Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1531/2015 vom 26. Juni 2015

Betrugsbekämpfungsabkommen. Sicherstellung

  • 18. Oktober 2015
  • Bearbeitet durch: Susanne Raas
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Internationale Amtshilfe
  • Zitiervorschlag: Susanne Raas, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1531/2015 vom 26. Juni 2015, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1531/2015 vom 26. Juni 2015 i.S. A. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung. Noch nicht entschiedene Rechtsfrage.

Inhalt

  • Regeste 
  • Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • Aus den Erwägungen

Regeste  ^

Die Schweiz kann gestützt auf das Betrugsbekämpfungsabkommen unter anderem geschuldete Umsatzsteuerforderungen für einen anderen Vertragsstaat einziehen, wenn sich die Forderung aus einer rechtswidrigen Handlung ergibt (E. 1.2). Eine rechtskräftige Verurteilung im ersuchenden Staat ist nicht nötig. Es genügt der Verdacht auf eine rechtswidrige Handlung (E. 3.1.3.2). Forderungen, die die direkte Bundessteuer betreffen, können gestützt auf Art. 24 Betrugsbekämpfungsabkommen nicht eingezogen werden (E. 3.1.1). Die Sicherstellung ist bei Gefährdung der Steuer zulässig (E. 2.2 und 3.2.1 f.). Die Sicherstellungsverfügung nach Art. 93 MWSTG gilt als Arrestbefehl im Sinn von Art. 274 SchKG (E. 2.4 und 3.2.4). Die Sicherstellung muss verhältnismässig sein (E. 2.3 und – in Bezug auf den Umrechnungsfaktor und die Höhe des sicherzustellenden Betrages – E. 3.3.2 f.). Das Betrugsbekämpfungsabkommen gilt für Ersuchen aufgrund von Straftaten, die ab dem 26. April 2005 begangen wurden. Soweit die Einziehung von Forderungen früherer Zeitperioden verlangt wird, müsste durch den ersuchenden Staat begründet werden, inwiefern eine später begangene rechtswidrige Handlung einer früheren Forderung zugrunde liegen kann (E. 3.1.7). 

En vertu de l'Accord sur la lutte contre la fraude, la Suisse peut, entre autres, procéder, pour le compte d'un des Etats contractants, au recouvrement de créances fiscales découlant de la taxe sur la valeur ajoutée, lorsque ces créances résultent d'une activité illégale (consid. 1.2). Une condamnation définitive dans l'Etat requérant n'est pas nécessaire. Le soupçon d'une activité illégale suffit (consid. 3.1.3.2). Les créances qui sont liées aux impôts directs ne peuvent pas faire l'objet d'un recouvrement sur la base de l'art. 24 de l'Accord (consid. 3.1.1). Des sûretés peuvent être demandées lorsque le recouvrement de l'impôt est menacé (consid. 2.2 et 3.2.1 s.). La décision par laquelle des sûretés sont demandées en application de l'art. 93 LTVA vaut ordonnance de séquestre au sens de l'art. 274 LP (consid. 2.4 et 3.2.4). Le montant des sûretés doit respecter le principe de proportionnalité (consid. 2.3 et – en relation avec le taux de conversion et le montant à fournir – consid. 3.3.2 s.). L'Accord sur la lutte contre la fraude s'applique aux requêtes qui portent sur des infractions pénales qui ont été commises à compter du 26 avril 2005. Pour la part des créances à recouvrer qui est antérieure à cette date, il conviendrait que l'Etat requérant explique comment une activité illégale menée a posteriori peut être à l'origine d'une créance fiscale déjà existante (consid. 3.1.7). 

Sulla base dell'Accordo antifrode, la Svizzera può, fra l'altro, procedere per conto di un altro Stato contraente, al recupero dei crediti concernenti l'imposta sul valore aggiunto, nella misura in cui essi risultino da un'attività illecita (consid. 1.2). Una condanna definitiva nello Stato richiedente non è necessaria. Il sospetto di un'attività illecita è sufficiente (consid. 3.1.3.2). I crediti concernenti le imposte dirette non possono essere recuperati sulla scorta dell'art. 24 dell'Accordo antifrode (consid. 3.1.1). Sono ammesse delle garanzie allorquando il recupero dell'imposta è messo in pericolo (consid. 2.2 e 3.2.1 seg.). La richiesta di garanzie ai sensi dell'art. 93 LIVA vale come decreto di sequestro ai sensi dell'art. 274 LEF (consid. 2.4 et 3.2.4). La garanzia deve essere proporzionale (consid. 2.3 e – in rapporto al fattore di conversione e all'importo da fornire – consid. 3.3.2 seg.). L'Accordo antifrode è applicabile alle domande relative ai reati penali commessi a partire dal 26 aprile 2005. Se viene chiesto il recupero di crediti anteriori alla predetta data, spetta allo Stato richiedente motivare in che misura un'attività illecita iniziata posteriormente possa trovarsi all'origine di un tale credito (consid. 3.1.7). 

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Mit Schreiben vom 10. November 2011 des deutschen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) wurde die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gestützt auf Art. 24 des Betrugsbekämpfungsabkommens (Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen [BBA; SR 0.351.926.81]) sowie mit Verweis auf das Schreiben des Finanzamts X. (Deutschland, [...]) vom 4. November 2011 um Amtshilfe (Einziehung) ersucht.
Gemäss Sachverhalt erliess das Finanzamt X. aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndung gegen A. Steuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2003. Die in der «Rückstandsanzeige» vom 24. Oktober 2011 des Finanzamts X. ausgewiesene Steuerforderung gegenüber A. im Gesamtbetrag von EUR 1'981'182.89 ist in Deutschland laut schriftlicher Bestätigung des Finanzamts X. rechtskräftig festgesetzt und vollstreckbar. Die fragliche Forderung betrifft einerseits – im Umfang von EUR 1'359'970.42 – die Einkommenssteuer in den Jahren 2003 bis 2010, andererseits – im Umfang von EUR 621'212.47 – die Umsatzsteuer in den Jahren 2004 bis 2010. Gemäss «Rückstandsanzeige» wurden sämtliche Steuerforderungen (bzw. Teilforderungen) in den Jahren 2009 und 2011 fällig.
Die Vollstreckung der genannten Steuerforderungen in Deutschland blieb erfolglos.
In den deutschen Behörden bekannte und allfälligen weiteren Vermögenswerte von A. in der Schweiz wird mit dem vorliegenden Amtshilfeersuchen die Vollstreckung beantragt.
Die ESTV eröffnete daraufhin ein Amtshilfeverfahren, in dessen Rahmen sie am 18. Dezember 2014 als vorsorgliche Massnahme eine Sicherstellungsverfügung nach Art. 93 MWSTG (SR 641.20) erliess. Darin hält sie fest, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung nach Art. 24 BBA für den Betrag von EUR 621'212.47 (Umsatzsteuerforderung) erfüllt seien. Die direkten Steuern (Einkommenssteuerforderung) seien hingegen vom Anwendungsbereich des BBA ausgeschlossen. Die Einziehung richte sich nach dem MWSTG, welches diesbezüglich auf das SchKG (SR 281.1) verweise. Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nach Art. 93 MWSTG seien vorliegend erfüllt. Die ESTV verlange von A. daher die Leistung einer Sicherheit in der Höhe von Fr. 918'998.27 für die gemäss Einziehungsersuchen geschuldete, rechtskräftige und vollstreckbare Umsatzsteuerforderung im Betrag von EUR 621'212.47.
An demselben Tag liess die ESTV diese Sicherstellungsverfügung dem zuständigen Betreibungsamt als Arrestbefehl im Sinn von Art. 274 SchKG zukommen.
Mit Eingabe vom 9. März 2015 liess A. (Beschwerdeführer) gegen die erwähnte Sicherstellungsverfügung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben. Er beantragt insbesondere (1.) die Aufhebung der angefochtenen Sicherstellungsverfügung und (2.) des Arrestbefehls.
Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Aus den Erwägungen ^

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Sicherstellungsverfügung vom 18. Dezember 2014, welche die ESTV als vorsorgliche Massnahme erlassen hat, nachdem sie vom BZSt gestützt auf Art. 24 BBA um Einziehung von Umsatzsteuerforderungen ersucht wurde, die sich aus der Hinterziehung von Umsatzsteuern durch den Beschwerdeführer in Deutschland ergeben haben sollen.
Vorab sind die Eintretensvoraussetzungen zu prüfen:
1.1 [Anwendbarkeit des BBA]
1.2 Gemäss Art. 24 Ziff. 1 BBA zieht die ersuchte Vertragspartei auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei in den Anwendungsbereich des BBA fallende Forderungen ein, als ob es ihre eigenen wären. Nach seinem Art. 2 Ziff. 1 Bst. b findet das BBA Anwendung auf die Beschlagnahme und Einziehung geschuldeter oder zu Unrecht vereinnahmter Beträge, die sich aus den in Art. 2 Ziff. 1 Bst. a BBA genannten rechtswidrigen Handlungen ergeben. Als rechtswidrige Handlungen gelten der «Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen, die die finanziellen Interessen der Vertragsparteien beeinträchtigen», unter anderem «in Bezug auf den Waren- und Dienstleistungsverkehr, der gegen steuerrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, der besonderen Verbrauchssteuern und der Verbrauchssteuern verstösst» (Art. 2 Ziff. 1 Bst. a Lemma 2 BBA). Die im vorliegenden Amtshilfeersuchen verlangte Einziehung rechtskräftiger und vollstreckbarer Umsatzsteuerforderungen im Zusammenhang mit der (angeblichen) Hinterziehung von Umsatzsteuern durch den Beschwerdeführer in Deutschland wird entsprechend (grundsätzlich) vom Anwendungsbereich des BBA erfasst (vgl. dazu: Urteil des BVGer A-1735/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 1.1.2; vgl. zur «weiten Auslegung» des Begriffs «Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen» gemäss BBA: Anna Skvarc, Bekämpfung von strafbaren Verhaltensweisen nach dem Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU, 2010, S. 31 ff., insb. S. 83 ff. mit zahlreichen Literaturhinweisen; Hermann Kästli, Betrugsbekämpfung im Rahmen der bilateralen Abkommen II mit der EU, in: ASA 74 S. 177–199, insb. S. 183; vgl. ferner zum Anwendungsbereich des BBA: Botschaft vom 1. Oktober 2004 zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen, Bilaterale II [nachfolgend: Botschaft Bilaterale II], BBl 2004 5965 ff., 6188).
1.3 Beim BBA handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Bst. a des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111; in Kraft getreten für die Schweiz am 6. Juni 1990; vgl. Urteil des BVGer A-1735/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 2; Skvarc, a.a.O., S. 17 f.; Fabrice Filiez, in: Christine Kaddous/Monique Jametti Greiner [Hrsg.], Bilaterale Abkommen II Schweiz-EU und andere neue Abkommen, 2006, S. 654). Gemäss Art. 190 BV haben die rechtsanwendenden Behörden das Völkerrecht anzuwenden. Die Schweiz folgt dem monistischen System, demgemäss Völkerrecht direkt anwendbar ist, ohne dass eine Transformation ins Landesrecht notwendig wäre. Dementsprechend gelangt das BBA vorliegend direkt zur Anwendung (vgl. BGE 138 II 42 E. 3.1; BVGE 2010/40 E. 3.2; Urteil des BVGer A-1735/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 1.1.4).
1.4
1.4.1 Gemäss Art. 9 Ziff. 1 Satz 1 BBA wenden die Behörden der Vertragsparteien die unter dem Titel «Amtshilfe» stehenden Bestimmungen des BBA (Art. 7–24 BBA) im Rahmen der Zuständigkeiten an, die ihnen auf der Grundlage ihres internen Rechts übertragen worden sind.
1.4.2 [Zuständigkeit des BVGer und anwendbares Verfahrensrecht]
1.4.3 [Rechts- oder Amtshilfe]
1.5 Betreffend die mit dem vorliegenden Einziehungsersuchen verlangte internationale Amtshilfe im Bereich der Mehrwertsteuer (bzw. Umsatzsteuer) richten sich die Zuständigkeit und das innerstaatliche Verfahren seit dem 1. Februar 2013 nach Art. 75a MWSTG; dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – gestützt auf das BBA um Amtshilfe ersucht wird (Art. 75a MWSTG fand im Rahmen des Erlasses des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen [StAhiG; SR 651.1] Eingang ins Mehrwertsteuerrecht und ist mit diesem am 1. Februar 2013 in Kraft getreten; vgl. Botschaft vom 6. Juli 2011 zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes [nachfolgend: Botschaft StAhiG], BBl 2011 6193 ff., 6228; Michael Beusch/Ralph Imstepf, [in: Martin Zweifel/Michael Beusch/Pierre-Marie Glauser/Philip Robinson [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015], N 5, 12 und 16 zu Art. 75a MWSTG). Bei Bestimmungen über die Amtshilfe handelt es sich grundsätzlich um Vorschriften verfahrensrechtlicher Natur, die mit ihrem Inkrafttreten auf sämtliche im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängige Amtshilfeverfahren sofort Anwendung finden, sofern keine anderslautende Übergangsregelung besteht (vgl. BVGE 2010/40 E. 6.5.2). Betreffend die Amtshilfebestimmung von Art. 75a MWSTG findet sich keine Übergangsregelung (vgl. dagegen Art. 24 StAhiG e contrario). Die Bestimmung ist daher auf das vorliegende Amtshilfeverfahren, das am 1. Februar 2013 (bereits und noch) hängig war, anwendbar.
1.6 [Selbständig anfechtbare Zwischenverfügung]
1.7 [Beschwerdelegitimation]
1.8 [Eintretensfragen]
2.
2.1 Die Sicherstellungsverfügung besteht in einer behördlichen Massnahme mit dem Zweck, dem Gemeinwesen Sicherheit für einen Steueranspruch zu verschaffen, dessen Verwirklichung aus bestimmten äusseren Gründen als gefährdet erscheint. Durch die Sicherstellungsverfügung soll dafür gesorgt werden, dass der Steueranspruch bei Eintritt der Fälligkeit bzw. nach Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids tatsächlich realisiert werden kann (vgl. Urteile des BVGer A-1663/2006 vom 19. März 2007 E. 2.1 sowie – mit Bezug auf Sicherstellungen im Bereich der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe [LSVA] – A-2726/2014 vom 12. August 2014 E. 5.3 je mit Hinweisen).
2.2 Damit eine Sicherstellung allenfalls zulässig ist, muss eine Gefährdung der Steuerforderung vorliegen. Im Anwendungsbereich von Art. 93 Abs. 1 MWSTG reicht es aus, wenn die rechtzeitige Bezahlung der Steuerforderung als gefährdet «erscheint» (Bst. a); eine solche Gefährdung ist also nach dem Wortlaut der Verordnung nur glaubhaft zu machen (vgl. Urteil des BGer 2A.59/2003 vom 25. September 2003 E. 3.1 sowie Urteil des BVGer A-2726/2014 vom 12. August 2014 E. 5.4.1). Weiter liegt nach Art. 93 Abs. 1 MWSTG eine Gefährdung der Steuerforderung unter anderem dann vor, wenn die zahlungspflichtige Person Anstalten trifft, ihren Wohn- oder Geschäftssitz oder ihre Betriebsstätte in der Schweiz aufzugeben (Bst. b), oder wenn sie mit ihrer Zahlung in Verzug ist (Bst. c).
Die Gefährdung braucht nicht in einem nach aussen sichtbaren Verhalten der steuerpflichtigen Person zu liegen. Bereits eine objektive Gefährdung – ohne dass der steuerpflichtigen Person eine entsprechende Absicht nachgewiesen werden könnte – kann eine Sicherstellungsverfügung rechtfertigen. Im Einzelfall kann es bereits ausreichen, dass eine steuerpflichtige Person ihre Abrechnungen nicht korrekt ausfüllt bzw. nicht fristgerecht einreicht (vgl. Art. 93 Abs. 1 Bst. e MWSTG). Dagegen reicht eine Gefährdung ausschliesslich zufolge schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse des Schuldners nicht aus. Notwendig sind vielmehr bestimmte gefährdende Handlungen, deren Effekt dem Staatswesen das zur Deckung seiner Ansprüche nötige Vermögen entzieht (vgl. Urteile des BVGer A-2726/2014 vom 12. August 2014 E. 5.4.1 sowie A-1663/2006 vom 19. März 2007 E. 2.2.1; vgl. Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, S. 332 f.). Eine weite «Auslegung» bzw. Handhabung des Gefährdungstatbestands entspricht grundsätzlich der Natur der Mehrwertsteuer; denn diese basiert auf dem Prinzip der Selbstveranlagung (statt vieler: Urteil des BVGer A-2473/2014 vom 13. März 2015 E. 2.3 mit Hinweisen).
2.3 Sodann muss die gegen eine steuerpflichtige Person erlassene Sicherstellungsverfügung auch verhältnismässig sein. Die Behörde soll sich keines strengeren Zwangsmittels bedienen, als es die Umstände verlangen (BGE 124 I 44 f. E. 3e, 123 I 121 E. 4e; Urteile des BVGer A-2726/2014 vom 12. August 2014 E. 5.8.1 sowie A-1663/2006 vom 19. März 2007 E. 2.2.3 je mit Hinweisen). Dies gilt vorab einmal für die Höhe der verlangten Sicherheit. Sicherstellungsverfügungen müssen in jedem Fall ihren provisorischen Charakter behalten und der (geschuldeten bzw. voraussichtlich geschuldeten) Steuerforderung Rechnung tragen. Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die Angemessenheit (vgl. Art. 49 Bst. c VwVG) der bei ihm angefochtenen Sicherstellungsverfügungen allerdings mit Zurückhaltung und interveniert nur, wenn der Sicherstellungsbetrag offensichtlich übersetzt ist (vgl. Urteile des BVGer A-2726/2014 vom 12. August 2014 E. 2 und A-3546/2011 vom 19. August 2011 E. 1.2; vgl. ferner Urteil des BGer 2C_753/2007 vom 15. Mai 2008 E. 3.3 sowie grundsätzlich BVGE 2010/19 E. 4.2).
2.4 Die Sicherstellungsverfügung nach Art. 93 MWSTG hat den Rechtsgrund der Sicherstellung, den sicherzustellenden Betrag und die Stelle, welche die Sicherheiten entgegennimmt, anzugeben; sie gilt als Arrestbefehl im Sinn von Art. 274 SchKG (Art. 93 Abs. 3 Satz 1 MWSTG).
3.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es – nur, aber immerhin – darum, die Rechtmässigkeit der angefochtenen Sicherstellungsverfügung zu überprüfen. Dagegen ist hier nicht – jedenfalls nicht abschliessend – darüber zu entscheiden, ob dem vorliegenden Amtshilfeersuchen zu entsprechen ist. Diese Frage vermag grundsätzlich erst Gegenstand des allfälligen nachfolgenden, gegen die entsprechende Schlussverfügung der ESTV gerichteten, Beschwerdeverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht zu bilden ([…]).
3.1 Im Rahmen der Überprüfung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Sicherstellungsverfügung stellt sich vorab die Frage, ob die ESTV das dieser Verfügung zugrunde liegende Amtshilfeverfahren zu Recht eröffnet hat. Die Frage ist insoweit zu bejahen, als sich das vorliegende Amtshilfeersuchen nicht als offensichtlich (prima facie) unzulässig erweist.
3.1.1 Mit dem fraglichen Ersuchen wird gestützt auf Art. 24 BBA die Einziehung einer Gesamtsteuerforderung von EUR 1'981'182.89 verlangt. Diese Forderung betrifft neben der Umsatzsteuer (indirekte Steuer) auch die Einkommenssteuer (direkte Steuer). Gestützt auf Art. 24 BBA können indes keine Forderungen eingezogen werden, welche die direkten Steuern betreffen (vgl. Art. 2 Ziff. 4 BBA). Insoweit daher mit dem vorliegenden Amtshilfeersuchen auch die Einziehung von Einkommenssteuerforderungen verlangt wird (nämlich im Umfang von EUR 1'359'970.42), erweist es sich als offensichtlich unzulässig. Die ESTV hat das vorliegende Amtshilfeverfahren – und folgerichtig auch die angefochtene Sicherstellungsverfügung – daher zu Recht auf die (nach Art. 24 BBA grundsätzlich einziehungsfähige und im fraglichen Ersuchen geltend gemachte) Umsatzsteuerforderung von EUR 621'212.47 beschränkt (vgl. dazu auch E. 3.3.1 […]).
3.1.2 Die Einziehung nach Art. 24 BBA ist weiter nur in Bezug auf geschuldete oder zu Unrecht vereinnahmte Beträge zulässig (vgl. Art. 2 Ziff. 1 Bst. b BBA). Einem entsprechenden Ersuchen sind zwingend eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie des von der ersuchenden Vertragspartei erlassenen Vollstreckungstitels und gegebenenfalls das Original oder eine beglaubigte Kopie sonstiger für die Einziehung erforderlicher Unterlagen beizulegen (Art. 24 Ziff. 2 BBA; vgl. Botschaft Bilaterale II, BBl 2004 5965, 6194).
3.1.2.1 Das BZSt hat der ESTV als Vollstreckungstitel die «Rückstandsanzeige» des Finanzamts X. vom 24. Oktober 2011 eingereicht ([…]). Das Finanzamt X. bescheinigt darin mittels Stempel und Unterschrift, dass die erwähnte Umsatzsteuerforderung von EUR 621'212.47 in Deutschland gegenüber dem Beschwerdeführer rechtskräftig festgesetzt und vollstreckbar ist.
3.1.2.2 [Grundsätzliche Bindung an die Sachverhaltsdarstellung im Amtshilfegesuch]
3.1.3 In einem Einziehungsersuchen nach Art. 24 BBA ist rechtsgenügend darzutun, dass die einzuziehende Forderung aus einer nach Art. 2 Ziff. 1 Bst. a BBA amtshilfefähigen Straftat stammt (vgl. Art. 24 Ziff. 1 i.V.m. Art. 2 Ziff. 1 Bst. b BBA). Indes hat sich die ersuchte Vertragspartei nicht darüber auszusprechen, ob die im Ersuchen angeführten Tatsachen zutreffen oder nicht. Wie erwähnt (vgl. E. 3.1.2.2), ist sie an die Darstellung des Sachverhalts im Ersuchen insoweit gebunden, als diese nicht wegen offensichtlicher Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht prüft als Amtshilfegericht nur, ob die Schwelle zur berechtigten Annahme des Tatverdachts erreicht ist. In der Folge obliegt es der vom Amtshilfeverfahren betroffenen Person, den begründeten Tatverdacht klarerweise und entscheidend zu entkräften. Gelingt ihr dies, ist die Amtshilfe zu verweigern (vgl. Urteil des BVGer A-1735/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 3.4 mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 128 II 407 E. 5.2.1, 127 II 142 E. 5a, 125 II 65 E. 6a f.).
3.1.3.1 Zwischen den Parteien ist zu Recht unbestritten, dass die dem Beschwerdeführer im vorliegenden Einziehungsersuchen vorgeworfene Hinterziehung von Umsatzsteuern grundsätzlich eine nach BBA amtshilfefähige Straftat darstellt (vgl. E. 1.2). Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, aus dem fraglichen Ersuchen ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass er tatsächlich Umsatzsteuern hinterzogen haben könnte. Vielmehr ergäbe sich das Gegenteil: So hätten die deutschen Behörden gegen ihn zwar ein Strafverfahren wegen der Hinterziehung von Umsatzsteuern geführt. Mit Urteil des Landgerichts Y. vom 26. Februar 2010 sei das betreffende Verfahren jedoch eingestellt worden. Dieses Urteil sei zudem in Rechtskraft erwachsen. Eine Wiederaufnahme des fraglichen Strafverfahrens sei nicht mehr möglich, da seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts mehr als drei Monate vergangen seien (der Beschwerdeführer beruft sich diesbezüglich auf § 154 Abs. 4 StPO-D). Das Gesuch erweise sich daher – mangels Vorliegens einer nach BBA amtshilfefähigen Straftat – als offensichtlich unzulässig.
3.1.3.2 Der Beschwerdeführer verkennt bei dieser Argumentation zunächst, dass die Amtshilfe nach BBA bzw. die Frage nach dem Vorliegen einer nach Art. 2 Ziff. 1 BBA in den Anwendungsbereich des BBA fallenden «rechtswidrigen Handlung» nicht an eine entsprechende (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung im ersuchenden Vertragsstaat gebunden ist. Nach den vorstehenden Ausführungen (E. 3.1.3 am Anfang) genügt es vielmehr, wenn aufgrund der Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen die Schwelle zur berechtigten Annahme des Tatverdachts erreicht ist.
Gemäss Sachverhaltsdarstellung im vorliegenden Ersuchen ([…]) hat der Beschwerdeführer trotz Aufforderung keine Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Die deutschen Behörden leiteten gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen der Hinterziehung von Umsatzsteuern ein, welches zu einer entsprechenden Anklageerhebung beim Landgericht Y. führte. Dieses hat das fragliche Verfahren zwar auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt. Diese Einstellung erfolgte jedoch nicht etwa deshalb, weil sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ergeben hat, dass offensichtlich kein strafbares Verhalten bzw. keine Hinterziehung von Umsatzsteuern gegeben ist. Die fragliche Einstellung erfolgte vielmehr aufgrund von § 154 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 154 Abs. 2 StPO-D. Nach § 154 Abs. 1 Ziff. 1 StPO-D kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn die Strafe, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt (vgl. das «Opportunitätsprinzip» bzw. den «Verzicht auf Strafverfolgung» gemäss Art. 8 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO; SR 312.0]). Ist die «öffentliche Klage» – wie eben im vorliegenden Fall – bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen (vgl. § 154 Abs. 2 StPO-D; […]). Darüber hinaus teilte das BZSt der ESTV mit E-Mail vom 15. November 2012 mit, dass die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO-D eine «nachgewiesene Tat» voraussetze. Im vorliegenden Fall sei eine Umsatzsteuerhinterziehung gegeben ([…]).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist damit rechtsgenügend dargetan, dass die gemäss Ersuchen einzuziehenden Umsatzsteuerforderungen aus der Hinterziehung von Umsatzsteuern durch den Beschwerdeführer und damit aus einer nach BBA amtshilfefähigen Straftat stammen. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diesen Schluss entscheidend in Frage zu stellen vermöchte. Für sein Vorbringen, mit der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO-D könne nicht mehr auf das Vorliegen einer (nach BBA amtshilfefähigen) Hinterziehung von Umsatzsteuern geschlossen werden, besteht mit Verweis auf das Ausgeführte jedenfalls keine Grundlage.
3.1.4–3.1.6 […]
3.1.7 Der Beschwerdeführer beruft sich ferner auf Art. 46 BBA, wonach das BBA nur für Ersuchen wegen Straftaten gilt, die mindestens sechs Monate nach der am 26. Oktober 2004 erfolgten Unterzeichnung des Abkommens, d.h. ab dem 26. April 2005, begangen wurden.
Mit Blick auf Art. 46 BBA erwiese sich das vorliegende Amtshilfeersuchen in der Tat insoweit als offensichtlich unzulässig, als damit die Einziehung von Umsatzsteuerforderungen verlangt würde, die aus einer vor dem 26. April 2005 begangenen Straftat stammen. Grundsätzlich ist gestützt auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip (vgl. E. 3.1.2.2) zwar anzunehmen, dass die ersuchende Vertragspartei im Ersuchen nur die Einziehung von Forderungen verlangt, die aus Straftaten stammen, die ab dem 26. April 2005 begangen wurden. Diese Annahme rechtfertigt sich aber freilich nur solange, als ihr keine gegenteiligen, offensichtlichen Anhaltspunkte entgegenstehen.
In dieser Hinsicht fällt vorliegend auf, dass mit dem fraglichen Ersuchen auch die Einziehung von Forderungen verlangt wird, welche die Umsatzsteuer in den Jahren 2004 und 2005 betreffen. Während es das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Forderung 2005 gerade noch für gerechtfertigt hält, ohne weitere Begründung durch das BZSt einzig gestützt auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip anzunehmen, dass die entsprechende(n) Straftat(en) ab dem 26. April 2005 begangen wurde(n), erachtet es dieselbe Annahme in Bezug auf die Forderung 2004 für ganz offensichtlich nicht zulässig. Dem Gericht erschliesst sich nämlich nicht, inwiefern der Forderung 2004 eine rechtswidrige Handlung zugrunde liegen könnte, die erst viel später, eben ab dem 26. April 2005, begangen wurde. Derlei mag nach dem insoweit massgeblichen deutschen Recht zwar nicht ausgeschlossen sein; ohne diesbezügliche Begründung durch das BZSt bzw. allein aufgrund des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips ist davon jedoch nicht auszugehen.
Das vorliegende Ersuchen erweist sich folglich hinsichtlich der Forderung 2004, welche gemäss «Rückstandsanzeige» einen Gesamtbetrag von EUR 10'103.91 betrifft, als offensichtlich ungenügend begründet, so dass insoweit keine Sicherstellung zulässig ist. Der ESTV steht es jedoch frei, im Rahmen des vorliegenden Amtshilfeverfahrens die erforderliche Begründung beim BZSt nachzuverlangen und den betreffenden Betrag gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt sicherzustellen. Anzumerken ist, dass es zur fraglichen Begründung entgegen der offenbaren Ansicht der ESTV nicht ausreicht, wenn das BZSt geltend macht, die Forderung 2004 sei erst am 28. Oktober 2009 fällig geworden. Das Fälligkeitsdatum der Forderung ist im Rahmen von Art. 46 BBA nicht das massgebliche Kriterium.
3.1.8 […]
3.2 In einem zweiten Schritt gilt es nun zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Sicherstellungsverfügung als vorsorgliche Massnahme im vorliegenden Amtshilfeverfahren erfüllt sind.
3.2.1 Gemäss Art. 24 Ziff. 3 BBA trifft die ersuchte Vertragspartei vorsorgliche Massnahmen, um die Einziehung einer (in den Anwendungsbereich des BBA fallenden) Forderung zu gewährleisten. Nach dem (analog) anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensrecht dürfen zum Zweck der Herausgabe von Informationen, Unterlagen, Gegenständen oder Vermögenswerten Massnahmen durchgeführt werden, die im schweizerischen Recht vorgesehen sind und die im Mehrwertsteuerrecht oder in den nichtmehrwertsteuerrechtlichen Erlassen des Bundes angewendet werden können (Art. 115c ZG analog).
Der Erlass der angefochtenen Sicherstellungsverfügung (Sicherstellungsverfügung nach Art. 93 MWSTG) ist im vorliegenden Amtshilfeverfahren (Einziehungsverfahren nach Art. 24 BBA) daher grundsätzlich zulässig bzw. möglich.
3.2.2 Dass weiter eine Gefährdung der Steuerforderung gegeben ist, ist vorliegend offensichtlich und daher zu Recht unbestritten. So hat der Beschwerdeführer namentlich seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben und ist mit der Bezahlung der streitbetroffenen Umsatzsteuerforderung in Verzug (vgl. E. 2.2).
3.2.3 […]
3.2.4 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die angefochtene Sicherstellungsverfügung gelte nach der gesetzlichen Regelung zugleich als Arrestbefehl nach Art. 274 SchKG und habe daher den entsprechenden Anforderungen zu genügen. Namentlich hätten darin die mit Arrest zu belegenden Vermögensgegenstände (bzw. die fraglichen […] Konten) bezeichnet werden müssen (vgl. Art. 274 Abs. 2 Ziff. 4 SchKG).
Der Beschwerdeführer verkennt das Verhältnis zwischen der angefochtenen Sicherstellungsverfügung und dem Schreiben der ESTV vom 18. Dezember 2014 («Arrestbefehl in Sachen [A.]») an das zuständige Betreibungsamt, mit welchem gestützt auf die angefochtene Sicherstellungsverfügung (und unter Beilage derselben) die Arrestlegung auf den fraglichen Konten des Beschwerdeführers bei der UBS AG verlangt worden ist ([…]): Die Steuerbezugsbehörden können die Sicherstellungsverfügung als Arrestbefehl, der nach Art. 275 ff. SchKG zu vollziehen ist, verwenden. Eine Sicherstellungsverfügung, die zugleich als Arrestbefehl verwendet wird, wirkt doppelt: Einmal verpflichtet sie die steuerpflichtige Person zu einer Sicherheitsleistung, zum anderen ordnet sie den Vollzug des Arrests auf bestimmten Gegenständen der steuerpflichtigen Person durch das Betreibungsamt an. Bei Verwendung der Sicherstellungsverfügung als Arrestbefehl müssen in der Sicherstellungsverfügung die Arrestgegenstände bezeichnet werden. Arrestbefehl und Sicherstellungsverfügung müssen jedoch nicht zwingend in diesem Sinn als «dokumentmässige Einheit» erscheinen. Vielmehr kann der Arrestbefehl – wie eben im vorliegenden Fall – auch separat, gestützt auf eine (rechtskräftige oder angefochtene) Sicherstellungsverfügung, ergehen. Die Sicherstellungsverfügung gilt dabei insbesondere als Ausweis, dass ein (steuerrechtlicher) Arrestgrund gegeben ist. Hingegen ist allgemein kein Arrestbefehl mehr möglich, wenn die Sicherstellungsverfügung von einer Rechtsmittelinstanz endgültig aufgehoben wurde. Im Umfang, in dem die angefochtene Sicherstellungsverfügung aufzuheben ist, entfällt auch der Arrest als darauf gestützte Sicherungsmassnahme. Aus diesem Grund kommt Beschwerdeantrag (2.) im Übrigen auch keine selbständige Bedeutung zu ([…]).
3.2.5 […]
3.3 In einem dritten und letzten Schritt ist die Höhe der verlangten Sicherheit auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Das Bundesverwaltungsgericht übt diese Überprüfungsbefugnis jedoch mit Zurückhaltung aus und interveniert nur, wenn der Sicherstellungsbetrag offensichtlich übersetzt ist (E. 2.3).
[…]
3.3.1 […]
3.3.2 Hinsichtlich der Frage, auf welche Weise ausgehend von den Euro-Forderungen der Sicherstellungsbetrag in Schweizerfranken zu ermitteln ist, beruft sich die ESTV auf Art. 45 Abs. 1 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV; SR 641.201). Danach sind zur Berechnung der geschuldeten (schweizerischen) Mehrwertsteuer Entgelte in ausländischer Währung im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung in Landeswährung umzurechnen.
Insofern die ESTV damit geltend machen wollte, für ihre Berechnungs- bzw. Umrechnungsweise bestehe vorliegend mit Art. 45 Abs. 1 MWSTV eine zwingende verordnungsrechtliche Grundlage, kann ihr nicht gefolgt werden. Bei Art. 45 Abs. 1 MWSTV handelt es sich nämlich um eine Bestimmung, die der Berechnung der (schweizerischen) Mehrwertsteuer dient. Diese ist in Schweizerfranken geschuldet. Der massgebliche Umsatz ist daher in Schweizerfranken zu bestimmen, und zwar zum Zeitpunkt, in dem er nach der gesetzlichen Regelung erzielt wurde bzw. in dem die Mehrwertsteuerforderung entstanden ist (vgl. Art. 40 MWSTG). Vorliegend geht es dagegen um die Festlegung eines angemessenen Sicherstellungsbetrages in Schweizerfranken in Bezug auf eine in Euro geschuldete (ausländische) Umsatzsteuerforderung, die bereits rechtskräftig feststeht und vollstreckbar ist. Für das Bundesverwaltungsgericht sind daher keine Gründe ersichtlich, die eine Berechnung nach Art. 45 Abs. 1 MWSTV im vorliegenden Fall als zwingend erscheinen liessen. Im Übrigen entspricht die Berechnung der ESTV überhaupt nicht den Vorgaben von Art. 45 Abs. 1 MWSTV, zumal sie auf das Fälligkeitsdatum abstellt und nicht – was nach Art. 45 Abs. 1 MWSTV richtig wäre – auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung.
3.3.3 Da neben Art. 45 Abs. 1 MWSTV auch keine andere (staatsvertragliche oder innerstaatliche) Regelung ersichtlich ist, wie der Sicherstellungsbetrag im vorliegenden Fall zu berechnen bzw. die Forderung in ausländischer Währung umzurechnen ist, bleibt es beim allgemeinen Grundsatz, wonach der Betrag der Sicherstellung jedenfalls nicht offensichtlich übersetzt sein darf (E. 2.3).
Die ESTV stellte vorliegend – wie erwähnt – einen Betrag von Fr. 918'998.27 sicher. Sie ging damit um Fr. 185'668.– bzw. rund 25% über den Betrag hinaus, der gemessen am Umrechnungskurs im Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Sicherstellungsverfügung am 18. Dezember 2014 (Fr. 1.20 pro Euro) zur vollständigen Sicherstellung der vorliegend massgeblichen Forderung von EUR 611'108.56 (= Fr. 733'330.27 entsprechend einem Wechselkurs von Fr. 1.20 pro Euro) nötig gewesen wäre. Zwar erscheint es nicht von vornherein als unangemessen, bei der Festlegung des Sicherstellungsbetrages im Fall von ausländischen Forderungen in gewissem Umfang über den Betrag hinauszugehen, der sich gemäss «aktuellem» Umrechnungskurs zum Erlasszeitpunkt der Sicherstellungsverfügung ergibt. Eine solche «Abweichung nach oben» könnte im Einzelfall namentlich deshalb gerechtfertigt sein, weil im Erlasszeitpunkt der Sicherstellung absehbar ist, dass sich der Schweizerfranken gegenüber der ausländischen Währung bis zum Vollzug der Amtshilfeleistung abschwächen könnte, so dass die volle Einbringlichkeit (bzw. Deckung) der ausländischen Forderung im Vollzugszeitpunkt der Amtshilfeleistung als gefährdet erschiene. Vorliegend war im Erlasszeitpunkt der angefochtenen Sicherstellungsverfügung indes nicht mit einer Abschwächung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro zu rechnen. Viel eher wäre davon auszugehen gewesen, dass die Schweiz den Euromindestkurs von Fr. 1.20 bis zum Vollzug der vorliegenden Amtshilfeleistung möglicherweise aufheben, und dass damit eine wesentliche Stärkung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro einhergehen könnte (wie bekannt, hat der Euro gegenüber dem Schweizerfranken nach der am 15. Januar 2015 erfolgten Aufhebung des Euromindestkurses tatsächlich stark an Wert eingebüsst). Auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, wonach aus damaliger Perspektive (d.h. im Erlasszeitpunkt der angefochtenen Sicherstellungsverfügung) bei der Festlegung des vorliegend sicherzustellenden Betrages eine (im genannten Sinn) «Abweichung nach oben» angezeigt gewesen wäre. Die ESTV bringt entsprechende Gründe denn auch nicht vor. Der in der angefochtenen Sicherstellungsverfügung festgelegte Sicherstellungsbetrag erweist sich somit im Umfang von Fr. 185'668.– als offensichtlich übersetzt, weshalb insoweit eine Intervention des Gerichts erforderlich wird (E. 2.3).
3.3.4–5. […]