Justice - Justiz - Giustizia

Liebe Leserinnen und Leser

Die richterliche Unabhängigkeit steht weltweit immer wieder auf dem Prüfstand. In der Ukraine, einem «Transitionsland», das den Übergang vom Sowjetstaat zum demokratischen Rechtsstaat zu bewältigen sucht, sind die Probleme der richterlichen Unabhängigkeit besonders akut. Eingriffe der Exekutiven und Legislativen in die Zuständigkeit der Gerichte geschehen in regelmässigen Intervallen. Richter werden disziplinarisch belangt und, obwohl auf Lebenszeit ernannt, aufgrund einer unklaren Verfassungsbestimmung entlassen. Die Richterin Valentyna Ustymenko thematisiert diese Situation in ihrem kritischen Beitrag. Sie zeigt auch Lösungsmöglichkeiten auf.

Nur eine umfassende Justizreform auf Verfassungs- und Gesetzesebene vermochte die strukturellen Probleme der Bundesrechtspflege zu lösen. Im Aufsatz «Justizreform 2000 – Das Bundesgericht und sein Gesetz» untersucht Bundesgerichtspräsident Arthur Aeschlimann ebendiese Justizreform und deren Kernstück, das Bundesgerichtsgesetz. Aeschlimann kommt unter anderem zum Schluss, dass die funktionsgerechte Auslastung des Bundesgerichts ein Überdenken der richterlichen Arbeit am Bundesgericht erfordert. Doch dürfe es nicht darum gehen, die Richterbilder des eigenständigen Referenten und des Fallmanagers gegeneinander auszuspielen.

Hans Peter Walter fragt nach der optimalen Kommunikation der getroffenen Entscheidung. Er erörtert Form und Inhalt der Urteilsbegründung. Er empfiehlt den Redaktorinnen und Redaktoren von anfechtbaren kantonalen Entscheidungen drei Dinge: lieber weniger als mehr, eine klare Darstellung des Sachverhalts, das Vermeiden von Widersprüchen.

Am 21. September 2007 hat der Bundesrat den Entwurf zu einem Strafbehördenorganisationsgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Dieses sieht vor, dass die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft künftig dem Bundesrat zustehen soll. Die Frage der Positionierung der Bundesanwaltschaft im gewaltenteiligen System wird zurzeit eingehend diskutiert. Eine ungeteilte Aufsicht mit klaren Kompetenzen stärke die Qualität der Bundesanwaltschaft. Die Unterstellung unter den Bundesrat stärke den Rechtsstaat. Ein Beschuldigter habe so Gewähr, von einem unvoreingenommenen Gericht beurteilt zu werden, vor dem sich der Bundesanwalt als Vertreter des Staates und der Verteidiger des Beschuldigten gegenüberstehen. Die Bundesanwaltschaft sei daher der Aufsicht des Bundesrates zu unterstellen. So schaltet sich der EJPD-Vorsteher Bundesrat Christoph Blocher in die gegenwärtige Diskussion um ein neues Bundesanwaltsmodell ein. Andreas Lienhard und Daniel Kettiger sehen aber auch in diesem bundesrätlichen Modell Nachteile und verweisen in ihrem Beitrag deshalb als weitere Möglichkeit auf die direkte Beaufsichtigung der Bundesanwaltschaft durch die eidgenössischen Räte. Nicht unerwähnt soll aber auch der Hinweis auf ein drittes Modell bleiben: die Unterstellung der Staatsanwaltschaft unter die Justiz (wie das in Italien der Fall ist).

Bisher gibt es in der Schweiz – anders als in einigen anderen Ländern – keine umfassende spezifische Ausbildung für Richterinnen und Richter. Meist wird zwar rechtlich oder zumindest faktisch eine juristische Ausbildung verlangt. Man geht davon aus, dass eine solche Ausbildung zum Richterberuf ausreicht. Das trifft für die spezifisch juristischen Kenntnisse grundsätzlich wohl zu. Richter haben aber noch weiteren Anforderungen gerecht zu werden. Hansjörg Seiler orientiert über den Stand der «Richterakademie». Die «Ecole romande de la magistrature pénale (l'ERMP)» wurde unlängst gegründet mit dem Ziel, das Ausbildungsangebot für die Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden zu erweitern und zu verbessern sowie die Kontakte zu ausländischen Institutionen dieser Art zu vertiefen. Die «ERMP» bietet nun Grundkurse für junge Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie für Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter an. Im Weiteren sind spezifische Module für die Weiterbildung vorgesehen. Dieses und mehr ist im Beitrag von Renaud Weber zu lesen.

Die vorliegende Ausgabe von «Justice – Justiz – Giustizia» wird abgerundet mit Mitteilungen der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter, der Internationalen Vereinigung der Richter, der Europäischen Richtervereinigung sowie mit Nachrichten unserer Korrespondentinnen und Korrespondenten aus den Kantonen und dem Ausland.

Anne Colliard, Stephan Gass, Regina Kiener, Hansjakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli

 

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