Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 19

Meldepflicht und Melderecht



Die Meldepflicht und das Melderecht richten sich nach den Vorgaben im Gesetz (Art. 9 GwG und Art. 305ter StGB) und im 3. Abschnitt der GwV.



Die Vorgaben im Zusammenhang mit der Meldepflicht und dem Melderecht sind abschliessend im Gesetz (Art. 9 GwG und Art. 305ter Abs. 2 StGB) und in der Geldwäschereiverordnung des Bundesrates (GwV) geregelt. Basis dazu ist die Kompetenzregelung in Art. 17 und Art. 41 GwG, wonach die SRO zuständig für die Detailregelung der Sorgfaltspflichten und der Bundesrat zuständig für die Regelung der weiteren Ausführungsbestimmungen sind. Aus diesem Grund verweist Art. 19 R SRO-SVV auf die entsprechenden Vorgaben in Art. 9 GwG und Art. 305ter Abs. 2 StGB sowie auf die Ausführungsbestimmungen im 3. Abschnitt der GwV. Im Sinne einer einfacheren Orientierung werden die Kernpflichten (Vorgehen bei Verdacht auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung, Sperrung von Vermögenswerten und Ausführung von Kundenaufträgen, Abbruch von Geschäftsbeziehungen sowie Informationsverbot) in diesem Kommentar übersichtsweise dargestellt. Die Ausführungen beschränken sich auf eine Wiedergabe der gesetzlichen Vorgaben und stellen keine weiterführenden Regelungen dar.


Bei Hinweisen oder Anhaltspunkten auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung muss das Versicherungsunternehmen in einem ersten Schritt Abklärungen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GwG resp. Art. 13 R SRO-SVV treffen. Kann mit den Abklärungen der Verdacht nicht ausgeräumt werden, dass die in die Geschäftsbeziehung involvierten Vermögenswerte

  • im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung nach Artikel 260ter oder 305bis StGB stehen,
  • aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen nach Artikel 305bis Ziffer 1bis StGB herrühren,
  • der Verfügungsmacht einer kriminellen oder terroristischen Organisation unterliegen, oder
  • der Terrorismusfinanzierung (Art. 260quinquies Abs. 1 StGB) dienen;

besteht eine Meldepflicht nach Art. 9 GwG. Das Versicherungsunternehmen muss diesfalls die Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) unverzüglich erstatten. Dabei sind die von der MROS zur Verfügung gestellten Hilfsmittel zu verwenden. Die Meldung hat eine Umschreibung der Verdachtsmomente und der getroffenen Abklärungen sowie die für Meldung wesentlichen Unterlagen zu enthalten (vgl. dazu Jahresbericht MROS 2021, S. 38).


Liegen nach der Durchführung der Abklärungen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GwG resp. Art. 13 R SRO-SVV keine Hinweise oder Anhaltspunkte auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung vor, muss das Versicherungsunternehmen prüfen, ob Wahrnehmungen verbleiben, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen oder einem qualifizierten Steuervergehen herrühren oder der Terrorismusfinanzierung dienen könnten. Diesfalls hat das Versicherungsunternehmungen zu prüfen, ob diese Hinweise gestützt auf Art. 305ter Abs. 2 StGB der Meldestelle für Geldwäscherei gemeldet werden (Melderecht). Solche Wahrnehmungen liegen gemäss Reglement insbesondere vor, wenn sich die Vertragspartei ohne plausiblen Grund unkooperativ verhält und die benötigten Auskünfte und Unterlagen verweigert, ohne dass weitere konkrete Anhaltspunkte für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung vorliegen. Weitere Konstellationen, welche Wahrnehmungen für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung begründen können, finden sich im Anhang zur GwV-FINMA (Anhaltspunkt für Geldwäscherei).


Der Meldepflicht beziehungsweise dem Melderecht unterliegen Sachverhalte, welche dem Versicherungsunternehmen bei seiner Geschäftstätigkeit bekannt werden. Eine Meldepflicht besteht seit der GwG-Teilrevision 2009 gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b GwG auch bei Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung. Beim Abbruch einer Geschäftsbeziehung oder Verhandlungen zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung muss das Versicherungsunternehmen auf der Basis derjenigen Informationen Meldung erstatten, über die es im Zeitpunkt des Abbruchs verfügt. Es muss vom «Kunden» nicht zusätzliche Informationen verlangen oder besondere Nachforschungen anstellen, um den Verdacht zu erhärten (vgl. dazu die Botschaft zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI) vom 15. Juni 2007, BBl 2007, S. 6298).


Auf Grund der Materialien der GwG-Teilrevision 2009 ist für die Assekuranz unter «Verhandlungen zur Aufnahme der Geschäftsbeziehung» im Sinne des GwG das Eintreffen des unterzeichneten Versicherungs- oder Finanzierungsantrages beim Versicherungsunternehmen (Hauptsitz) bzw. die Eröffnung eines Prämiendepots oder eines Prämienkontos zu verstehen. Von diesem Zeitpunkt an besteht bei begründetem Verdacht auf Geldwäscherei eine Meldepflicht nach Art. 9 Abs. 1 GwG (vgl. dazu die Botschaft zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI) vom 15. Juni 2007, BBl 2007, S. 6285).


Besteht im Zeitpunkt des Feststellens des Geldwäschereiverdachts keine Geschäftsbeziehung zum Kunden mehr, entfällt gemäss Rechtsprechung die Meldepflicht nach Art. 9 GwG nicht automatisch. Gemäss Rechtsprechung hält die Meldepflicht an, solange beim Finanzintermediär noch Vermögenswerte entdeckt und beschlagnahmt werden können, welche einen Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung haben, bezüglich welcher ein Geldwäschereiverdacht entstanden ist (vgl. BGE 6B_1453/2017 vom 7.8.2018, BGE vom 24.5.2016, publiziert in BGE 142 IV 276). Diese extensive Auslegung der Meldepflicht führt nicht zu einer zusätzlichen Abklärungspflicht für das Versicherungsunternehmen. Es muss vom «Kunden» nicht zusätzliche Informationen verlangen oder besondere Nachforschungen anstellen, um den Verdacht zu erhärten, sondern muss direkt Meldung an die MROS erstatten.


Die Sperrung von Vermögenswerten bezweckt die Sicherstellung einer allfälligen späteren behördlichen Einziehung und umfasst demnach alle Massnahmen, welche dem Versicherungsunternehmen zumutbar sind und diesem Zweck dienen. Eine Pflicht zur unverzüglichen Sperre der Vermögenswerte, welche im Zusammenhang mit einer Geldwäschereimeldung an MROS stehen, besteht nur, wenn eine Meldung gestützt auf Art. 9 Abs. 1 lit. c GwG erfolgt (Verdacht auf die Involviertheit einer Person, welche auf einer Terroristenliste aufgeführt ist; die massgebenden Listen sind in Art. 22a GwG umschrieben). Bei den anderen Meldungen gestützt auf Art. 9 GwG oder Art. 305ter Abs. 2 StGB entsteht eine Sperrpflicht erst, wenn die MROS dem Versicherungsunternehmen mitteilt, dass seine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wird. Mit dieser zeitlich verzögerten Sperrung soll sichergestellt werden, dass die Behörden Vorabklärungen treffen können, ohne dass die betroffene Person davon Kenntnis erlangt und diese vereiteln kann. Nach Erhalt der MROS-Mitteilung über die Weiterleitung einer Verdachtsmeldung muss das Versicherungsunternehmen die Vermögenswerte während fünf Werktagen ab Erhalt der MROS-Mitteilung sperren. Anschliessend besteht keine Sperrpflicht mehr, sofern die zuständige Staatsanwaltschaft keine gegenteilige Verfügung erlässt.


Nach erfolgter Verdachtsmeldung müssen gemäss der Regelung in Art. 9a GwG Kundenaufträge ausgeführt werden, sofern keine Sperrpflicht besteht. Betreffen die Kundenaufträge bedeutende Vermögenswerte, so dürfen diese nur in einer Form ausgeführt werden, die es den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, deren Spur weiterzuverfolgen. Eine solche Wahrung des paper trails ist bei Banküberweisungen sichergestellt. Hingegen sind weder Barauszahlungen noch das Ausstellen von Checks zulässig. Bestehen konkrete Anzeichen, dass behördliche Sicherstellungsmassnahmen unmittelbar bevorstehen, so darf der Rückzug bedeutender Vermögenswerte generell nicht zugelassen werden (auch keine Auszahlungen unter Wahrung des paper trails). Es empfiehlt sich deshalb, von Verdachtsmeldungen betroffene Geschäftsbeziehungen enger zu überwachen. Einerseits muss sichergestellt sein, dass Rückzüge nur in zulässiger Form erfolgen (insbesondere unter Wahrung des paper trails bei Rückzug von bedeutenden Vermögenswerten). Andererseits besteht auch nach erfolgter Verdachtsmeldung eine Verpflichtung, neu aufgetretene Hinweise oder neue Anhaltspunkte auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung unverzüglich der MROS zu melden.


Erstattet das Versicherungsunternehmen Meldung nach Art. 9 GwG oder Art. 305ter Abs. 2 StGB, darf eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht mehr abgebrochen werden. Ein Abbruch einer Geschäftsbeziehung auf Initiative eines Versicherungsunternehmens ist erst nach Ablauf von folgenden Fristen möglich:

  • Bei einer Meldung nach Art. 9 Abs. 1 lit. c GwG: Das Versicherungsunternehmen erhält nicht innert 5 Arbeitstagen eine Verfügung der Strafverfolgungsbehörde.
  • Nach Weiterleitung einer Meldung nach Art. 9 Abs. 1 lit. a GwG oder Art. 305ter Abs. 2 StGB durch MROS: Das Versicherungsunternehmen erhält nicht innert 5 Arbeitstagen eine Verfügung der Strafverfolgungsbehörde.
  • Bei einer Meldung nach Art. 9 Abs. 1 lit. a GwG oder Art. 305ter Abs. 2 StGB: Die MROS teilt dem Versicherungsunternehmen nicht innert 40 Arbeitstagen mit, dass sie die gemeldeten Informationen einer Strafverfolgungsbehörde übermittelt.

Neben den Voraussetzungen im Geldwäschereigesetz muss das Versicherungsunternehmen beim Entscheid über einen Abbruch einer Geschäftsbeziehung ebenfalls prüfen, ob eine Kündigung gemäss den zivilrechtlichen Vorgaben (insbesondere Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Versicherungsvertragsgesetz, VVG, SR 221.229.) zulässig ist.


Bricht das Versicherungsunternehmen die Geschäftsbeziehung nach Ablauf der Wartefrist im Anschluss an eine Geldwäschereiverdachtsmeldung von sich aus ab, so muss es den Abbruch und das Datum des Abbruchs der MROS unverzüglich mitteilen. Eine solche Mitteilungspflicht besteht bis zum Ablauf der Frist zur Aufbewahrung von Daten im Zusammenhang mit einer Verdachtsmeldung (vgl. Art. 34 GwG). Erfolgt der Abbruch der Geschäftsbeziehung auf Initiative des Kunden oder aufgrund des vertraglichen Ablaufs (Policenlaufzeit, Dauer einer Festhypothek etc.), so besteht keine Informationspflicht an die MROS (vgl. Jahresbericht MROS 2021, S. 42).


Das Versicherungsunternehmen darf weder den betroffenen Kunden noch Dritte darüber informieren, dass es eine Meldung nach Art. 9 GwG oder nach Art. 305ter Abs. 2 StGB erstattet hat. Das Informationsverbot gilt ab Erstattung einer Geldwäschereimeldung und gilt zeitlich unbeschränkt (insbesondere auch nach Aufhebung einer Pflicht zur Sperre der Vermögenswerte oder auch nach Beendigung einer Geschäftsbeziehung). Das Informationsverbot gilt gegenüber dem Betroffenen und Dritten. Betroffene sind insbesondere die Vertragspartei, der Bevollmächtigte und die wirtschaftlich berechtigte Person oder auch Vermittler. Nicht als Dritte im Sinne dieser Bestimmungen gelten die FINMA, die Prüfgesellschaft des Versicherungsunternehmens wie auch die SRO-SVV. Zudem besteht das Informationsverbot nicht, wenn das Versicherungsunternehmen die erfolgte Meldung zur Wahrnehmung seiner Interessen im Rahmen eines Verfahrens oder Prozesses verwenden muss. Diese Einschränkungen des Informationsverbotes sind insbesondere vor dem Vordergrund wichtig, dass das Informationsverbot keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt.


Gemäss der gesetzlichen Regelung in Art. 10 lit. a GwG darf das Versicherungsunternehmen zudem einen anderen Finanzintermediär über die erfolgte Geldwäschereimeldung informieren, wenn das Versicherungsunternehmen selbst keine Vermögenssperre verhängen kann, der andere Finanzintermediär jedoch dazu in der Lage ist und selbst dem GwG unterstellt ist. Das Versicherungsunternehmen darf zudem weitere Finanzintermediäre über die erfolgte Meldung informieren, soweit dies zur Einhaltung der Pflichten gemäss dem GwG erforderlich ist und sofern das Versicherungsunternehmen und der andere Finanzintermediär

  1. für einen Kunden aufgrund einer vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit gemeinsame Dienste im Zusammenhang mit dessen Vermögensverwaltung erbringen; oder
  2. dem gleichen Konzern angehören.

Diese Lockerung des Informationsverbotes soll die Sperrung von Vermögenswerten auch dann ermöglichen, wenn der meldende Finanzintermediär dazu selbst nicht in der Lage ist, aber weiss, welcher andere Finanzintermediär die Vermögenswerte sperren kann. Mit der zulässigen Information von Gruppengesellschaften wird zudem sichergestellt, dass konzernweit die notwendigen Massnahmen ergriffen werden können. Wesentlich ist, dass auch der informierte Finanzintermediär dem GwG unterstellt ist. Der andere Finanzintermediär untersteht ebenfalls dem Informationsverbot. Das Versicherungsunternehmen muss somit die Information eines anderen Finanzintermediärs über die Verdachtsmeldung in geeigneter Form festhalten.