Urteil des Bundesgerichts 2C_282/2021 vom 15. Juni 2022

Voraussichtliche Erheblichkeit von Steuererklärungen

  • Bearbeitet durch: Dina Merkli
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Internationale Amtshilfe
  • Zitiervorschlag: Dina Merkli, Urteil des Bundesgerichts 2C_282/2021 vom 15. Juni 2022, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesgerichts 2C_282/2021 vom 15. Juni 2022 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, gegen A. AG. Amtshilfe DBA (CH-FR) (Gegenstand).
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 16. März 2021 (A-3810/2020).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde an das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Übermittelbarkeit von Steuererklärungen (E. 1.2.2 und 1.2.3).
Das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit bedingt nicht zwingend einen Informationsmehrwert im Vergleich zu den übrigen zu übermittelnden Informationen, sondern einen Zusammenhang zum im Amtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt. Deshalb hat die ersuchende Behörde auch keinen zusätzlichen Informationsmehrwert aufzuzeigen. Ins Leere stösst damit auch das Vorbringen, wonach die Verrechnungspreis-Dokumentationsvorschriften überflüssig wären, wenn die Steuererklärungen die massgebenden Angaben zu den Verrechnungspreisen enthielten. Nicht von Bedeutung für die Beurteilung der voraussichtlichen Erheblichkeit ist ferner die Gefahr von Fehlinterpretationen aufgrund einer allfälligen Komplexität eines ersuchten Dokuments. Die ESTV hat im Rahmen ihrer Plausibilitätskontrolle nicht zu überprüfen, ob die ersuchende Behörde die ersuchten Informationen auch auswerten und für das (ausländische) Steuerverfahren effektiv verwerten kann (E. 4.4.3).

Question juridique de principe comme condition de recevabilité du recours au Tribunal fédéral en rapport avec la transmissibilité de déclarations dimpôts (consid. 1.2.2 et 1.2.3).
Lexigence de la pertinence vraisemblable ne requiert pas nécessairement une plus-value informative en comparaison avec les autres informations à transmettre, mais un lien avec létat de fait exposé dans la demande dassistance administrative. Aussi, lautorité requérante na pas à démontrer une plus-value informative supplémentaire. Largument selon lequel les règles sur la documentation du prix de transfert seraient superflues tombe ainsi également à faux. Pour juger de la pertinence vraisemblable le risque de fausses interprétations en raison de léventuelle complexité dun document requis na pas non plus dimportance. LAFC na pas à examiner dans le cadre de son contrôle de plausibilité si lautorité requérante pourra exploiter les informations requises et les utiliser effectivement dans la procédure fiscale (étrangère) (consid. 4.4.3).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

A.

Die Direction Générale des Finances Publiques stellte am 1. Juli 2019 ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung betreffend die Gesellschaftssteuer für die Steuerperioden 2015 bis 2017. Als Betroffene in Frankreich ist die B. SARL und als Betroffene in der Schweiz ist die C. GmbH (heute: A. AG) genannt.

A.a. Die ersuchende Behörde erklärte, die schweizerische Gesellschaft beliefere die französische Gesellschaft mit Materialien, welche diese verarbeite. Die Produkte würden anschliessend an verschiedene Gesellschaften der Gruppe in Frankreich und dem übrigen Europa weiterverkauft. Beide Gesellschaften seien Teil einer Gruppe (Holdinggesellschaft), die D. AG mit Sitz in der Schweiz.

A.b. Im Rahmen der Prüfung der Verrechnungspreispolitik möchte die ersuchende Behörde kontrollieren, ob die Transaktionen zwischen der französischen und der schweizerischen Gesellschaft angemessen seien. Sie ersuchte unter anderem um folgende Informationen: a) Kopie der Bilanz, der Erfolgsrechnung und der Steuererklärung der schweizerischen Gesellschaft der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie den in diesen Jahren bezahlten Steuerbetrag für die Gesellschaftssteuer (Bundessteuer, kantonale und kommunale Steuern); b) Steuersatz, der für die Gesellschaftssteuer in den Jahren 2015, 2016 und 2017 angewendet wurde, sowie Kopien allfälliger Rulings oder Dokumente betreffend die Anwendung spezieller Steuerregime (Bundessteuer, kantonale und kommunale Steuern).

A.c. Mit Editionsverfügung vom 9. Juli 2019 forderte die ESTV die schweizerische Gesellschaft zur Herausgabe der verlangten Informationen auf. Weiter bat sie darum, die französische Gesellschaft über das Amtshilfeverfahren zu informieren. Gleichentags forderte die ESTV auch die Steuerverwaltung des Kantons Bern auf, die verlangten Informationen zu edieren.

B.

Mit Verfügung vom 25. Juni 2020 gegenüber den beiden Gesellschaften gelangte die ESTV zum Schluss, der ersuchenden Behörde sei die Amtshilfe zu gewähren. Gegen diese Schlussverfügung erhob die A. AG Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde mit Dispositiv- Ziffer 1 des Urteils vom 16. März 2021 insofern gut, als die Vorinstanz die Steuererklärungen der A. AG der ersuchenden Behörde nicht übermitteln dürfe. Weiter wurde die ESTV angewiesen, die ersuchende Behörde zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die zu übermittelnden Informationen nur in Verfahren betreffend die französische Gesellschaft verwendet werden dürfen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

C.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. April 2021 gelangt die ESTV an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2021 (im Umfang der verfügten Untersagung der Übermittlung der Steuererklärungen) sowie die Bestätigung der Schlussverfügung der ESTV vom 25. Juni 2020 (mit Ausnahme der Anweisung betreffend der Verwendungseinschränkung der zu übermittelnden Informationen).

(...)

3.

Aus den Erwägungen ^

(...)

1.2.2. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nach Ansicht der ESTV zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Übermittlung der Steuererklärungen einer in der Schweiz domizilierten Gesellschaft in Anwendung von Art. 28 DBA CH-FR – eine Bestimmung zum Informationsaustausch, die dem internationalen Standard entspreche – sowie gestützt auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip zulässig sei, insbesondere wenn der ersuchende Staat im Rahmen seiner Untersuchung der Verrechnungspreispolitik die von dieser Gesellschaft getätigten Transaktionen mit einer der gleichen Gruppe angehörigen ausländischen Gesellschaft und den geschuldeten Steuerbetrag dieser ausländischen Gesellschaft überprüfen wolle. Es stelle sich in diesem Kontext damit die Frage der voraussichtlichen Erheblichkeit der Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin. Die ESTV leitet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage aus dem Umstand ab, dass die Frage der Übermittelbarkeit von Steuererklärungen bereits an sich und insbesondere in Verrechnungspreisfällen für die Durchführung der Amtshilfeverfahren von grosser Bedeutung sei. Die ESTV verfolge seit dem 20. Februar 2018 die Praxis, bei entsprechenden Ersuchen die Steuererklärung im Grundsatz zu übermitteln.

1.2.3. Die ESTV bringt zutreffend vor, dass in den bisherigen bundesgerichtlichen Urteilen jeweils darauf verwiesen werden konnte, die Übermittlung der Steuererklärungen sei nicht vorgesehen (vgl. BGE 143 II 185 E. 4.6 i.f.), da es der vormaligen Praxis der ESTV entsprochen habe, die Steuererklärungen nicht zu übermitteln. Entsprechend hatte das Bundesgericht bis anhin keine Veranlassung, die von der ESTV unterbreitete Frage abschliessend zu beantworten (vgl. auch Urteil 2C_764/2018 vom 7. Juni 2019 E. 6.1.2). Mittlerweile, so die ESTV, würden die ersuchenden Behörden in Verrechnungspreisfällen regelmässig um die Herausgabe von Steuererklärungen der schweizerischen Gesellschaft ersuchen, weshalb die ESTV ihre Praxis angepasst habe. Folglich erweist sich die von der ESTV aufgeworfene Frage für die Praxis als wegleitend.

Ausserdem erwog die Vorinstanz in der vorliegenden Angelegenheit, es sei nicht ausgeschlossen, dass Auszüge aus Steuererklärungen im Rahmen der Amtshilfe herausgegeben würden. Dies habe aber in engen Grenzen zu geschehen (vgl. E. 3.4.7 des angefochtenen Urteils). Die ESTV weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die vorinstanzliche Erwägung zwangsläufig die Frage nach diesen Grenzen aufwerfe. Im Lichte des Umstands, dass die vorliegende Gruppenstruktur mit einer schweizerischen Gesellschaft, die andere konzerninterne ausländische Gesellschaften mit Materialien beliefert, in Verrechnungspreisfällen regelmässig vorkommt, betrifft die von der ESTV aufgeworfene Frage viele gleichartige Fälle. Es liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG vor.

(...)

4.

Die ESTV beanstandet, dass die Vorinstanz die voraussichtliche Erheblichkeit der durch die ersuchende Behörde verlangten Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin mit der Begründung verneint, es sei nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Informationsmehrwert diese zu den übrigen zu übermittelnden Informationen haben sollten.

(...)

4.2. Gemäss Art. 28 Abs. 1 Satz 1 DBA CH-FR tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht.

4.2.1. Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung soll das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit einen möglichst umfassenden Informationsaustausch gewährleisten. Dabei ist es den Vertragsstaaten klarerweise nicht gestattet, Informationen aufs Geratewohl oder Auskünfte zu verlangen, von denen wenig wahrscheinlich ist, dass sie Licht in die Steuerangelegenheiten einer bestimmten steuerpflichtigen Person bringen würden (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.1.1 f.; 143 II 185 E. 3.3.1; 142 II 161 E. 2.1.1; 141 II 436 E. 4.4.3; vgl. auch Art. 7 lit. a des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen [Steueramtshilfegesetz, StAhiG; SR 651.1]).

4.2.2. Die voraussichtliche Erheblichkeit von geforderten Unterlagen oder Auskünften muss sich bereits aus dem Amtshilfeersuchen ergeben. Nach der Edition der verlangten Unterlagen hat die Steuerbehörde des ersuchten Staats zu prüfen, ob die betreffenden Informationen für die Erhebung der Steuer voraussichtlich erheblich sind. Dem «voraussichtlich» kommt dabei eine doppelte Bedeutung zu: Der ersuchende Staat muss die Erheblichkeit voraussehen und deshalb im Amtshilfeersuchen geltend machen und der ersuchte Staat muss nur solche Unterlagen übermitteln, die voraussichtlich erheblich sind. Die Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit ist erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Gesuchstellung eine vernünftige Möglichkeit besteht, dass sich die angefragten Angaben als erheblich erweisen werden. Hingegen spielt es im Grundsatz keine Rolle, wenn sich – einmal beschafft – herausstellt, dass die Informationen nicht relevant sind. Es liegt nicht am ersuchten Staat, ein Ersuchen oder die Übermittlung von Auskünften zu verweigern, weil er der Ansicht ist, es fehle an der Erheblichkeit der Anfrage oder der dieser zugrunde liegenden Überprüfung. Die ersuchte Behörde hat somit nicht zu entscheiden, ob der im Amtshilfeersuchen dargestellte Sachverhalt gänzlich der Realität entspricht, sondern muss nur überprüfen, ob die ersuchten Informationen einen Bezug zu diesem Sachverhalt haben (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.3; 143 II 185 E. 3.3.2; 142 II 161 E. 2.1.1). Der ersuchte Staat kann Auskünfte daher nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint (vgl. auch Art. 7 StAhiG). Kommt die Steuerbehörde des ersuchten Staats zum Schluss, ein Zusammenhang sei steuerlich nicht relevant, muss sie gemäss Art. 17 Abs. 2 StAhiG diese Informationen aussondern oder unkenntlich machen (vgl. BGE 143 II 185 E. 3.3.2; 141 II 436 E. 4.4.3). Folglich beschränkt sich die Rolle der Steuerbehörden des ersuchten Staats im Wesentlichen auf die Prüfung der Plausibilität des Ersuchens (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1; vgl. auch Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.4).

4.2.3. Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1). Zwar steht es dem ersuchten Staat offen, zu prüfen, ob die erbetenen Informationen für den vom ersuchenden Staat angestrebten steuerlichen Zweck voraussichtlich erheblich sind. Allerdings verpflichtet das völkerrechtliche Vertrauensprinzip ihn im Grundsatz dennoch, sich auf die Angaben zu verlassen, die der ersuchende Staat mitteilt (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3). Das Vertrauensprinzip schliesst daher nicht aus, dass der ersuchte Staat vom ersuchenden Staat zusätzliche Erklärungen verlangt, wenn ernsthafte Zweifel an der Einhaltung der völkerrechtlichen Grundsätze oder an der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen bestehen. Die Vermutung des guten Glaubens kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.5).

4.3. Die Vorinstanz erwägt, die in einer Steuererklärung wiedergegebenen Angaben zu den Einkünften und Vermögenswerten seien vorab Ausfluss der landesinternen steuerlichen Bestimmungen. Dabei weise die Steuererklärung regelmässig eine nicht zu unterschätzende Komplexität auf, die selbst für schweizerische Steuerpflichtige nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sei. Obschon die ausländischen Steuerbehörden Expertise im Steuerrecht verfügten, dürften Kenntnisse mit Bezug auf das schweizerische landesinterne Recht und die damit einhergehende Steuerpraxis auf Bundesebene sowie auf der Ebene der jeweiligen Kantone und Steuergemeinden nicht ohne Weiteres angenommen werden. Es bestünde, so die Vorinstanz weiter, eine nicht zu unterschätzende Gefahr von Fehlinterpretationen oder weiterem Klärungsbedarf. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass Auszüge aus Steuererklärungen im Rahmen der Amtshilfe herausgegeben würden. Dies habe aber in engen Grenzen zu geschehen. Vorliegend sei nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Informationsmehrwert die Steuererklärungen zu den übrigen zu übermittelnden Informationen haben sollten. Ihnen fehle es damit an der voraussichtlichen Erheblichkeit, weshalb sie nicht zu übermitteln seien (vgl. E. 3.4.7 des angefochtenen Urteils).

4.4.

(…)

4.4.1. Das Bundesgericht hat mit Bezug auf Verrechnungspreisfälle bereits festgehalten, dass die Amtshilfe nebst der Durchführung des Abkommens den Zweck hat, die Durchführung des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaaten zu ermöglichen (vgl. Art. 28 Abs. 1 DBA CH-FR). Hierzu können grundsätzlich sämtliche Informationen, die ein Vertragsstaat für die Steuerveranlagung seiner Steuerpflichtigen benötigt, wesentlich sein. Ein Amtshilfeersuchen kann von einem Vertragsstaat auch gestellt werden, um von Drittpersonen Auskünfte über Vertragsbeziehungen zu einer bestimmten Person zu verlangen. So können zur Durchführung des innerstaatlichen Steuerrechts etwa Informationen wesentlich sein, die zur Überprüfung des zwischen Konzerngesellschaften vereinbarten Verrechnungspreises notwendig sind (vgl. BGE 143 II 185 E. 3.3.3; Urteil 2C_690/2015 vom 15. März 2016 E. 3.3; vgl. auch BGE 144 II 29 E. 4.2.4; Urteil 2C_616/2018 vom 9. Juli 2019 E. 4.4 i.f.). Die schweizerische Konzerngesellschaft gilt in diesem Kontext als betroffene Personen im Sinne von Art. 3 lit. a StAhiG (vgl. BGE 143 II 185 E. 5.1).

Das Bundesgericht anerkannte im Zusammenhang mit einem Amtshilfeersuchen zur Überprüfung der wirtschaftlichen Realität einer schweizerischen Gesellschaft, dass Informationen über den Betrieb, die Anzahl Angestellten und die Räumlichkeiten der Gesellschaft als voraussichtlich erheblich anzusehen seien (vgl. BGE 142 II 69 E. 3.2; vgl. auch BGE 143 II 185 E. 3.3.3). In einem anderen Fall gelangte es hinsichtlich Namen und Adressen der Angestellten eines schweizerischen Unternehmens sowie der Namen der Klienten zum selben Ergebnis, da sich diese Angaben auf die Verrechnungspreise bezögen und damit die Kontrolle der Leistungen zwischen der schweizerischen und der französischen Gesellschaft ermöglichten (vgl. Urteil 2C_690/2015 vom 15. März 2016 E. 3.5 und E. 4.4).

4.4.2. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Erfordernisses der voraussichtlichen Erheblichkeit ist auch bei Verrechnungspreisfällen lediglich der Umstand, dass der im Amtshilfeersuchen dargestellte Sachverhalt und die ersuchten Informationen einen Konnex aufweisen und eine vernünftige Möglichkeit besteht, dass sich die angefragten Angaben als erheblich erweisen werden. Nur wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint, darf die voraussichtliche Erheblichkeit verneint werden (vgl. E. 4.2.2 hiervor).

Die Beschwerdegegnerin bringt selbst vor, die Verrechnungspreise schlügen sich im handelsrechtlichen Gewinn nieder. Der handelsrechtliche Gewinn ist aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips auch Grundlage des in der Steuererklärung einer schweizerischen Gesellschaft zu deklarierenden Gewinns (zum Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz vgl. Art. 58 Abs. 1 lit. a DBG [SR 642.11]; Art. 24 Abs. 1 StHG [SR 642.14]; BGE 141 II 83 E. 3.1; Urteil 2C_857/2020 vom 11. Februar 2021 E. 4.1). Bei der vorliegend relevanten Gruppenstruktur, in der die Beschwerdegegnerin die anderen konzerninternen ausländischen Gesellschaften mit Materialien beliefert und hierfür einen (internen) Preis verrechnet, finden diese Verrechnungspreise über den handelsrechtlichen Gewinn Eingang in die Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin. Die Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin enthalten somit Informationen mit Bezug auf die Verrechnungspreise. Der nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erforderliche Zusammenhang zwischen dem im Amtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt (Prüfung der Verrechnungspreispolitik) und den ersuchten Informationen (Steuererklärungen) ist folglich gegeben.

4.4.3. Nach dem Gesagten ist entgegen den Vorbringen der Beschwerdegegnerin für die Beurteilung des Erfordernisses der voraussichtlichen Erheblichkeit nicht massgebend, dass aus den Steuererklärungen unter Umständen nicht mehr herausgelesen werden könne als aus den handelsrechtlichen Abschlüssen. Entsprechend ist der Vorinstanz nicht zu folgen, wenn sie erwägt, es sei nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Informationsmehrwert die Steuererklärungen zu den übrigen zu übermittelnden Informationen haben sollten (vgl. E. 3.4.7 des angefochtenen Urteils). Das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit bedingt nicht zwingend einen Informationsmehrwert im Vergleich zu den übrigen zu übermittelnden Informationen, sondern einen Zusammenhang zum im Amtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt. Deshalb hat die ersuchende Behörde auch keinen zusätzlichen Informationsmehrwert aufzuzeigen. Ins Leere stösst damit auch der Hinweis der Beschwerdegegnerin, wonach die Verrechnungspreis-Dokumentationsvorschriften überflüssig wären, wenn die Steuererklärungen die massgebenden Angaben zu den Verrechnungspreisen enthielten. Nicht von Bedeutung für die Beurteilung der voraussichtlichen Erheblichkeit ist ferner die Gefahr von Fehlinterpretationen aufgrund einer allfälligen Komplexität eines ersuchten Dokuments. Die ESTV hat im Rahmen ihrer Plausibilitätskontrolle nicht zu überprüfen, ob die ersuchende Behörde die ersuchten Informationen auch auswerten und für das (ausländische) Steuerverfahren effektiv verwerten kann (vgl. E. 4.2.2 i.f. hiervor).

4.5. Im Lichte des Dargelegten sind die Steuererklärungen der schweizerischen Gruppengesellschaft (Beschwerdegegnerin) zur Kontrolle der Angemessenheit von Verrechnungspreisen zwischen Gesellschaften der gleichen Gruppen voraussichtlich erheblich. Dies gilt entgegen der vorinstanzlichen Auffassung unabhängig davon, ob sie einen zusätzlichen Informationsmehrwert zu den übrigen zu übermittelnden Informationen enthalten. Gestützt auf das Amtshilfeersuchen vom 1. Juli 2019 dürfen die Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin der Jahre 2015, 2016 und 2017 der ersuchenden Behörde übermittelt werden.

5.

Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Das Urteil vom 16. März 2021 ist im Umfang der Dispositiv-Ziffer 1 Satz 1 (Untersagung der Übermittlung der Steuererklärungen der Beschwerdegegnerin) aufzuheben. Die Schlussverfügung der ESTV vom 25. Juni 2020 ist mit Ausnahme der Dispositiv-Ziffer 4 (Anpassung des Spezialitätsvorbehalts gemäss Dispositiv-Ziffer 1 Satz 2 des Urteils vom 16. März 2021) zu bestätigen.

(...)