Urteil des Bundesgerichts 2C_616/2018 vom 9. Juli 2019

Zeitlicher Geltungsbereich; Mitwirkungspflicht; Anwalts- und Geschäftsgeheimnis (DBA CH-NL)

  • 18. November 2019
  • Bearbeitet durch: Susanne Raas
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Internationale Amtshilfe
  • Zitiervorschlag: Susanne Raas, Urteil des Bundesgerichts 2C_616/2018 vom 9. Juli 2019, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesgerichts 2C_616/2018 vom 9. Juli 2019 i.S. A. GmbH und B. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Nach dem DBA CH-NL ist ein Bezug der zu übermittelnden Informationen zum Zeitraum, ab dem die Amtshilfe gewährt wird, erforderlich (E. 2.2.4 und 2.2.7). Der ersuchte Staat kann dies umfassend prüfen (E. 2.2.5).

Sofern sich ein Amtshilfeersuchen auf Einkommenssteuern bezieht, haben sich die Untersuchungsmassnahmen der ESTV an die Art. 123-129 DBG zu halten (E. 4.1). Der Steuerpflichtige ist nach Art. 126 DBG zur Erteilung aller Auskünfte verpflichtet, die für seine Veranlagung von Bedeutung sein können. Diese Auskünfte muss er auch dann erteilen, wenn die Steuerbehörden diese nicht in erster Linie für seine, sondern für die Veranlagung von Drittpersonen verlangen. Hingegen muss er keine Auskunft erteilen, die ausschliesslich seine Geschäftspartner betrifft, wenn dies für ihn unzumutbar wäre (E. 4.2). Diese Grundsätze gelten auch im Amtshilfeverfahren. Wird eine Person im Amtshilfeverfahren zur Erteilung einer Information über eine andere, im ersuchenden Staat steuerpflichtige Person angehalten und kann diese Information auch für die Veranlagung der in der Schweiz ansässigen Person von Bedeutung sein, bemisst sich ihre Mitwirkungspflicht nach Art. 123-126 DBG. Hat die ersuchte Information hingegen offensichtlich keine Bedeutung für die steuerliche Situation der Auskunft erteilenden Person, kann von ihr lediglich die Mitwirkung nach Art. 127-129 DBG verlangt werden (E. 4.3).

Um den Schutzbereich des Anwaltsgeheimnisses abzustecken ist das Abkommen, hier Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL, heranzuziehen. Das Erteilen von Informationen kann jedenfalls nur dann verweigert werden, wenn diese in einem Zusammenhang mit einer anwaltlichen Tätigkeit stehen (E. 6.3).

Finanzielle Informationen stellen naturgemäss keine Handels-, Geschäfts- oder sonstige Geheimnisse im Sinne von Art. 26 Abs. 3 DBA CH-NL dar. Für nicht finanzielle Informationen besteht ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, wenn diese von erheblicher wirtschaftlicher Wichtigkeit sind, wirtschaftlich verwertet werden können und deren unberechtigter Gebrauch zu einem ernsthaften Schaden führen kann (E. 7.1 f.).

Selon la CDI CH-NL, les informations à transmettre doivent porter sur la période à partir de laquelle lassistance administrative est accordée (consid. 2.2.4 et 2.2.7). LÉtat requis peut examiner cette question avec plein pouvoir (consid. 2.2.5).

Si une demande dassistance administrative concerne des impôts sur le revenu, les mesures dinstruction de lAFC doivent être conformes aux art. 123 à 129 LIFD (consid. 4.1). Conformément à lart. 126 LIFD, le contribuable est tenu de fournir toutes les informations qui peuvent être utiles pour sa taxation. Le contribuable doit également fournir ces informations si ladministration fiscale ne les demande pas en première ligne pour létablissement de sa taxation, mais pour celle dun tiers. En revanche, il nest pas tenu de fournir des informations concernant exclusivement ses partenaires commerciaux si cela devait paraître déraisonnable (consid. 4.2). Ces principes sappliquent également aux procédures dassistance administrative. Si, dans le cadre dune procédure dassistance administrative, une personne est requise de fournir des renseignements sur une autre personne assujettie à limpôt dans lEtat requérant et que ces renseignements peuvent également être utiles à la taxation de la personne résidant en Suisse, son devoir de collaboration est déterminé conformément aux art. 123 à 126 LIFD. Si, en revanche, les renseignements demandés nont manifestement aucune utilité pour la situation fiscale de la personne qui les fournit, elle ne peut être tenue de collaborer quen vertu des art. 127 à 129 LIFD (consid. 4.3).

Pour définir létendue de la protection du secret professionnel de lavocat, il faut appliquer la Convention, en loccurrence lart. 26 al. 3 let. c CDI CH-NL. En tout état de cause, la communication dinformations ne peut être refusée que si elle est en lien avec lactivité de lavocat (consid. 6.3).

De par leur nature, les informations financières ne constituent pas des secrets commerciaux, industriels ou dautres secrets au sens de lart. 26 al. 3 CDI CH-NL. Pour les informations non financières, il existe un intérêt au secret digne de protection lorsquelles revêtent une importance économique considérable, peuvent être exploitées économiquement et leur utilisation non autorisée peut entraîner de sérieux dommages (consid. 7.1 s.).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Mit Gesuch vom 13. Mai 2016 ersuchte der Belastingdienst der Niederlande (nachfolgend: ersuchende Behörde) die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV oder Beschwerdegegnerin) um Amtshilfe. Das Ersuchen bezeichnet A. GmbH als «beteiligte (Rechts)Person in der Schweiz» und unter anderem C. als «Beteiligte (Rechts)Person in den Niederlanden». Als vom Gesuch betroffene Steuerarten nennt die ersuchende Behörde die Einkommenssteuer und die Körperschaftsteuer für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis zum 31. Dezember 2015.

Hintergrund des Ersuchens ist laut der ersuchenden Behörde eine «Prüfung der Steuerpflichte[n]» von C. durch das niederländische Finanzamt.

Die ersuchende Behörde verlangt mit ihrem Ersuchen diverse Informationen rund um A. GmbH, ihr Verhältnis zu C. und die Marke I.

Die ESTV erliess am 5. September 2017 Schlussverfügungen gegenüber A. GmbH sowie B. AG. Gegen diese Verfügungen erhoben A. GmbH und B. AG am 6. Oktober 2017 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht.

Mit seinem Urteil vom 29. Juni 2018 schützte das Bundesverwaltungsgericht die Schlussverfügungen der ESTV und wies die Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Juli 2018 beantragen A. GmbH (nachfolgend Beschwerdeführerin 1) und B. AG (nachfolgend Beschwerdeführerin 2) die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und vollumfängliche Verweigerung der Amtshilfe, eventualiter unter anderem die Aussonderung bzw. Schwärzung aller Dokumente und Informationen, die sich auf den Zeitraum vor dem 1. März 2010 beziehen und aller Dokumente und Informationen, die sich auf die Beschwerdeführerin 2 beziehen oder indirekt auf diese schliessen lassen.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

3.

Aus den Erwägungen ^

2.

2.1. Das Amtshilfeersuchen vom 13. Mai 2016 stützt sich auf Art. 26 DBA CH-NL. In zeitlicher Hinsicht ist diese Bestimmung gemäss Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL anwendbar, wenn das Ersuchen frühestens am Datum des Inkrafttretens des DBA CH-NL gestellt wurde und sich die ersuchten Informationen auf einen Zeitraum beziehen, der frühestens an dem auf die Unterzeichnung des DBA CH-NL folgenden 1. März begann. Das DBA CH-NL wurde am 26. Februar 2010 unterzeichnet und trat am 9. November 2011 in Kraft.

2.2. Die ersuchende Behörde reichte ihr Ersuchen am 13. Mai 2016 und somit nach Inkrafttreten des DBA CH-NL ein. Jedoch halten die Beschwerdeführerinnen dafür, dass sich die ersuchten Informationen teilweise auf den Zeitraum vor dem 1. März 2010 beziehen. Die Vorinstanz erwog hierzu, dass gewisse Informationen, namentlich ein vor dem 1. März 2010 abgeschlossener Vertrag, welche die ersuchende Behörde verlangt und welche die ESTV übermitteln will, zwar einen Bezug zum Zeitraum vor dem 1. März 2010 aufweisen. Der zeitliche Geltungsbereich sei gemäss Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL aber dennoch eröffnet, soweit die ersuchten Informationen für den Zeitraum ab dem 1. März 2010 voraussichtlich erheblich seien.

2.2.1. [Auslegung nach dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge]

2.2.2. Vorliegend umstritten ist der zeitliche Geltungsbereich der Amtshilfebestimmung des DBA CH-NL, insbesondere der Umfang einer allfälligen Rückwirkung. Art. 28 VRK sieht diesbezüglich vor, dass völkerrechtliche Verträge die Vertragsparteien grundsätzlich nicht für Tatsachen und Lagen verpflichten, die sich vor Inkrafttreten des Vertrags ereignet bzw. zu bestehen aufgehört haben. Dieses Prinzip der Nicht-Rückwirkung gilt zwar nicht absolut (vgl. Urteil 2A.551/2001 vom 12. April 2002 E. 2.a). Insbesondere hat das Bundesgericht entschieden, dass Bestimmungen über die Amtshilfe und die Pflicht von Privaten, von ihnen verlangte Informationen herauszugeben, Vorschriften verfahrensrechtlicher Natur und deshalb grundsätzlich sofort anwendbar sind (BGE 139 II 404 E. 1.1 S. 408; Urteil 2A.250/2001 vom 6. Februar 2002 E. 3 in: StR 57/2002 S. 410, StE 2002 A 31.4 Nr. 6). Im Unterschied zum auf diese Fälle anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den USA haben die Schweiz und das Königreich der Niederlande in Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL aber gerade vereinbart, die Rückwirkung und damit den zeitlichen Geltungsbereich der Amtshilfebestimmung einzugrenzen.

2.2.3. In der zusammen mit der niederländischen und der englischen massgebenden französischen Fassung des DBA CH-NL lautet Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL wie folgt:

Nonobstant les dispositions du par. 1 du présent article, l’art. 26 et l’art. XVI du Protocole de la Convention seront applicables à des demandes de renseignements déposées à la date de l’entrée en vigueur de cette Convention ou à une date ultérieure pour des renseignements qui se rapportent à toute période débutant le 1er mars qui suit immédiatement la date de signature de cette Convention ou à une date ultérieure.

In der englischen Fassung, welche im Falle eines Konflikts zwischen der französischen und der niederländischen Fassung alleine massgebend sein soll, lautet Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL wie folgt:

Notwithstanding paragraph 1 of this Article, Article 26 and Article XVI of the Protocol to the Convention shall have effect for requests made on or after the date of entry into force of this Convention regarding information that relates to any date beginning on or after the first day of March following the date of signature of this Convention.

2.2.4. Sinn und Zweck von Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL ist eine klare Abgrenzung des zeitlichen Geltungsbereichs der Amtshilfebestimmung. Es fällt auf, dass weder die französische noch die englische Fassung zu diesem Zweck an die voraussichtliche Erheblichkeit (pertinence vraisemblable; foreseeable relevance) der verlangten Informationen anknüpfen. Stattdessen ist ein «Bezug» der einzelnen Information zum Zeitraum ab dem 1. März 2010 erforderlich (renseignements qui se rapportent à toute période débutant [...]; information that relates to any date beginning on [...]). Daraus erhellt, dass die voraussichtliche Erheblichkeit einer Information für einen Steuerzweck für die Eröffnung des zeitlichen Geltungsbereichs gerade nicht vorausgesetzt werden darf. Wäre dem nicht so, müsste der ersuchte Staat bereits für die Frage des Geltungsbereichs die Begründetheit des Amtshilfeersuchens prüfen. Dies widerspräche offenkundig dem Sinn und Zweck von Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL.

2.2.5. Umgekehrt ist Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL nach Treu und Glauben keine Beschränkung der Prüfungsbefugnis des ersuchten Staats zu entnehmen, wie sie dem Konzept der voraussichtlichen Erheblichkeit eigen ist. Vielmehr muss es dem ersuchten Staat erlaubt sein, umfassend zu prüfen, ob sich die geforderte Information tatsächlich auf den Zeitraum nach dem 1. März 2010 bezieht.

2.2.6. In ihrer Antwort auf die Frage, ob die zur Diskussion stehende Information den erforderlichen Bezug zum Zeitraum ab dem 1. März 2010 aufweist, hat sich die Vorinstanz teilweise auf Ziff. XVI lit. c Protokoll zum DBA CH-NL gestützt. Diese Bestimmung sieht eine extensive Auslegung des Kriteriums der voraussichtlichen Erheblichkeit in Art. 26 Abs. 1 DBA CH-NL vor. Dies setzt aber logisch betrachtet voraus, dass letztere Bestimmung überhaupt (zeitlich) anwendbar ist. Ziff. XVI lit. c Protokoll zum DBA CH-NL kann deshalb nicht entnommen werden, dass Art. 26 DBA CH-NL möglichst weitreichende Rückwirkung zukommen soll.

2.2.7. Stattdessen bietet es sich an, für die Bestimmung der Bezugsintensität auf den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz in Art. 28 VRK zurückzugreifen. Demnach fallen Informationen nach Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL nicht in den zeitlichen Geltungsbereich der Amtshilfebestimmung, wenn sie sich auf Tatsachen und Lagen beziehen, die sich vor dem 1. März 2010 ereignet bzw. zu bestehen aufgehört haben und somit im zeitlichen Geltungsbereich der Amtshilfebestimmung keine steuerlichen Auswirkungen mehr zeitigen können. Wird deshalb um die Übermittlung einer Urkunde eines Vertrages ersucht, der vor diesem Datum abgeschlossen wurde, kann Art. 26 DBA CH-NL gemäss Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL nur Anwendung finden, wenn sich aus diesem Rechtsgeschäft am 1. März 2010 noch Rechts- oder andere, steuerlich bedeutsame Wirkungen ergeben haben. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Vertrag ein Dauerschuldverhältnis zum Gegenstand hatte, das am 1. März 2010 noch nicht beendet war, der Vertrag also mithin eine (Rechts-) Lage geschaffen hatte, die am 1. März 2010 andauerte. Dasselbe gälte auch für Einmalschuldverhältnisse, die am 1. März 2010 noch nicht erfüllt gewesen waren. Vorbehalten bleiben ausserdem besonders gelagerte Einzelfälle, in denen einem Dokument zwar streng genommen keine Informationen in Bezug auf den Zeitraum ab dem 1. März 2010 entnommen werden können, die Verweigerung der Amtshilfe durch die Schweiz gestützt hierauf aber als treuwidrig erschiene (Urteil 2C_1087/2016 vom 31. März 2017 E. 4.3 in: ASA 86 S. 155).

2.2.8. Weisen die verlangten Informationen einen Bezug zu Steuerperioden ab dem 1. März 2010 auf und ist der zeitliche Geltungsbereich von Art. 26 DBA CH-NL demnach gemäss Art. 29 Abs. 2 DBA CH-NL eröffnet, schadet es der ersuchenden Behörde hingegen nicht, wenn sie die voraussichtliche Erheblichkeit der verlangten Informationen für Steuerperioden ab dem 1. März 2010 (auch) mit Tatsachen und Lagen begründet, die sich vor dem 1. März 2010 ereignet bzw. zu bestehen aufgehört haben (zur voraussichtlichen Erheblichkeit früherer Sachverhalte für spätere Steuerperioden vgl. Urteil 2C_1162/2016 vom 4. Oktober 2017 E. 6.5, in: ASA 86 S. 322).

2.3. Angesichts dieses Auslegungsergebnisses ergibt sich für den hier zu beurteilenden Fall Folgendes: Die Urkunde mit dem Titel «Transfer of Intellectual Property», die vom 7. November 2005 datiert, kann nach Art. 26 DBA CH-NL übermittelt werden, wenn sich aus diesem Rechtsgeschäft eine Lage, d.h. namentlich Rechte und Pflichten, ergeben hätte, die am 1. März 2010 andauerte und sich innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des DBA CH-NL steuerlich auswirkte. Die ersuchende Behörde bemerkt zwar, dass das im Rahmen dieses Rechtsgeschäfts übertragene Markenrecht im Folgejahr auf eine Drittpartei übertragen wurde. Sie macht aber des Weiteren geltend, dass die Beschwerdeführerin 1 bis 2014 in Rechtsverfahren betreffend die Markenanmeldung verwickelt war. Es ist deshalb aufgrund der gesamten Umstände davon auszugehen, dass sich die genannte Urkunde auch nach dem 1. März 2010 noch steuerlich auswirkte. Damit fällt sie in den zeitlichen Geltungsbereich des DBA CH-NL.

[…]

4

Von der Frage der voraussichtlichen Erheblichkeit der Information nach Art. 26 Abs. 1 DBA CH-NL zu trennen ist die Frage, inwieweit eine allfällige Beschränkung der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin 1 nach innerstaatlichem Recht die Schweiz nach Art. 26 Abs. 3 DBA CH-NL von ihrer Amtshilfepflicht zu entbinden vermag. Diesfalls wäre die Leistung von Amtshilfe nämlich ausgeschlossen, da dem StAhiG keine eigenständige Rechtsgrundlage für eine autonome Amtshilfe zu entnehmen ist (BGE 143 II 136 E. 4.4 S. 145) und auch keine andere gesetzliche Grundlage besteht, welche die autonome Amtshilfe im vorliegenden Fall zulassen würde.

4.1. Art. 26 Abs. 3 lit. a und lit. b DBA CH-NL beschränken die Amtshilfeverpflichtung der Vertragsstaaten auf jene Massnahmen und Informationen, die nach ihren Gesetzen und ihrer Verwaltungspraxis verfügbar bzw. erhältlich sind. Ihrem Wortlaut nach scheinen Art. 9 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 3 StAhiG sowohl für betroffene Personen, als auch für Informationsinhaber jedenfalls gegenüber der ESTV uneingeschränkte Auskunfts- und Herausgabepflichten zu statuieren. Art. 8 Abs. 1 StAhiG begrenzt die Zulässigkeit von Untersuchungsmassnahmen allerdings insoweit, als dass für die Durchsetzung eines Amtshilfeersuchens nur jene Massnahmen zur Verfügung stehen sollen, die zur Veranlagung und Durchsetzung gleichartiger schweizerischer Steuern zur Verfügung stünden. Wo sich ein Amtshilfeersuchen wie vorliegend auf Einkommenssteuern bezieht, haben sich die Untersuchungsmassnahmen der ESTV also an Art. 123-129 DBG zu halten (BGE 142 II 69 E. 4 S. 75 f.). Das DBG unterscheidet zwischen der Mitwirkung des Steuerpflichtigen in Art. 123-126a DBG und jener von Dritten in Art. 127-129 DBG.

4.2. Wie aus diesen Bestimmungen erhellt, können die Steuerbehörden den Steuerpflichtigen im Veranlagungsverfahren zu umfassender Mitwirkung anhalten. Insbesondere ist der Steuerpflichtige nach Art. 126 Abs. 2 DBG zur Erteilung aller Auskünfte verpflichtet, die für seine Veranlagung von Bedeutung sein können. Nach einer vom Bundesgericht zu Art. 89 Abs. 2 BdBSt entwickelten Rechtsprechung (BGE 120 Ib 417 E. 3.b) S. 427; 107 Ib 213 E. 2 S. 216), die in der Folge für Art. 126 Abs. 2 DBG übernommen wurde (BGE 133 II 114 E. 3.4 und 3.5 S. 118; Urteil 2A.41/1997 vom 11. Januar 1999 E. 3.b in: ASA 68 S. 646, StE 2000 B 92.3 Nr. 10, StR 54/1999 S. 353), muss der Steuerpflichtige die voraussichtlich für seine Veranlagung bedeutsame Auskunft auch dann erteilen, wenn die Steuerbehörden diese nicht in erster Linie für seine, sondern für die Veranlagung von Drittpersonen (z.B. seiner Geschäftspartner) verlangen. Die Motivation der Steuerbehörden ist insofern also unbeachtlich. Hingegen muss der Steuerpflichtige keine Auskunft erteilen, die ausschliesslich seine Geschäftspartner betrifft, deren Erteilung dem Steuerpflichtigen unzumutbaren Aufwand verursachen würde (BGE 142 II 69 E. 5.1.2 und 5.1.3 S. 76 f.; 133 II 114 E. 3.5 S. 118) oder die ihm anderweitig unzumutbar – d.h. unverhältnismässig – wäre (Zweifel/Hunziker, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl. 2017, N. 7 zu Art. 126 DBG).

4.3. Diese Grundsätze gelten auch im Amtshilfeverfahren (BGE 142 II 69 E. 5.1.3 S. 77 und E. 5.4 S. 79). Wo eine Person im Amtshilfeverfahren zur Erteilung einer Information über eine andere, im ersuchenden Staat steuerpflichtige Person angehalten wird und diese Information auch für die Veranlagung der in der Schweiz ansässigen Person von Bedeutung sein kann, bemisst sich ihre Mitwirkungspflicht nach Art. 123-126 DBG, insbesondere nach Art. 126 Abs. 2 DBG, wie dies auch in einem rein internen Verhältnis der Fall wäre (BGE 142 II 69 E. 5.4 S. 79; Urteil 2C_690/2015 vom 15. März 2016 E. 4.2 und 4.3; a.M. Daniel Holenstein, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, 2015, N. 290 zu Art. 26 OECD-MA). Hat die ersuchte Information hingegen offensichtlich keine Bedeutung für die steuerliche Situation der auskunfterteilenden Person, kann von ihr lediglich Mitwirkung nach Art. 127-129 DBG verlangt werden. Diese Unterscheidung des internen Rechts in Bezug auf die zulässigen Untersuchungsmassnahmen knüpft lediglich an der Situation der auskunfterteilenden Person an. Sie setzt kein Fiskalinteresse der Schweiz voraus und ist deshalb mit Art. 26 Abs. 4 DBA CH-NL vereinbar.

4.4. Die vorliegend ersuchten Informationen dienen der Untersuchung, ob zwischen der Beschwerdeführerin 1 und C. eine besondere Beziehungsnähe bestanden hat. Eine solche besondere Beziehungsnähe, sei es eine Gesellschafter- oder Geschäftsführerstellung, sei es eine wirtschaftliche Beherrschung oder Berechtigung seitens C. an der Beschwerdeführerin 1 bzw. an den Zahlungsströmen im Zusammenhang mit der Marke I. und dem Bekleidungsgeschäft in U., wäre geeignet, sich auch auf die Veranlagung der Beschwerdeführerin 1 auszuwirken. Beispielsweise könnte sie dazu führen, dass Leistungsverhältnisse zwischen den Parteien einem Drittvergleich unterzogen werden müssten und gegebenenfalls dem steuerbaren Gewinn der Beschwerdeführerin 1 Erträge hinzuzurechnen wären (BGE 142 II 69 E. 5.1.4 S. 77 f.; Urteile 2C_690/2015 vom 15. März 2016 E. 4.3; 2C_272/2011 vom 5. Dezember 2011 E. 3.3.1 in: StR 67/2012 S. 127; Urteil A.159/1980 vom 25. November 1983 in: ASA 53 S. 84).

4.5. Da die ersuchten Informationen (auch) für die Veranlagung der Beschwerdeführerin 1 von Bedeutung sein können, ist sie diesbezüglich im Amtshilfeverfahren grundsätzlich auskunfts- bzw. mitwirkungspflichtig, wie sie es auch in einem rein innerstaatlichen Verfahren wäre. Die Auskunftserteilung verursacht der Beschwerdeführerin 1 keine unzumutbaren Kosten.

[…]

6.

Weiter berufen sich die Beschwerdeführerinnen auf das Anwaltsgeheimnis, welches der Übermittlung gewisser Informationen entgegen stehen soll. Konkret machen sie geltend, dass zwischen der Beschwerdeführerin 1 und C. ein Mandatsverhältnis bestanden habe und deswegen Informationen, die einen Bezug zu diesem Mandatsverhältnis aufweisen, nicht zu übermitteln seien.

6.1. Die Vorinstanz erwog in diesem Zusammenhang, dass nach Art. 8 Abs. 6 StAhiG einzig Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt sind, die Herausgabe von durch das Anwaltsgeheimnis geschützten Unterlagen und Informationen verweigern könnten. Diese Bestimmung konkretisiere Art. 26 Abs. 3 DBA CH-NL und schliesse Personen, die nicht Anwälte im Sinne des Anwaltsgesetzes seien, von ihrem Schutzbereich aus. Da weder die Beschwerdeführerin 1 noch die Bank J. Anwälte im Sinne des Anwaltsgesetzes seien, greife der Vorwurf der Verletzung des Anwaltsgeheimnisses ins Leere.

6.2. In dieser Pauschalität kann der Vorinstanz nicht zugestimmt werden. Das Steueramtshilfegesetz hat nach Art. 1 Abs. 1 StAhiG den innerstaatlichen Vollzug der Amtshilfe zum Gegenstand. In Bezug auf den Informationsaustausch auf Ersuchen regelt es insbesondere das Verhältnis zwischen der ESTV als vollziehender Behörde einerseits und den betroffenen Personen sowie Informationsinhabern andererseits. Weder vermag das Steueramtshilfegesetz die staatsvertraglichen Pflichten der Schweiz auszuweiten, noch sie einzuengen, noch lässt sich ihm eine gesetzliche Grundlage für die autonome Vornahme der Amtshilfe entnehmen (BGE 143 II 136 E. 4.4 S. 145). Da sich Art. 8 Abs. 6 StAhiG alleine auf das Verhältnis zwischen der ESTV und der betroffenen Person bzw. dem Informationsinhaber im Amtshilfeverfahren bezieht und diese Bestimmung keine Definition des Anwaltsgeheimnisses enthält, geht es jedenfalls nicht an, alleine hieraus auf den Umfang der völkerrechtlichen Pflichten im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten nach Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL zu schliessen. Dies gilt umso mehr, als Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL im Unterschied zu Art. 26 Abs. 3 lit. a und lit. b DBA CH-NL nicht an die Erhältlichkeit der Information im innerstaatlichen Verfahren anknüpft, mithin also nicht von vornherein klar ist, dass Berufsgeheimnisse, deren Preisgabe schweizerische oder niederländische Steuerbehörden unter gewissen Umständen erzwingen könnten, auch immer an den Vertragspartner zu übermitteln wären.

6.3. Wie der Schutzbereich des Anwaltsgeheimnisses gemäss Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL genau abzustecken ist und ob davon allenfalls auch Informationen erfasst sein könnten, die sich nicht beim Anwalt, sondern bei seiner Klientschaft befinden, wie dies die Beschwerdeführerinnen sinngemäss geltend machen, kann vorliegend aber dennoch offenbleiben. Denn jedenfalls kann ein Vertragsstaat die Amtshilfe aufgrund des Berufsgeheimnisses eines Rechtsanwalts nach Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL nur verweigern, wenn die betreffenden Informationen in einem Zusammenhang mit einer anwaltlichen Tätigkeit stehen (vgl. Kommentar der OECD zum OECD-Musterabkommen, N. 19.3 zu Art. 26 OECD-MA). Bei C. handelt es sich zwar um einen niederländischen Rechtsanwalt. Im vorinstanzlichen Verfahren blieb indessen unklar, worin die anwaltliche Tätigkeit genau bestanden hat, die C. für die Beschwerdeführerin 1 ausgeübt haben soll. Die Schlussverfügung der ESTV nennt – auf Auskunft der Beschwerdeführerin 1 hin – Empfehlungen, die C. unentgeltlich «im Interesse der Gesellschaft» an die Beschwerdeführerin 1 abgegeben habe. Verträge sollen zwischen diesen beiden Parteien aber keine bestanden haben. Die Beschwerdeführerin 1 hat es – auch vor Bundesgericht – unterlassen, die Anwaltstätigkeit von C. zu substanziieren. Analoges gilt im Übrigen bezüglich Informationen, welche die niederländische Anwaltskanzlei betreffen, die die Beschwerdeführerin 1 beizog. Mangels Substanziierung einer anwaltlichen Tätigkeit stellt das Berufsgeheimnis des Anwalts nach Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL in Bezug auf dessen Steuerverfahren in den Niederlanden im vorliegenden Fall kein Hindernis für die Gewährung der Amtshilfe dar.

7.

Die Beschwerdeführerinnen sind der Ansicht, dass die angefragten Informationen ganz oder teilweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und deshalb der Amtshilfe gemäss Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL nicht zugänglich seien.

7.1. Die Vorinstanz hat zu diesem Punkt erwogen, dass finanzielle Informationen naturgemäss keine Handels-, Geschäfts- oder sonstige Geheimnisse im Sinne von Art. 26 Abs. 3 DBA CH-NL darstellten. Für nicht finanzielle Informationen bestehe ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, wenn diese von erheblicher wirtschaftlicher Wichtigkeit seien, wirtschaftlich verwertet werden könnten und deren unberechtigter Gebrauch zu einem ernsthaften Schaden wie beispielsweise schweren finanziellen Schwierigkeiten führen könnten. Dieses Verständnis deckt sich mit jenem der OECD zu Art. 26 Abs. 3 lit. c OECD-Musterabkommen (Kommentar der OECD zum OECD-Musterabkommen, N. 19.2 zu Art. 26 OECD-MA [soweit vorliegend relevant unverändert seit 2005]). Mit einer Ausnahme scheint die schweizerische Lehre die Auffassung der OECD zu teilen oder ihr jedenfalls nicht zu widersprechen (siehe etwa Daniel Holenstein, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, 2015, N. 277 zu Art. 26 OECD-MA; René Matteotti, Lebensversicherungen im Fokus der internationalen Amtshilfe und Abgeltungssteuerabkommen: Weissgeldstrategie auch für den Lebensversicherungssektor, in: Beusch/Mäusli-Allenspach [Hrsg.], Steuern und Recht – Steuerrecht!, Liber Amicorum für Martin Zweifel, 2013, 265; Xavier Oberson, in: Danon und andere [Hrsg.], Modèle de Convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, 2014, N. 125 zu Art. 26 OECD-MA; Stefan Oesterhelt, Amtshilfe im internationalen Steuerrecht der Schweiz, Jusletter 12. Oktober 2009, Rz. 94; a.M. Andreas Donatsch und Andere, Internationale Rechtshilfe, 2. Aufl. 2015, S. 246, wonach Informationen, die unter Art. 162 StGB fallen, «aus Sicht der Schweiz» von Art. 26 Abs. 3 lit. c OECD-Musterabkommen erfasst sein sollen).

7.2. Die Vorinstanz hat ihre Praxis schlüssig begründet und wird überdies von der überwiegenden Lehre und der OECD gestützt. Es ist nicht ersichtlich, weswegen hiervon abgewichen werden sollte. Die Beschwerdeführerinnen zeigen nicht auf, inwiefern die ersuchten Informationen für die Beschwerdeführerin 1 von erheblicher wirtschaftlicher Wichtigkeit sein sollen und wie der unberechtigte Gebrauch zu einem ernsthaften Schaden führen könnte. Die ersuchten Informationen fallen dementsprechend nicht unter den Begriff des Geschäftsgeheimnisses, wie er Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-NL zugrundeliegt.

[…]