Urteil des Bundesgerichts 2C_240/2017 vom 18. September 2018

Rückerstattung der Mehrwertsteuer auf zu Unrecht entrichteten Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen. Verjährung.

  • 12. Februar 2019
  • Bearbeitet durch: Monique Schnell Luchsinger
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Gebühren
  • Zitiervorschlag: Monique Schnell Luchsinger, Urteil des Bundesgerichts 2C_240/2017 vom 18. September 2018 , ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesgerichts 2C_240/2017 vom 18. September 2018 i.S. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gegen A. [zur Publikation bestimmt]; Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7678/2015 vom 25. Januar 2017. Grundsatzurteil.

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Die Rückerstattung von fälschlicherweise durch das BAKOM fakturierte Mehrwertsteuern auf Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen an den Gebührenpflichtigen (sog. Überwälzungsbeziehung) unterliegt – anders als im Regelfall – dem öffentlichen Recht (E. 2.2.3). Das BAKOM hat als fakturierende Person gegenüber ESTV gemäss Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 abzurechnen (E. 3.2.5). Allerdings hätte es die Mehrwertsteuer in Anwendung dieser Bestimmung auch wieder zurückfordern können (E. 3.3.7). Entsprechend steht dem Gebührenpflichtigen ein Rückerstattungsanspruch zu. Dieser ist jedoch durch die Verjährung beschränkt (E. 3.4.1).

La restitution de la TVA facturée à tort par l’OFCOM sur les redevances de réception radio/TV aux assujettis à la redevance de réception (relation de transfert) est soumise – contrairement au principe général – au droit public (consid. 2.2.3). L’OFCOM doit, en tant qu’émetteur de la facture, décompter la TVA envers l’AFC conformément à l’art. 27 al. 2 LTVA (consid. 3.2.5). Il aurait néanmoins aussi pu obtenir la restitution de la TVA au sens de cette disposition (consid. 3.3.7). L’assujetti à la redevance de réception dispose donc d’une prétention en restitution. Celle-ci est toutefois limitée par la prescription (consid. 3.4.1).

2.

Sachverhalt ^

A.  

A.________ (nachfolgend: der Gebührenpflichtige) hat Wohnsitz in U.________/BE. Er ist nicht unternehmerisch tätig und daher auch nicht mehrwertsteuerpflichtig. Am 1. Juli 2011 stellte ihm die Billag AG in ihrer Eigenschaft als Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehgebühren die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr für die Abgabeperiode vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2012 in Rechnung. Der Betrag von Fr. 462.40 setzte sich aus der Gebühr (Fr. 451.12) und der Mehrwertsteuer von 2,5 Prozent (Fr. 11.28) zusammen. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2011 teilte der Gebührenpflichtige der Billag AG mit, er habe die fakturierten Gebühren bezahlt, nicht jedoch die Mehrwertsteuer. Da es sich bei den Empfangsgebühren um hoheitliche Abgaben handle, bestehe für diese keine Mehrwertsteuerpflicht. In der Folge verlangte er von der Billag AG bzw. vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) eine anfechtbare Verfügung. 

B.  

Die Billag AG hielt am 12. Februar 2013 verfügungsweise fest, dass der Gebührenpflichtige für die Abgabeperioden 2011/2012 und 2012/2013 nebst den Empfangsgebühren (je Fr. 451.12) auch die Mehrwertsteuer (je Fr. 11.28) nebst Mahngebühren schulde. Dieser erhob dagegen am 17. März 2013 Beschwerde an das BAKOM mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Billag AG sei anzuweisen, die von ihm ab Ende Januar 2007 unter dem Titel Mehrwertsteuer geleisteten Zahlungen inkl. Zins zurückzuerstatten. Nachdem das BAKOM die Eingabe als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht überwiesen hatte, trat dieses mit Urteil vom 11. September 2013 auf die Beschwerde nicht ein. Es erkannte, die Verfügung der Billag AG vom 12. Februar 2013 sei nichtig. Gemäss Art. 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG 2009; SR 641.20) sei nicht die Billag AG, sondern das Zivilgericht zuständig, um über die streitige (Mehrwertsteuer-)Forderung zu befinden. 

C.  

Der Gebührenpflichtige, die Billag AG und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gelangten dagegen an das Bundesgericht, das die Beschwerden mit Urteil 2C_936/2013 / 2C_942/2013 / 2C_947/2013 vom 31. Januar 2014 (BGE 140 II 80) guthiess und die Sache zur materiellen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückwies. Das Bundesgericht erwog im Wesentlichen, im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen der Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren und den Gebührenpflichtigen müsse entgegen dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 MWSTG 2009 auch über die damit verbundenen Mehrwertsteuerfragen im dafür vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Verfahren entschieden werden. 

D.  

In der Folge wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. August 2014 die Beschwerde ab. Der Gebührenpflichtige erhob dagegen Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Beschwerde gutzuheissen und die Billag AG anzuweisen, die von ihm  ab Ende Januar 2007 unter dem Titel Mehrwertsteuer geleisteten Zahlungen samt Zins zurückzuerstatten. Das Bundesgericht erwog mit Urteil 2C_882/2014 vom 13. April 2015 (BGE 141 II 182), Streitgegenstand sei einzig die Mehrwertsteuer für die Zeit vom  1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013, nicht aber die Frage einer Rückerstattung der zuvor geleisteten Zahlungen. Auf den Antrag auf Rückerstattung sei daher nicht einzutreten. Im Übrigen hiess es die Beschwerde gut und hob es das angefochtene Urteil auf, da die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr keiner objektiven Mehrwertsteuerpflicht unterstehe.  

E.  

Mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ersuchte der Gebührenpflichtige die Billag AG unter Berufung auf BGE 141 II 182 um Rückerstattung der von ihm ab Ende Januar 2007 auf der rundfunkrechtlichen Empfangsgebühr bezahlten Mehrwertsteuer. Diese betrug insgesamt Fr. 45.35 nebst Zins. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2015 wies die Billag AG das Begehren ab. 

Dagegen erhob der Gebührenpflichtige am 30. November 2015 Beschwerde an das BAKOM, welches das Rechtsmittel als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete. Mit Urteil A-7678/2015 vom 25. Januar 2017 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut. Es hob die Verfügung der Billag AG vom 30. Oktober 2015 auf und verpflichtete das BAKOM, dem Gebührenpflichtigen den von ihm unter dem Titel «Mehrwertsteuer» bezahlten Betrag von Fr. 45.35 zuzüglich Zins im Sinne der Erwägungen zurückzuerstatten. 

Das Bundesverwaltungsgericht prüfte im Wesentlichen, ob im streitbetroffenen Zeitraum zwischen dem BAKOM und dem Gebührenpflichtigen ein mehrwertsteuerlicher Leistungsaustausch vorgelegen habe. Es verneinte dies mit Blick auf BGE 141 II 182 und schloss, dass das BAKOM nicht verpflichtet gewesen wäre, Mehrwertsteuern zu erheben (E. 8.2). Entsprechend habe es an einem Rechtsgrund gefehlt, die Mehrwertsteuern auf den Gebührenpflichtigen zu überwälzen. Folglich habe dieser die streitbetroffenen Mehrwertsteuern von Fr. 45.35 ohne Rechtsgrund erbracht (E. 8.3). Der Gebührenpflichtige habe Vertrauen in die Rechnungstellung haben dürfen, weshalb von ihm nicht zu verlangen sei, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden habe (Art. 63 OR; E. 9.1). Die vom BAKOM vorgebrachte Entreicherungseinrede (Art. 64 OR) greife zu kurz. Das BAKOM als Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung könne nicht mit Recht geltend machen, der Bund sei nicht bereichert worden (E. 9.2). Eine Verjährungseinrede seitens des BAKOM sei unterblieben (Art. 67 OR; E. 9.3). Entsprechend sei das BAKOM gehalten, dem Gebührenpflichtigen den streitbetroffenen Betrag von Fr. 45.35 zu erstatten (E. 10), und dies unter Zinsfolgen (E. 11). 

F.  

Das UVEK, vertreten durch das BAKOM, erhebt mit Eingabe vom 24. Februar 2017 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Es beantragt, das Urteil A-7678/2015 vom 25. Januar 2017 sei aufzuheben und die Verfügung der Billag AG vom 30. Oktober 2015 zu bestätigen. 

Der Gebührenpflichtige beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. 

 

3.

Aus den Erwägungen ^

[…]

2.2.3. Anders als im Regelfall untersteht die Überwälzungsbeziehung vorliegend dem öffentlichen Recht, was sich daraus ergibt, dass das (rundfunkrechtliche) Grundverhältnis zwischen BAKOM und gebührenpflichtiger Person öffentlich-rechtlicher Natur ist. Die Grundlage der hier streitbetroffenen Empfangsgebühren findet sich in Art. 68 ff. des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) in der ursprünglichen Fassung vom 24. März 2006 (AS 2007 737). Soweit die Mehrwertsteuer zu erheben ist, ist diese akzessorischer Natur. Aus diesem Grund ist auch über die Überwälzung und gegebenenfalls über die Rückerstattung eines zu Unrecht überwälzten Betrags nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zu entscheiden (BGE 140 II 80 E. 2.5 S. 86 ff.). Ebenso in diesem Verfahren ist vorfrageweise über die objektive Steuerbarkeit einer Leistung zu befinden, was das Bundesgericht in BGE 141 II 182 getan hat (Sachverhalt, lit. D). Der leistungsempfangenden Person (hier: der Gebührenpflichtige) ist es dagegen benommen, die objektive Steuerbarkeit der Leistung (auch) im Verhältnis zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der ESTV zu beanstanden. Hierzu fehlt ihr im dortigen Verfahren die Legitimation (BGE 140 II 80 E. 2.4.3 und 2.4.4 S. 85 f.).  

2.3. Streitig und zu prüfen ist nach dem Gesagten ausschliesslich die  Überwälzungsbeziehung zwischen dem BAKOM und dem Gebührenpflichtigen. Die Abrechnungsbeziehung (und eine etwaige Rückerstattung im Verhältnis zwischen ESTV und BAKOM) liegt im vorliegenden Verfahren ausserhalb des Streitgegenstandes. Konkret ist der Frage nachzugehen, ob der Gebührenpflichtige einen Anspruch gegenüber dem BAKOM auf Rückerstattung der von diesem auf ihn überwälzten Mehrwertsteuern hat. Er beansprucht die Rückerstattung der Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 (richtig wohl: 1. April 2007) bis zum 30. Mai 2011, ausmachend Fr. 45.35. Über den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 hat das Bundesgericht bereits rechtskräftig entschieden (BGE 141 II 182; Sachverhalt, lit. D), wobei der Gebührenpflichtige bezüglich dieser Abgabeperioden ohnehin keine Mehrwertsteuer entrichtet hatte.  

[…]

3.2.2. Das Mehrwertsteuerrecht von 2009 kodifiziert das Prinzip «fakturierte Mehrwertsteuer gleich geschuldete Mehrwertsteuer» erstmals auf Gesetzesebene (Regine Schluckebier, in: Felix Geiger/Regine Schluckebier [Hrsg.], Kommentar zum MWSTG [nachfolgend: HK MWSTG], 2012, N. 4 zu Art. 27 MWSTG; Aois CAmenzhind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender/Marcel R. Jung/Simon L. Probst, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 3. Aufl. 2012, N. 1607). Die positivrechtliche Regel findet sich in  Art. 27 Abs. 2-4 MWSTG 2009. Aufgrund der Teilrevision des Gesetzes vom 30. September 2016 hat Art. 27 mit Wirkung ab 1. Januar 2018 teils einen neuen Wortlaut erhalten (AS 2017 3575). Im hier interessierenden Zusammenhang ist noch die ursprüngliche Fassung vom 12. Juni 2009 massgebend (Art. 112 Abs. 1 MWSTG 2009). Entsprechend lautet Art. 27 MWSTG 2009 («Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis») wie folgt:  

«1 Wer nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen ist oder wer das Meldeverfahren nach Art. 38 anwendet, darf in Rechnungen nicht auf die Steuer hinweisen. 

2 Wer in einer Rechnung eine Steuer ausweist, obwohl er zu deren Ausweis nicht berechtigt ist, oder wer für eine Leistung eine zu hohe Steuer ausweist, schuldet die ausgewiesene Steuer, es sei denn: 

a.       es erfolgt eine Korrektur der Rechnung nach Abs. 4; oder 

b.       er oder sie weist nach, dass dem Bund kein Steuerausfall entstanden ist; kein Steuerausfall entsteht namentlich, wenn der Rechnungsempfänger oder die Rechnungsempfängerin keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat oder die geltend gemachte Vorsteuer dem Bund zurückerstattet worden ist. 

3 Die Rechtsfolgen von Abs. 2 treten auch bei Gutschriften ein, soweit der Gutschriftsempfänger oder die Gutschriftsempfängerin einem zu hohen Steuerbetrag nicht schriftlich widerspricht. 

4 Die nachträgliche Korrektur einer Rechnung kann innerhalb des handelsrechtlich Zulässigen durch ein empfangsbedürftiges Dokument erfolgen, das auf die ursprüngliche Rechnung verweist und diese widerruft.»

3.2.3. Aus dem insoweit klaren Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 ergibt sich ohne Weiteres, dass die Norm grammatikalisch auf die Abrechnungsbeziehung zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zugeschnitten ist (vorne E. 3.1). Denn angesprochen ist, «wer in einer Rechnung eine Steuer ausweist». Zur Faktura berechtigt ist die leistungserbringende Person. Rechnung ist dabei «jedes Dokument, mit dem gegenüber einer Drittperson über das Entgelt für eine Leistung abgerechnet wird» (Art. 3 lit. k MWSTG 2009). Fakturiert die leistungserbringende Person die Mehrwertsteuer, ohne hierzu berechtigt zu sein («unberechtigter Steuerausweis»), oder weist sie eine zu hohe Steuer aus («unrichtiger Steuerausweis»), indem sie beispielsweise eine zu hohe Bemessungsgrundlage heranzieht oder einen zu hohen Steuersatz anwendet (Art. 24 und 25 MWSTG 2009), schuldet sie die Mehrwertsteuer an sich dennoch (Ingress zu Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009). Von keiner Bedeutung ist dabei, ob die leistungserbringende bzw. rechnungsstellende Person bereits subjektiv steuerpflichtig ist (Pascal Mollard/Xavier Oberson/Anne Tissot Benedetto, Traité TVA, 2009, Annex 3, N. 165 zu Art. 27 MWSTG). Ist die rechnungstellende Person nicht ohnehin schon subjektiv steuerpflichtig, wird sie aufgrund des unberechtigten Steuerausweises beschränkt steuerpflichtig (Ivo P. Baumgartner/Diego Clavadetscher/Martin Kocher, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 5 N. 10, 13, 15).  

3.2.4. Das eigentliche Steuerobjekt der Inlandsteuer setzt nach dem Gesagten ein Leistungsverhältnis voraus. Der entgeltliche Leistungsaustausch bildet das «Hauptsteuerobjekt» (vorne E. 2.1). Hier setzt Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 an, indem er den unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis zum «ergänzenden Steuerobjekt» bzw. «Hilfssteuerobjekt» erklärt (Baumgartner/Clavadetscher/Kocher, a.a.O., Titel zu § 5 und § 4 N. 1 und N. 3; so auch Béatrice Blum, in: Martin Zweifel/Michael Beusch/Pierre-Marie Glauser/Philip Robinson [Hrsg.], Kommentar zum MWSTG [nachfolgend: Komm. MWSTG], 2015, N. 9 zu Art. 27 MWSTG). Die objektive Steuerbarkeit des Vorgangs ergibt sich dabei ausschliesslich aus dem Prinzip «impôt facturé = impôt dû» (vorne E. 3.2.1), denn «jede in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer ist an die Eidgenossenschaft abzuliefern» (Baumgartner/Clavadetscher/Kocher, a.a.O., § 5 N. 1). Unter dem Steuerausweis, ist das offene Überwälzen der inländischen Mehrwertsteuer in der Handelsrechnung zu verstehen (vorne E. 3.2.3).  

3.2.5. Die fakturierende Person hat gegenüber der ESTV über die ausgewiesene Steuer abzurechnen, weil die Rechnung oder Gutschrift eine unberechtigte oder überhöhte Steuer ausweist und dies eine abstrakte Gefährdung des Steuersubstrats bewirkt (formelle Synchronisierung; Urteil 2C_411/2014 vom 15. September 2014 E. 2.3.2). Denn eine Rechnung, in welcher eine Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, berechtigt die rechnungsempfangende steuerpflichtige Person selbst dann zum Vorsteuerabzug, wenn die Umsatzsteuer nicht abgeliefert oder zu hoch ausgewiesen wird. Die rechnungsempfangende Person trifft an sich keine Verpflichtung zur Prüfung, ob die Mehrwertsteuer zu Recht eingefordert wird (Art. 59 Abs. 2 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 [MWSTV 2009; SR 641.201]; Blum, in: Komm. MWSTG, N. 1 zu Art. 27 MWSTG; Schluckebier, in: HK MWSTG, N. 24 zu Art. 27 MWSTG). Es handelt sich bei Art. 27 MWSTG 2009 um einen Gefährdungstatbestand (Schluckebier, in: HK MWSTG, N. 2 zu Art. 27 MWSTG).  

3.2.6. Eine Abrechnungs- und Ablieferungspflicht der fakturierenden Person tritt nur dann nicht ein oder entfällt, wenn sie ihre Handelsrechnung korrigiert (Art. 27 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 4) oder nachweist, dass dem Bund durch den unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweis kein Nachteil entstanden ist (Art. 27 Abs. 2 lit. b MWSTG 2009 in der ursprünglichen Fassung; Urteil 2C_411/2014 vom 15. September 2014 E. 2.3.4 und 2.3.5).  

[…]

3.3.6. Das Bundesgericht hat bereits festgestellt, dass zwischen dem BAKOM und gebührenpflichtigen Personen, was die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr betrifft, keinerlei Leistungsverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a MWSTG 2009 besteht (BGE 141 II 182). Rückblickend zeigt sich mithin, dass die objektive Steuerbarkeit nicht auf Art. 18 ff., sondern auf Art. 27 MWSTG 2009 beruht. Folglich steht die Schuldpflicht des BAKOM gegenüber der Eidgenossenschaft unter dem Vorbehalt, dass eine Korrektur der Rechnung erfolgt oder das BAKOM nachzuweisen vermag, dass dem Bund kein Steuerausfall entstanden ist (Art. 27 Abs. 2 lit. a und b MWSTG 2009; vorne E. 3.2.2 und 3.2.6). Wenn dem Gebührenpflichtigen die auf dem unrichtigen Steuerausweis beruhende Steuerschuld entgegengehalten werden kann, muss ihm aber auch gestattet sein, die Korrekturen nach Art. 27 Abs. 2 lit. a und b MWSTG 2009 in Anspruch zu nehmen.  

3.3.7. Der Gebührenpflichtige ersuchte die Billag AG, die für das BAKOM tätig wird, mit Schreiben vom  9. Juli 2015 um Rückerstattung der ihm ab Ende Januar 2007 (richtigerweise wohl Ende April 2007) überwälzten und von ihm entrichteten Mehrwertsteuern (Sachverhalt, lit. E). Einen dahingehenden Antrag hatte er zwar bereits in seiner Beschwerde vom 17. März 2013 gestellt (Sachverhalt, lit. B), doch konnte dies nicht Gegenstand des damaligen Beschwerdeverfahrens bilden, weil hierzu keine Verfügung vorlag. Massgebend muss damit der 9. Juli 2015 sein. Bei bundesrechtskonformer Auslegung und Anwendung des Mehrwertsteuerrechts von 2009 hätte das BAKOM vor dem Hintergrund dieses Gesuchs erkennen können bzw. müssen, dass die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr bis dahin bundesrechtswidrig besteuert worden war. Das BAKOM hätte daher spätestens zu diesem Zeitpunkt in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 an die ESTV gelangen müssen und seinerseits um Rückerstattung zu ersuchen gehabt. Was den im vorliegenden Fall interessierenden Gebührenpflichtigen betrifft, ist unstreitig, dass dieser unternehmerisch nicht tätig wird und daher auch nicht subjektiv mehrwertsteuerpflichtig sein kann (Art. 10 MWSTG 2009; Sachverhalt, lit. A). Entsprechend hätte das BAKOM der ESTV gegenüber ohne Weiteres den Tatbestand von Art. 27 Abs. 2 lit. b MWSTG 2009 anrufen können. Der Gebührenpflichtige war nie vorsteuerabzugsberechtigt.

3.4.  

3.4.1. Nach dem Gesagten ist das Begehren des Gebührenpflichtigen um Erstattung der Mehrwertsteuer (Fr. 45.35 nebst Verzugszins) dem Grundsatze nach klarerweise gutzuheissen. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass auch ein Rückerstattungsanspruch verjähren kann. Dem Mehrwertsteuerrecht von 2009 lässt sich keine ausdrückliche Verjährungsregel rückerstattungsrechtlicher Natur entnehmen. Es bleibt daher bei den allgemeinen verjährungsrechtlichen Bestimmungen.  

3.4.2. Die mehrwertsteuerliche Inlandsteuer wird je Steuerperiode erhoben, wobei das Kalenderjahr als Steuerperiode gilt (Art. 34 Abs. 1 und 2 MWSTG 2009). Periodische Leistungen verjähren gemeinhin mit Ablauf von fünf Jahren (Art. 128 Ziff. 1 OR). Entsprechend verjährt das Recht der ESTV, die mehrwertsteuerliche Steuerforderung festzusetzen, fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, in der die Steuerforderung entstanden ist (relative Verjährung; Art. 42 Abs. 1 MWSTG 2009). Die Differenz von Umsatz- und Vorsteuer bildet die Steuerforderung (Art. 36 Abs. 2 MWSTG 2009; vorne E. 2.2.1). Wenn somit der Vorsteueranspruch der steuerpflichtigen Person gegenüber der Eidgenossenschaft innerhalb von fünf Jahren verjährt, ist auch die Rückforderung entsprechend begrenzt. Dies kann sinngemäss Art. 43 Abs. 2 MWSTG 2009 entnommen werden, wonach die steuerpflichtige Person die «eingereichten und bezahlten Abrechnungen» bis zum Eintritt der Rechtskraft «korrigieren» kann, also längstens bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung (Art. 43 Abs. 1 lit. c MWSTG 2009).  

3.4.3. Das bedeutet, dass aufgrund des Prinzips «fakturiert – geschuldet» der Rückerstattungsanspruch in der Überwälzungsbeziehung durch die Möglichkeit begrenzt wird, im Abrechnungsverhältnis die Mehrwertsteuer verjährungsrechtlich zurückzuverlangen, dies allerdings unabhängig davon, ob die steuerpflichtige Person die Korrektur tatsächlich vornimmt und zurückfordert oder nicht. Die Möglichkeit dazu muss sie aber zumindest haben. Bezogen auf den vorliegenden Fall heisst dies, dass das BAKOM, wäre es (spätestens) mit dem Gesuch des Gebührenpflichtigen vom 9. Juli 2015 tätig geworden, befugt gewesen wäre, seine Abrechnungen der Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 (nebst dem angebrochenen Jahr 2015) zu korrigieren. In diesem Umfang wäre die Festsetzungsverjährung bis dahin noch nicht eingetreten gewesen, wohl aber bezüglich der von Ende April 2007 bis Ende 2009 bezahlten Mehrwertsteuern des Gebührenpflichtigen.  

3.4.4. Von der Verjährung in der Abrechnungsbeziehung zwischen dem BAKOM und der ESTV, welche die Rückerstattung insoweit begrenzt, als das BAKOM seinerseits die zu viel abgelieferte Mehrwertsteuer nicht zurückfordern könnte, zu unterscheiden ist die Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung rechtsgrundlos erbrachter Zahlungen in der Überwälzungsbeziehung. Für diesen Anspruch, welcher als öffentlichrechtlicher Rechtsgrundsatz der privatrechtlichen Regelung über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) nachgebildet ist (vorne E. 3.1), stellt die Rechtsprechung mangels spezialgesetzlicher Bestimmungen auf die Verjährungsregeln von Art. 67 OR ab (BGE 135 III 289 E. 7.1 S. 294; 132 V 404 E. 3 S. 407; 129 III 503 E. 3.4 S. 505). Danach verjährt der Anspruch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die verletzte Person von ihrem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs. Weil nach dem Gesagten der Rückerstattungsanspruch auch insoweit begrenzt ist, als aufgrund des Prinzips «fakturiert – geschuldet» mehr als fünf Jahre zurückliegende Abgaben geschuldet sind und nicht rechtsgrundlos erbracht wurden, ist die Frist von zehn Jahren hier nicht von Bedeutung. Hingegen ist die einjährige Verjährungsfrist seit Kenntnis des Anspruchs einzuhalten. Diese Kenntnis erlangte der Gebührenpflichtige spätestens mit dem Urteil 2C_882/2014 vom 13. April 2015 (BGE 141 II 182; Sachverhalt, lit. D). Die einjährige Frist ist eingehalten, ersuchte der Gebührenpflichtige das BAKOM doch unmittelbar nach diesem Urteil um Rückerstattung der Mehrwertsteuer.  

3.4.5. Vorliegend ist über die Abgabeperioden vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 bereits rechtskräftig entschieden worden (BGE 141 II 182). Darauf ist nicht zurückzukommen, zumal der Gebührenpflichtige in dieser Zeit die Mehrwertsteuer ohnehin nicht (mehr) entrichtet hatte. Streitig ist der Zeitraum von Ende April 2007 bis Ende Mai 2011, wobei sich zeigt, dass alle Ansprüche, die den Zeitraum vor dem 1. Januar 2010 betreffen, verjährt sind. Zusammenfassend hat der Gebührenpflichtige gegenüber dem BAKOM einen Anspruch  pro rata temporis auf Erstattung der Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis und mit dem 30. Mai 2011. In diesem zeitlichen Umfang ist der vorinstanzlichen Sichtweise im Ergebnis zu folgen und die Beschwerde des UVEK unbegründet. Soweit weitergehend, ist sie gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.  

(Teilweise Gutheissung der Beschwerde)