Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5324/2018 vom 9. Dezember 2019

Mögliches Vorliegen einer Betriebsstätte (DBA CH-SE)

  • 18 mars 2020
  • Traité par: Susanne Raas
  • Catégories d'articles: Arrêt de principe
  • Domaines juridiques: Assistance administrative internationale
  • Proposition de citation: Susanne Raas, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5324/2018 vom 9. Dezember 2019, ASA Online : Arrêt de principe
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5324/2018 vom 9. Dezember 2019 i.S. A. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung.

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Damit nach dem DBA CH-SE eine Betriebsstätte vorliegen kann, genügt es (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen), wenn eine Person in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates tätig ist, sie eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschliessen, und die Vollmacht in diesem Staat gewöhnlich ausübt (E. 3.2.2.1). Es gelingt der Beschwerdeführerin vorliegend nicht, die entsprechenden Anhaltspunkte (E. 3.2.3.1) zu widerlegen (E. 3.2.3.2).

Pour quun établissement stable existe en vertu de la CDI CH-SE, il suffit (sauf exceptions non pertinentes ici) quune personne dun État contractant travaille pour une entreprise de lautre État contractant, quelle dispose dune procuration pour conclure des contrats au nom de lentreprise et quelle exerce habituellement le pouvoir de procuration dans cet État (consid. 3.2.2.1). Dans le cas présent, la recourante ne parvient pas à réfuter (consid. 3.2.3.2) les éléments correspondants (E. 3.2.3.1).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Die schwedische Steuerbehörde (Swedish Tax Agency; nachfolgend: STA) richtete gestützt auf Art. 27 des Abkommens vom 7. Mai 1965 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.971.41; nachfolgend: DBA CH-SE) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV oder Vorinstanz). Die STA verlangte darin Informationen über die A. AG (nachfolgend: betroffene Person).

Die STA führt in Bezug auf den Sachverhalt aus, sie führe eine Untersuchung betreffend Einkommens- bzw. Gewinnsteuern der betroffenen Person während der Steuerperioden 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016. Die betroffene Person habe am (im Jahr 2013) eine Vollmacht an den schwedischen Staatsangehörigen C. erteilt, welche Letzteren zur selbständigen Verwaltung und Vertretung der betroffenen Person in deren finanziellen Interessen autorisiere. Gemäss schwedischem Recht – so die STA – habe ein Unternehmen eine Betriebsstätte in Schweden, wenn eine bevollmächtigte Person regelmässig Geschäftsverträge für das Unternehmen abschliesse. Der in Schweden lebende C. habe im Jahr 2013 im Namen und als Vertreter der A. AG einen Vertrag abgeschlossen. Sodann habe C. in den Jahren 2013 und 2014 als Vertreter an Verwaltungsratssitzungen in Schweden teilgenommen. Daher würden die Ermittler vermuten, dass C. seine Aufgaben im Rahmen seines Verantwortungsbereiches bei der betroffenen Person in Schweden ausgeführt habe; mit Blick auf das Gesagte sei davon auszugehen, die betroffene Person habe eine Betriebsstätte in Schweden.

Die betroffene Person habe der ermittelnden Behörde jedoch nicht die erforderlichen und erfragten Informationen für deren weitere Ermittlungen bzgl. einer allfälligen Betriebsstätte zur Verfügung gestellt, obwohl diese voraussichtlich relevant seien.

Die STA verlangte für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 diverse Informationen.

In ihrer Schlussverfügung vom 15. August 2018 kam die ESTV zum Schluss, der STA in Bezug auf die betroffene Person Amtshilfe im ersuchten Umfang zu leisten.

Dagegen erhob die betroffene Person (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 17. September 2018 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde in der Hauptsache ab.

3.

Aus den Erwägungen ^

3.2

3.2.1 Weiter rügt die Beschwerdeführerin, sie besitze keine feste Geschäftseinrichtung in Schweden. Die Voraussetzungen einer Betriebsstätte seien nicht erfüllt.

3.2.2

3.2.2.1 Laut Art. 5 Abs. 1 DBA CH-SE bedeutet der Ausdruck «Betriebsstätte» im Sinne des DBA CH-SE eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Ist eine Person – mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes 5 – in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates tätig, so gilt eine in dem erstgenannten Staat gelegene Betriebsstätte als gegeben, wenn die Person (1) eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschliessen, und (2) die Vollmacht in diesem Staat gewöhnlich ausübt, es sei denn, dass sich ihre Tätigkeit auf den Einkauf von Gütern oder Waren für das Unternehmen beschränkt (Art. 5 Abs. 4 DBA CH-SE).

3.2.2.2 Soweit die Behörden des ersuchenden Staates verpflichtet sind, den massgeblichen Sachverhalt darzulegen, kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie dies bereits lückenlos und völlig widerspruchsfrei tun. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Amtshilfe (wie mit jenem der Rechtshilfe) nicht vereinbar, sollen doch aufgrund von Informationen und Unterlagen, die sich im ersuchten Staat befinden, bisher im Dunkeln gebliebene Punkte erst noch geklärt werden (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1; BVGE 2011/14 E. 2; statt vieler: Urteil des BVGer A-7596/2016 vom 23. Februar 2018 [in BVGE 2018 III/1 nicht publizierte] E. 2.7). Daher verlangt die Rechtsprechung von der ersuchenden Behörde nicht den strikten Beweis des Sachverhalts, sondern sie muss nur (aber immerhin) hinreichende Verdachtsmomente für dessen Vorliegen dartun (BGE 139 II 451 E. 2.1 und E. 2.2.1 sowie BGE 139 II 404 E. 7.2.2; Urteil des BVGer A-6102/2016 vom 15. März 2017 E. 2.5).

3.2.3

3.2.3.1 Einig zu gehen ist mit der Vorinstanz, dass die (materielle) Frage des Vorliegens einer schwedischen Betriebsstätte nicht im Rahmen des vorliegenden Amtshilfeverfahrens zu klären ist. Entscheidend ist einzig, ob die von der STA gelieferten Anhaltspunkte für eine Einkommens- bzw. Gewinnsteuerpflicht der Beschwerdeführerin in Schweden von vornherein entkräftet werden können ([…]).

Für das vorliegende Verfahren kann festgehalten werden, dass die STA verschiedene relevante Anknüpfungspunkte nennt, die eine allfällige Steuerpflicht der Beschwerdeführerin in Schweden aufgrund einer Betriebsstätte begründen können. Dazu erklärt sie Folgendes: Ihre Nachforschungen hätten ergeben, dass dem schwedischen Staatsangehörigen C., welcher während des ersuchten Zeitraumes in Schweden gelebt habe, eine Vollmacht ausgestellt worden sei, welche ihn zur selbständigen Verwaltung und Vertretung der Beschwerdeführerin in deren finanziellen Interessen ermächtigt habe. C. habe am (im Jahr 2013) in (Ort in Schweden) einen Kaufvertrag bzgl. einer schwedischen Firma namens D. AB (umfirmiert in: E. AB) im Namen der Beschwerdeführerin abgeschlossen. Laut eines Verwaltungsratssitzungsprotokolls der gekauften Unternehmung – unterzeichnet an demselben Tag in Schweden – habe C. die Beschwerdeführerin als Alleinaktionärin an dieser Sitzung vertreten. Sodann habe er als Vertreter der Beschwerdeführerin an Verwaltungsratssitzungen in (Ort in Schweden) am (im Jahr 2013) und (im Jahr 2014) teilgenommen. Aufgrund dessen sei sie davon ausgegangen, dass C. seine Pflichten für die Beschwerdeführerin in Schweden vollzogen habe ([…]).

Dem Ersuchen sind somit genügend Kriterien zu entnehmen, dass C. im relevanten Zeitraum wohl über eine Vollmacht verfügt hat, um im Namen der Beschwerdeführerin in Schweden Verträge abzuschliessen und diese Vollmacht in Schweden auch tatsächlich ausgeübt hat (vgl. die Voraussetzungen einer Betriebsstätte: E. 3.2.2.1). Eine Steuerpflicht der Beschwerdeführerin aufgrund einer Betriebsstätte könnte somit durchaus bestehen.

3.2.3.2 Aufgrund des im Völkerrecht geltenden Vertrauensprinzips kann die Beschwerdeführerin diese Hinweise nur widerlegen, indem sie sofort belegt, dass die Anknüpfungspunkte, welche die STA in ihrem Ersuchen für die von ihr angenommene allfällige Steuerpflicht der Beschwerdeführerin in Schweden aufgrund einer Betriebsstätte nennt, offensichtlich fehler-, lückenhaft oder widersprüchlich sind ([…]). Hierzu bringt sie vor, aufgrund von Art. 5 Abs. 6 DBA CH-SE sei ausgeschlossen, dass sie einzig aufgrund ihrer Beteiligungen in Schweden eine Betriebsstätte begründen würde. Ausserdem verweist sie auf Art. 5 Abs. 4 DBA CH-SE und führt aus, es fehle vorliegend bereits an einer erteilten Vollmacht. Zwar habe sie C. am (im Jahr 2013) in Hinblick auf den beabsichtigten Kauf der D. AB (umfirmiert in: E. AB) eine Vollmacht ausgestellt. Dieser sei nämlich noch nicht als Verwaltungsrat im Handelsregister eingetragen gewesen. Mit Eintrag vom (im Jahr 2013) habe C. die Beschwerdeführerin jedoch fortan ohne entsprechende Vollmacht, sondern lediglich aufgrund seiner Organstellung vertreten. Folglich habe er sie nur einmal im Rahmen dieser Vollmacht vertreten und habe danach vielmehr im Rahmen seiner Organstellung gehandelt; die Vollmacht sei dadurch hinfällig geworden. Überdies sei der gewöhnliche Aufenthalt von C. für die geltend gemachte Periode nicht in Schweden gewesen; er habe seine Tätigkeit keineswegs gewöhnlich in Schweden ausgeübt, sondern sei weltweit unterwegs gewesen.

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass sie nicht einzig aufgrund ihrer Beteiligungen in Schweden eine Betriebsstätte begründet. Wie gezeigt, kann sie aber als Betriebsstätte gelten, wenn eine Person in Schweden eine Vollmacht besitzt/besass, in ihrem Namen Verträge abzuschliessen und die Vollmacht auch gewöhnlich in diesem Staat ausübt(e). Mit ihren Ausführungen bestätigt die Beschwerdeführerin vorliegend jedoch gerade, dass sie C. am (im Jahr 2013) in Hinblick auf einen Kaufvertrag eine Vollmacht ausgestellt und er diese in Schweden ausgeübt hat. Sie bekräftigt die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Betriebsstätte in Schweden und somit die Sachverhaltsdarstellung der STA.

3.2.4 Insgesamt gelingt es der Beschwerdeführerin mit ihrer unbelegten Parteibehauptung nicht, die Hinweise der STA zu widerlegen bzw. sofort zu belegen, dass deren Sachverhaltsdarstellung offensichtlich fehler-, lückenhaft oder widersprüchlich ist.