Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6201/2020 vom 11. Januar 2022

Amtshilfe (DBA CH-ES): Verstorbene Person. Korrektur von Informationen

  • Bearbeitet durch: Susanne Raas
  • Category of articles: Leading decision
  • Field of Law: Internationale-Amtshilfe
  • Citation: Susanne Raas, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6201/2020 vom 11. Januar 2022, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2022 i.S. A. sel. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (A-6201/2020).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Amtshilfe kann betreffend verstorbene Personen geleistet werden. Beschwerdelegitimation (E. 1.3).

Korrektur offensichtlich falscher Informationen (E. 6.2).

Lassistance administrative peut être accordée concernant des personnes décédées. Qualité pour recourir (consid. 1.3).

Correction dinformations manifestement erronées (consid. 6.2).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Die spanische Steuerbehörde (Agencia Tributaria, nachfolgend: AT oder ersuchende Behörde) ersuchte die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV) gestützt auf Art. 25bis des Abkommens vom 26. April 1966 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.933.21; nachfolgend: DBA CH-ES) um diverse Informationen betreffend A. (nachfolgend: betroffene Person) für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016.

Mit Bezug zur F. Ltd. ersuchte die AT um Folgendes:

d) Flights taken with F. by [die betroffene Person]. Frequent passenger flight card: [...] from any country to Spain and from Spain to Switzerland.
e) Invoices issued to [die betroffene Person], and proof of payment.
f) Means of payment, identifying bank cards and its holder. If payments were made by bank transfer please identify bank account.
g) Date, time, departure and arriving airport of the flights petitioned in the first point [Frage d)]. h) Please specify whether the tickets were one-way or round-trip tickets.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 ersuchte die ESTV die F. um Edition der ersuchten Informationen.

Nach Durchführung des Verfahrens erliess die ESTV am 4. November 2020 eine Schlussverfügung gegenüber der betroffenen Person. Die ESTV verfügte, dass sie der AT Amtshilfe leiste und bezeichnete die zu übermittelnden Informationen.

Mit Eingabe vom 4. Dezember 2020 lässt die betroffene Person (nachfolgend auch: Beschwerdeführer) gegen die Schlussverfügung der ESTV (nachfolgend auch: Vorinstanz) vom 4. November 2020 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erheben.

Am 9. April 2021 informiert die Rechtsvertretung über den Hinschied des Beschwerdeführers.

3.

Aus den Erwägungen ^

1.3 Art. 18a StAhiG sieht vor, dass Amtshilfe betreffend verstorbene Personen geleistet werden kann. Deren Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger erhalten Parteistellung. Die Schweiz hat laut der entsprechenden Botschaft sicherzustellen, dass Informationen über verstorbene Personen in jedem Fall ausgetauscht werden können. Deshalb darf die gemäss schweizerischem Recht fehlende Partei- und Prozessfähigkeit nicht dazu führen, dass die staatsvertraglich geschuldete Leistung von Amtshilfe allein aus diesem Grund verunmöglicht wird. Vielmehr erhalten «Personen (einschliesslich Verstorbener), Sondervermögen und andere Rechtseinheiten, über die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt werden, Parteistellung» (Botschaft des Bundesrates vom 21. November 2018 zur Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke im Bericht zur Phase 2 der Länderüberprüfung der Schweiz, BBl 2019 279, 303; vgl. auch Urteile des BVGer A-5579/2020 vom 23. August 2021 E. 9.1 ff., A-2664/2020 vom 26. Januar 2021 E. 6.6).

Trotz des Hinschieds des Beschwerdeführers kommt diesem folglich Parteistellung zu und das vorliegende Verfahren ist weiterzuführen. Da weder Rechtsnachfolgerinnen oder Rechtsnachfolger in Erscheinung getreten sind noch um Parteistellung ersucht haben, kann im vorliegenden Verfahren von der Ermittlung selbiger abgesehen werden. Im Übrigen war der verstorbene Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens vor Bundesverwaltungsgericht rechtsgültig vertreten. Die entsprechende Vollmacht erlischt ausdrücklich erst zwölf Monate nach dem Ableben des Beschwerdeführers.

[…]

2.

2.1 Staatsvertragliche Grundlage für die Leistung von Amtshilfe in Steuersachen gegenüber Spanien ist Art. 25bis DBA CH-ES sowie Ziff. IV des dazugehörigen Protokolls vom 29. Juni 2009 (nachfolgend: Protokoll) in den geltenden Fassungen gemäss Art. 9 bzw. Art. 10–12 des Änderungsprotokolls vom 27. Juli 2011 (von der Bundesversammlung genehmigt am 15. Juni 2012, in Kraft seit 24. August 2013, und im Fall von Einkommens- und Vermögenssteuern anwendbar auf die Steuerjahre seit 1. Januar 2010; Art. 13 Abs. 2 Bst. [iii] des Änderungsprotokolls, AS 2013 2367, 2375 f.; BBl 2011 9153). Gemäss Art. 25bis Abs. 1 DBA CH-ES tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten diejenigen Informationen aus, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts über Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten, ihrer politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht. Der Informationsaustausch ist dabei durch die Art. 1 und 2 DBA CH-ES nicht eingeschränkt.

[…]

6.2

6.2.1 Hinsichtlich der zu übermittelnden Flugdaten der F. (Enclosure 3 und 4) macht der Beschwerdeführer geltend, die Liste der Flugdaten sei ungenau, zeige viele Flüge doppelt und weise klare Fehler auf. So trage die Liste nicht zur Klärung, sondern zur Verwirrung bei. Des Weiteren fehlten auf der zweiten Seite von Enclosure 4 die Zahlungsdaten, was vor einem Austausch zu korrigieren sei. Zudem bemängelt der Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz eigenhändig Änderungen an der Liste vorgenommen habe.

6.2.2 Die Vorinstanz hält diesbezüglich und mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 2C_726/2018 vom 14. Oktober 2019 dafür, dass die AT ohne Weiteres erkennen könne, dass die Informationen umstritten seien, weitere Klärungen erforderlich seien und sich ein Teil der Informationen zwangsläufig als unzutreffend herausstellen würden. Aus diesem Grund dürften die Informationen auch bei noch bestehenden Fehlern und Unklarheiten übermittelt werden.

Betreffend die eigenhändige Änderung der Liste entgegnet die Vorinstanz, es handle sich bei der Flugliste nicht um ein Dokument mit offiziellem Charakter. Sie habe die Liste nicht in Eigenregie, sondern exakt so angepasst, wie es die Informationsinhaberin mitgeteilt habe. Es mache keinen Unterschied, ob die Informationsinhaberin die Liste selbst anpasse oder bloss die Informationen liefere, damit sie, die Vorinstanz, die Liste selbst anpassen könne.

6.2.3 Das Bundesgericht hat in seinem Urteil, auf welches sich die Vorinstanz bezieht, erwogen, dass die Amtshilfe ungebührlich verzögert worden wäre, hätte die ESTV materiellrechtlich zu klären gehabt, ob eine bestimmte Person Aktionär war oder nicht. Die Klärung materiellrechtlicher Fragen sei nicht Zweck der Amtshilfe. Diese Überlegungen erfolgten vor dem Hintergrund, dass der betroffene Aktionär als ebensolcher in Erscheinung getreten war. Zudem habe die ESTV Informationen übermittelt, welche die beiden gegenteiligen Positionen (zum Aktionärsstatus) reflektiert hätten. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass Informationen auch dann weitergegeben werden könnten, wenn ein Teil derselben materiellrechtlich unzutreffend sei und damit potenziell falsche Informationen weitergegeben würden (zum Ganzen: Urteil des BGer 2C_276/2018 vom 14. Oktober 2019 E. 3.5).

6.2.4 Der Auffassung der Vorinstanz kann in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden, da der vorliegende Fall anders liegt. Strittig ist nicht eine materiellrechtliche Frage, sondern die Einträge in der Flugliste, mithin die Feststellung von getätigten Buchungen bzw. eine Sachverhaltsfeststellung.

Hinzu kommt, dass die Vorinstanz nicht selbst Informationen übermittelt, welche auf einen allfälligen Widerspruch hinweisen könnten. Vielmehr soll die AT die übermittelten Informationen verwenden, um die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen zu prüfen. Dies mag freilich dazu führen, dass die AT auf Widersprüche stösst. Diese wird sie aber womöglich zu Ungunsten des Beschwerdeführers werten, da sie die Informationen der ersuchten Behörde möglicherweise übernimmt, ohne diese auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Unter diesen Umständen ist es von zentraler Bedeutung, dass keine falschen Informationen übermittelt werden, zumal nach dem Verständnis der Vorinstanz die im Amtshilfeverfahren übermittelten Informationen einen offizielleren und verbindlicheren Charakter aufweisen als jene Informationen, welche der ersuchenden Behörde vom Beschwerdeführer direkt eingereicht werden.

Nicht nachvollziehbar ist zudem, weshalb die Vorinstanz falsche Informationen teilweise eigenhändig korrigiert, dies an anderen Stellen indes unterlässt bzw. einzelne Stellen schwärzt. Der Klarheit halber sind alle fehlerhaften Einträge zu korrigieren bzw. zu löschen.

6.2.5 Aus der Korrespondenz zwischen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und der F. geht hervor, dass die Liste weiterhin Fehler aufweist. Die Vorinstanz ist deshalb anzuweisen, die Fluglisten (Enclosure 3 und 4) von der Informationsinhaberin (F.) so bereinigen zu lassen, dass fehlerfrei ausschliesslich jene Flüge aufgeführt sind, welche tatsächlich gebucht wurden. Doppelt aufgeführte Flugdaten sind von der Informationsinhaberin (F.) zu löschen und nicht von der Vorinstanz zu schwärzen. Letztlich sind auch die Zahlungsdaten vollständig (sofern vorhanden) aufzuführen (Enclosure 4).

[…]

8.

Insgesamt ist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen im Umfang des Subeventualantrags betreffend die Liste der Flugdaten (E. 6.2.5) gutzuheissen, im Übrigen aber abzuweisen. Die Sache ist insofern an die Vorinstanz zurückzuweisen.