Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3576/2020 vom 1. März 2021

Amtshilfe gestützt auf das MAC

  • Bearbeitet durch: Susanne Raas
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Internationale Amtshilfe
  • Zitiervorschlag: Susanne Raas, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3576/2020 vom 1. März 2021, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2021 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (A-3576/2020).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Die Amtshilfe auf Ersuchen nach dem MAC folgt im Wesentlichen der Amtshilfe nach Art. 26 des Musterabkommens der OECD (vgl. E. 1.1 und 2.2.2). Dies gilt insbesondere für das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit der Informationen (E. 2.2.3), das Subsidiaritätsprinzip (E. 2.2.4), die formellen Anforderungen (E. 2.2.6), die Herausgabe von Informationen, die ein Handels- oder ähnliches Geheimnis preisgeben würden oder deren Preisgabe der öffentlichen Ordnung widersprechen würde (E. 2.2.7) und das Spezialitätsprinzip (E. 3.2.6). Trotz fehlender Erwähnung im MAC gilt auch das Verbot von «fishing expeditions» (E. 2.2.4). Das völkerrechtliche Vertrauensprinzip gilt ohnehin im Bereich der internationalen Behördenzusammenarbeit (E. 2.2.5).

Die Schweiz hat jedoch Vorbehalte zum MAC angebracht. Unter anderem leistet sie gestützt auf dieses Abkommen keine Amtshilfe für allgemeine Verbrauchssteuern (E. 2.2.1).

Lassistance administrative sur demande en vertu de la MAC suit essentiellement lassistance administrative prévue par lart. 26 du modèle de convention de lOCDE (cf. consid. 1.1 et 2.2.2). Cela sapplique notamment à lexigence de la pertinence vraisemblable des informations (consid. 2.2.3), au principe de subsidiarité (consid. 2.2.4), aux exigences formelles (consid. 2.2.6), à la divulgation dinformations qui révéleraient un secret commercial ou similaire ou dont la divulgation serait contraire à lordre public (consid. 2.2.7) et au principe de spécialité (consid. 3.2.6). Malgré son absence de mention dans la MAC, linterdiction de la « pêche aux renseignements » sapplique également (consid. 2.2.4). Le principe de la confiance de droit international sapplique en tout cas dans le domaine de la coopération internationale entre autorités (consid. 2.2.5).

La Suisse a toutefois émis des réserves à la MAC. Entre autres, elle ne fournit pas dassistance administrative pour les impôts généraux à la consommation (consid. 2.2.1).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 stellte die Direction Générale des Impôts (nachfolgend: DGI), die Steuerbehörde Tunesiens, gestützt auf Art. 5 des Übereinkommens vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (SR 0.652.1; nachfolgend: MAC; für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Januar 2017) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV oder Vorinstanz). Als in Tunesien betroffene Person wurde die Y. Sarl (nachfolgend: tunesische Gesellschaft) genannt; als in der Schweiz betroffene Person die X. AG (nachfolgend: schweizerische Gesellschaft).

Die DGI führte aus, die zuständige Behörde prüfe die Steuersituation der tunesischen Gesellschaft in Tunesien für die Jahre 2015–2018 in Bezug auf die Unternehmens-, die Mehrwert- und andere Umsatzsteuern («impôts sur les sociétés», «Taxe sur la Valeur Ajoutée» und «autres taxes sur le chiffre d’affaires»). Die tunesische Gesellschaft unterhalte Beziehungen zur schweizerischen Gesellschaft. Gemäss einer Rechnung, die dem Amtshilfeersuchen beiliege, habe die tunesische der schweizerischen Gesellschaft Bekleidungsartikel in Rechnung gestellt, die der A. GmbH mit Sitz in Deutschland (nachfolgend: deutsche Gesellschaft) geliefert worden seien. Um insbesondere allfällige Unregelmässigkeiten oder Gewinnverschiebungen feststellen zu können, verlangt die DGI diverse Informationen.

Nach Einholung der Informationen und Information der tunesischen und schweizerischen Gesellschaft über den Umfang der vorgesehenen Informationsübermittlung, erliess die ESTV am 11. Juni 2020 eine Schlussverfügung. Gemäss dieser übermittelt sie der DGI die meisten der erwünschten Informationen. Einzig Unterlagen der schweizerischen Gesellschaft, die nicht im Zusammenhang mit der tunesischen oder der deutschen Gesellschaft stehen bzw. Unterlagen, die das Verhältnis zwischen der schweizerischen und der deutschen Gesellschaft betreffen, aber nicht im Zusammenhang mit der tunesischen Gesellschaft stehen, sonderte sie aus. Zudem wies sie die DGI ausdrücklich darauf hin, dass die Schweiz einen Vorbehalt angebracht habe, wonach sie in Bezug auf Mehrwertsteuern keine Amtshilfe leiste, weshalb die übermittelten Unterlagen nicht für Zwecke der Mehrwertsteuer verwendet werden dürften.

Gegen diese Schlussverfügung erhob die schweizerische Gesellschaft (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 13. Juli 2020 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Sie wehrt sich nicht grundsätzlich gegen die Leistung von Amtshilfe, ist aber der Auffassung, verschiedene Unterlagen dürften nicht übermittelt werden.

In ihrer Vernehmlassung vom 24. August 2020 beantragt die Vorinstanz die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3.

Aus den Erwägungen ^

1.

1.1 Das vorliegende Amtshilfeersuchen vom 30. Dezember 2019 stützt sich auf das MAC. Dieses hält in seinem Art. 21 Abs. 1 ausdrücklich fest, dass die Rechte und Sicherheiten, die Personen durch das Recht oder die Verwaltungspraxis des ersuchten Staates gewährt werden, nicht berührt werden. Die Schweiz ist also explizit befugt, ihr innerstaatliches Verfahren durchzuführen, um zu entscheiden, ob dem ersuchenden Staat Amtshilfe zu leisten ist.

Das entsprechende Verfahren richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG, SR 651.1; Art. 1 Abs. 1 Bst. b StAhiG, Art. 24 StAhiG e contrario), soweit das MAC keine abweichenden Bestimmungen enthält (Art. 1 Abs. 2 StAhiG). Gemäss Art. 19 Abs. 5 StAhiG gelten die Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, soweit das StAhiG keine abweichenden Bestimmungen aufstellt.

1.2 – 1.3 […]

2.

Da vorliegend nur die voraussichtliche Erheblichkeit gewisser Informationen in Frage gestellt, eine mögliche Verletzung eines Handels- oder Gewerbegeheimnisses vorgebracht sowie implizit eine mögliche Verletzung des Subsidiaritätsprinzips gerügt wird, ist insbesondere darauf einzugehen, zumal abgesehen von der Frage des Spezialitätsprinzips (dazu E. 3.2.6) weitere Probleme in Bezug auf die Leistung von Amtshilfe weder geltend gemacht werden, noch sich aus den Akten ergeben.

2.1 Die internationale Amtshilfe in Steuersachen zwischen der Schweiz und Tunesien richtet sich nach dem MAC. Unter anderem ist in diesem Staatsvertrag die Leistung von Amtshilfe auf Ersuchen vorgesehen (Art. 5 MAC).

2.2

2.2.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 MAC erteilt der ersuchte Staat auf Ersuchen des anderen Staates letzterem alle Informationen, die für die Anwendung beziehungsweise Durchsetzung seines innerstaatlichen Rechts betreffend die unter das MAC fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind. In Bezug auf die unter das MAC fallenden Steuern (Art. 2 MAC) hat die Schweiz jedoch einen Vorbehalt im Sinne von Art. 30 Abs. 1 Bst. a MAC angebracht und leistet keine Amtshilfe hinsichtlich Steuern, die unter eine der in Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. ii bis iv MAC aufgeführten Kategorien fallen (der Vorbehalt ist am Ende der SR 0.652.1 unter «Vorbehalte und Erklärungen» als Ziff. 1 publiziert). Unter anderem leistet die Schweiz demnach keine Amtshilfe für allgemeine Verbrauchssteuern wie Mehrwert- und Umsatzsteuern (Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. iii Bst. C MAC).

2.2.2 Die Rechtsprechung betreffend die Leistung von Amtshilfe auf Ersuchen gestützt auf Doppelbesteuerungsabkommen, kann für das MAC zumindest insoweit übernommen werden, als die entsprechenden Bestimmungen unter rechtswesentlichen Aspekten inhaltlich vergleichbar sind.

2.2.3 Als zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts voraussichtlich erheblich gelten demnach Informationen, die für den ersuchenden Staat notwendig sind, um eine in diesem Staat steuerpflichtige Person dort korrekt zu besteuern (vgl. BGE 141 II 436 E. 4.4.3). Die Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit ist erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des Amtshilfeersuchens eine vernünftige Möglichkeit besteht, dass sich die verlangten Informationen als erheblich erweisen werden. Keine Rolle spielt, ob sich diese Informationen letzten Endes als nicht erheblich herausstellen. Ob eine Information tatsächlich erheblich ist, kann in der Regel nur der ersuchende Staat abschliessend feststellen. Die Rolle des ersuchten Staates bei der Beurteilung der voraussichtlichen Erheblichkeit beschränkt sich somit darauf, zu überprüfen, ob die vom ersuchenden Staat verlangten Informationen und Dokumente einen Zusammenhang mit dem im Ersuchen dargestellten Sachverhalt haben und ob sie möglicherweise dazu geeignet sind, im ausländischen Verfahren verwendet zu werden (BGE 145 II 112 E. 2.2.1). Vor diesem Hintergrund darf der ersuchte Staat Auskünfte – mit der Begründung, dass die verlangten Informationen nicht «voraussichtlich erheblich» im Sinne von Art. 4 Abs. 1 MAC seien – nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der im ersuchenden Staat durchgeführten Untersuchung wenig wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich erscheint (vgl. statt vieler: Urteile des BVGer A-2664/2020 vom 26. Januar 2021 E. 6.2, A-5695/2018 vom 22. April 2020 E. 3.3.1 f., A-4218/2017 vom 28. Mai 2018 E. 2.3.1). In letzterem Sinne ist auch Art. 17 Abs. 2 StAhiG zu verstehen, wonach Informationen, welche voraussichtlich nicht erheblich sind, nicht übermittelt werden dürfen und von der ESTV auszusondern oder unkenntlich zu machen sind (vgl. statt vieler: Urteile des BVGer A-5383/2019 vom 24. November 2020 E. 2.2.3, A-4163/2019 vom 22. April 2020 E. 3.1.3 f.). Auch wenn damit die «Hürde der voraussichtlichen Erheblichkeit» gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht sehr hoch ist (BGE 145 II 112 E. 2.2.1; zum Ganzen: BGE 143 II 185 E. 3.3.2, 142 II 161 E. 2.1.1; Urteil des BVGer A-4167/2020 und A-4169/2020 vom 18. Januar 2021 E. 6.3), so ist sie dennoch vorhanden und zu beachten (zum Ganzen: Urteile des BVGer A-4588/2018 vom 22. Juli 2019 E. 3.4.3, A-2830/2018 vom 17. September 2018 E. 3.1).

2.2.4 Zwar hält das MAC anders als die Amtshilfeartikel (bzw. die dazugehörigen Protokollbestimmungen) in vielen Doppelbesteuerungsabkommen sowie Art. 7 Bst. a StAhiG nicht ausdrücklich fest, dass Beweisausforschungen («fishing expeditions») untersagt sind. Aus der Bestimmung, dass der ersuchende Staat die ihm selbst zur Verfügung stehenden Mittel grundsätzlich ausgeschöpft haben muss, bevor er ein Amtshilfeersuchen stellt («Subsidiaritätsprinzip»; Art. 21 Abs. 2 Bst. g MAC) erhellt aber, dass ein Ersuchen ohne jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Informationen für den ersuchenden Staat erheblich sein können, nicht möglich sein soll. Von einer Beweisausforschung («fishing expedition») kann gemäss der Rechtsprechung zu Doppelbesteuerungsabkommen nicht gesprochen werden, wenn konkrete Fragen in Bezug auf eine identifizierte (bzw. identifizierbare) Person im Zusammenhang mit einer laufenden Untersuchung gestellt werden (Urteile des BVGer A-4588/2018 vom 22. Juli 2019 E. 3.4.2, A-4143/2018 vom 28. Mai 2019 E. 2.1.4; vgl. auch Urteil des BVGer A-3482/2018 vom 5. August 2019 E. 5.4).

2.2.5 Ein wichtiges Element der internationalen Behördenzusammenarbeit bildet der Grundsatz, wonach – ausser bei offenbarem Rechtsmissbrauch oder bei berechtigten Fragen im Zusammenhang mit den in Art. 7 StAhiG genannten Konstellationen – prinzipiell kein Anlass besteht, an Sachverhaltsdarstellungen und Erklärungen anderer Staaten zu zweifeln (sog. völkerrechtliches Vertrauensprinzip; BGE 144 II 206 E. 4.4, 142 II 218 E. 3.3, 142 II 161 E. 2.1.3 f.). Auf diesem Vertrauen gründet letztlich das ganze Amtshilfeverfahren. Dementsprechend ist die ESTV an die Darstellung des Sachverhalts im Ersuchen insoweit gebunden, als diese nicht wegen offensichtlicher Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet werden kann (BGE 139 II 451 E. 2.2.1; Urteile des BVGer A-5383/2019 vom 24. November 2020 E. 2.4). Gleiches gilt für die vom ersuchenden Staat abgegebenen Erklärungen (BGE 142 II 218 E. 3.3; Urteile des BVGer A-2664/2020 vom 26. Januar 2021 E. 6.1.1 f., A-105/2020 vom 22. Januar 2021 E. 2.3.1, A-4228/2018 vom 26. August 2019 E. 2.2).

2.2.6 Die formellen Anforderungen an ein Amtshilfeersuchen sind in Art. 18 Abs. 1 MAC enthalten. Ein Ersuchen um Informationen hat demnach, soweit erforderlich, Angaben über jene Behörde oder Stelle zu enthalten, von der das durch die zuständige Behörde gestellte Ersuchen ausgeht (Bst. a). Namen, Anschrift oder alle sonstigen Angaben, welche die Identifizierung der Personen, derentwegen das Ersuchen gestellt wird, müssen, soweit erforderlich, enthalten sein (Bst. b). Weiter hat die ersuchende Behörde anzugeben, in welcher Form sie die Informationen, um die sie ersucht, erhalten möchte (Bst. c) bzw. über die Art und den Gegenstand von Schriftstücken, um deren Zustellung ersucht wird (Bst. e). Schliesslich hat das Ersuchen Angaben darüber zu enthalten, ob es dem Recht und der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates entspricht (Bst. f) und ob der ersuchende Staat alle angemessenen und nach seinem Recht oder seiner Verwaltungspraxis zur Verfügung stehenden Massnahmen ausgeschöpft hat, es sei denn, das Zurückgreifen auf diese Massnahmen würde unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten mit sich bringen (Bst. f i.V.m. Art. 21 Abs. 2 Bst. g MAC). Zudem ist das Amtshilfeersuchen in einer der Amtssprachen der OECD und des Europarats oder einer von den betreffenden Vertragsparteien zweiseitig vereinbarten Sprache abzufassen (Art. 25 MAC).

Die ähnlich lautenden Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 1 und 2 StAhiG treten hinter diese Bestimmungen des MAC grundsätzlich zurück (Art. 1 Abs. 2 StAhiG).

2.2.7 In Art. 21 Abs. 2 MAC wird aufgezählt, unter welchen Voraussetzungen der ersuchte Staat nicht zur Amtshilfe verpflichtet ist bzw. welche Handlungen er nicht vorzunehmen braucht. Hier ist insbesondere auf Art. 21 Abs. 2 Bst. d MAC hinzuweisen, wonach der ersuchte Staat nicht verpflichtet ist, Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Preisgabe der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechen würde.

3.

Nachfolgend werden in Bezug auf das vorliegende Verfahren die Rügen der Beschwerdeführerin dargestellt (E. 3.1) und anschliessend geprüft, ob der DGI Amtshilfe zu gewähren ist (E. 3.2).

[3.1 und 3.2.1: Zur Voraussichtlichen Erheblichkeit von Informationen, die das Verhältnis der Beschwerdeführerin zur deutschen Gesellschaft betreffen: Aus dem Amtshilfeersuchen geht hervor, dass die DGI nicht nur – wie die Beschwerdeführerin vorbringt – das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der tunesischen Gesellschaft prüfen möchte, sondern das Dreiecksverhältnis zwischen diesen beiden Gesellschaften und der deutschen Gesellschaft. Die Informationen erweisen sich als voraussichtlich erheblich.]

3.2.2 Was den Eventualantrag der Beschwerdeführerin anbelangt, es seien in Bezug auf die Frage g) 4. Lemma nicht alle Unterlagen zu übermitteln, sondern lediglich jene, die sich auf die Verkäufe der tunesischen Gesellschaft beziehen, ist festzuhalten, dass die Vorinstanz dies bereits so handhabt. Sie verweist nämlich auf jene Unterlagen, die in Bezug auf das 2. und 3. Lemma der Frage g) übermittelt werden sollen. Dass sie dabei die Formulierung der DGI übernimmt, welche sich auf Unterlagen bezüglich aller Transaktionen bezieht («les pièces justifiant toutes les transactions financières et commerciales») ist jedoch verwirrend. Im Gegensatz zur Vorinstanz hält das Bundesverwaltungsgericht hier eine entsprechende redaktionelle Präzisierung für angebracht, wobei sich dadurch am Gehalt der übermittelten Informationen selbst nichts ändert.

Die Vorinstanz ist diesbezüglich anzuweisen, der ersuchenden Behörde auch in Bezug auf die Frage Bst. g 4. Lemma (gemäss Sachverhalt Bst. A.c) mitzuteilen, dass nur Unterlagen im Zusammenhang mit den bei der tunesischen Gesellschaft erworbenen Waren übermittelt werden.

3.2.3 [keine «fishing expedition»]

3.2.4 [kein Geschäftsgeheimnis]

3.2.5 [kein Verletzung des Subsidiaritätsprinzips]

3.2.6 Das Spezialitätsprinzip wird zwar von keiner der Parteien erwähnt. Das Bundesgericht hat jedoch am 13. Juli 2020 also nach Erlass der vorliegenden Schlussverfügung erwogen, dass international wie national unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wie weit der Spezialitätsvorbehalt reicht und insbesondere, ob ihm eine persönliche Dimension zukommt. Es sei daher angezeigt, dass die ESTV die ersuchende Behörde anlässlich der Übermittlung der ersuchten Informationen über den Umfang der Verwendungsbeschränkung informiere (Urteile des BGer 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020 E. 3.7 2. Absatz [mittlerweile BGE 147 II 13, wobei die hier genannte Erwägung nicht publiziert wurde], 2C_545/2019 vom 13. Juli 2020 E. 4.7).

Diese in Bezug auf die Leistung von Amtshilfe gestützt auf Doppelbesteuerungsabkommen ergangene Rechtsprechung ist auf das MAC übertragbar. Im Gegensatz zu den Doppelbesteuerungsabkommen sieht das MAC zwar neben der Leistung von Amtshilfe auf Ersuchen auch die spontane Amtshilfe und den automatischen Informationsaustausch vor. Dieser Umstand vermag indessen nichts am Geltungsbereich des Spezialitätsprinzips zu ändern. Art. 22 MAC stimmt nämlich, soweit hier wesentlich, inhaltlich mit Art. 26 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens, auf dem die meisten Amtshilfeklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen basieren, überein (vgl. auch Botschaft vom 5. Juni 2015 zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen und zu seiner Umsetzung [Änderung des Steueramtshilfegesetzes], in: BBl 2015 5585 5616). Zudem erfolgt die Amtshilfe im vorliegenden Verfahren gestützt auf ein Ersuchen und eben nicht im Rahmen der spontanen Amtshilfe oder des automatischen Informationsaustauschs. Bei der Leistung von Amtshilfe gestützt auf ein Ersuchen ist abgesehen von hier nicht vorliegenden spezielleren Regelungen in Bezug auf das Spezialitätsprinzip derselbe Massstab anzuwenden, unabhängig davon, auf welches Abkommen sie sich stützt.

Die ESTV wird Ziff. 3 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung entsprechend zu präzisieren haben.

3.2.7 Damit ist die Beschwerde nur insoweit gutzuheissen, als die Vorinstanz anzuweisen ist, der ersuchenden Behörde auch in Bezug auf die Frage gemäss Bst. g 4. Lemma mitzuteilen, dass nur Unterlagen im Zusammenhang mit den bei der tunesischen Gesellschaft erworbenen Waren übermittelt werden, und den Spezialitätsvorbehalt anzupassen. Am Umfang der Amtshilfe ändert sich dadurch jedoch nichts, sondern es handelt sich lediglich um redaktionelle Präzisierungen.