Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2514/2020 vom 27. September 2021

Der steuerbare Wert von russischen Strassenhunden

  • 29. März 2022
  • Bearbeitet durch: Dominique Seger
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Zoll
  • Zitiervorschlag: Dominique Seger, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2514/2020 vom 27. September 2021, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2514/2020 vom 27. September 2021 i.S. X. gegen Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Dienstbereich Grundlagen, Sektion Recht. Einfuhr von Strassenhunden; Festsetzung des steuerbaren Wertes (Gegenstand).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Anlässlich der Einfuhr von vier kostenlos abgegebenen russischen Strassenhunden hat die EZV den Marktwert der Tiere in Anwendung einer Mittelwerttabelle auf gerundet Fr. 262.– pro Hund (ohne Transportkosten) beziffert (E. 3.3.3). Der vorliegende Sachverhalt kann gemäss Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht mit Fällen gleichgesetzt werden, in welchen Hunde über international operierende Tiervermittlungsorganisationen importiert werden (E. 3.4.3). Vielmehr wurde in Bezug auf die hier in Frage stehenden Hunde aufgezeigt, dass es gar keinen Marktwert gibt (E. 3.4.4). Ein nicht vorhandener Marktwert darf nicht mittels Bewertungsmethoden oder Schätzungen erschaffen werden (E. 3.4.5). Der Beschwerdeführerin gelingt es somit nachzuweisen, dass die von der Vorinstanz vorgenommene Schätzung des Wertes der von ihr in die Schweiz eingeführten Hunde nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht (E. 3.4.6).

A loccasion de limportation de quatre chiens russes remis gratuitement, lAFD a chiffré la valeur de marché en application dune tableau de valeur médiane à 262 fr. arrondis par chien (sans frais de transport) (consid. 3.3.3). Selon le Tribunal administratif fédéral, létat de fait en lespèce nest cependant pas comparable aux cas dans lesquels des chiens sont importés par des organisations de placement danimaux opérant au niveau international (consid. 3.4.3). Sagissant des chiens en question ici, il a bien plus été démontré quil nexiste pas de valeur de marché du tout (consid. 3.4.4). Une valeur de marché inexistante ne peut pas être créée moyennant des méthodes dévaluation ou des estimations (consid. 3.4.5). La recourante réussit ainsi à établir que lestimation effectuée par lautorité précédente de la valeur des chiens importés en Suisse ne correspond pas aux circonstances de faits (consid. 3.4.6).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

A.

A.a Am 17. Februar 2020 reiste X. (nachfolgend: Abgabepflichtige) von Russland herkommend in die Schweiz ein. Dabei meldete sie drei Hündinnen und einen Rüden aus einem russischen Tierheim zur Einfuhr an. Auf Nachfrage der Zollbehörde machte sie geltend, bei den Hunden handle es sich um ehemalige Strassenhunde ohne materiellen Wert. Da die Abgabepflichtige anlässlich der Zollabfertigung keine Wertnachweise betreffend die vier Hunde vorlegen konnte, wurde deren Wert durch die Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Grenzwachposten Zürich-Flughafen, in Anwendung einer Mittelwerttabelle auf gesamthaft Fr. 3’230.– festgesetzt. Entsprechend dieser Bemessungsgrundlage wurden Einfuhrsteuern in Höhe von Fr. 248.70 erhoben, welche die Abgabepflichtige vor Ort bezahlte.

A.b Am 25. Februar 2020 wandte sich die Abgabepflichtige via Kontaktformular an die Oberzolldirektion (nachfolgend: OZD) und bat um Zustellung einer detaillierten Rechnung betreffend die Einfuhrabgaben für die vier Hunde.

A.c Mit E-Mail vom 26. Februar 2020 ersuchte die OZD die Abgabepflichte um nähere Auskünfte in der Sache. Die Abgabepflichtige teilte gleichentags mit, bei den betreffenden Hunden handle es sich um ehemalige Strassenhunde ohne Warenwert. Die Abgabepflichtige habe die Tiere aus einem Heim adoptiert. Drei Hunde seien für sie selbst, eines der Tiere habe sie einer Freundin geschenkt. Aus diesen Gründen werde um eine korrigierte und detaillierte Rechnung gebeten.

A.d Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 teilte die Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Zoll Nordost/Zollkreis II/Grenzwachtregion II (nachfolgend: EZV) der Abgabepflichtigen mit, die Beschwerde betreffend die erhobenen Einfuhrsteuern in Höhe von Fr. 248.70 sei zuständigkeitshalber an sie weitergeleitet worden. Bevor eine Antwort gegeben werden könne, würden Abklärungen vorgenommen.

A.e Mit E-Mail vom 3. März 2020 teilte die Abgabepflichtige der EZV mit, alle vier Hunde seien in der Zwischenzeit registriert worden. Beim schwer kranken Hund handle es sich gemäss tierärztlicher Auskunft vermutungsweise ebenfalls nicht um einen Rassehund. Die Abgabepflichtige bat um Erlass einer anfechtbaren Verfügung.

A.f Mit Schreiben vom 16. März 2020 informierte die EZV die Abgabepflichtige dahingehend, dass sie in Anwendung von Art. 54 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) bei Zweifeln an der Richtigkeit der Zollanmeldung oder dem Fehlen von Wertangaben die Steuerbemessungsgrundlage nach pflichtgemässem Ermessen schätzen könne. Gemäss Art. 54 Abs. 3 MWSTG seien bei der Berechnung des steuerbaren Werts zusätzlich die Kosten für das Befördern und alle damit zusammenhängenden Leistungen bis zum Bestimmungsort im Inland miteinzubeziehen. Zur Überprüfung oder Bestimmung von Kaufpreisen und Transportkosten bei der Einfuhranmeldung von Hunden würden Mittelwerttabellen konsultiert. Auf diesen Grundlagen sei der steuerbare Warenwert der vier Hunde wie folgt festgelegt worden:

3 Hunde, weiblich, kastriert, à Fr. 450.– Fr. 1’350.–
1 Hund, männlich, nicht kastriert, à Fr. 240.–
Transportkosten für vier Hundeboxen à Fr. 360.– Fr. 1’440.–
Ärztliche Leistungen (gemäss eigenen Angaben) Fr. 200.–
Total steuerbarer Wert Fr. 3’230.–
MWST-Forderung (7.7%) Fr. 248.70

Sollte die Beschwerdeführerin diesbezüglich einen rekursfähigen Entscheid wünschen, habe sie dies bis am 6. April 2020 schriftlich mitzuteilen.

A.g Mit E-Mail vom 20. März 2020 wandte sich die Abgabepflichtige an die EZV und legte dar, weshalb sie mit der Berechnung des steuerbaren Werts der betreffenden Hunde nicht einverstanden sei. Der Aufforderung, ihre Beschwerde schriftlich einzureichen, kam die Abgabepflichtige mit Eingabe vom 4. April 2020 nach. Sie beantragte, der steuerbare Wert der einzelnen Hunde sei auf je Fr. 5.– (gesamthaft Fr. 20.–) festzusetzen, die Transportkosten seien mit Fr. 318.85 zu beziffern (EUR 300.–, umgerechnet zum Tageskurs vom 17. Februar 2020), und es seien die Verfahrenskosten von der Eidgenossenschaft zu übernehmen. Die Abgabepflichtige erklärte, das Tierheim, aus welchem sie die vier Hunde geholt habe, gebe die Tiere unentgeltlich an vertrauenswürdige Personen ab. Es finde weder ein Verkauf statt noch seien Vermittlungsgebühren zu bezahlen. Im Weiteren könne sie nicht nachvollziehen, dass die Transportkosten auf Fr. 360.– pro Hund festgesetzt worden seien. Sie habe bereits bei der Einfuhr eine Quittung über die Transportkosten vorgelegt. Diese hätten sich auf gesamthaft EUR 300.– belaufen, was auch aus einer – der Beschwerde beigelegten – Bestätigung der Fluggesellschaft vom 2. April 2020 hervorgehe. Betreffend die ärztlichen Leistungen sei zu berücksichtigen, dass eine Kastration von Heimtieren in Russland meist obligatorisch und stets kostenlos sei – sowohl für das Tierheim als auch für die späteren Halter. Der von ihr adoptierte Rüde sei einzig aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht kastriert worden. Der Beschwerde wurden die Hundeausweise, Tierheiminserate sowie ein Schreiben der Direktorin des betreffenden Tierheims datierend vom 25. März 2020 beigelegt, in welchem diese bestätigt, dass die Hunde, welchen ein Wert von höchstens USD 5.– zugeschrieben werden könne, nicht verkauft, sondern kostenlos in die Obhut der Abgabepflichtigen gegeben worden seien.

A.h Am 15. April 2020 erliess die EZV einen Beschwerdeentscheid. Sie legte dabei den Warenwert neu wie folgt fest:

3 Hunde, weiblich, kastriert à Fr. 375.– Fr. 1’125.– (inkl. Transport)
1 Hund, männlich, nicht kastriert à Fr. 240.– (inkl. Transport)
Total steuerbarer Wert Fr. 1’365.–  
MWST-Forderung (7.7%) Fr. 105.10  

Die EZV anerkannte den erbrachten Nachweis, wonach die Transportkosten im konkreten Fall gesamthaft nur EUR 300.– betragen hatten. Der geschätzte Wert der Hunde ergebe sich daraus, dass Tierheime üblicherweise sogenannte Schutzgebühren verlangen würden. Mit diesen würden zum einen (zumindest teilweise) im Heim für das Tier angefallene Kosten – wie beispielsweise Futter-, Unterbringungs- und Tierarztkosten – abgegolten. Zum anderen würden diese Gebühren dazu dienen, dem Missbrauch der Tiere nach der Vermittlung vorzubeugen.

B.

B.a Mit Eingabe vom 11. Mai 2020 erhob die Abgabepflichtige (nachfolgend: Beschwerdeführerin) vor dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen den Beschwerdeentscheid der EZV vom 15. April 2020. Sie beantragt – unter Kostenfolge zulasten der Eidgenossenschaft – die Aufhebung der angefochtenen Verfügung in Bezug auf den geschätzten Marktwert der betreffenden vier Hunde. Dieser sei auf Fr. 5.– pro Hund (gesamthaft Fr. 20.–) festzulegen. Nicht bestritten wurde die Berücksichtigung der effektiven Transportkosten in Höhe von Fr. 318.85 bei der Festlegung der Bemessungsgrundlage (vgl. Sachverhalt Bst. A.g).

B.b Mit Vernehmlassung vom 17. Juni 2020 schliesst die EZV, vertreten durch die OZD (nachfolgend: Vorinstanz), auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

B.c Mit Stellungnahme vom 14. Juli 2020 hält die Beschwerdeführerin vollumfänglich an ihrer Beschwerde fest und äussert sich zu einzelnen Ausführungen der Vorinstanz.

(...)

3.

Aus den Erwägungen ^

(...)

1.8 Der zu beurteilende Sachverhalt hat sich im Februar 2020 verwirklicht. Somit sind vorliegend das Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG; SR 631.0), die Zollverordnung vom 1. November 2006 (ZV; SR 631.01) sowie das Mehrwertsteuergesetz (vgl. Sachverhalt Bst. A.f) heranzuziehen.

(...)

2.2

2.2.1 Die Steuer auf der Einfuhr wird im Normalfall auf dem von den Parteien vereinbarten und vom Importeur zu entrichtenden Entgelt erhoben, wenn der Gegenstand im Rahmen eines Veräusserungs- oder Kommissionsgeschäfts eingeführt wird (Art. 54 Abs. 1 Bst. a MWSTG). Im Übrigen wird sie – sofern nicht die Sondertatbestände der Bst. b bis f zur Anwendung kommen – nach Art. 54 Abs. 1 Bst. g MWSTG auf dem Marktwert berechnet. Dies ist insbesondere bei Geschenksendungen der Fall (vgl. Urteil des BGer 2C_1079/2016 vom 7. März 2017 E. 2.2.3; BVGE 2014/7 E. 3.5.1).

2.2.2 Als Marktwert gilt, was der Importeur auf der Stufe, auf der die Einfuhr bewirkt wird, an einen selbstständigen Lieferanten im Herkunftsland der Gegenstände zum Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrsteuerschuld nach Art. 56 MWSTG unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zahlen müsste, um den gleichen Gegenstand zu erhalten (Art. 54 Abs. 1 Bst. g MWSTG). Es handelt sich somit um den Verkehrswert bzw. Veräusserungswert des eingeführten Gegenstandes, also den Erlös, der am Stichtag bei einem Verkauf an einen unabhängigen Dritten hätte erzielt werden können. Der Verkehrswert im steuerrechtlichen Sinn bildet nicht eine mathematisch exakt bestimmbare Grösse, sondern stellt in der Regel einen Schätz- oder Vergleichswert dar (vgl. Urteil des BGer 2C_1079/2016 vom 7. März 2017 E. 2.2, in: Zollrevue 2/17, S. 34 ff.; Urteile des BVGer A-983/2018 vom 18. April 2019 E. 2.5.2, A-5936/2016 vom 16. August 2017 E. 2.4.2, BVGE 2014/7 E. 3.5.2). Die Ermittlung des Marktwerts erfolgt nach verschiedenen Bewertungsmethoden (Wert gleicher Gegenstände, Wert gleichartiger Gegenstände, nach der deduktiven Methode [Wiederverkaufswert] oder errechneter Wert; vgl. Schluckebier, MWST-Kommentar, Rz. 29 zu Art. 54).

2.2.3 Soweit nicht bereits darin enthalten, sind in die Bemessungsgrundlage zum einen die ausserhalb des Inlands sowie aufgrund der Einfuhr geschuldeten Steuern, Zölle und sonstigen Abgaben – mit Ausnahme der zu erhebenden Mehrwertsteuer – miteinzubeziehen (Art. 54 Abs. 3 Bst. a MWSTG). Zum anderen sind die Kosten für das Befördern oder Versenden und alle damit zusammenhängenden Leistungen bis zum Bestimmungsort im Inland, an den die Gegenstände zum Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrsteuerschuld nach Art. 56 MWSTG zu befördern sind, einzubeziehen (Art. 54 Abs. 3 Bst. b MWSTG).

(...)

2.3.3

2.3.3.1 Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Zollanmeldung oder fehlen Wertangaben, so kann die EZV die Steuerbemessungsgrundlage nach pflichtgemässem Ermessen schätzen (Art. 54 Abs. 4 MWSTG). Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogene Preis- oder Wertangaben in ausländischer Währung sind nach dem am letzten Börsentag vor der Entstehung der Einfuhrsteuerschuld nach Art. 56 MWSTG notierten Devisenkurs (Verkauf) in Schweizerfranken umzurechnen (Art. 54 Abs. 5 MWSTG).

Bei der gerichtlichen Überprüfung einer solchen Ermessenseinschätzung gelten die nachfolgend genannten, im Mehrwertsteuerrecht für Inlandleistungen entwickelten Grundsätze (vgl. Urteil des BVGer A-5078/2012 vom 15. Januar 2014 E. 10.4). So gilt insbesondere auch, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung einer zulässigerweise erfolgten Schätzung der Einfuhrsteuer eine gewisse Zurückhaltung auferlegt (vgl. Urteile des BVGer A-1190/2018 vom 18. April 2019 E. 2.5.3, A-5936/2016 vom 16. August 2017 E. 2.4.3).

2.3.3.2 Das Bundesverwaltungsgericht überprüft zwar das Vorliegen der Voraussetzungen der Schätzung der Einfuhrsteuer – also gemäss Art. 54 Abs. 4 MWSTG das Bestehen von Zweifeln an der Richtigkeit der Zollanmeldung oder das Fehlen von Wertangaben – als Rechtsfrage uneingeschränkt. Als ausserhalb der Verwaltungsorganisation und Behördenhierarchie stehendes, von der richterlichen Unabhängigkeit bestimmtes Verwaltungsgericht auferlegt es sich aber trotz des möglichen Rügegrundes der Unangemessenheit (vgl. Art. 49 Bst. c VwVG; E. 1.7.1) bei der Überprüfung von zulässigerweise erfolgten Schätzungen eine gewisse Zurückhaltung und reduziert dergestalt seine Prüfungsdichte (vgl. statt vieler: Urteil des BVGer A-2589/2020 vom 3. Mai 2021 E. 2.5.4).

2.3.3.3 Das Ziel der Ermessensveranlagung ist es, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst gerecht zu werden. In jedem Fall muss die Schätzung pflichtgemäss sein. Dies bedingt die Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und den Einbezug von ausreichend abgestützten Schätzungshilfen und vernünftigen und zweckmässigen Schätzmethoden (vgl. Urteile des BVGer A-1190/2018 vom 18. April 2019 E. 2.5.3, A-5175/2015 vom 1. März 2016 E. 2.6.2).

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt erst dann eine Korrektur einer zulässigerweise erfolgten Schätzung vor, wenn diese erhebliche Fehler aufweist bzw. offensichtlich unrichtig ist. Kommen bei einer Schätzung mehrere Ergebnisse in Frage, die gleich realistisch sind, muss der ESTV (bzw. hier der EZV) innerhalb der betreffenden Bandbreite ein Ermessenspielraum verbleiben. Die deutsche Rechtsprechung und Lehre bezeichnet diese Bandbreite zutreffend als Schätzungsrahmen. Liegt das Schätzungsresultat nicht mehr in diesem Rahmen ist eine Ermessensüberschreitung, das heisst eine Rechtsverletzung gegeben, und damit liegt auch ein offensichtlicher Ermessensfehler bzw. eine offensichtlich unrichtige Schätzung im Sinne der erwähnten Rechtsprechung vor, die vom Bundesverwaltungsgericht zu korrigieren ist (vgl. Jürg Steiger, in: Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, Art. 79 N. 36; vgl. zum Ganzen: Urteil des BVGer A-1190/2018 vom 18. April 2019 E. 2.5.3).

2.3.3.4 Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ermessenseinschätzung ist nach der allgemeinen Beweislastregel die ESTV beweisbelastet (E. 1.6.2). Sind die Voraussetzungen der ermessensweisen Ermittlung erfüllt («erste Stufe») und erscheint die vorinstanzliche Schätzung nicht bereits im Rahmen der durch das Bundesverwaltungsgericht mit der gebotenen Zurückhaltung vorzunehmenden Prüfung als pflichtwidrig («zweite Stufe»), obliegt es – in Umkehr der allgemeinen Beweislast – in der Folge dem Abgabepflichtigen, den Nachweis für die Unrichtigkeit der Schätzung zu erbringen («dritte Stufe»).

Weil das Ergebnis der Ermessensveranlagung selbst auf einer Schätzung beruht, kann sich die steuerpflichtige Person gegen eine zulässigerweise durchgeführte Ermessenseinschätzung nicht mit allgemeiner Kritik zur Wehr setzen. Vielmehr hat sie darzulegen, dass die von der Zollbehörde vorgenommene Schätzung offensichtlich fehlerhaft ist und anhand von Belegen nachzuweisen, dass die von der ESTV bzw. der EZV vorgenommene Schätzung offensichtlich unrichtig ist (statt vieler: Urteile des BGer 2C_1077/2012, 2C_1078/2012 vom 24. Mai 2014 E. 2.5 und 2C_970/2012 vom 1. April 2013 E. 4.3; vgl. statt vieler: Urteil des BVGer A-7088/2016 vom 11. Dezember 2017 E. 2.6.3). Gelingt es der steuerpflichtigen Person nicht, zu beweisen, dass das Ergebnis der Ermessenseinschätzung klarerweise nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt, hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen und es bleibt bei der bisherigen Schätzung (statt vieler: Urteile des BVGer A-2589/2020 vom 3. Mai 2021 E. 2.5.5, A-1190/2018 vom 18. April 2019 E. 2.5.3).

3.

3.1 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die fraglichen Einfuhren grundsätzlich der Einfuhrsteuer unterliegen und die Beschwerdeführerin zu den steuerpflichtigen Personen gehört. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin Transportkosten in Höhe von insgesamt Fr. 318.85 zu bezahlen hatte und dass diese zur Bemessungsgrundlage für die Einfuhrsteuer gehören (vgl. Sachverhalt Bst. A.g und Bst. B.a sowie E. 2.2.3). Im Streit liegt jedoch die effektive Höhe der Bemessungsgrundlage der im konkreten Fall geschuldeten Einfuhrsteuer.

3.2 Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Vorinstanz befugt war, eine Schätzung vorzunehmen («erste Stufe»; E. 2.3.3.4).

3.2.1 Anlässlich der Einfuhr der in Frage stehenden Hunde machte die Beschwerdeführerin geltend, es handle sich um russische Strassenhunde ohne materiellen Wert. Sie habe die Hunde direkt aus einem russischen Tierheim geholt und habe dafür kein Entgelt zahlen müssen. Ein entsprechender Nachweis fehlte zum Zeitpunkt der Einfuhr (vgl. Sachverhalt Bst. A.a).

3.2.2 Fehlen anlässlich der Wareneinfuhr Wertangaben, so kann die EZV die Steuerbemessungsgrundlage nach pflichtgemässem Ermessen schätzen (vgl. vorangehend E. 2.3.3.1). Die zuständige Zollbehörde war daher im vorliegenden Fall berechtigt, eine Schätzung vorzunehmen.

3.3 Angesichts des Gesagten ist zu prüfen, ob die Schätzung in konkreten Fall pflichtgemäss erfolgt ist («zweite Stufe»; E. 2.3.3.4).

3.3.1 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Einfuhr der betreffenden Hunde kein Veräusserungs- oder Kommissionsgeschäft zu Grunde lag. In einem solchen Fall ist die Steuer nach dem Marktwert zu berechnen (E. 2.2.1).

3.3.2 Gemäss dem klarem Gesetzeswortlaut gilt als Marktwert, was die Importeurin

  • auf der Stufe, auf der die Einfuhr bewirkt wird,
  • an einen selbstständigen Lieferanten/eine selbstständige Lieferantin
  • im Herkunftsland der Gegenstände
  • zum Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrsteuerschuld
  • unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs

zahlen müsste, um die gleichen Gegenstände zu erhalten (vgl. E. 2.2.2).

3.3.3 Anlässlich der Einfuhr der Hunde legte die Beschwerdeführerin gegenüber der Zollbehörde dar, es handle sich um russische Strassenhunde ohne Marktwert, welche sie direkt aus einem Tierheim in Russland geholt habe. Die Vorinstanz hat den Marktwert demgegenüber in Anwendung einer Mittelwerttabelle auf gerundet Fr. 262.– pro Hund (ohne Transportkosten) beziffert.

3.3.4 Die Vorinstanz macht geltend, ein Marktwert umfasse üblicherweise neben den Selbstkosten auch eine branchenübliche Gewinnmarge. Denn ohne eine solche könne ein «selbstständiger Lieferant» (vgl. E. 3.3.2 und E. 2.2.2) wirtschaftlich nicht überleben. In einem Fall wie dem vorliegenden, sei demnach für die Feststellung des Marktwertes der Hunde der Verkaufspreis heranzuziehen, der von einem selbstständigen Hundevermittler festgesetzt würde. Dieser müsste ohne Spenden Dritter oder staatliche Hilfe wirtschaften. Selbst wenn einem solchen Vermittler die Hunde zulaufen würden und er sie somit kostenlos erhalten würde, fielen danach täglich zumindest Kosten für Futter, Unterkunft, tierärztliche Leistungen sowie Vermittlungsaufwand an.

3.3.5 Die Vorinstanz anerkennt, dass die Bestimmung des Marktwertes von Strassenhunden sich als schwierig erweise, weil solche Hunde im Grunde nicht auf dem freien Markt «gehandelt» würden. In diesem Sinne gebe es keine vergleichbaren «Verkaufspreise». Deshalb ziehe sie zur Bestimmung des Wertes eines Hundes eine Mittelwerttabelle heran, welche sich an den «Schutzgebühren» orientiere, welche Tierheime anlässlich der Vermittlung eines Hundes üblicherweise verlangen würden (vgl. Sachverhalt Bst. A.h). Diese Gebühren würden bei Heimtieren an die Stelle eines Kaufpreises treten. Die Gebühren würden für ein gesundes Tier erhoben, um die aufgelaufenen Pflegekosten (Futter-, Unterbringungs- und Tierarztkosten etc.) zumindest teilweise zu decken und dem Missbrauch von Tieren nach der Vermittlung vorzubeugen. In dieser Schutzgebühr sei der Transport der Hunde in einem Sammeltransport enthalten.

3.3.6 Im Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sich die Festlegung des Marktwertes von Heimtieren, bei deren Einfuhr keine Wertnachweise vorliegen, nicht nur als anspruchsvoll, sondern auch als zeitintensiv erweise. Daraus ergebe sich ein gewisser Zielkonflikt in Bezug darauf, dass die Einfuhrveranlagung anlässlich der Einreise möglichst speditiv zu erfolgen habe. Aus diesem Grund werde von den Zollbehörden seit 2013 eine Liste mit Referenzwerten (Mittelwerttabelle) zur Wertbestimmung der importierten Tiere genutzt. Diese Referenzwerte seien unter Berücksichtigung der Kostenpunkte festgelegt worden, welche der Verein «Tiere in Not» auf seiner Website animal-happyend.ch publiziert habe. Im Übrigen würde durch das Abstellen auf Referenzwerte bei der Festlegung des steuerbaren Wertes von Heimtieren die Gleichbehandlung der Zollschuldnerinnen und -schuldner gewährleistet.

3.3.7 Im vorliegenden Fall lag zum Zeitpunkt der Einfuhr kein Nachweis vor, dass für die betreffenden Hunde keine – bei Tieradoptionen aus Tierheimen regelmässig geschuldete – Schutzgebühr bezahlt worden war. Damit ist nicht zu beanstanden, dass die Zollbehörde die Veranlagung unter Zuhilfenahme der Referenzwerte aus der praxisgemäss verwendeten Mittelwerttabelle vorgenommen hat. Letztere gehört zu den Verwaltungsverordnungen, welche der Sicherstellung einer einheitlichen, gleichmässigen und sachrichtigen Praxis des Gesetzesvollzugs dienen (E. 1.7.3). Für das Gericht sind Verwaltungsverordnungen zwar nicht verbindlich, es darf jedoch nicht ohne Not von ihnen abweichen (vgl. E. 1.7.3). Unter Berücksichtigung der Höhe der Schutzgebühren, welche von verschiedenen Vermittlungsorganisationen verlangt werden und die bis zu Fr. 780.– (animal-happyend.ch, letztmals abgerufen am 31. August 2021) betragen können, ist kein Grund ersichtlich, die in der von der Vorinstanz verwendeten Mittelwerttabelle festgehaltenen Werte in Frage zu stellen bzw. zu korrigieren.

3.4 Bei diesem Ergebnis ist in einem letzten Schritt zu prüfen, ob es der Beschwerdeführerin gelingt, den Nachweis für die Unrichtigkeit der Schätzung im konkreten Einzelfall zu erbringen («dritte Stufe»; E. 2.3.3.4).

3.4.1 Die Beschwerdeführerin erachtet das Abstellen auf Referenzwerte in ihrem Fall als unzulässig. In Fällen wie dem ihren, sei gemäss Gesetzeswortlaut auf den Marktwert abzustellen (vgl. E. 2.2.2). Sei dieser Wert sehr tief oder gar inexistent, sei dies zu respektieren. Die Vorinstanz verkenne, dass in Russland unzählige Strassenhunde leben würden. Diese würden von der Bevölkerung in aller Regel als Plage empfunden und hätten für niemanden einen «Wert». Man sei froh, wenn die Tiere von der Strasse in ein Heim kämen, und die Heime seien froh, wenn die Tiere von Familien aufgenommen würden. Dies geschehe absolut unentgeltlich. Vor diesem Hintergrund gebe es in Russland auch keine «selbstständigen Lieferanten» (vgl. E. 2.2.2, E. 3.3.2 und E. 3.3.4). Die Beschwerdeführerin macht entsprechend geltend, dass es in ihrem konkreten Fall nicht angehe, die Bemessungsgrundlage nach Referenzwerten festzulegen, zumal die wirtschaftlichen Umstände durch das Schreiben der Direktorin des betreffenden Tierheims vom 25. März 2020 ausreichend ausgewiesen worden seien (vgl. nachfolgend E. 3.4.2).

3.4.2 Bereits vor Erlass des hier angefochtenen Beschwerdeentscheids reichte die Beschwerdeführerin der Vorinstanz ein Schreiben der Direktorin des Tierheims ein, aus welchem sie die Hunde geholt hatte. In diesem Schreiben datierend vom 25. März 2020 wird bestätigt, dass die hier betroffenen Hunde – wenn überhaupt – einen Wert von nicht mehr als USD 5.– aufweisen würden. Die Hunde würden jedoch nicht verkauft, sondern an vertrauenswürdige Personen umsonst abgegeben. Der bereits ältere Rüde leide an schwerer Arthritis, doch auch für die drei jüngeren Hunde sei es bis zur Adoption durch die Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, einen Platz zu finden.

3.4.3 Wie sich aus dem Dargelegten ergibt, kann der vorliegende Sachverhalt nicht mit Fällen gleichgesetzt werden, in welchen Hunde über international operierende Tiervermittlungsorganisationen importiert werden. Zum einen können die dort vermittelten Hunde nicht ohne Weiteres mit den von der Beschwerdeführerin im hier zu beurteilenden Fall in die Schweiz eingeführten Hunden verglichen werden. Zum anderen beinhaltet eine Vermittlung durch die besagten Organisationen weitergehende Dienstleistungen (z.B. Beratung und Kontrollbesuche bei den adoptierenden Personen etc.), welche auch über die dort erhobenen Schutzgebühren abgegolten werden.

Im Weiteren geht aus dem Schreiben der Direktorin des Tierheims vom 25. März 2020 hervor, dass es für die Hunde, welche die Beschwerdeführerin in die Schweiz eingeführt hat, keinen «Markt» gibt und ihnen entsprechend auch kein «Marktwert» zugeschrieben werden kann. Wenn, dann sei von einem symbolischen Wert von nicht mehr als USD 5.– auszugehen. Entsprechend wurde in dem genannten Schreiben bestätigt, dass die Beschwerdeführerin für die vier Hunde keinerlei Entgelt und auch keine sogenannte Schutzgebühr bezahlen musste.

3.4.4 Tatsächlich bedingt ein «Marktwert» einen «Markt». Dass es einen solchen in Bezug auf die hier in Frage stehenden Hunde nicht gibt, wurde überzeugend aufgezeigt. Bestätigt wird dies auch durch den Umstand, dass in Russland gemäss Angaben der European Society of Dog and Animal Welfare (ESDAW) geschätzte 4 Millionen Strassenhunde leben (http://www.esdaw.eu/stray-animals-by-country.html; letztmals abgerufen am 27. September 2021). Hätten diese Hunde einen Marktwert, würden sie nicht auf der Strasse leben. Die Realität sieht vielmehr so aus, dass die Hunde ausgesetzt und sich selbst überlassen werden. Sie vermehren sich unkontrolliert und werden letzten Endes verfolgt und getötet, da sie in gewissen Regionen zur Plage werden. Die wenigen, welche Unterschlupf in einem Heim finden, können – wie die Direktorin des hier betreffenden Tierheims sinngemäss ausführt – froh sein, überhaupt einen Lebensplatz zu finden. Deshalb werden sie kostenlos an vertrauenswürdige Personen abgegeben.

3.4.5 Das Gericht sieht es als erstellt an, dass es der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrsteuerschuld am 17. Februar 2020 (vgl. Sachverhalt Bst. A.a) ohne Weiteres möglich gewesen wäre, in Russland unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs anstelle der von ihr importierten, mit diesen vergleichbare Hunde kostenlos zu erhalten. Wie überzeugend dargelegt werden konnte, gibt es in Russland – mangels entsprechenden Markts – keine selbstständigen Lieferanten, welchen sie für derartige Hunde etwas hätte bezahlen müssen. Mangels eines entsprechenden Marktes haben die von der Beschwerdeführerin importierten Hunde keinen Marktwert im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Bst. g MWSTG (vgl. E. 2.2.2 und E. 3.3.2). Aus diesem Grund lassen sich auch nicht die genannten Bewertungsmethoden heranziehen, zumal diese einen – wenn auch zunächst unbekannten und in der Folge zu eruierenden – Marktwert einer Sache bzw. eines Tieres voraussetzen (E. 2.2.2). Ein nicht vorhandener Marktwert darf nicht mittels Bewertungsmethoden oder Schätzungen erschaffen werden. Darauf liefe es indessen hinaus, wenn in jedem Fall – ungeachtet der konkreten Situation – auf die Beträge abgestellt würde, welche westeuropäische Personen bereit sind, an inländische gemeinnützige Organisationen zu bezahlen, welche Hunde aus Russland oder anderen Ländern, vermitteln (vgl. vorangehend E. 3.3.7 und E. 3.4.3). Dabei handelt es sich nicht um ein Kriterium gemäss dem massgebenden Art. 54 Abs. 1 Bst. g MWSTG.

3.4.6 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall gelingt, u.a. mittels einer Urkunde nachzuweisen, dass die von der Vorinstanz vorgenommene Schätzung des Wertes der von ihr in die Schweiz eingeführten Hunde nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Der von ihr anerkannte «Wert» von USD 5.– pro Hund erweist sich vor dem Hintergrund, dass den Hunden, welche die Beschwerdeführerin selbstständig aus einem russischen Tierheim geholt hat, im Grunde überhaupt kein «Marktwert» zugeschrieben werden kann, als realistisch. Auch wenn nach dem Gesagten von einem Wert von Fr. 0.– ausgegangen werden könnte, trägt der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte symbolische Wert dem Umstand Rechnung, dass keinem Lebewesen jeglicher Wert abgesprochen werden sollte. Dieser Wert ist – wie beantragt – als Bemessungsgrundlage für die Einfuhrsteuer im vorliegenden Fall heranzuziehen.

3.5

3.5.1 Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde gutzuheissen. Der angefochtene Beschwerdeentscheid vom 15. April 2020 ist aufzuheben und die Mehrwertsteuerforderung – unter Berücksichtigung der Wechselkurse am 17. Februar 2020 – wie Folgt neu festzusetzen:

4 Hunde à Fr. 5.– Fr. 20.–
Total Transportkosten Fr. 318.85
Total steuerbarer Wert Fr. 338.85
MWST-Forderung (7.7%) Fr. 26.10

(...)