Evaluation des Pilotprojektes «Rudel der Löwinnen»

Ein Projekt des Amtes für Jugend und Berufsberatung, Kanton Zürich

  • Auteur-e-s: Ladina Gartmann / Fiona Feuz
  • Catégories d'articles: Reflets de la pratique
  • DOI: 10.38023/be5d35c6-a443-48b0-a18c-d359fab142a8
  • Proposition de citation: Ladina Gartmann / Fiona Feuz, Evaluation des Pilotprojektes «Rudel der Löwinnen», in : LeGes 33 (2022) 2
Le projet « Rudel der Löwinnen » (« la meute des lionnes ») a pour objectif de renforcer la confiance en soi des jeunes femmes ainsi que de contribuer à l’égalité lors de l’entrée dans la vie professionnelle. Dans leur contribution, les auteures présentent l’évaluation de ce projet pilote et montrent comment l’évaluation interne des effets du projet a été menée, sur quels résultats elle a débouché et comment ces derniers ont été utilisés. Elles dressent en outre un bilan de la démarche et de la réalisation des objectifs de l’évaluation, et identifient les défis ainsi que les leçons à tirer pour des projets similaires.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 1.1. Ausgangslage
  • 1.2. Projektbeschreibung
  • 1.3. Evaluation
  • 2. Art, Ziel und Vorgehen der Evaluation
  • 2.1. Ziel der Evaluation
  • 2.2. Vorgehen
  • 3. Ergebnisse der Evaluation
  • 3.1. Persönlicher Nutzen
  • 3.2. Stärkung des Selbstbewusstseins
  • 3.3. Bewertung der Workshops
  • 3.4. Austausch zwischen Mentee und Mentorin
  • 3.5. Rudel-Gedanke
  • 3.6. Plattform www.rdl-zh.ch
  • 3.7. Bedeutung für die Verwaltung
  • 4. Schlussfolgerungen
  • 4.1. Fazit
  • 4.2. Herausforderungen
  • 4.3. Learnings

1.

Einleitung ^

1.1.

Ausgangslage ^

[1]

Weltweit zeigen verschiedene Studien auf, dass Frauen oft ein geringeres Selbstvertrauen haben als Männer. Gerade in Industriestaaten, in denen die Gleichberechtigung fortgeschrittener ist, zeigt sich dies noch deutlicher (Bleidorn et al. 2016, 396 ff.). Das Selbstvertrauen bei Mädchen und jungen Frauen beginnt insbesondere in der Pubertät zu sinken. Eine US-Studie konnte nachweisen, dass das Selbstvertrauen zwischen dem achten und dem vierzehnten Lebensalter um 30% sinkt (Kay/Shipman 2018). Darauf verweist auch eine Studie der Fachhochschule Ostschweiz zur Situation der Mädchen in der Schweiz (Schmid 2014, 6).

[2]

Dieser «Confidence Gap», d.h. der Selbstvertrauens-Faktor, der bei Mädchen und jungen Frauen tiefer liegt als bei gleichaltrigen Männern, kann den Berufseinstieg beeinflussen: Junge Männer haben ein Jahr nach dem Hochschulabschluss (vor allem beim Bachelorabschluss an Fachhochschulen) häufiger eine Führungs- oder Kaderposition inne (Dubach et al. 2017) und Frauen sind nach einer universitären Hochschule häufiger in einem Praktikumsverhältnis angestellt (18% zu 13%). Auch das Erwerbseinkommen von jungen Frauen fällt bei der Mehrheit der Fachbereiche tendenziell tiefer aus; am stärksten ausgeprägt ist der Lohnunterschied bei den Naturwissenschaften und den Technischen Wissenschaften. Eine Studie der Universitäten Lausanne und München kommt zu einem ähnlichen Schluss: die Löhne von Frau und Mann driften nicht erst nach der Geburt eines Kindes auseinander, sondern unterscheiden sich bereits beim Einstieg in den Arbeitsmarkt (Combet/Oesch 2019). Auch das Bundesamt für Statistik hat hierzu nachgewiesen, dass Lohnunterschiede schon zu Beginn der Laufbahn bestehen. Der unerklärte Lohnunterschied bei gleichen Voraussetzungen (Abschlussnote, Tätigkeitsbereich, soziodemographische Faktoren) liegt beim Berufseinstieg bei 7% (EBG 2022).

[3]

Das geringe Selbstvertrauen kann sich jedoch auch auf die Berufswahl auswirken, wie eine aktuelle Studie (Weinhardt 2017, 1009) verdeutlicht. Diese untersuchte, wie sich Mädchen und Jungen bezüglich ihrer Fähigkeiten in Mathematik einschätzen. Dabei zeigte sich, dass sich Jungen bereits ab der fünften Klasse höhere Kompetenzen zuschreiben, und dies in einem Masse, das nicht durch bessere Schulnoten erklärt werden kann. Mädchen hingegen schätzten sich schlechter ein, was, so geht Weinhardt davon aus, auch einen Einfluss auf die Berufswahl haben kann. Solche und andere Studien legen dar, dass das Selbstbewusstsein ein wichtiger Faktor ist, um gleichberechtigt in die Arbeitswelt zu starten und sich zu positionieren.

1.2.

Projektbeschreibung ^

[4]

Vor diesem Hintergrund lancierten die Initiantinnen das Projekt «Rudel der Löwinnen». Dieses hat zum Ziel, das Selbstbewusstsein junger Frauen zu erhöhen, einen gleichberechtigteren Berufseinstieg zu erwirken und ein Frauenbild fern von stereotypischen Rollenbildern zu fördern. Das Projekt «Rudel der Löwinnen» besteht aus einem einjährigen Mentoring-Programm, vier Workshops für junge Frauen und einer interaktiven Plattform (www.rdl-zh.ch). Die Zielgruppe sind junge Frauen zwischen 19 und 26 Jahren im Kanton Zürich, die einen Berufseinstieg vor sich haben (Stelle nach der Lehre oder dem Studium).

[5]

Im Mentoring-Programm werden sie von einer Kadermitarbeiterin des Amtes für Jugend und Berufsberatung (AJB) während eines Jahres begleitet. Die Erfahrungen der Kadermitarbeiterinnen, die schon länger im Berufsleben stehen und ihr Wissen weitergeben möchten, können junge Frauen unterstützen, sich nicht unter Wert zu verkaufen und an sich zu glauben. Es sind ca. 6–8 Kontakte vorgesehen und die Mentees können sich mit Fragen und Schwierigkeiten rund um die Themen Berufseinstieg, Stärkung ihres Selbstbewusstseins und Vereinbarkeitsfragen an ihre Mentorin wenden. Daneben werden die jungen Frauen in Workshops gezielt in verschiedenen Themen geschult, in denen Frauen tendenziell mehr Schwierigkeiten haben, wie beispielsweise sich selbst zu präsentieren oder zu netzwerken. Die vier Workshops sind für die Mentees obligatorisch, die Mentorinnen können nach Interesse daran teilnehmen. Folgende Themen werden in den Workshops behandelt: Bewerbungsgespräche, Auftrittskompetenz, Machtlogiken und Empowerment. Der dritte Projektbestandteil ist die Plattform www.rdl-zh.ch, auf der sich Informationen zum Mentoringprogramm finden, ein Test zur Überprüfung des eigenen Selbstbewusstseins sowie ein Blog mit verschiedenen Artikeln und Interviews rund um das Themengebiet (wie beispielswiese eine Serie mit weiblichen Vorbildern, die jungen Frauen Tipps zum Berufsstart geben). Zudem gibt es die Möglichkeit, eine eigene Challenge zu teilen und die Challenges von anderen jungen Frauen zu kommentieren. Die Plattform dient dazu, auf das Projekt aufmerksam zu machen und richtet sich generell an junge Frauen vor dem Berufseinstieg.

[6]

Das Projekt ist im Rahmen eines Innovationsprogramms des AJB entstanden, das zum Ziel hat, einen Raum für innovative Ideen, zum Testen und Experimentieren anzubieten (https://greenhouse-ajb.ch/). Die Pilotdurchführung dauerte von Januar 2021 bis Mai 2022; es nahmen je 18 Mentees und Mentorinnen teil. Um Mentorinnen für das Programm zu gewinnen, wurden alle Kadermitarbeiterinnen im AJB angeschrieben. Die Interessierten konnten sich an einer Informationsveranstaltung informieren und sich anschliessend als Mentorin anmelden. Die Matching der Mentoringpaare erfolgte durch die Projektleiterinnen mit Unterstützung einer HR-Mitarbeiterin.

1.3.

Evaluation ^

[7]

Das Projekt «Rudel der Löwinnen» wurde wie erwähnt als Pilotprojekt durchgeführt und anschliessend evaluiert. Die Evaluation hatte zum Ziel, das erarbeitete Konzept zu überprüfen sowie einen allfälligen Anpassungsbedarf aufzuzeigen. Das Besondere an der Evaluation war, dass die Teilnehmerinnen dadurch noch stärker ins Projekt eingebunden wurden: Sie wurden zu ihren Erfahrungen mit dem «Rudel der Löwinnen» befragt und ihre Rückmeldungen, insbesondere in der Zwischenevaluation (siehe 2.2), kamen ihnen umgehend zugute. Ein Projekt wie das Rudel der Löwinnen, das stark von der Mitwirkung und dem Engagement der Teilnehmerinnen lebt, profitiert von den Rückmeldungen und Inputs letzterer. Somit dient die Evaluation nicht nur zur Überprüfung der Ziele, sondern gewährleistet auch die Qualitätssicherung und damit das langfristige Bestehen des Projektes. Das Rudel der Löwinnen wurde von Anfang an als langfristiges Projekt mit regelmässiger Durchführung des Mentoringprogrammes konzipiert. Die Pilotdurchführung diente somit zur Erprobung des Projektkonzepts als Grundlage für die weitere Umsetzung. Der vorliegende Werkstattbericht zeigt exemplarisch auf, wie ein Praxisprojekt mit zu bewältigendem Aufwand und dennoch fachlich fundiert evaluiert werden kann.

2.

Art, Ziel und Vorgehen der Evaluation ^

[8]

Am Ende der ersten Pilotdurchführung des Projektes «Rudel der Löwinnen» erfolgte eine Evaluation zur Überprüfung der Projektziele sowie zur Rechenschaftslegung für die Weiterführung des Projektes. Die Evaluation wurde bereits im Konzept festgelegt und stand somit von Beginn an fest. Es gab keine eigentliche Auftraggeberin, die Evaluation wurde durch eine Projektmitarbeiterin konzipiert und durchgeführt, die als Sozialwissenschaftlerin im AJB (Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe) für diesen Bereich zuständig ist.

2.1.

Ziel der Evaluation ^

[9]

Das Ziel der Wirkungsevaluation war die Verbesserung und Optimierung des Projektes für zukünftige Durchführungen sowie eine Rechenschaftslegung bzgl. des Nutzens und der Relevanz.

[10]

Die Fragestellungen lauteten wie folgt:

  • Wurden die gesteckten Projektziele1 erreicht?
  • Funktioniert das gewählte Format wie geplant?
  • Was nehmen die Mentees und Mentorinnen mit?
  • Welcher Nutzen hat die Teilnahme am Projekt für sie?
  • Konnten die Mentees ihr Selbstbewusstsein erhöhen?
  • Gibt es Anpassungsbedarf für weitere Durchführungen?

2.2.

Vorgehen ^

[11]

Gegenstand der Evaluation war die Pilotdurchführung des Projektes «Rudel der Löwinnen» mit den Bestandteilen Mentoringprogramm, Workshops und Plattform. Die Evaluation erfolgte als interne Selbst-Evaluation. Am Ende des Mentoringjahres wurden alle Mentees und Mentorinnen der ersten Durchführung in einer Online-Umfrage zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragt. Der Rücklauf betrug bei den Mentorinnen fast 100% (17 von 18 nahmen teil) und bei den Mentees 67% (12 von 18).

[12]

Gemäss dem Evaluationskonzept für das Pilotprojekt fand zweimal eine Zwischenevaluation statt: Zunächst wurden die Mentees einige Monate nach Start mittels einer Online-Umfrage zu ihren ersten Erfahrungen befragt. Darin ging es um die Bewertung des ersten Workshops und um Themenwünsche für weitere Workshops. Die Mentees wurden gefragt, wie der bisherige Austausch mit ihrer Mentorin verlief und wie sie diesen beurteilen. Zudem wurde das Interesse an einem ungezwungenen Austausch für alle Mentees und einer entsprechenden Austauschplattform abgeholt. Die Rückmeldungen flossen direkt in die Planung und Gestaltung des weiteren Projektverlaufs ein. Die Rückmeldungen der Mentorinnen wurden ca. nach einem halben Jahr in einem persönlichen Erfahrungsaustausch abgeholt. Dieses Feedback wurde unter anderem für die anstehende Projekt-Statuspräsentation und den Antrag für die nächste Phasenfreigabe genutzt.

[13]

Ein weiterer Bestandteil der Evaluation ist der Selbstbewusstseins-Test (https://rdl-zh.ch/#quiz). Dieser wurde auf der Grundlage der deutschsprachigen Skalen zum Selbstwertgefühl von Rosenberg, dem Psychologischen Test zum Selbstwert von Rolf Merkle und den multidimensionalen Selbstwertskalen von Astrid Schütz, Katrin Rentzsch und Ina Sellin entwickelt, sowie abgestimmt auf das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung in Bezug auf Selbstbewusstsein. Der Test wurde mit Unterstützung der Leiterin Diagnostik des Berufs- und Informationszentrums Oerlikon erstellt. Auch wurde ein Pretest mit 15 jungen Frauen durchgeführt. Der Test befindet sich auf der Website und dient als Einstieg ins Thema und als Hilfsmittel für junge Frauen, um sich selbst einzuschätzen. Zudem wurden die Teilnehmerinnen des Mentoringprogrammes gebeten, den Test zu Beginn und nach Ende der Pilotdurchführung auszufüllen. Insgesamt können 80 Punkte erzielt werden und es werden folgende drei Resultat-Kategorien je nach Punktezahl unterschieden: Löwenwelpe, Junglöwin und Löwin. Die Löwenwelpen haben ein eher tiefes Selbstbewusstsein, tendieren manchmal dazu, sich kleiner zu machen als sie sind und zweifeln oft an sich. Andere Menschen und deren Meinungen können sie einschüchtern. Junglöwinnen bringen bereits eine Portion Selbstbewusstsein mit, es gibt aber Bereiche, in denen sie sich manchmal unsicher fühlen. Die Löwinnen schliesslich haben ein tolles Selbstbewusstsein. Damit erhalten die jungen Frauen eine Einschätzung zum Ausmass ihres Selbstbewusstseins und sehen mittels eines Vorher-Nachher-Vergleichs, ob und wie stark sie sich entwickelt haben. Die Analyse der Testergebnisse floss ebenfalls in die Evaluation ein.

3.

Ergebnisse der Evaluation ^

[14]

Die Erwartungen der Mentees an das Projekt «Rudel der Löwinnen» wurden deutlich erfüllt: 92% sahen ihre Erwartungen mehrheitlich bis und voll und ganz erfüllt. Für 60% der Mentorinnen wurden die Erwartungen mehrheitlich, für 35% voll und ganz erfüllt. Alle Mentees und Mentorinnen würden das Rudel vollumfänglich oder zumindest eher weiterempfehlen. Ein Mentee drückt es so aus: «Meine Erwartungen wurden sogar übertroffen: Ich habe die passende Mentorin zugeteilt erhalten, wertvolle Kontakte geknüpft und stehe heute bereits selbstbewusster im Leben, als noch vor einem Jahr

3.1.

Persönlicher Nutzen ^

[15]

Die Mentees konnten von ihrer Mentorin und den Workshops profitieren. Durchschnittlich haben sich die Mentees sechs- bis achtmal mit ihrer Mentorin ausgetauscht. Am Projekt schätzten sie insbesondere das Gemeinschaftsgefühl: Zu erleben, dass sie mit ihren Herausforderungen und Gedanken nicht alleine sind, war für sie wertvoll, und sie konnten sich gegenseitig stärken. Die Mentorinnen haben das «Rudel» ebenfalls als Bereicherung erlebt, mehrere sprachen von einer Win-Win-Situation. Sie schätzten den Perspektivenwechsel und die persönliche Weiterentwicklung («Life Enrichment») ebenso wie die Austauschmöglichkeiten und die spannenden Begegnungen. Was ihr die Teilnahme an der Pilotdurchführung gebracht hat, beschreibt eine Mentorin wie folgt: «Die Nähe zu aktuellen Fragen von «heutigen» Berufseinsteigerinnen, tolle und nutzbare Erkenntnisse anhand der Workshops und sehr spannende Begegnungen inkl. Austausch mit der jungen Generation».

3.2.

Stärkung des Selbstbewusstseins ^

[16]

Die Mentees konnten ihr Selbstbewusstsein nach eigenen Angaben erhöhen (67%) oder zumindest teilweise erhöhen (25%). Dies bestätigt auch der Vergleich der Selbstbewusstseinstest von neun Mentees zu Beginn und am Ende des Projekts. Sie haben sich durchschnittlich um 7 Punkte von insgesamt 80 gesteigert, und fünf der neun Mentees sind eine Kategorie aufgestiegen, d.h. vom Löwenwelpen zur Junglöwin oder von der Junglöwin zur Löwin. Das Projektziel zur Steigerung des Selbstbewusstseins wurde folglich erfüllt.

3.3.

Bewertung der Workshops ^

[17]

Die Tipps aus den Workshops konnten die Mentees mehrheitlich in die Praxis umsetzen, je 50% beantworten diese Frage mit «ja» bzw. «eher ja». Geblieben ist ihnen u.a., dass sie im Bewerbungsgespräch mutiger auftreten sowie auf das bisher Geleistete stolz sein und nach aussen tragen dürfen. Sehr positiv bewertet wurde der Workshop zum Thema Auftrittskompetenz, von dem die Mentees mitgenommen haben, wie sie selbstbewusst den Raum betreten und sich vor eine Gruppe hinstellen, geerdet dastehen und achtsam sein können.

3.4.

Austausch zwischen Mentee und Mentorin ^

[18]

Den Austausch in der Mentee-Mentorin-Konstellation haben alle Teilnehmerinnen sehr geschätzt: Die Mentees bewerten den Austausch mit durchschnittlich 4.6 von 5 möglichen Punkten, die Mentorinnen mit 4.25. 75% der Mentees konnten die Tipps und Anregungen, die sie von ihrer Mentorin erhalten haben, vollumfänglich in ihrem Alltag umsetzen, 17% zumindest teilweise. Die besprochenen Themen waren dabei sehr vielfältig: von Umgang mit Kritik, Konkurrenz, Vorgesetzten, Männern im Arbeitsleben, über Unsicherheit bzgl. den eigenen Kompetenzen, Einstehen für eigene Bedürfnisse und Anliegen sowie generell Selbstbewusstsein bis zu konkreten Anliegen wie Entscheidungen treffen, Bewerbungen schreiben und Verhandlungen führen. Für die Steigerung ihres Selbstbewusstseins war der Kontakt und Austausch mit ihrer Mentorin für die Mentees sehr wichtig (4.4 von 5 Punkten). Die Bedeutung ihrer Mentorin beschreibt ein Mentee wie folgt: «Vor allem der Austausch mit meiner Mentorin hat mir sehr gefallen und sehr geholfen.» Eine Mentorin wiederum hat «eine spannende Begegnung mit einer motivierten, engagierten jungen Frau» erlebt sowie «eine grosse Freude darüber, dass ich sie unterstützen konnte auf ihrem Weg».

3.5.

Rudel-Gedanke ^

[19]

Die weiteren Aktivitäten im Rahmen des Mentoringprogramms wie der Kick-Off, der Sommerapéro und das Vernetzungstreffen für Mentees wurden von allen Teilnehmerinnen als sehr gut (30%) bis top (56%) bewertet. Einige Teilnehmerinnen hätten sich mehr physische statt virtuelle Treffen gewünscht, was pandemiebedingt leider nicht möglich war. Trotz den erschwerten Bedingungen, virtuell ein Vernetzungsgefühl zu schaffen, fühlten sich insbesondere die Mentees als Teil eines Rudels. 45% beantworten die entsprechende Frage mit «eher ja», 36% mit «ja». Mit den Worten eines Mentees: «Das Rudel hat mir genau das gegeben, was ich oft vermisse: Dieser Gedanke, dass wir Frauen ein Rudel und keine Konkurrentinnen sind. Es war schön, so nah zu erleben, dass wir alle mit ähnlichen, zum Teil aber auch ganz anderen «Problemen» zu kämpfen haben und uns darin gegenseitig unterstützen können.»

3.6.

Plattform www.rdl-zh.ch ^

[20]

Die zum Projekt gehörende Plattform verzeichnete seit der Aufschaltung rund 4000 Besucherinnen. Die durchschnittliche Verweildauer von ca. 3.5 Minuten auf der Seite und die durchschnittlichen 2.5 Aktionen (Klicks, Downloads etc.) sind vergleichsweise hohe Werte und entsprechend erfreulich. Über die Hälfte der Mentees und Mentorinnen hat die Webseite ab und zu besucht. Am häufigsten lasen sie dabei die Artikel auf der Blog-Unterseite.

[21]

Der Selbstbewusstseinstest wurde rund 450 Mal ausgefüllt und bewährt sich somit. Auf der Webseite können neben dem Test auch eigene Challenges geteilt werden. Gesamthaft sind 14 Challenges eingegangen. Beispielsweise: «Es fällt mir schwer, meine Leistungsgrenzen anderen mitzuteilen, ohne mich schlecht zu fühlen» oder «Ich denke oft, dass andere alles viel besser wissen als ich». Das Ziel, 100 Challenges auf der Website aufzuschalten, konnte nicht erreicht werden. Dies lag unter anderem daran, dass es für die Zielgruppe eine Herausforderung bedeutet, eigene Schwächen öffentlich zu kommunizieren. Allerdings haben pro Challenge 700–900 Besucherinnen der Webseite angegeben, dass sie diese Situation bereits erlebt haben. Diese Rückmeldung half dem Projektteam, die Situation von jungen Frauen besser einzuschätzen.

3.7.

Bedeutung für die Verwaltung ^

[22]

Die Mentorinnen sehen die Bedeutung eines solchen Mentoringprogrammes für ein Amt oder die Verwaltung generell in erster Linie im Potenzial für das Arbeitgebermarketing sowie in den internen Vernetzungs-/Austauschmöglichkeiten. Die Teilnahme bietet ein Job-Enrichment, einen Perspektivenwechsel bzw. eine Horizonterweiterung sowie Sensibilisierung für das Thema Gleichberechtigung. Nicht zuletzt erlaubt ein Projekt wie das «Rudel der Löwinnen» eine Annäherung an oder Sensibilisierung für Berufseinsteigerinnen. Eine Mentorin drückt es so aus: «Die Mentorinnen müssen sich mit sich selber und ihren Werten auseinander setzen. Davon profitiert das Amt definitiv. Zudem sind diese positiven Erfahrungen gute Werbung für das Amt und den Kanton. Ebenfalls werden Führungskräfte (wieder) sensibilisiert für die Probleme der jungen Mentees, was wiederum im eigenen Berufsalltag einfliessen kann

4.

Schlussfolgerungen ^

[23]

Wie erwähnt, diente die Evaluation der Optimierung und Weiterentwicklung des Mentoringprogrammes. Die Ergebnisse sind in das Konzept für die Weiterführung vom «Rudel der Löwinnen» eingeflossen, auch konnten dank der Ergebnisse einige Anpassungen vorgenommen werden. So wurden die Workshops nach der Zwischenevaluation auf den Abend gesetzt, damit möglichst viele Mentees daran teilnehmen können. Auch wurde eine WhatsApp-Gruppe erstellt, da sich die Teilnehmerinnen eine Kommunikation über diesen Kanal wünschten.

[24]

Nach der Schlussevaluation wird zukünftig noch mehr in die Vernetzung und die Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls investiert. Dazu wird unter anderem ein Alumnae-Netzwerk gegründet mit einer jährlichen Veranstaltung. Fortan wird den Mentorinnen der Besuch der Workshops stärker empfohlen. Dies ebenfalls mit dem Ziel der Vernetzung sowie um den Mentoringpaaren mehr gemeinsame Diskussionsgrundlagen zu bieten, wie von einigen gewünscht wurde. Auch sollen Inputs in Form von Übungen oder Aufgaben mitgegeben werden, damit die Mentoringpaare etwas Konkretes haben, an dem sie zusammen arbeiten können. Dies haben ein paar Mentorinnen in der ersten Durchführung vermisst. Die Rolle der Mentorin wird zukünftig noch ausführlicher erläutert, und die Rekrutierung der Mentees wird verlängert und insbesondere auch bei den Lernenden verstärkt, in dem zusätzliche Kanäle und Kommunikationsmassnahmen genutzt werden.

[25]

Die Ergebnisse wurden projektintern kommuniziert und den involvierten Stakeholdern vorgelegt. Fortan werden sie für die Bekanntmachung und Bewerbung des Mentoringprogrammes verwendet.

4.1.

Fazit ^

[26]

Das Projekt hat wie geplant funktioniert, alle Mentees und Mentorinnen haben das Projekt beendet und kein Mentoringpaar hat sich aufgelöst. Auch konnten die Projektziele mehrheitlich erfüllt werden. So haben sich trotz sehr kurzer Rekrutierungsphase von zwei bis drei Wochen viele Frauen für das Projekt beworben (junge Frauen und Kadermitarbeiterinnen). Die Zahl der Mentoring-Paare konnte folglich von den angestrebten 15 auf 18 Paare erhöht werden, wobei einigen Frauen auch abgesagt werden musste. Die Prüfung des Selbstbewusstseins nach dem Projektdurchlauf hat gezeigt, dass die jungen Frauen mittels Mentoring und Workshops ihr Selbstbewusstsein erhöhen konnten und sich für den Berufsalltag gestärkt fühlten. Das Ziel, dass auf der Website 100 Challenges aufgeschaltet werden und dadurch ein Community-Engagement erreicht wird, konnte nicht erfüllt werden. Es hat sich gezeigt, dass es eine Herausforderung ist, eigene Schwächen auf einer neuen Plattform zu kommunizieren. Jedoch zeigt die hohe Anzahl Reaktionen auf die bestehenden Challenges, dass Interesse am Thema besteht und viele junge Frauen die aufgelisteten Schwächen aus ihrem eigenen Alltag kennen.

[27]

Die Ziele der Evaluation wurden erreicht, die Fragestellungen konnten zufriedenstellend beantwortet werden. Die Evaluation hat wichtige Erkenntnisse dazu geliefert, welchen Nutzen die Teilnehmerinnen für sich daraus zogen und wie sich das Selbstbewusstsein der Mentees verändert hat. Die Evaluation war wichtig, um aufzeigen zu können, welche Bedeutung ein solches Projekt hat. Insbesondere die positiven Rückmeldungen der Teilnehmerinnen haben dazu beigetragen, dass das «Rudel der Löwinnen» weitergeführt wird. Auch konnte die Evaluation wie oben beschrieben Aussagen dazu liefern, welche Anpassungen es für die zukünftigen Durchgänge braucht. Das gewählte Vorgehen mit einer internen Selbstevaluation zur Überprüfung der Wirkung und zur Rechenschaftslegung hat sich bewährt. Die Nähe zu den Teilnehmerinnen hat zu einer hohen Beteiligung beigetragen und die kurzen Kommunikationswege sowie die enge Zusammenarbeit im Projektteam ermöglichten einen machbaren Aufwand. Aufgrund der hohen Rücklaufquote in der Online-Befragung und der fundierten Konzipierung der Evaluation können die Ergebnisse als aussagekräftig und repräsentativ gewertet werden.

4.2.

Herausforderungen ^

[28]

Die grösste Herausforderung der Pilotdurchführung waren die pandemiebedingten Einschränkungen. Das Konzept für das Projekt «Rudel der Löwinnen» wurde im Herbst 2019 entwickelt und die Veranstaltungen wurden alle physisch geplant. Schliesslich konnten nur wenige Veranstaltungen live stattfinden, die restlichen mussten virtuell durchgeführt werden. Dies hat sowohl die Planung als auch die angestrebte Schaffung eines Rudelgefühls erschwert. Umso positiver sind die diesbezüglichen Rückmeldungen in der Befragung, die zeigen, dass insbesondere die Mentees sich trotz den erschwerten Bedingungen als Teil eines Rudels fühlten.

[29]

Weitere Schwierigkeiten bestanden in der teilweise schweren Erreichbarkeit einzelner Mentees sowie den knappen (Zeit-)Ressourcen der Mentorinnen. Die Studentinnen konnten im Projekt mit wenigen Kommunikationsmitteln (wie beispielsweise einem Mailing der Universität mit dem Hinweis auf das Projekt) sehr gut erreicht werden. Lernende, die nach der Berufslehre in den Beruf starten, wurden weniger gut erreicht. Es hat sich gezeigt, dass bei ihnen Schlüsselpersonen von Relevanz sind. Um die Erreichbarkeit von Lernenden im nächsten Durchlauf zu verbessern, müsste verstärkt mit Berufsbildner:innen zusammengearbeitet werden.

[30]

Auch in der Evaluation bestand die Herausforderung darin, alle Mentees für die Beantwortung der Umfrage zu gewinnen. Die Rücklaufquote bei den Mentees ist dementsprechend tiefer als bei den Mentorinnen. Um dies beim nächsten Durchlauf zu verbessern, werden in der generellen Projekt-Kommunikation die Erwartungen an die jungen Frauen noch mehr herausgefiltert und vorab kommuniziert.

4.3.

Learnings ^

[31]

Es empfiehlt sich, die Evaluation in einem Projekt früh einzuplanen und am vorgesehenen Zeitplan festzuhalten. Auch lohnt es sich, eine Zwischenevaluation durchzuführen, um gewisse Aspekte im Projekt noch rechtzeitig anpassen zu können. Dies bewährt sich auch, um in einem Projekt, das stark von der Partizipation der Teilnehmenden abhängt, das Commitment letzterer zu erhöhen, was wiederum dem Projekt dient. In Praxisprojekten mit beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen kann mittels einer internen Selbstevaluation der Aufwand in Grenzen gehalten werden. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass im Projektteam die nötigen Kompetenzen vorhanden sind, um die Evaluation fundiert durchführen zu können.

[32]

Die Förderung von Diversität hat in der Privatwirtschaft Einzug gehalten, insbesondere bei grösseren Unternehmungen. In der Verwaltung wird das Thema zum Teil etwas stiefmütterlich behandelt, respektive fehlt es in manchen Bereichen an Programmen, um die Diversität zu fördern und sich auch gegen aussen als Arbeitgeber zu positionieren, der die Förderung von unterschiedlichen Personengruppen als relevant erachtet. Das Projekt hat gezeigt, dass ein Programm wie das «Rudel der Löwinnen» viel erreichen kann, sowohl intern bei den Mentorinnen, die daran teilgenommen haben, als auch extern bei den jungen Frauen, die dadurch gefördert werden konnten. Es kann aber auch eine Signalwirkung haben, indem sich Verwaltungseinheiten gezielt dem Thema annehmen. Zudem sind Mentoring-Programme in ihrer Ausgestaltung und Aufgleisung ressourcenschonend, können aber gleichzeitig bei der Zielgruppe viel bewirken. Junge Frauen zu fördern, um aktiv gegen Lohnungleichheit und unterschiedliche Behandlung am Arbeitsplatz vorzugehen, ist gesamtgesellschaftlich wichtig. Projekte wie das «Rudel der Löwinnen» leisten hier einen wichtigen Beitrag.


Ladina Gartmann, MA Soziologie, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe & Co-Projektleiterin «Rudel der Löwinnen», Amt für Jugend und Berufsberatung.

Fiona Feuz, MA Politik & Public Management, Informationsbeauftragte Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe & Initiantin «Rudel der Löwinnen», Amt für Jugend und Berufsberatung.


Literaturverzeichnis ^

  • Bleidorn, Wiebke Denissen, Jaap Gebauer, Jochen Arslan, Ruben Rentfrow, Peter Potter, Jeff Gosling, Samuel (2016): Age and Gender Differences in Self-Esteem – A Cross-Cultural Window, in: Journal of personality and social psychology, 111(3), 396–410.
  • Kay, Katty Shipman, Claire (2018): The Confidence Code for Girls, USA.
  • Schmid, Gabriella (2014): Mädchen in der Schweiz – Von der Überholspur zurück zum Boxenstopp?, St. Gallen.
  • Dubach, Philipp Legler, Victor Morger, Mario Stutz, Heidi (2017): Frauen und Männer an Schweizer Hochschulen: Indikatoren zur Chancengleichheit in Studium und wissenschaftlicher Laufbahn, BASS, Bern.
  • Combet, Benita Oesch, Daniel (2019): Die Lohnungleichheit zwischen Männer und Familien beginnt lange vor der Familiengründung, in: Social Change in Switzerland N° 18, Lausanne.
  • Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau (2018): Lohnunterschiede bereits beim Berufseinstieg https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/themen/arbeit/lohngleichheit/grundlagen/zahlen-und-fakten.html [26.07.2022].
  • Weinhardt, Felix (2017): Ursache für Frauenmangel in MINT Berufen? Mädchen unterschätzen schon in der fünften Klasse ihre Fähigkeiten in Mathematik, in: DIW Wochenbericht Nr. 45, S. 1009 ff.
  1. 1 Die Projektziele sind wie folgt festgelegt:
    • 15 Mentees und 15 Mentorinnen nehmen am Projekt teil,
    • 70% der Mentees können während des Projekts ihr Selbstbewusstsein erhöhen,
    • 100 Challenges werden auf der interaktiven Plattform aufgeschaltet und umgesetzt.