Urteil des Bundesgerichts 2C_476/2018 vom 4. Juni 2018

Zustellung von Schlussverfügungen per A-Post Plus

  • 28. September 2018
  • Bearbeitet durch: Susanne Raas
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Internationale Amtshilfe
  • Zitiervorschlag: Susanne Raas, Urteil des Bundesgerichts 2C_476/2018 vom 4. Juni 2018, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesgerichts 2C_476/2018 vom 4. Juni 2018 i.S. A. und B. BV gegen Eidgenössische Steuerverwaltung

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

Zustellung von Schlussverfügungen per A-Post Plus (Urteil BGer vom 4.6.2018)

 

1.

Regeste ^

Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Zustellung einer Schlussverfügung per A-Post Plus nicht zulässig sein sollte. Wird diese am Samstag in den Briefkasten gelegt, beginnt die Frist am Sonntag zu laufen.

Il n'y a pas de motif de considérer que la notification d'une décision finale par Courrier A-Plus est inadmissible. Si la décision est déposée un samedi dans la boîte aux lettres, alors le délai commence à courir le dimanche.

Non sussiste alcun motivo per ritenere inammissibile la notificazione di una decisione finale per Posta A-Plus. Se la decisione viene depositata un sabato nella cassetta delle lettere, allora il termine comincia a decorrere la domenica.

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Der niederländische Belastingdienst unterbreitete der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ein Gesuch um Amtshilfe hinsichtlich von A. und der B. BV. Mit Schlussverfügung vom 6. April 2018 ordnete die ESTV an, es werde in beiden Fällen internationale Amtshilfe in Steuersachen geleistet. Sie versandte die Schlussverfügung im Verfahren «A-Post Plus» und übergab sie am 6. April 2018 der Schweizerischen Post. Diese legte das Schreiben am Samstag, 7. April 2018 in das Postfach des die beiden amtshilfebetroffenen Personen vertretenden Anwalts. Dieser erhob am Mittwoch, 9. Mai 2018 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde.
Mit Entscheid A-2732/2018 vom 15. Mai 2018 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein. Es erkannte, die 30tägige Rechtsmittelfrist habe am 8. April 2018 zu laufen begonnen und daher am Montag, 7. Mai 2018 geendet. Die am 9. Mai 2018 erfolgte Beschwerdeeinreichung sei verspätet erfolgt.|
Mit Eingabe vom 28. Mai 2018 erheben die beiden amtshilfebetroffenen Personen beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Bundesgericht tritt nicht auf die Beschwerde ein.

3.

Aus den Erwägungen ^

2.3.2. Die Vorinstanz erkannte, eine Verfügung oder ein Entscheid gelte als eröffnet, sobald er ordnungsgemäss zugestellt ist und die betroffene Person davon Kenntnis nehmen kann. Dass sie davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 122 I 139 E. 1 S. 143; zur «A-Post Plus» insbesondere Urteil 2C_392/2017 vom 11. Januar 2018 E. 2.1). Für die ordnungsgemässe Zustellung der Verfügungen ist die Verwaltungsbehörde beweisbelastet, wobei – bei eingeschriebener Briefpost – praxisgemäss eine natürliche Vermutung für die ordnungsgemässe Zustellung der Abholungseinladung (im Briefkasten, im Postfach) besteht. Dasselbe gilt für das Verfahren «A-Post Plus», bei welchem der Briefträger den Brief nicht nur in den Briefkasten legt, sondern zugleich den Zustellzeitpunkt in seinem elektronischen System festhält (dazu etwa Urteil 2C_195/2018 vom 2. März 2018 E. 2.2).

[…]

2.3.4. Die Vorinstanz hat hauptsächlich Art. 21 Abs. 1 VwVG ausgelegt und angewandt, wonach schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist zu Handen der schweizerischen Post zu übergeben sind. Zur Frage, ob die ESTV befugt sei, auch in Verfahren der internationalen abgaberechtlichen Amtshilfe zum Mittel der «A-Post Plus» zu greifen, um eine Schlussverfügung zu versenden, fehlt eine vorinstanzliche Auseinandersetzung. Anders, als die amtshilfebetroffenen Personen dies vorbringen, stellt sich die Frage im Bereich der internationalen fiskalrechtlichen Amtshilfe, verglichen mit anderen Rechtsbereichen, aber nicht zwingend in einem anderen Licht dar. Weshalb es unmöglich sein soll, zwar Veranlagungsverfügungen (zumeist sogar mit uneingeschriebener Briefpost versandt), nicht aber Schlussverfügungen auf diese Weise zu versenden, bleibt unklar. Die amtshilfebetroffenen Personen vermögen denn auch keine Norm des internationalen Doppelbesteuerungsrechts oder des unilateralen Amtshilfevollzugsrechts (StAhiG) anzurufen, welche eine Zweiteilung nahelegen könnten.

[…]|