Kommentarwerk Sportverbandskommentar

Arbitration

Zitiervorschlag: Rahel Müller, Arbitration, in: Anne Mirjam Schneuwly/Yael Nadja Strub/Mirjam Koller Trunz (Hrsg.), Sportverbandskommentar, https://sportverbandskommentar.ch/arbitration, 1. Aufl., (publiziert am 26. Juni 2023).


Kurzzitat: Müller, Rz. xx.


  1. Einführung
  2. Begriffsbestimmungen und Grundlagen
    1. Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit
    2. Unterscheidungen
      1. Nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit
      2. Institutionelle und Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit
    3. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
  3. Schiedsvereinbarung
    1. Begriffsbestimmung
    2. Anforderungen und Wirkungen
    3. Praxisbeispiele
  4. Verfahren
    1. Nationale Schiedsverfahren (3. Teil der ZPO)
      1. Geltungsbereich
      2. Schiedsfähigkeit
      3. Prinzipien und Merkmale
    2. Internationale Schiedsverfahren (12. Kapitel IPRG)
      1. Geltungsbereich
      2. Revision
      3. Schiedsfähigkeit
      4. Prinzipien und Merkmale
  5. Rechtsmittel
    1. Nationale Schiedsverfahren (3. Teil der ZPO)
      1. Beschwerde an das Bundesgericht
      2. Revision
    2. Internationale Schiedsverfahren (12. Kapitel IPRG)
      1. Beschwerde an das Bundesgericht
      2. Revision
  6. Einstweiliger Rechtsschutz
    1. Zweck
    2. Zuständigkeit
      1. Nationale Schiedsgerichtsbarkeit
      2. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
      3. Voraussetzungen
      4. Insbesondere: Superprovisorische Massnahmen
  7. Abgrenzung: anwendbares (materielles) Recht


Literatur


Berger Bernhard/Kellerhals Franz, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 4. Aufl., Bern 2021; Burkart Michael, Schiedsfähigkeit individualarbeitsrechtlicher Streitigkeiten unter besonderer Berücksichtigung der Sportschiedsgerichtsbarkeit, Diss. Luzern 2020; Cortada, Emanuel, Court of Arbitration for Sport (CAS), in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Dasser Felix/Wójtowicz Piotr, Swiss International Arbitral Awards Before the Federal Supreme Court, Statistical Data 1989-2019, in: ASA Bulletin 1/2021, S. 7 ff.; Fischer Jonas/Schneuwly Anne Mirjam, ADR – Alternative Dispute Resolution, Zürich 2021; Fenners Henk, Der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit im organisierten Sport, Diss. Zürich 2006; Gasser Dominik/Müller Rahel/Kojan Tamara, Zivilprozessrecht in a nutshell, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2021; Girsberger Daniel/Habegger Philipp/MrÁz Michael/Peter Flavio/Weber-Stecher Urs, in: Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017; Girsberger Daniel/Voser Nathalie, International Arbitration, Comparative and Swiss Perspectives, 4. Aufl., Zürich 2021; Göksu Tarkan, Schiedsgerichtsbarkeit, Zürich/St. Gallen 2014; Haas Ulrich/Köppel, Judith, Abwehransprüche des Sportlers gegen (angeblich rechtswidriges) Verbandsverhalten vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS/TAS), in: Jusletter 16. Juli 2012; Haas Ulrich/Martens Dirk-Reiner, Sportrecht – Eine Einführung in die Praxis, Zürich 2011; Habegger Philipp, in: Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017; Heini Anton/Portmann Wolfgang, Schweizerisches Privatrecht, Das Schweizerische Vereinsrecht, Basel 2005; Hochstrasser Daniel/Burlet Simone, in: Grolimund Pascal/Loacker Leander D./Schnyder Anton K. (Hrsg.), Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., Basel 2020; Hügi Thomas, Sportrecht, Bern 2015; Mabillard Ramon, in: Grolimund Pascal/Loacker Leander D./Schnyder Anton K. (Hrsg.), Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., Basel 2020; Mabillard Ramon/Briner Robert, in: Grolimund Pascal/Loacker Leander D./Schnyder Anton K. (Hrsg.), Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., Basel 2020; Menz David, Basketball Arbitral Tribunal (BAT), in: Schneuwly Anne Mirjam/Strub Yael Nadja/Koller Trunz Mirjam (Hrsg.), Sportverbandskommentar; Osterwalder Simon/Kaiser Martin, Vom Rechtsstaat zum Richtersport? – Fragen zum vorsorglichen Rechtsschutz in der Sport-Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz, in: SpuRt 6/2011, S. 230 ff.; Pfisterer Stefanie, Ausdehnung von Schiedsvereinbarungen im Konzernverhältnis, Diss. Zürich 2011; Pfisterer Stefanie/Schnyder Anton K., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in a nutshell, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2021; Riemer Hans Michael, Sportrechts-Weltmacht Schweiz Internationale Sportverbände und schweizerisches Recht, in CaS 2004, S. 106 ff.; Sprecher Thomas, in: Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017; Studer Urs W./Rüegg Viktor/Eiholzer Heiner, Der Luzerner Zivilprozess, Luzern 1994; Weber-Stecher Urs, in: Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017; Zimmermann Markus, In dubio pro Schiedsgerichtsbarkeit, in: CaS 2014, S. 11 ff.


Materialien


Amtliches Bulletin Nationalrat Sommersession 2020, Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. 12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Schlussabstimmung (zit. Amtliches Bulletin IPRG); Botschaft vom 24. Oktober 2018 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit), BBl 2018 7163; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221; Medienmitteilung des Bundesrates vom 26. August 2020, Schiedsplatz Schweiz wird flexibler und attraktiver (zit. MM IPRG);

I. Einführung


Im organisierten Sport sind verschiedene Konfliktsituationen denkbar (Fenners, Rz. 171 ff.; Hügi, S. 152 f.):

  • Aussenkonflikte: Konflikte zwischen Sportorganisationen oder einzelnen Sportler*innen mit Dritten, wie Medien- oder Marketingpartner*innen, weiteren Unternehmen resp. Einzelpersonen oder auch mit staatlichen Behörden.
  • Innenkonflikte: Anfechtung von Beschlüssen von Sportorganisationen durch Mitglieder oder vertraglich dem Vereins- resp. Verbandswerk unterstellten Personen (sog. vertikale Streitigkeiten) sowie Konflikte zwischen den Vereinen resp. Verbänden oder zwischen Verbandsregelunterworfenen (sog. horizontale Streitigkeiten).

Der Schweizer Gesetzgeber stellt für die Streitbeilegung bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen verschiedene Wege zur Verfügung: Neben der Anrufung eines staatlichen Gerichts können die Parteien gemeinsam den Weg einer Mediation einschlagen (Art. 213 ff. ZPO) oder die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren (Art. 353 ff. ZPO).


Bei Innenkonflikten sehen die Sportverbände oft in einem ersten Schritt einen vereinsinternen Instanzenzug vor, den es einzuhalten gilt. So entsprechen in grösseren Verbänden erstinstanzliche Disziplinar- und zweitinstanzliche Berufungs- oder Rekurskommissionen der Regel (Sport-Gerichtsbarkeit; vgl. auch Hügi, S. 152 f. und 165 ff., sowie betreffend einzelne Sportarten die Beiträge im BT dieses Kommentars). Nach einem vereinsinternen letztinstanzlichen Entscheid ist sodann regelmässig ein Schiedsgerichtsverfahren anstelle eines staatlichen Verfahrens einzuleiten (Sport-Schiedsgerichtsbarkeit; vgl. dazu auch die Beiträge Cortada und Menz).


Auch bei Aussenkonflikten ist es denkbar, dass die Parteien die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren. Während bei Innenkonflikten die Schiedsgerichtsbarkeit regelmässig auf einer Schiedsklausel in den Statuten basiert, finden sich bei Aussenkonflikten die Schiedsklauseln in den entsprechenden Verträgen (vgl. dazu auch nachfolgend Rz. 14).


Entsprechend kommt der Schiedsgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit Sportverbänden – insbesondere bei Innenkonflikten – eine tragende Rolle zu (vgl. auch Burkart, Rz. 470; Fenners, Rz. 179; Hügi, S. 155). Die staatliche Gerichtsbarkeit bleibt aber insbesondere im Zusammenhang mit dem einstweiligen Rechtsschutz (siehe nachstehend Rz. 41 ff.) sowie bei einem allfälligen Instanzenzug ans Bundesgericht (siehe nachstehend Rz. 31 ff.) relevant.


Der vorliegende Beitrag enthält allgemeine Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitration) im Zusammenhang mit Sportverbänden. Das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) resp. Court of Arbitration for Sport (CAS) sowie weitere spezifische Sportschiedsgerichte wie das Basketball Arbitral Tribunal (BAT) werden in diesem Beitrag bewusst ausgeklammert (vgl. dazu die Beiträge Cortada und Menz).

II. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

A. Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit


Schiedsgerichtsbarkeit bedeutet, dass ein vertraglich vereinbartes Verfahren zur Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht zur Anwendung gelangt (Fischer/Schneuwly S. 425 f.). Die Schiedsgerichte urteilen anstelle der staatlichen Gerichte. Ihre Urteile sind jene staatlichen Gerichte gleichgesetzt und sind somit – vorbehältlich Rechtsmittelweg – endgültig, bindend und vollstreckbar (Berger/Kellerhals, Rz. 1 ff.; Göksu, Rz. 12; Pfisterer/Schnyder, S. 1).


Im Sportverbandsrecht entspricht die Schiedsgerichtsbarkeit der Regel, während staatliche Gerichte nur ausnahmsweise – subsidiär – zur Streitbeilegung beitragen (Hügi, S. 155). Schiedsgerichte sind grundsätzlich nur zur Beurteilung von Rechtsregeln zuständig (betreffend die Beurteilung der Einhaltung von Spielregeln durch Schiedsgerichte vgl. nachstehend Rz. 23 ff.)

B. Unterscheidungen

1. Nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit


Während die Binnenschiedsgerichtsbarkeit (interne Schiedsgerichtsbarkeit) Schiedssachen mit rein nationalen Verhältnissen betrifft, wird von internationaler Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen, wenn grenzüberschreitende Verhältnisse vorliegen. Zur Abgrenzung sind verschiedene Anknüpfungspunkte denkbar, wie die Nationalität der Parteien, Wohnsitz resp. Sitz der Parteien oder die Natur der Streitsache (Pfisterer/Schnyder, S. 5). Das IPRG knüpft an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt an: Sofern beim Abschluss der Schiedsvereinbarung wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte, ist ein Schiedsverfahren international (Art. 176 Abs. 1 IPRG; Girsberger/Voser, Rz. 118 ff.).


Die anwendbaren rechtlichen Bestimmungen sind für die internationale und die nationale Schiedsgerichtsbarkeit regelmässig abweichend (duales System). Für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit gilt grundsätzlich das 12. Kapitel des IPRG, während für die interne Schiedsgerichtsbarkeit der 3. Teil der ZPO zur Anwendung gelangt (Pfisterer/Schnyder, S. 5).

2. Institutionelle und Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit


Wird ein Schiedsgericht nur für den streitigen Fall berufen, wird von Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit (Gelegenheitsschiedsgericht) gesprochen. Bei der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit (ständiges Schiedsgericht) wird hingegen eine vorbestehende Schiedsinstitution gewählt (Berger/Kellerhals, Rz. 22 ff.; Girsberger/Voser, Rz. 66 ff.; Göksu, Rz. 38). Im Sportrecht wird regelmässig eine institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen (vgl. insbesondere die Beiträge Cortada und Menz).

C. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit


Während im (internationalen) Handelsrecht regelmässig die Möglichkeit, einen Schiedsort in einem «neutralen» Drittstaat wählen zu können, sowie die erleichterte Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs im Ausland für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit entscheidend sein werden (Pfisterer/Schnyder, S. 3), stehen im Sportverbandsrecht primär folgende Überlegungen im Vordergrund (BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 19 ff., Haas/Martens, S. 122 ff.; BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 22):

  • Freiheit der Parteien in der Wahl der Schiedsrichter*innen und somit die Möglichkeit, mit der Sportart vertraute Fachpersonen einzusetzen, womit kostspielige Sachverständige vermieden werden können.
  • Flexibilität hinsichtlich der Verfahrensgestaltung, was effiziente und rasche Verfahren ermöglicht.
  • Vertraulichkeit des Verfahrens.
  • Höhere Akzeptanz des Urteils bei den Parteien.

Im organisierten Sport führt die Konzentration der sportbezogenen Streitigkeiten an einem Schiedsgericht bzw. Schiedsort zur besseren Koordination der Schiedsurteile und folglich einer homogenen Rechtsprechung. Dies stellt die weltweite Gleichbehandlung der Athlet*innen sicher: Würden rechtliche Streitigkeiten im internationalen Sport in vergleichbaren Fällen infolge der Nutzung verschiedener Instanzen bzw. Rechtsordnungen unterschiedlich beurteilt, hätte dies Auswirkungen auf die Chancengleichheit im Wettkampf und auf die Vergleichbarkeit der Resultate (Burkart, Rz. 471). Würden beispielsweise Dopingfälle durch die staatlichen Gerichte entschieden, wäre eine einheitliche Rechtsprechung und Anwendung der Bestimmungen undenkbar (vgl. betreffend CAS den Beitrag Cortado).

III. Schiedsvereinbarung

A. Begriffsbestimmung


Mit der Schiedsvereinbarung (arbitration agreement) verpflichten sich die Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sei es vertraglicher oder nichtvertraglicher Art, bereits entstanden sind oder künftig entstehen können, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen (Art. 357 ZPO; Art. 178 IPRG; Fischer/Schneuwly, S. 448 ff. m.w.H.; BGE 142 III 239, 247 = Pra 2018 Nr. 7; BGE 41 III 444, 460 = Pra 2016 Nr. 55; BGE 140 III 367, 369).

B. Anforderungen und Wirkungen


Der Verzicht auf den Zugang zum staatlichen Gericht hat freiwillig zu erfolgen. Entsprechend setzt die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts eine (Schieds-)Vereinbarung voraus. Diese Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht (Art. 357 Abs. 1 ZPO; Art. 178 Abs. 1 IPRG). Für internationale Schiedsverfahren (siehe vorstehend Rz. 9) stellt Art. 178 Abs. 4 IPRG klar, dass eine Schiedsklausel auch in einem einseitigen Rechtsgeschäft oder – insbesondere für die Sportverbände relevant – in den Statuten oder einem anderen Verbandsreglement vorgesehen werden kann. Dies gilt (auch ohne explizite gesetzliche Aufzählung) auch für nationale Schiedsverfahren (vgl. BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 26; Zimmermann, S. 14). Insbesondere bei – der im Sportrecht regelmässig anzutreffenden – Verankerung der Schiedsklausel in den Statuten ist nicht abschliessend klar, ob die geforderte Freiwilligkeit tatsächlich gegeben ist oder ob nicht ein faktischer Schiedszwang vorliegt.


Wird trotz gültig vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit ein staatliches Gericht angerufen, kann die Gegenpartei die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit vorbringen (Art. 61 ZPO, Art. 7 IPRG). Sind Zuständigkeit oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder Gültigkeit bzw. Inhalt der Schiedsvereinbarung strittig, beurteilt das angerufene Schiedsgericht diese Fragen selber (Art. 359 Abs. 1 ZPO, Art. 186 Abs. 1 IRPG, sog. «Kompetenz-Kompetenz»; BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 27).

C. Praxisbeispiele


Die FIFA hält in ihren Statuten (Ausgabe August 2018) beispielsweise fest (Art. 58):

«1. Die Konföderationen, Mitgliedsverbände und Ligen verpflichten sich, das CAS als unabhängige richterliche Instanz anzuerkennen und dafür zu sorgen, dass sich ihre Mitglieder sowie die ihnen angeschlossenen Spieler und Offiziellen den Entscheiden des CAS fügen. Dasselbe gilt für Vermittler und lizenzierte Spielvermittler.
2. Der ordentliche Rechtsweg ist ausgeschlossen, mit Ausnahme der in den FIFA-Reglementen ausdrücklich vorbehaltenen Fälle. Der ordentliche Rechtsweg ist auch für vorsorgliche Massnahmen aller Art ausgeschlossen.
3. Die Verbände sind verpflichtet, in ihre Statuten oder Reglemente eine Bestimmung aufzunehmen, wonach es bei Streitigkeiten innerhalb des Verbands oder bei Streitigkeiten, die die Liegen, Mitglieder der Liegen, Klubs, Mitglieder der Klubs, Spieler, Offizielle und weitere Verbandsangehörige betreffen, verboten ist, an staatliche Gerichte zu gelangen, (…). Anstelle staatlicher Gerichte ist eine Schiedsgerichtsbarkeit vorzusehen. (…).»

Exemplarisch kann auch auf die Regelung des SIHF verwiesen werden (Art. 118 der Statuten; Ausgabe 12. September 2022):

«1. Sämtliche Entscheide der Rechtspflegeorgane der SIHF, die nicht mehr vor einem anderen Rechtspflegeorgan der SIHF anfechtbar sind, können ausschliesslich vor dem CAS in Lausanne angefochten werden. Dies gilt jedoch nicht für Entscheide der Rechtspflegeorgane der SIHF in arbeitsrechtlichen Fällen, in welchen die staatlichen Gerichte zuständig sind.»

IV. Verfahren


Die Schweiz kennt ein duales System für internationale und innerschweizerische Schiedsfälle (siehe vorstehend Rz. 10). Die Parteien profitieren hierbei von der Möglichkeit, durch ein Opting-in/Opting-out ins eine oder andere System zu wechseln (BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 1).

A. Nationale Schiedsverfahren (3. Teil der ZPO)

1. Geltungsbereich


Die Bestimmungen der Art. 353 ff. ZPO gelten für Verfahren vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz, sofern nicht die Bestimmungen des 12. Kapitels IPRG (siehe nachstehend Rz. 27 ff.) anwendbar sind (Art. 353 Abs. 1 ZPO). Die Parteien können die Anwendbarkeit der Bestimmungen der ZPO ausschliessen und die Anwendung der Bestimmungen des 12. Kapitels IPRG vereinbaren (Art. 353 Abs. 2 ZPO). Hingegen ist es nicht möglich, dass die Parteien für Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz sowohl die Bestimmungen der ZPO als auch die Bestimmungen des 12. Kapitels IPRG ausschliessen (BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 353 N 2).


Bereits die Botschaft zur ZPO erwähnt ausdrücklich, dass insb. Sportverbände mit Sitz in der Schweiz mittels Opting-out nationale Schiedssachen dem 12. Kapitel IPRG unterstellen und so sicherstellen können, dass ähnliche Streitsachen (bei unterschiedlichen Wohnsitzen der Parteien) nicht unterschiedlichen Regelungen unterstehen (BBl 2006 7221, S. 7393; BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 21; vgl. auch vorstehend Rz. 19). Ergänzend bleibt festzuhalten, dass die IPRG-Revision (vgl. nachstehend Rz. 28) dieses Problem entschärft hat, indem Art. 176 Abs. 1 IPRG auf den Wohnsitz der Parteien der Schiedsvereinbarung beim Abschluss der Schiedsvereinbarung abstellt und der Wohnsitz der Verfahrensparteien somit nicht mehr relevant ist (BBl 2018 7163, S. 7187). Somit sollte bei statutarischen Schiedsklauseln für sämtliche möglichen Parteien entweder ein Binnen- oder ein internationales Schiedsverfahren vorliegen.

2. Schiedsfähigkeit


Gegenstand eines Schiedsverfahrens kann jeder Anspruch sein, über den die Parteien frei verfügen können (Art. 354 ZPO). Frei verfügbar bedeutet, dass kein (zwingendes) staatliches Recht aus Gründen des öffentlichen Interesses (typischerweise der Schutz einer schwächeren Partei) die Schiedsgerichtsbarkeit ausschliesst (beispielsweise das Kindesrecht, vgl. Göksu, Rz. 342 ff.). Im Gegensatz zu Art. 177 Abs. 1 IPRG (siehe nachstehend Rz. 29) erfasst Art. 354 ZPO sowohl vermögensrechtliche als auch nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten (BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 7). Vermögensrechtliche Ansprüche sind mit wenigen Ausnahmen frei verfügbar (Berger/Kellerhals, Rz. 210 ff.). Als Beispiel eines nicht vermögensrechtlichen Anspruchs, über den frei verfügt werden kann, wird in der Lehre der Ausschluss aus einer kulturellen Organisation genannt (BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 8).


Schiedsfähig können grundsätzlich nur Ansprüche sein, die sich auf eine Rechtsregel stützen (BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 51). Die Überprüfbarkeit von Entscheidungen gestützt auf Spielregeln wird hingegen kontrovers diskutiert (vgl. statt vieler BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 23 und 51).


Die Grenze zwischen Rechts- und Spielregel ist fliessend und in der Praxis nicht immer einfach (BGE 103 Ia 410 E. 3b). Beispiele für schiedsfähige Ansprüche im Bereich des Sportrechts sind (vgl. auch BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 354 N 51; Berger/Kellerhals, Rz. 233 ff.; Fenners, Rz. 416; BGE 119 II 271, 280 f.):

  • Sperrung eines Sportlers durch den Entscheid einer Verbandsinstanz
  • Nichtzulassung eines Motorradfahrers zu einem Rennen im Rahmen der Schweizer Meisterschaft inf Folge verspäteter Anmeldung (BGE 118 II 12)
  • Disqualifikation und Entzug des Preisgeldes infolge Verabreichung einer unzulässigen Substanz an ein Springpferd (BGE 119 II 271)

Die neuere Lehre geht tendenziell davon aus, dass Spielregeln überprüfbar seien, nicht hingegen Spielleitungsentscheide (Fenners, Rz. 127, 436; Heini/Portmann, Rz. 298 ff.).

3. Prinzipien und Merkmale


Das Schiedsverfahren gemäss dem 3. Teil der ZPO folgt dem Grundgedanken der Parteiautonomie. Eine Vielzahl der Bestimmungen kommt nur zum Tragen, falls die Parteien nichts anderes vereinbart haben (bspw. die Anzahl Schiedsrichter*innen in Art. 360 ZPO, die Art und Weise der Ernennung der Mitglieder des Schiedsgerichts in Art. 361 ZPO, die Verfahrensregeln gemäss Art. 373 Abs. 1 ZPO usw.). Art. 373 Abs. 4 ZPO hält fest, dass jede Regelung des Verfahrens die Minimalgarantien der Gleichbehandlung der Parteien und des rechtlichen Gehörs in einem kontradiktorischen Verfahren zu wahren hat.

B. Internationale Schiedsverfahren (12. Kapitel IPRG)

1. Geltungsbereich


Wie dargelegt (siehe vorstehend Rz. 20) hält Art. 176 Abs. 1 IPRG fest, dass das 12. Kapitel IPRG dann zur Anwendung gelangt, wenn wenigstens eine Partei der Schiedsvereinbarung beim Abschluss ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz nicht in der Schweiz hat. Gemäss Absatz 2 können die Parteien die Geltung des 12. Kapitels durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung des dritten Teils der ZPO vereinbaren.

2. Revision


Der National- und Ständerat haben sich am 19. Juni 2020 auf neue Regeln für internationale Schiedsgerichte geeinigt und eine Anpassung des 12. Kapitels IPRG beschlossen (vgl. Amtliches Bulletin IPRG, BBl 2018 7163, AS 2020 4179), die seit 1. Januar 2021 in Kraft ist. Die revidierten Bestimmungen erlauben mehr Parteiautonomie, was auch im Sportrecht von Interesse ist. Neu wird insbesondere explizit festgehalten, dass Schiedsklauseln in Statuten enthalten sein können (MM IPRG, Art. 178 Abs. 4 IPRG).

3. Schiedsfähigkeit


Gegenstand eines Schiedsverfahrens kann jeder vermögensrechtliche Anspruch sein (Art. 177 Abs. 1 IPRG). Diese Umschreibung ist nicht deckungsgleich mit jener in Art. 354 ZPO (siehe vorstehend Rz. 22 ff.). Im Bereich des Sportrechts sind vermögensrechtliche Ansprüche schiedsfähig, die sich auf eine Rechtsregel (vs. Spielregel) stützen, wobei hier eine grosszügige Auslegung resp. Zulässigkeit vorgenommen wird (BSK IPRG-Mabillard/Brinner, Art. 177 N 17; zur Abgrenzung siehe vorstehend Rz. 23 ff.). Insbesondere die im Sportrecht häufig anzutreffende Anfechtungsklage gegen einen Vereinsbeschlusses nach Art. 75 ZGB beinhaltet regelmässig eine vermögensrechtliche Komponente und wird somit als schiedsfähig erachtet.

4. Prinzipien und Merkmale


Das 12. Kapitel IPRG ist – wie auch der 3. Teil der ZPO – geprägt vom Grundgedanken der Parteiautonomie (BSK IPRG-Hochstrasser/Burlet, Einl. 12. Kap. N 190) und lässt den Schiedsrichter*innen einen grossen Spielraum (verfahrensrechtliche Autonomie; Hochstrasser/Burlet, Einl. 12. Kap. N 191).

V. Rechtsmittel

A. Nationale Schiedsverfahren (3. Teil der ZPO)

1. Beschwerde an das Bundesgericht


Schiedssprüche sind mit deren Eröffnung rechtskräftig und vollstreckbar. Ohne anderslautende Vereinbarung unterliegt der Schiedsspruch dem ausserordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 389 Abs. 1 ZPO). Die Parteien können jedoch ausdrücklich erklären, dass anstelle des Bundesgerichts das zuständige kantonale Gericht entscheidet, wobei dessen Entscheid ebenfalls endgültig ist (Art. 390 ZPO; BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 50). Die Beschwerde ist erst nach Ausschöpfung der in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen schiedsgerichtlichen Rechtsmittel und somit subsidiär zulässig (Art. 391 ZPO).


Die möglichen Beschwerdegründe sind abschliessend im Gesetz genannt (Art. 393 ZPO). Namentlich Schiedssprüche des CAS wurden bislang nur selten durch das Bundesgericht aufgehoben (vgl. auch Zimmermann, S. 12). Allerdings werden CAS-Schiedssprüche häufiger als sog. kommerzielle Schiedssprüche aufgehoben (Dasser/Wójtowicz, S. 13). Als Beispiel kann auf BGE 136 III 345 (Streitsache Club Atlético de Madrid v. Sport Lisboa e Benfica) verwiesen werden: Das Bundesgericht hat den Schiedsspruch des CAS wegen Verstosses gegen den verfahrensrechtlichen ordre public aufgehoben, da dem Entscheid ein materiell in Rechtskraft erwachsenes Urteil des Handelsgerichts Zürich entgegenstand.


Die Rechtsmittelinstanz hat folgende Möglichkeiten (Art. 394 und 395 ZPO):

  • Rückweisung an das Schiedsgericht zur Berichtigung oder Ergänzung
  • Abweisung der Beschwerde
  • (teilweise) Gutheissung der Beschwerde und (teilweise) Aufhebung des Schiedsspruchs (Rückweisung an das Schiedsgericht)

Ein Entscheid in der Sache ist mit Ausnahme der Kostenbeschwerde (Art. 393 lit. f ZPO) nur bei einem falschen Entscheid über die Zuständigkeit oder über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts möglich (Art. 395 Abs. 4 ZPO).


Vor Eröffnung des Entscheides kann auf die Einlegung von ausserordentlichen Rechtsmittel nicht verzichtet werden (Göksu, Rz. 2217), weshalb ein Vorausverzicht auf die Beschwerde grundsätzlich nicht möglich ist. Während Art. 192 IPRG die Parteien im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ermächtigt, die Anfechtung der Schiedsentscheide vollständig auszuschliessen, enthält Art. 389 ZPO keine vergleichbare Option. Zulässig ist der Rechtsmittelverzicht nach Eröffnung des Schiedsspruchs aber vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (Göksu, Rz. 2220).

2. Revision


Die Revision eines Schiedsentscheides kann nach Art. 396 ZPO verlangt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel aufgefunden werden (Abs. 1 lit. a), durch ein Verbrechen oder Vergehen auf den Schiedsentscheid eingewirkt worden ist (Abs. 1 lit. b), geltend gemacht wird, dass die erfolgte Klageanerkennung, der Klagerückzug oder der schiedsgerichtliche Vergleich unwirksam ist (Abs. 1 lit. c) oder ein Ablehnungsgrund gemäss Art. 367 Abs. 1 lit. c ZPO trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wurde und kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht (Abs. 1 lit. d). Ferner kann eine Revision wegen Verletzung der EMRK verlangt werden (Abs. 2).


Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes (Art. 397 Abs. 1 ZPO) beim zuständigen staatlichen Gericht (Art. 396 Abs. 1 ZPO) einzureichen. Bei Gutheissung des Revisionsgesuches hebt die Revisionsinstanz den Schiedsspruch auf und weist ihn an das Schiedsgericht zurück (Art. 399 Abs. 1 ZPO).

B. Internationale Schiedsverfahren (12. Kapitel IPRG)

1. Beschwerde an das Bundesgericht


Die Beschwerdegründe in Art. 190 IPRG entsprechen weitgehend denjenigen für nationale Schiedsentscheide, ausser dass der Beschwerdegrund der Willkür nicht zur Verfügung steht und Schiedssprüche inhaltlich nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem ordre public überprüft werden können (Art. 190 Abs. 2 IPRG; BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 51).


Betreffend die Möglichkeit, im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit die Anfechtung der Schiedsentscheide auszuschliessen, siehe vorstehend Rz. 35.

2. Revision


Seit der jüngsten IPRG-Revision (siehe vorstehend Rz. 28) hat die Revision eine explizite gesetzliche Grundlage ins IPRG gefunden (Art. 190a IPRG). Bereits vor der Gesetzesanpassung wurde die Zulässigkeit der Revision auch für internationale Schiedsverfahren durch das Bundesgericht anerkannt (BSK ZPO-Girsberger et al., Vor Art. 353-399 N 53; BGE 118 II 199).

VI. Einstweiliger Rechtsschutz

A. Zweck


«Prozess gewonnen, Ergebnis zerronnen!» (Studer/Rüegg/Eiholzer, § 117 Rz. 1). Auch wenn Schiedsverfahren regelmässig eine kürzere Verfahrensdauer als Zivilprozesse vor staatlichen Gerichten aufweisen, sind die Positionen der Verfahrensbeteiligten während der Verfahrensdauer gefährdet. Mittels vorsorglicher Massnahmen soll während der Rechtshängigkeit eines Hauptprozesses der vorläufige Rechtsschutz gewährleistet werden, um so die künftige Umsetzung des Prozessergebnisses zu gewährleisten (BSK ZPO-Sprecher, Vor Art. 261-269 N 2).


Im Sport sind verschiedene Konstellationen denkbar, die eine rasche Klärung der Rechtslage verlangen, wie bei Sperren von Athlet*innen oder bei Zulassungen zu Wettbewerben oder Meisterschaften (Haas/Martens, S. 135; Hügi, S. 156 f.). Entsprechend relevant ist der einstweilige Rechtsschutz (vgl. auch Fenners, Rz. 326 ff.; vgl. die Zusammenstellung der Praxis in Osterwalder/Kaiser, S. 232 f.).


Im Zusammenhang mit vorsorglichen Massnahmen ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Parteien eine Schiedsordnung für anwendbar erklärt haben, die diesbezüglich einschlägige Regeln enthalten, bspw. Art. 26 Swiss Rules, Art. 26 UNCITRAL-SchO oder Art. 28 Abs. 1 ICC-SchO (BSK IPRG-Mabillard, Art. 183 N 5).

B. Zuständigkeit

1. Nationale Schiedsgerichtsbarkeit

Die Parteien haben grundsätzlich die Wahl, zum Erlass vorsorglicher Massnahmen entweder die staatlichen Gerichte oder aber das Schiedsgericht anzurufen (Parallelkompetenz; Art. 374 Abs. 1 ZPO). Die Gesuchstellerin hat somit die Wahl, für den vorsorglichen Rechtsschutz jene Gerichtsbarkeit zu wählen, welche sie als geeigneter erachtet (BSK ZPO-Habegger, Art. 374 N 6).


Insbesondere folgende Elemente können für die Anrufung der staatlichen Gerichte sprechen (BSK ZPO-Habegger, Art. 374 N 8 und 22):

  • Schiedsgericht noch nicht konstituiert (vgl. aber die sog. Emergency Arbitrators, welche von vielen Schiedsordnungen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen vorgesehen werden)
  • Vollstreckungsgewalt des Staates
  • Massnahme richtet sich an eine Drittperson, die durch die Schiedsvereinbarung nicht gebunden ist

Steht die Vertraulichkeit im Vordergrund und ist das Schiedsgericht bereits konstituiert, drängt sich wiederum eine Behandlung durch das Schiedsgericht auf (BSK ZPO-Habegger, Art. 374 N 8). Liegt eine Schiedsklausel zugunsten des CAS vor, ist davon auszugehen, dass die Parteien gestützt auf Art. R37 CAS die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in Bezug auf vorsorgliche Massnahmen ausschliessen (vgl. auch die «Causa Sion», OGer BE, ZK 12 III gUS vom 19. April 2012, E. 2c; vgl. zum Ganzen Cortada, Rz. xy).


In der Lehre wird der Ausschluss der staatlichen Gerichte differenziert beurteilt. Die Parteien können die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen nur unter bestimmten Voraussetzungen und diejenige zur Vollstreckung von durch das Schiedsgericht angeordneten Massnahmen überhaupt nicht ausschliessen (Haas/Köppel, Rz. 1; Haas/Martens, S. 133; BSK ZPO-Habegger, Art. 374 N 5a; Hügi, S. 160; BSK IPRG-Mabillard, Art. 183 N 6; Osterwalder/Kaiser, S. 234 ).

2. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Auch Artikel 183 IPRG sieht eine Parallelkompetenz vor und hält fest, dass die Parteien – sofern sie nichts anderes vereinbart haben – für den Erlass vorsorglicher Massnahmen entweder die staatlichen Gerichte oder das Schiedsgericht anrufen können.

3. Voraussetzungen

Der Erlass von vorsorglichen Massnahmen ist an die Glaubhaftmachung folgender Voraussetzungen geknüpft (Art. 261 ZPO; Fenners, Rz. 330 ff.; Gasser/Müller/Kojan, S. 103 f.; Hügi, S. 157 f.; BSK IPRG-Mabillard, Art. 183 N 8; Osterwalder/Kaiser, S. 231):

  • Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • Verfügungsanspruch: absolutes oder relatives Recht, das es zu schützen gilt
  • Verfügungsgrund: das zu schützende Recht muss durch ein Tun oder Unterlassen der Gesuchsgegner*in gefährdet oder bereits verletzt sein
  • Ein daraus resultierender bereits entstandener oder drohender nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil

Am Beispiel des Ausschlusses oder der Nicht- Zulassung einer Sportlerin an einem Wettkampf zeigt sich der nicht leicht wiedergutzumachende Nachteil wie folgt (vgl. auch Fenners, Rz. 332): Ohne vorsorgliche Massnahme kann der/die Sportler*in während der Dauer des ordentlichen Prozesses nicht an Wettkämpfen teilnehmen. Unter Berücksichtigung der relativ kurzen Dauer von Sportkarrieren kann dies gravierende Auswirkungen haben. Hinzu kann ein materieller Schaden (verlorene Preisgelder oder Sponsoreneinnahmen) kommen (vgl. auch Cortada, Rz. xy).


Die oben angeführten Elemente begründen zusammen die zeitliche Dringlichkeit des vorsorglichen Rechtsschutzes, wobei weiter vorausgesetzt wird, dass die vorsorglichen Massnahmen verhältnismässig sind (Gasser/Müller/Kojan, S. 104; Hügi, S. 157 f.). Wird ein Schiedsgericht zum Erlass vorsorglicher Massnahmen angerufen, kann dieses zudem gehalten sein, allfällige Parteiabreden über Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen zu beachten (BSK IPRG-Mabillard, Art. 183 N 8). Je nach dem wird der Erlass einer vorsorglichen Massnahme auch von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht.

4. Insbesondere: Superprovisorische Massnahmen

Auch beim vorsorglichen Rechtsschutz handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren, bei dem die Gegenpartei vor Erlass der Verfügung anzuhören ist. Bei besonderer Dringlichkeit können die Gerichte notwendige Massnahmen (sog. «Superprovisorische Massnahmen») ohne vorgängige Anhörung der Gegenpartei erlassen (Art. 265 ZPO; BSK IPRG-Mabillard, Art. 183 N 16). Das rechtliche Gehör wird diesfalls nachträglich – gleichzeitig mit der Eröffnung der Massnahmen – gewährt (Gasser/Müller/Kojan, S. 104).

VII. Abgrenzung: anwendbares (materielles) Recht


Unabhängig von der Frage der Zuständigkeit (staatliches Gericht vs. Schiedsgericht) ist die Frage des anwendbaren materiellen Rechts zu beurteilen. Gerade in Verträgen von internationalen Sportverbänden mit Sitz in der Schweiz wird regelmässig eine Rechtswahlklausel zugunsten des Schweizer Rechts zu finden sein (vgl. auch Hügi, S. 165; Riemer, S. 106). Die Parteien können alternativ das Schiedsgericht ermächtigen, nach Billigkeit zu entscheiden (Art. 381 Abs. 1 lit. b ZPO; Art. 187 Abs. 2 IPRG; vgl. auch Menz, Rz. xy).