme von Geldern – Einbuchung der kollektiven Kapitalanlagen in das Kundendepot) abgeschlossen sein.