Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 17

Aufbewahren der Belege



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Das Versicherungsunternehmen bewahrt während mindestens zehn Jahren nach Ablauf oder Kündigung des Vertrags folgende Unterlagen auf:

  1. die Belege über den getätigten Vertragsabschluss;
  2. die Belege, die zur Identifizierung der Vertragspartei gedient haben;
  3. die Ersatzdokumente und die Aktennotizen nach Art. 6;
  4. die Akten betreffend den Verzicht auf die Identifizierung der Vertragspartei nach Art. 7 Abs. 2;
  5. die schriftliche Erklärung der Vertragspartei betreffend die wirtschaftlich berechtigte Person nach den Art. 9, 10 und 12;
  6. die Belege, die zur Feststellung der begünstigten Person, des Kontrollinhabers oder der wirtschaftlich berechtigten Person nach Art. 11 gedient haben;
  7. die Belege über die besonderen Abklärungen von Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken nach Art. 14.

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Daten, die im Zusammenhang mit einer Meldung nach Art. 9 GwG stehen, sind gesondert aufzubewahren. Sie sind fünf Jahre nach erfolgter Meldung an die zuständige Behörde zu vernichten.

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Die Unterlagen müssen an einem sicheren Ort so aufbewahrt werden, dass das Versicherungsunternehmen Auskunfts- und Beschlagnahmungsbegehren der Strafverfolgungsbehörden innert der auferlegten Frist nachkommen kann. Sie müssen für die dazu ermächtigten Personen jederzeit zugänglich sein.

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Werden elektronische Informationsträger verwendet, müssen Papierunterlagen nicht aufbewahrt werden. Die Bestimmungen der Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher (Geschäftsbücherverordnung, GeBüV vom 24. April 2002; SR 221.431) sind zu beachten. Befindet sich der Server nicht in der Schweiz, so muss das Versicherungsunternehmen über aktuelle physische oder elektronische Kopien der massgeblichen Dokumente in der Schweiz verfügen.



Vorbemerkungen:


Der Zweck der obligationenrechtlichen Pflicht zur Aufbewahrung bestimmter geschäftlicher Unterlagen gemäss Art. 958f. OR besteht darin, während längerer Zeit die Vermögenslage des Geschäftes sowie die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Betriebsergebnisse einzelner Jahre feststellen zu können.

Belege im Sinne von Art. 7 GwG sind nicht nur Buchungsbelege, sondern auch alle weiteren Schriftstücke, insbesondere Unterlagen über die Identifizierung der Vertragspartei und die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person sowie die Abklärung über die Hintergründe und den Zweck einer Geschäftsbeziehung. Diese Unterlagen betreffen unmittelbar die Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherungsunternehmen und der Vertragspartei. Die Pflicht, diese aufzubewahren, ergibt sich sowohl aus Art. 7 Abs. 3 GwG als auch aus Art. 958f. OR.


zu Abs. 1:


Abs. 1 beinhaltet eine Aufbewahrungspflicht. Diese gilt sowohl für die durch die ordentliche Geschäftstätigkeit erfassten Daten als auch für die Daten der internen Fachstelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung.


Während mindestens zehn Jahren aufzubewahren sind insbesondere:

  • die Belege über getätigte Abschlüsse gemäss Art. 3 Abs. 1 R SRO-SVV;
  • die Belege, die zur Identifizierung der Vertragspartei gedient haben;
  • die schriftliche Erklärung der Vertragspartei, wer die wirtschaftlich berechtigte Person resp. der Kontrollinhaber ist;
  • die weiteren in den lit. a. bis g. genannten Dokumente.

Unter Belege fallen nicht nur vom Versicherungsunternehmen verwendete Formulare, sondern alle im Zusammenhang mit einer Vertragsbeziehung erstellten Dokumente wie Kontoauszüge, Zahlungsbelege, Rapporte, Berichte, Notizen etc.

Die zehnjährige Frist beginnt am Tag der Beendigung der Geschäftsbeziehung. In der Einzelversicherung kann dies beispielsweise der Zeitpunkt der Überweisung der Versicherungsleistung an den Begünstigten sein.


zu Abs. 2:


Art. 34 Abs. 1 GwG verpflichtet die Finanzintermediäre, für diejenigen Daten, die im Zuge einer Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei erhoben werden, separate Datensammlungen zu führen. Dazu gehören insbesondere alle gemeldeten Vertragsunterlagen und Abklärungen der Fachbereiche, die Ergebnisse der durch die interne Fachstelle vorgenommenen zusätzlichen Abklärungen, Sachverhaltsdarstellungen und behördliche Korrespondenzen.

Bei den im Zusammenhang mit der gemeldeten Geschäftsbeziehung erhobenen Belegen handelt es sich nicht mehr um reine Geschäftsunterlagen, sondern um Akten mit erhöhter Sensibilität. Deshalb ist es dem Finanzintermediär zuzumuten, solche Daten aus seinen Geschäftsunterlagen auszusondern und in einer separaten Datensammlung abzulegen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 34 Abs. 1 und 2 E-GwG).

Die Versicherungsunternehmen dürfen Daten aus solchen Datensammlungen entsprechend ihrem sensiblen Charakter nur an die FINMA, die Selbstregulierungsorganisation des SVV, die Prüfgesellschaft des Versicherungsunternehmens, die Meldestelle für Geldwäscherei und an Strafverfolgungsbehörden weitergeben (Art. 34 Abs. 2 GwG).


Das Auskunftsrecht gemäss Art. 25 DSG für Meldedaten ist gestützt auf Art. 34 Abs. 3 GwG ab Erstattung einer Meldung gemäss Art. 9 Abs. 1 GwG oder Art. 305ter StGB gegenüber der Meldestelle geltend zu machen. Art. 34 Abs. 3 GwG schliesst somit das Auskunftsrecht gegenüber Versicherungsunternehmen unbefristet aus und schafft so Kohärenz zum in Art. 10a GwG geregelten Informationsverbot über Verdachtsmeldungen. Die Grundlage dafür ist Art. 26 Abs. 1 lit. a DSG, wonach der Inhaber einer Datensammlung die Auskunft an die betroffene Person verweigern, einschränken oder aufschieben kann, wenn ein formelles Gesetz dies vorsieht. Der Finanzintermediär, der seinem Kunden trotz Auskunftsverbot Informationen zukommen lässt, dürfte sich nebst der dadurch begangenen Sorgfalts-pflichtverletzung auch dem Risiko einer Strafverfolgung wegen Begünstigung (Art. 305 StGB) aussetzen.


Daten, die im Zusammenhang mit einer Meldung nach Art. 9 GwG stehen, sind fünf Jahre nach erfolgter Meldung zu vernichten (Art. 34 Abs. 5 GwG). Entsprechend dieser Vorgabe aus dem GwG ist auch im R SRO-SVV in Art. 17 Abs. 2 eine fünfjährige Aufbewahrungsfrist vorgesehen. Die Lehre ist sich gleichzeitig einig, dass es sich bei der verkürzten Frist in Art. 34 Abs. 5 GwG um einen Koordinationsfehler des Gesetzgebers handelt und bei allen GwG-relevanten Unterlagen die 10-jährige Aufbewahrungsfrist zur Anwendung kommt (Rechtsanwendung contra legem, vgl. SHK-GwG Art. 34, N 23). Sachlich macht das Auseinanderfallen der Fristen zwischen Art. 7 Abs. 3 GwG (10-jährige Aufbewahrungsfrist) und Art. 34 Abs. 5 GwG (5-jährige Aufbewahrungsfrist) keinen Sinn, zumal die meisten Dokumente geschäftsrelevante Unterlagen sein dürften, so dass die in Art. 958f. OR geltende 10-jährige Aufbewahrungsfrist zum Tragen kommt. Für den Kommentar der SRO-SVV gilt deshalb die im SHK vertretene Position als herrschende Meinung (generelle 10-jährige Aufbewahrungsfrist bei allen GwG resp. SRO-SVV relevanten Unterlagen).


zu Abs. 3:


Abs. 3 statuiert eine Aufbewahrungspflicht. Das Versicherungsunternehmen muss in der Lage sein, innert angemessener oder der ihr von den Strafverfolgungsbehörden auferlegten Frist dem Auskunfts- und Beschlagnahmungsbegehren nachkommen zu können. Der Inhalt und der Umfang dieser Begehren richten sich nach dem Strafprozessrecht. Räumlich müssen die Belege an einem sicheren und jederzeit zugänglichen Ort aufbewahrt werden. Der Kreis der Zutrittsberechtigten ist einzuschränken. Empfehlenswert ist beim physischen Archivieren ein Archivplan mit einer aktuellen Liste aller Zutrittsberechtigten. Bezüglich der elektronisch erfassten Daten wird auf nachstehende Kommentierung verwiesen.


zu Abs. 4:


Die Daten der aufzubewahrenden Belege können in einer elektronischen Datenbank erfasst werden (z. B. Personalien, Ausweis-Nummern aus den Ausweiskopien etc.). Mit Bezug auf die elektronisch erfassten Daten über die Identifizierung genügt nach der Meinung der FINMA deren Unveränderbarkeit und Reproduzierbarkeit. Hingegen müssen die Originale der Identifikationsdokumente nicht reproduzierbar sein. Die Datenbanken sind regelmässig auf ihre Integrität und Lesbarkeit hin zu überprüfen, siehe auch Art. 10 Abs. 1 der Verordnung über die Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern (Geschäftsbücherverordnung vom 24. April 2002; SR 221.431). Zudem muss ein Zugriff auf die Daten von der Schweiz aus möglich sein. Aus diesem Grund muss sich das physische Archiv oder bei elektronischer Datenarchivierung der Server in der Schweiz befinden. Ist dies nicht der Fall, so müssen sich (aktuelle) Kopien der Unterlagen in der Schweiz befinden (z. B. Lagerung des elektronischen Backups des Archivs in der Schweiz oder redundanter Server in der Schweiz).