Entstehen im Laufe der Geschäftsbeziehung Zweifel an der Identität der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person / der Kontrollinhaber, wiederholt das Versicherungsunternehmen die Identifizierung der Vertragspartei oder die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person / der Kontrollinhaber nach den Art. 4 bis 10. Es wiederholt dies insbesondere dann, wenn Zweifel auftreten an:
- der Richtigkeit der Angaben über die Identität der Vertragspartei;
- der Tatsache, dass die Vertragspartei oder der Kontrollinhaber die wirtschaftlich berechtigte Person ist;
- der Glaubwürdigkeit der Erklärung der Vertragspartei über die wirtschaftlich berechtigte Person;
- beim Rückkauf einer Versicherung, wenn die wirtschaftlich berechtigte Person nicht identisch ist mit derjenigen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Vorbemerkungen
In Art. 12 R SRO-SVV ist geregelt, wann die Identifizierung der Vertragspartei und die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person oder der Kontrollinhaber zu wiederholen ist. Die Vorschrift setzt Art. 5 GwG in das R SRO-SVV um und greift in seinen Regelbeispielen unter Art. 12 lit. d den in Art. 5 Abs. 2 GwG behandelten Sonderfall für rückkaufsfähige Lebensversicherungen auf. Art. 12 R SRO-SVV ist im Zusammenhang mit Art. 8 R SRO-SVV zu sehen. Die beiden Vorgaben stellen sicher, dass zu jedem Zeitpunkt die Sorgfaltspflichten nach Art. 3 R SRO-SVV und Art. 9 R SRO-SVV erfüllt sind.
Die Identifizierung der Vertragspartei und Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person (vgl. Art 9 ff. R SRO-SVV) sind Daueraufgaben des Finanzintermediärs. Entstehen im Laufe der Geschäfts- bzw. Vertragsbeziehung Zweifel über die Identität der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person, sind die Identifizierung der Vertragspartei bzw. die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person/Kontrollinhabers zu wiederholen (vgl. Art. 5 Abs. 1 GwG). Mangelnde Sorgfalt kann zivil- und strafrechtliche Rechtsfolgen auslösen (z.B. Verletzung von Art. 305ter StGB). Es handelt sich somit um eine anlassbezogene Wiederholungspflicht. Davon muss die periodische Pflicht zur Prüfung der Aktualität unterschieden werden (vgl. Art. 16 Abs. 2 R SRO-SVV).
Die Identität der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person/Kontrollinhabers müssen nicht nur bei der Aufnahme, sondern während der ganzen Dauer der Vertragsbeziehung feststehen. Der Zeitpunkt des Zweifels an der Richtigkeit der Daten ist irrelevant, solange er während der Dauer der Geschäftsbeziehung auftritt.
Die Zweifel können sich dabei auf die Person für sich oder auf die Aktualität der Angaben zur Person wie Geburtsdatum, Nationalität und/oder Wohnsitz beziehen (vgl. Basler Kommentar, Art. 5, Note 4). Daraus ergibt sich, dass je nach Zweifel die zu treffenden Massnahmen unterschiedlich sind. Eine umfassende Wiederholung des Verfahrens zur Identifizierung oder Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person/Kontrollinhabers ist notwendig, wenn eine andere Person als bisher im Kundendossier dokumentiert Vertragspartner oder wirtschaftlich berechtigte Person/Kontrollinhaber ist. Eine umfassende Wiederholung des formellen Identifikationsverfahrens ist zum Beispiel nicht zielführend, wenn Zweifel an der Korrektheit der Wohnsitzangaben bestehen. Die Adresse ist in den meisten Ausweisdokumenten nicht erfasst, so dass die Einholung einer neuen Ausweiskopie in einer solchen Situation keinen Mehrwert hat (vgl. Basler Kommentar, Art. 5, Note 18). Bei Zweifeln an der Aktualität der Angaben zur Person des Vertragspartners oder wirtschaftlich berechtigten Person ist es deshalb ausreichend, wenn die aktuellen Daten im Kundendossier, elektronischen System des Versicherungsunternehmens etc. dokumentiert werden. Bei einem Namenswechsel wegen Heirat oder anderen Gründen muss zudem die Kopie eines Identifikationsdokumentes zu den Akten genommen werden.
Eine Pflicht zur Wiederholung der Sorgfaltspflichten besteht nicht schon bei jedem beliebigen Indiz auf eine mögliche Abweichung der Umstände von den Angaben der Vertragspartei (Basler Kommentar, Art. 5, Note 15). Von einem Zweifelsfall auszugehen ist einerseits erst, wenn die durch die einzelnen Wahrnehmungen geschaffene Auffälligkeit eine gewisse Intensität erreicht hat. Andererseits ist Zweifel nicht mit Gewissheit oder annähender Gewissheit gleichzusetzen. Führen die in der Folge eingeholten Informationen und durchgeführten Abklärungen zudem zu einem befriedigenden Ergebnis, so besteht kein weiterer Handlungsbedarf, da die Zweifel geklärt sind. Eine definierte Frist für die Klärung der Zweifel oder Wiederholung der Sorgfaltspflichten besteht nicht. Dies hat so rasch als nach den Umständen möglich zu erfolgen. Dabei muss auch beachtet werden, dass im Versicherungsbereich Verträge in der Regel nicht einseitig durch das Versicherungsunternehmen gekündigt werden können. Kooperiert ein Kunde somit bei der Durchführung der Abklärungen nicht, so gilt es, die Abklärungsbemühungen zu dokumentieren. Die Abklärungsbemühungen wie auch andere Abklärungen sowie die Dokumente, die der erneuten Identifizierung der Vertragspartei bzw. der erneuten Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person dienen, sind zusammen mit den Antrags- bzw. Vertragsunterlagen abzulegen.
Ist die Unrichtigkeit der beim Versicherungsunternehmen vorhandenen Angaben darauf zurückzuführen, dass die Vertragspartei falsche Daten geliefert hat, und erscheint hierdurch die Geschäftsbeziehung ungewöhnlich, so hat der Finanzintermediär vertiefte Abklärungen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. a R SRO-SVV durchzuführen. Eine allfällige Meldung nach Art. 9 GwG ist zu prüfen.
zu Art. 12 lit. a
Zweifel an der Identität der Vertragspartei können entstehen, wenn die Kontakte mit ihr nach der ersten Identifikation nur noch über nicht nahestehende Dritte erfolgen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 1 E-GwG).
zu Art. 12 lit. b und c
Die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person oder der Kontrollinhaber ist insbesondere dann zu wiederholen, wenn im Laufe der Geschäftsbeziehungen Zweifel auftreten hinsichtlich
- der Tatsache, dass die Vertragspartei die wirtschaftlich berechtigte Person oder der Kontrollinhaber ist. Dieser Tatbestand trifft dann zu, wenn die Bezahlung der Versicherungsprämie offensichtlich mehrheitlich durch andere Personen als durch den Versicherungsnehmer erfolgt und diese Personen in keiner plausiblen Beziehung zum Versicherungsnehmer stehen.
- der Glaubwürdigkeit der Erklärung der Vertragspartei über die wirtschaftlich berechtigte Person oder die Kontrollinhaber. Dies gilt z. B. dann, wenn der Umfang und Wert der Transaktionen nicht den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person (oder der Kontrollinhaber) entsprechen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 1 E-GwG).
- Erteilen einer Vollmacht an Personen, welche nicht erkennbar in einer persönlichen Beziehung zum Vertragspartner stehen. Ein solche persönliche Beziehung besteht z. B., wenn der Vollmachtnehmer der Beistand des Versicherungsnehmers ist.
Bei einem Wechsel des Prämienzahlers während der Vertragsdauer ist die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person oder der Kontrollinhaber ebenfalls zu wiederholen.
Eine Pflicht zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person oder der Kontrollinhaber besteht mangels Zweifel regelmässig z.B. nicht in folgenden Situationen:
- bei einem bestehenden Vertrag erfolgen weitere Prämienzahlungen oder Zins- und Amortisationszahlungen durch die bisherigen Zahler;
- bei bereits fällig gewordenen Rentenzahlungen erfolgt eine weitere Rentenzahlung an den bisherigen Rentenempfänger.
Hier kann sich allenfalls eine Pflicht zur Aktualisierung der Daten aufgrund der generellen Aktualisierungspflicht in Art. 16 Abs. 2 ergeben (vgl. Kommentar zu Art. 16 Abs. 2).
zu Art. 12 lit. d
Art. 12 lit. d R SRO-SVV hält zudem basierend auf Art. 5 Abs. 2 GwG fest, dass das Versicherungsunternehmen beim Eintritt des versicherten Ereignisses oder bei einem Rückkauf einer Versicherung die wirtschaftlich berechtigte Person feststellen muss, wenn die anspruchsberechtigte Person (Vertragspartei, begünstigte Person, Zessionarin, bei einer Pfandverwertung erwerbende Person/Betreibungs-/Konkursamt) nicht identisch mit der wirtschaftlich resp. anspruchsberechtigten Person im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist. Wie von Wyss (vgl. OFK GwG 2019-Wyss, N 8) und Brunnhofer/Leimgruber (vgl. SHK GwG 2017-Brunnhofer/Leimgruber, N 11) ausgeführt, handelt es sich bei Art. 5 Abs. 2 GwG um einen blossen Anwendungsfall von Art. 5 Abs. 1 GwG; somit ist die erneute Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person auch bei einem Wechsel der anspruchsberechtigten Person nur dann erforderlich, wenn ein Zweifel daran besteht, dass die früher festgestellte wirtschaftlich berechtigte Person nicht mehr ausschliesslich wirtschaftlich berechtigt ist. Müller/Lötscher (vgl. BSK GwG, N28) gehen hingegeben von einer eigenständigen Feststellungspflicht aus. Für den Kommentar der SRO-SVV gilt die im OFK und SHK vertretene Position als herrschende Meinung. Dies ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass das Reglement SRO-SVV einerseits eine spezifische Definition der wirtschaftlich berechtigen Person kennt (vgl. Art. 2, lit. d R SRO-SVV «natürliche Person, die tatsächlich, wirtschaftlich betrachtet, die Prämien bezahlt»). Andererseits bestehen zusätzlich spezifische Vorgaben für die Feststellung und Prüfung der Identität der anspruchsberechtigten Person (Begünstigte, vgl. Art 11 R SRO-SVV). Im Hinblick auf diese Vorgaben ist es somit sach- und risikogerecht, dass auch beim Rückkauf oder Versicherungsfall die wirtschaftlich berechtige Person nur bei Vorliegen von Zweifeln erneut festgestellt werden muss.