1.
Regeste ^
Rechtliche Grundlagen (E. 3). Standpunkte der Bacardi-Martini (Schweiz) AG (E. 4.1). Urteil des BGer A.352/1987 vom 3. Juni 1988 (E. 4.2). Urteilskritik der Bacardi-Martini (Schweiz) AG (E. 4.3). Keine Änderung der Rechtsprechung (E. 4.4.1), Ausführungen zum Alkoholgehalt (E. 4.4.2), Ergänzung des Sachverhalts von Amtes wegen (E. 4.4.3), Anwendung des Alkoholgesetzes (E. 4.4.4). Anwendbarer Steuersatz (E. 5). Entscheid der Vorinstanz (E. 5.1), Standpunkte der Parteien (E. 5.2), Anwendung des regulären Steuersatzes (E. 5.3).
2.
Sachverhalt (gekürzt) ^
Beide Parteien führen gegen diesen Entscheid Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht (Verfahren 2C_364/2015 / 2C_425/2015).
3.
Aus den Erwägungen ^
3.1. Art. 105 der Bundesverfassung (BV; SR 101) erklärt die Gesetzgebung über Herstellung, Einfuhr, Reinigung und Verkauf gebrannter Wasser zur Sache des Bundes; der Bund hat dabei insbesondere den schädlichen Wirkungen des Alkoholkonsums Rechnung zu tragen. Gemäss Art. 131 Abs. 1 lit. b BV kann der Bund u.a. eine besondere Verbrauchssteuer auf gebrannte Wasser erheben. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der Bestimmung von Art. 32 bis Abs. 1 und Abs. 2 der inzwischen aufgehobenen Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aBV; BS 1 3; in Kraft gewesen bis zum 31. Dezember 1999): Gemäss dieser Norm war der Bund befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung Vorschriften über die Herstellung, die Einfuhr, die Reinigung, den Verkauf und die fiskalische Belastung gebrannter Wasser zu erlassen. Die Gesetzgebung war so zu gestalten, dass sie den Verbrauch von Trinkbranntwein und dementsprechend dessen Einfuhr und Herstellung vermindert.
Mit dieser extensiven Legaldefinition erfahren die Kompetenzen des Bundes insofern eine gewisse Ausweitung, als der Wortlaut von Art. 105 BV bei engem Verständnis nur jene Arten von Äthylalkohol abdecken könnte, welche durch Destillation erzeugt wurden. Da der in Art. 2 AlkG festgelegte, weitergehende Geltungsbereich vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt ist, bindet diese in einem Bundesgesetz festgeschriebene Formulierung aber sowohl das Bundesgericht als auch die anderen rechtsanwendenden Behörden (Art. 190 BV; Urteil 2A.568/2006 vom 30. Januar 2007 E. 3.2).
3.4. Zur Besteuerung von alkoholischen Erzeugnissen zu Trink- und Genusszwecken äussert sich auch Art. 23bis AlkG, welcher auszugsweise den folgenden Wortlaut aufweist:
4.1. Die Bacardi-Martini (Schweiz) AG stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, dass es sich bei den beiden streitbetroffenen Produkten um aromatisierte weinhaltige Getränke handle, welche keine gebrannten Wasser sondern vielmehr ausschliesslich durch Vergärung gewonnene alkoholische Erzeugnisse seien. Als solche unterstünden sie gemäss Art. 2 Abs. 2 AlkG den Bestimmungen des Alkoholgesetzes und der darin vorgesehenen Monopolgebühr nicht, zumal ihr Alkoholgehalt die gesetzlich vorgesehene Limite von 15 Volumenprozenten nicht überschreite. Namentlich gehörten die streitbetroffenen Getränke auch nicht zu den von Art. 23bis Abs. 2 AlkG genannten Produkten, für welche immerhin noch eine um 50 Prozent ermässigte Steuer geschuldet sei. Die Vorinstanz habe mithin die Bestimmungen des Alkoholgesetzes falsch angewendet. Die Bacardi-Martini (Schweiz) AG betont in diesem Zusammenhang ebenso, dass für die Besteuerung von Wein keine Bundeskompetenz bestehe, weswegen jedwede Belastung der beiden Getränke mit Verbrauchssteuern des Bundes auch als verfassungswidrig erscheine.
4.2. Das Bundesgericht hat die sich im Zusammenhang mit diesen Vorbringen stellenden Rechtsfragen bereits mit Urteil A.352/1987 vom 3. Juni 1988 beantwortet. Zu beurteilen war dort der Fall eines Betriebes, welcher zwecks Gewinnung des Basisweins für die Wermutproduktion mittels einer Ausfrieranlage dem angelieferten Naturwein Wasser entzog und auf diese Weise den Alkoholgehalt des Naturweines erhöhte (sog. Gefrierkonzentration). Im genannten Urteil wurde insbesondere festgestellt, dass der Wortlaut von Art. 2 AlkG insofern eindeutig ist, als dem Geltungsbereich des Alkoholgesetzes in umfassender Weise der Äthylalkohol in jeder Form und ausdrücklich ohne Rücksicht auf die Art seiner Herstellung unterstellt wird; dem Gesetz nicht unterworfen sind nur die «ausschliesslich durch Vergärung gewonnenen alkoholischen Erzeugnisse». Das Verfahren der Gefrierkonzentration, mit welchem der Alkoholgehalt eines durch Vergärung gewonnenen Naturweines erhöht wird, macht den derart konzentrierten Wein indes zu einem alkoholischen Produkt, das nicht «ausschliesslich» durch Vergärung, sondern eben zusätzlich noch durch Ausfrieren gewonnen wird. Ein auf diese Weise konzentrierter Naturwein ist deshalb ein «gebranntes Wasser» i.S. von Art. 2 Abs. 1 AlkG resp. von Art. 32bis aBV (E. 4d und E. 4e des genannten Urteils).
4.4.1. Anders als noch Art. 32bis aBV spricht Art. 105 BV nicht mehr von einer bezweckten Verminderung des Trinkbranntweinverbrauchs sondern generell von den schädlichen Wirkungen des Alkoholkonsums, welchen es Rechnung zu tragen gelte (vgl. E. 3.1 hiervor). Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist denn auch der Hauptzweck der Alkoholgesetzgebung (Urteil 2C_712/2011 vom 19. Januar 2012 E. 3.1). Aus diesem Grund fordert auch die Lehre, den Begriff «gebrannte Wasser» extensiv auszulegen (Marc D. Veit/Jens B. Lehne/Tomas Poledna, in: Bernhard Ehrenzeller/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender [Hrsg.], St. Galler Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, Rz. 2 zu Art. 105, m.w.H.). Eine Änderung der bundesgerichtlichen Praxis aus teleologischen Gründen drängt sich daher nicht auf.
5.1. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, die in Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG vorgesehene, um 50 Prozent ermässigte Besteuerung von Wermutwein und anderen aromatisierten Weinen mit einem Alkoholgehalt von höchstens 22 Volumenprozenten stelle im Vergleich zur Bestimmung von Art. 2 Abs. 2 AlkG eine lex specialis dar. Dabei verweist die Vorinstanz auf das bundesgerichtliche Urteil 2A.568/2006 vom 30. Januar 2007, welches die Anwendung des reduzierten Steuersatzes auf die damals streitbetroffenen Martini Produkte bestätigt habe. Die Zusammensetzung und demzufolge auch die geschmacklichen Charakteristika jener Produkte unterschieden sich gemäss der Vorinstanz nicht entscheidwesentlich von anderen Wermutweinprodukten; all diese Erzeugnisse basierten auf stark alkoholhaltigem Wein, würden mit Zucker gesüsst und mit Kräuterextrakten, insbesondere Artemisia-Arten, sowie mit weiteren natürlichen Aromen versetzt. Die vorliegend im Streit liegenden Produkte «Martini Rosso aromatised wine based drink» und «Martini Bianco aromatised wine based drink» seien daher aufgrund ihres Alkoholgehalts von weniger als 22 Volumenprozent ungeachtet ihrer lebensmittelrechtlichen Bezeichnung ebenfalls als Wermutweine i.S.v. Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG zu qualifizieren und mithin dem um 50 Prozent ermässigten Steuersatz zu unterstellen.
5.2. Sowohl die EAV als auch die Bacardi-Martini (Schweiz) AG teilen diese Rechtsauffassung nicht und bestreiten die Qualifikation der streitbetroffenen Erzeugnisse als Wermutwein im Sinne von Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG.
Die EAV weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem von der Vorinstanz erwähnten Urteil 2A.568/2006 vom 30. Januar 2007 nur eine beschränkte Bedeutung zukomme, sei es doch im damaligen Fall um Produkte gegangen, welche gerade nicht mittels gefrierkonzentriertem Wein sondern stattdessen auf Basis von hochgradigem Naturwein hergestellt wurden. Die vorliegend im Streit liegenden Produkte seien demgegenüber Erzeugnisse mit Zusatz von gebrannten Wasser, für welche Art. 23bis Abs. 1 lit. a AlkG eine Besteuerung zum vollen Steuersatz vorsehe. Eine Qualifikation als Wermutweine bzw. übrige mit Pflanzen oder anderen Stoffen aromatisierte Weine aus frischen Weintrauben im Sinne von Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG scheide bereits deshalb aus, weil die streitbetroffenen Erzeugnisse die lebensmittelrechtlichen Anforderungen an aromatisierte Weine nicht erfüllten.
Auch die Bacardi-Martini (Schweiz) AG macht im Wesentlichen geltend, die beiden Erzeugnisse «Martini Rosso aromatised wine based drink» und «Martini Bianco aromatised wine based drink» erfüllten die lebensmittelrechtlichen Anforderungen an Wermutwein resp. Wermut nicht; eine solche Bezeichnung könne gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ebenso wenig sei es zulässig, den Begriff «Wermut» bzw. «Wermutwein» einfach nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auszulegen, wie dies das Bundesverwaltungsgericht getan habe; aus Gründen der Rechtssicherheit und in Nachachtung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung sei es erforderlich, für die Auslegung der alkoholrechtlichen Begriffe auf das Lebensmittelrecht abzustellen.
5.3.2. Gemäss Art. 21 Abs. 1 der bereits erwähnten Verordnung des EDI vom 29. November 2013 über alkoholische Getränke gelten als aromatisierte Weine jene Getränke, die (lit. a) aus Wein oder aus mit Alkohol versetztem (stumm gemachtem) Traubenmost hergestellt wurden, (lit. b) mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, Destillat landwirtschaftlichen Ursprungs, Branntwein, Weinbrand oder Tresterbrand versetzt wurden und (lit. c) mit natürlichen Aromastoffen, Aromaextrakten, Gewürzen, Kräutern oder anderen geschmacksgebenden Lebensmitteln aromatisiert wurden. Gemäss Abs. 3 der gleichen Bestimmung muss der Gehalt an Wein oder an mit Alkohol versetztem (stumm gemachtem) Traubenmost im Enderzeugnis mindestens 75 Massenprozent betragen. Aus Abs. 4 ergibt sich sodann, dass der Alkoholgehalt mindestens 14,5 und weniger als 22 Volumenprozent betragen muss. Sind sämtliche dieser Voraussetzungen erfüllt, so darf für die betreffenden Erzeugnisse gemäss Art. 21 Abs. 5 i.V.m. Anhang 6 lit. b der genannten Verordnung des EDI anstelle der Sachbezeichnung «aromatisierter Wein» auch die Bezeichnung «Wermut» oder «Wermutwein» verwendet werden, sofern u.a. zur Aromatisierung auch Stoffe verwendet werden, die aus Artemisia-Arten gewonnen wurden.
Aus den bereits erwähnten «Production Process Notes» sowie aus den Beiblättern «Product Composition», welche die Bacardi-Martini (Schweiz) AG der EAV ebenfalls am 19. Juli 2013 eingereicht hat (Beilagen 28 und 29 der EAV; bei den vorinstanzlichen Akten) ergibt sich indes, dass das Enderzeugnis hier lediglich zu 62 Prozent aus (unbehandeltem) Wein besteht und nicht zu mindestens 75 Prozent, wie dies die aufgezeigten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen für aromatisierte Weine resp. Wermutweine vorschreiben; 24 Prozent des Produktvolumens bestehen aus der mittels Gefrierkonzentration gewonnenen hochprozentigen Alkoholkomponente, die nach dem Gesagten nicht als Wein, sondern als gebranntes Wasser gilt. Damit steht fest, dass die Produkte «Martini Rosso aromatised wine based drink» und «Martini Bianco aromatised wine based drink» die lebensmittelrechtlichen Anforderungen an aromatisierte Weine resp. Wermutweine i.S.v. Art. 21 der Verordnung des EDI vom 29. November 2013 über alkoholische Getränke nicht erfüllen. Dass sich die beiden streitbetroffenen Getränke mit einem Alkoholgehalt von 14,3 Volumenprozent zudem auch ausserhalb der lebensmittelrechtlich für aromatisierte Weine vorgegebenen Spanne zwischen 14,5 und 22 Volumenprozent bewegen, bestätigt schliesslich dieses Ergebnis.
5.3.3.2. Für die hier interessierende Frage, unter welchen Voraussetzungen Produkte alkoholrechtlich als «Wermutwein und andere Weine aus frischen Weintrauben, mit frischen Pflanzen oder anderen Stoffen aromatisiert» i.S.v. Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG gelten und damit – bei Einhaltung des maximal zulässigen Alkoholgehalts – vom hälftig reduzierten Steuersatz erfasst werden, rechtfertigt sich allerdings dennoch eine Mitberücksichtigung der lebensmittelrechtlichen Kategorie der aromatisierten weinhaltigen Getränke: Wie aufgezeigt umfasst der alkoholrechtliche Begriff von steuerlich privilegiertem Wermutwein Getränke mit einem Alkoholgehalt von höchstens 22 Volumenprozent, was mit der lebensmittelrechtlichen Kategorie der aromatisierten Weine nahezu korrespondiert; letztere müssen weniger als 22 Volumenprozent aufweisen (vgl. Art. 21 Abs. 4 der Verordnung des EDI vom 29. November 2013 über alkoholische Getränke). Anders als das Lebensmittelrecht, welches für die aromatisierten Weine mindestens 14,5 Volumenprozent verlangt, schreibt das Alkoholgesetz für steuerlich privilegierte Wermutweine jedoch gerade keinen Mindestalkoholgehalt vor. Diesem wesentlichen Unterschied zwischen Alkoholgesetz und Lebensmittelrecht Rechnung tragend, ergibt sich demnach, dass als «Wermutwein und andere Weine aus frischen Weintrauben, mit frischen Pflanzen oder anderen Stoffen aromatisiert» i.S.v. Art. 23bis Abs. 2 lit. c AlkG sowohl die aromatisierten Weine i.S.v. Art. 21 der Verordnung des EDI vom 29. November 2013 über alkoholische Getränke als auch die aromatisierten weinhaltigen Getränke i.S.v. Art. 19 der genannten Verordnung qualifizieren können, sofern zur Aromatisierung auch Stoffe verwendet werden, die aus Artemisia-Arten gewonnen wurden.
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