Urteil des Bundesgerichts 2C_219/2019 vom 27. April 2020

Zulässigkeit des Verlagerungsverfahrens und Zuständigkeit für die Nacherhebung von Einfuhrsteuern

  • 29. Oktober 2020
  • Bearbeitet durch: Dominique Seger
  • Beitragsart: Grundsatzurteil
  • Rechtsgebiete: Zoll
  • Zitiervorschlag: Dominique Seger, Urteil des Bundesgerichts 2C_219/2019 vom 27. April 2020, ASA online Grundsatzurteile
Urteil des Bundesgerichts 2C_219/2019 vom 27. April 2020 i.S. A. gegen Eidgenössische Zollverwaltung, Oberzolldirektion, Hauptabteilung Zollfahndung. Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 23. Januar 2019 (A-714/2018). Nachforderungsverfügung/Einfuhr von Kunstwerken (Gegenstand).
Parallel zu diesem Verfahren, hat das Bundesgericht auch das Rechtsmittel der Beschwerdegegnerin behandelt (vgl. Urteil 2C_217/2019 vom 27. April 2020).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Die Benutzung des Verlagerungsverfahrens setzt im konkreten Einzelfall insbesondere voraus, dass die das Verlagerungsverfahren beantragende Bewilligungsinhaberin auch rechtmässige Importeurin der eingeführten Gegenstände ist, d.h. unmittelbar nach der Einfuhr über die Gegenstände wirtschaftlich verfügen kann (insb. E. 7.3).

Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) bleibt selbst dann die für die Veranlagung der Einfuhrsteuer zuständige Behörde, wenn zuvor das Verlagerungsverfahren – für welches bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTZukV) eine vorgängige generelle Zulassung einzuholen ist – beansprucht wurde (vgl. Art. 83 Abs. 1 aMWSTG; Art. 62 Abs. 1 MWSTG). Daraus ergibt sich, dass auch die Kompetenz zur nachträglichen Korrektur einer ursprünglich fehlerhaften Einfuhrsteuerveranlagung (Art. 63 Abs. 1 VStrR) der EZV zufällt (zum Ganzen E. 9.3.1).

Le recours à la procédure de report dans le cas despèce, présuppose que le titulaire de lautorisation qui requiert la procédure de report soit également limportateur légitime des marchandises importées, cest-à-dire quil puisse disposer économiquement des marchandises immédiatement après leur importation (en particulier consid. 7.3).

LAdministration fédérale des douanes (AFD) reste lautorité compétente pour limposition de limportation, même si la procédure de report – procédure pour laquelle il convient dobtenir préalablement auprès de lAdministration fédérale des contributions (AFC) une autorisation –a déjà été requise (cf. art. 83, al. 1, aLTVA; art. 62, al. 1 aLTVA). Par conséquent, la compétence de corriger ultérieurement une imposition de limportation erronée (art. 63 al. 1 DPA) incombe également à lAFD (cf. consid. 9.3.1 pour le tout).

2.

Sachverhalt ^

A.

Am 19. August 2015 erliess die Zollkreisdirektion Schaffhausen eine Nachforderungsverfügung, mit welcher sie von A. einen Mehrwertsteuerbetrag von Fr. 11’744’129.60 sowie Verzugszinsen von Fr. 2’630’584.40 nachforderte. Sie begründete die Nachforderungsverfügung im Wesentlichen damit, A. habe in 86 Fällen Kunstwerke zu Unrecht steuerfrei im Verlagerungsverfahren auf die Galerie B. in die Schweiz importiert. Die Zollkreisdirektion führte in der Nachforderungsverfügung aus:

«Alle in den 86 Falldossiers betroffenen Kunstwerke wurden im Verlagerungsverfahren über die Galerie B. mehrwertsteuerfrei in die Schweiz importiert. Dies gestützt auf ein eigens zur Steueroptimierung zu Gunsten von A. ausgearbeitetes Ablaufschema. Somit konnte A. die auf diese Weise eingeführten Kunstwerke steuerbefreit in den von ihm beherrschten Liegenschaften ausstellen.
Der Einfuhr der Kunstwerke lag dabei ein standardisiertes, aufgesetztes, nicht zur Umsetzung beabsichtigtes Kommissionsgeschäft zwischen den von A. beherrschten Firmen und der Galerie B. zu Grunde. Da die Galerie B. Inhaberin einer Bewilligung im Verlagerungsverfahren ist, konnten die Kunstwerke über sie als Importeurin zur Einfuhr abgefertigt werden, ohne dass die Mehrwertsteuer im Zeitpunkt der Einfuhr fällig geworden wäre. Die Galerie B. konnte jedoch zu keiner Zeit wirtschaftlich über die Kunstwerke verfügen. A. bestimmte jeweils, wann und wie die Kunstwerke eingeführt werden sollen. Seine Angestellten des Büros Administration leiteten seine Aufträge an die entsprechenden Speditionsfirmen bzw. an die Galerie B. weiter. Die Kunstwerke wurden nach der Verzollung auf Veranlassung von A. in seine privaten Liegenschaften oder ins Hotel C. (Mehrheitsaktionär A.) überführt, wo sie auf unbestimmte Zeit ausgestellt wurden, oder sie verblieben in einzelnen Fällen im Lager der Firma D. AG, Zürich. Die Galerie B. leitete jeweils nur die Instruktionen an die Verzollungsfirma weiter, welche sie von A.s Büro Administration erhalten hatte.
Keines der in den 86 Falldossiers betroffenen Kunstwerke wurde im Zeitraum von 2008 bis 2013 verkauft.
Die wirtschaftlich berechtigte Person über die Kunstgegenstände war vor und nach der Einfuhr A., welcher in seinem Namen oder im Namen seiner von ihm beherrschten Firmen frei über die betroffenen Kunstwerke verfügte. Die Galerie B. war zu keiner Zeit Importeurin der von dieser Verfügung betroffenen Gegenstände. Die Bewilligung zur Verlagerung der Steuerentrichtung [...] wurde in allen Fällen zu Unrecht benutzt.
Demzufolge hätten die Kunstwerke richtigerweise auf den [jeweiligen] Importeur […] (Details gemäss Liste) angemeldet, zur Einfuhr verzollt und die Steuer erhoben werden müssen.»

B.

Die Oberzolldirektion wies eine von A. gegen die Nachforderungsverfügung vom 21. September 2015 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. Dezember 2017 ab.

C.

Mit Urteil vom 23. Januar 2019 hiess das Bundesverwaltungsgericht die von A. gegen den Entscheid der Oberzolldirektion erhobene Beschwerde teilweise gut und änderte den Beschwerdeentscheid dahingehend ab, dass A. «Einfuhrsteuern von Fr. 10’815’759.05 sowie Verzugszinsen von Fr. 2’421’448.80» schulde. Zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des Beschwerdeverfahrens vor der Oberzolldirektion wies es die Sache an die Oberzolldirektion zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

D.

Mit Eingabe vom 27. Februar 2019 erhebt A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 2019, eventualiter die Rückweisung der Sache an das Bundesverwaltungsgericht.

Die Oberzolldirektion beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf inhaltliche Stellungnahme und verweist stattdessen auf das angefochtene Urteil. […]

3.

Aus den Erwägungen ^

6.

6.1 Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist ([…]), dass zwischen 2008 und 2013 verschiedentlich Kunstwerke, die dem Beschwerdeführer direkt oder indirekt gehören, im Verlagerungsverfahren auf die Galerie B. in die Schweiz eingeführt wurden.

Die Vorinstanz erwog in Bezug auf diese Einfuhren zusammengefasst, die Benützung des Verlagerungsverfahrens durch die Galerie B. sei rechtswidrig erfolgt: Zwar hätten zum Zeitpunkt der jeweiligen Einfuhren Kommissionsverträge vorgelegen, mit welchen die Galerie beauftragt worden sei, die jeweils eingeführten Kunstwerke für den Beschwerdeführer bzw. für durch den Beschwerdeführer kontrollierte Auslandsgesellschaften zu verkaufen. Diese Kommissionsverträge seien jedoch simuliert gewesen. Tatsächlich habe der Galerie B. im Zeitpunkt der jeweiligen Einfuhren die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die streitbetroffenen Kunstwerke gefehlt; sie könne folglich nicht als Importeurin qualifiziert werden, was für die Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens aber vorausgesetzt gewesen wäre. In Tat und Wahrheit seien die Einfuhren durch den Beschwerdeführer veranlasst worden. Zollrechtlich gelte er damit als Auftraggeber, was dazu führe, dass er zollpflichtig werde und als Zoll- bzw. Abgabeschuldner qualifiziere. Indem er die Galerie B. als Importeurin vorgeschoben habe (bzw. habe vorschieben lassen), habe er seine Zollpflichten verletzt. Diese Verletzung der Zollpflichten habe dazu geführt, dass eigentlich geschuldete Einfuhrsteuern nicht entrichtet worden seien. Damit liege eine objektive Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes vor, die dazu geführt habe, dass Einfuhrsteuern zu Unrecht nicht erhoben worden seien; gestützt auf Art. 12 Abs. 1 lit. a VStrR sei der Beschwerdeführer als zur Zahlung der Einfuhrsteuer Verpflichteter zu Recht dazu verpflichtet worden, diese Einfuhrsteuern samt Verzugszins nachzuentrichten.

6.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass durch die Einfuhr der streitbetroffenen Kunstwerke Einfuhrsteuerforderungen entstanden sind (vgl. Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer [aMWSTG; AS 2000 1300], Art. 52 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20]). Er ist jedoch der Auffassung, dass die Vorinstanz für die Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens Voraussetzungen aufstelle, die sich aus dem Gesetz nicht ergäben; namentlich sei es gesetzeswidrig, in diesem Zusammenhang die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die eingeführten Gegenstände zu verlangen. So oder anders seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens durch die Galerie B. jedoch erfüllt gewesen. Entgegen der Annahme der Vorinstanz habe die Galerie B. als Kommissionärin über die fraglichen Kunstwerke verfügen können. Es fehle damit an der durch Art. 12 Abs. 1 VStrR vorausgesetzten objektiven Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes ([…]); auch sei es vorliegend nicht zu einem Steuerausfall gekommen ([…]).

Unter der Prämisse, dass das Bundesgericht zum Schluss kommt, dass das Verlagerungsverfahren zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist und dass ein Steuerausfall entstanden ist, bestreitet der Beschwerdeführer sodann, dass die EZV für die Nacherhebung der Einfuhrsteuern zuständig sei. Mit der Zustimmung der EZV zur Benutzung des Verlagerungsverfahrens sei die Einfuhrsteuer in der Inlandsteuer aufgegangen; ab diesem Zeitpunkt sei die ESTV zuständig gewesen, allfällige Korrekturen vorzunehmen. Die Nachsteuererhebung durch die EZV sprenge daher die Kompetenzordnung (vgl. dazu nachfolgend E. 9). […]

7.

7.1. Strittig und zu prüfen ist mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der «Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes» (Art. 12 Abs. 1 VStrR; vgl. dazu E. 5 hiervor), ob es mit Blick auf die streitbetroffenen Einfuhren zulässig war, dass die Galerie B. das Verlagerungsverfahren in Anspruch nahm.

Die Beantwortung dieser Frage bedingt einige Vorbemerkungen zum anwendbaren Recht: Das MWSTG ist am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Gemäss Art. 112 Abs. 1 MWSTG gilt für die Einfuhr von Gegenständen, bei denen die Einfuhrsteuerschuld vor Inkrafttreten des MWSTG entstanden ist, das bisherige Recht, also das aMWSTG und die Verordnung vom 29. März 2000 zum aMWSTG (aMWSTGV; AS 2000 1347). Die Einfuhrsteuerschuld wiederum entsteht sowohl nach neuem, als auch nach altem Recht zur gleichen Zeit wie die Zollschuld (Art. 56 Abs. 1 MWSTG; Art. 78 Abs. 1 aMWSTG [vgl. hierzu Urteil 2C_201/2013 vom 24. Januar 2014 E. 3.2 [nicht publ. in BGE 140 II 194]]); entscheidend ist insoweit die Bestätigung der Annahme der Zolldeklaration durch die Zollbehörden (vgl. Art. 69 lit. a des Zollgesetzes vom 18. März 2005 [ZG; SR 631.0]).

7.2. Der vorliegende Fall betrifft Einfuhren, die in den Jahren 2008 bis 2013 stattgefunden haben. Materiell kommt damit teilweise altes Recht und teilweise neues Recht zur Anwendung (vgl. E. 7.1 hiervor).

7.2.1. Die vorliegend vorrangig interessierenden Bestimmungen zum Verlagerungsverfahren sind mit dem Übergang vom aMWSTG zum MWSTG inhaltlich unverändert geblieben (vgl. Regine Schluckebier, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, MWSTG, 2015, N. 1 zu Art. 63 MWSTG): Gemäss Art. 83 Abs. 1 aMWSTG bzw. Art. 63 Abs. 1 MWSTG können bei der ESTV registrierte und nach der effektiven Methode abrechnende steuerpflichtige Personen (Art. 63 Abs. 1 MWSTG: «Importeure und Importeurinnen») die Einfuhrsteuer (vgl. Art. 72 aMWSTG, Art. 50 MWSTG) – statt sie der EZV zu entrichten – in der periodischen Steuerabrechnung mit der ESTV deklarieren (Verlagerungsverfahren), sofern sie regelmässig Gegenstände importieren und exportieren und sich daraus regelmässig beachtliche Vorsteuerüberschüsse ergeben. Die Zulassung zum Verlagerungsverfahren erfolgt durch vorgängige Bewilligung der ESTV (vgl. Art. 38 aMWSTGV [AS 2000 1347], Art. 117 Abs. 1 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 [SR 641.201]).

7.2.2. Änderungen haben sich mit dem Inkrafttreten des MWSTG bei den für den vorliegenden Fall ebenfalls bedeutsamen Bestimmungen zum Vorsteuerabzug ergeben: Während das aMWSTG für die Gewährung des Vorsteuerabzugs einen strikten Konnex zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung verlangte (Art. 38 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4 aMWSTG), ist der Vorsteuerabzug nach neuem Recht materiell nur noch davon abhängig, dass die steuerpflichtige Person wirtschaftlich mit Vorsteuern belastet ist und dass diese im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit anfallen (Art. 28 Abs. 1 MWSTG; vgl. zu diesem Paradigmenwechsel BGE 142 II 488 E. 2.3.4 S. 494 f.; 141 II 199 E. 4.2 S. 202 f.). Die Vorsteuern müssen damit weder zeitlich noch sachlich einzelnen Leistungen zugeordnet werden können, solange sie im Rahmen der allgemeinen unternehmerischen Tätigkeit angefallen sind (vgl. Camenzind/Honauer/Vallender/Jung/Probst, Handbuch zum MWSTG, 3. Aufl. 2012, N. 1697).

7.3. Nach der Verwaltungspraxis setzt die Benutzung des Verlagerungsverfahrens im konkreten Einzelfall insbesondere voraus, dass die das Verlagerungsverfahren beantragende Bewilligungsinhaberin (vgl. E. 7.2.1 hiervor) auch rechtmässige Importeurin der eingeführten Gegenstände ist, d.h. unmittelbar nach der Einfuhr über die Gegenstände wirtschaftlich verfügen kann (vgl. ESTV, Verlagerung der Steuerentrichtung [Art. 63 MWSTG], abrufbar unter https://www.estv.admin.ch/dam/estv/de/doku-mente/mwst/formulare/import-export/1231_1232_01.pdf.download.pdf/dm_1231_1232 _01.pdf [abgerufen am 4. März 2020], S. 6). Diese von der EZV und der ESTV koordinierte Praxis (vgl. Art. 117 Abs. 4 MWSTV) verfolgt den Zweck, «dass das Verlagerungsverfahren nicht irrtümlicherweise oder absichtlich für einen Importeur beansprucht wird, der zwar Steuerpflichtiger im Inland ist, in Wirklichkeit aber mit der Einfuhr des Gegenstands nichts zu tun hat, d.h. der nicht rechtmässiger Importeur des Gegenstands ist» (vgl. aktenkundiges Dienstdokument 69 der EZV, das sich insoweit mit der am 1. Januar 2019 publizierten Richtlinie 69-08 der Eidgenössischen Zollverwaltung zum Verlagerungsverfahren [vgl. dort insbesondere S. 3] deckt, abrufbar unter https://www.ezv.admin.ch/ezv/de/home/dokumentation/richtlinien/r-69_ mwst.html [abgerufen am 4. März 2020]).

7.4. Die vorstehend dargelegte Verwaltungspraxis steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Verlagerungsverfahrens, wie es in Art. 83 Abs. 1 aMWSTG geregelt war bzw. in Art. 63 Abs. 1 MWSTG geregelt ist: Das Verlagerungsverfahren dient der Vereinfachung der Bezahlung, Deklaration sowie Entrichtung der Einfuhrsteuer (vgl. Camenzind/Honauer/Vallender/Jung/Probst, a.a.O., N. 2432; Diego Clavadetscher/Sonja Bossart Meier, Verlagerungsverfahren – an der Schnittstelle zwischen Inland- und Einfuhrsteuer, Expert Focus 6-7/2016, S. 454); überdies können Steuerpflichtige durch die Inanspruchnahme des Verfahrens Zinsnachteile vermeiden, die sich bei «ordentlicher» Erhebung der Einfuhrsteuer durch die EZV (Art. 62 Abs. 1 MWSTG) im Zeitraum zwischen Bezahlung der Einfuhrsteuer und Geltendmachung der Einfuhrsteuer als Vorsteuer ergäben (vgl. Daniela Pfister/Reto Arnold, in: Kompetenzzentrum MWST der Treuhand-Kammer, mwst.com, Kommentar zum aMWSTG, 2000, N. 1 zu Art. 83 aMWSTG; Regine Schluckebier, a.a.O., N. 2 zu Art. 63 MWSTG; Mónika Molnár/Stefan Schwaller, Das Verlagerungsverfahren, Zoll Revue 4/2018, S. 20 ff., S. 21). Diese Vorteile sollen aber selbstredend nur jenen Personen zugute kommen, die im Zusammenhang mit ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit einfuhrsteuerpflichtig werden und aus ebendieser Tätigkeit regelmässig beachtliche Vorsteuerüberschüsse erzielen (Art. 83 Abs. 1 aMWSTG; Art. 63 Abs. 1 MWSTG in fine). Das Verlagerungsverfahren dient nicht dazu, die genannten Vorteile auch Personen zukommen zu lassen, die nicht zum Verlagerungsverfahren zugelassen sind (vgl. in diesem Zusammenhang den Bericht des Bundesrates vom 2. Dezember 2016, Vereinfachte Erhebung der Mehrwertsteuer beim Import von Waren, System von Dänemark, S. 17). Zu verlangen, dass die als «Importeurin» (vgl. Art. 63 Abs. 1 MWSTG) bezeichnete Person im Sinne einer voraussichtlichen Vorsteuerabzugsberechtigung «unmittelbar nach der Einfuhr über die Gegenstände wirtschaftlich verfügen können muss», stellt damit eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben dar. Das Bundesgericht sieht deshalb keinen Anlass, Art. 83 Abs. 1 aMWSTG bzw. Art. 63 Abs. 1 MWSTG anders auszulegen, als die Verwaltungspraxis (vgl. E. 7.3 hiervor; vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsverordnungen BGE 142 V 425 E. 7.2 S. 434; 142 II 182 E. 2.3.3 S. 191; 141 V 139 E. 6.3.1 S. 145 f.; 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 f.; Urteil 2C_209/2017 vom 16. Dezember 2019 E. 4.1 [zur Publikation vorgesehen]).

[…]

9.

Der Beschwerdeführer rügt, nicht die EZV, sondern die ESTV sei für eine allfällige Nacherhebung von Einfuhrsteuern zuständig. Die Ausgangsverfügung vom 19. August 2015 sei damit nichtig.

9.1. Nach Art. 63 Abs. 1 VStrR sind nachzuentrichtende Abgaben und Zinsen «gemäss den Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften des betreffenden Verwaltungsgesetzes geltend» zu machen. Die Zuständigkeit für das Verfahren über die Nachleistungspflicht (Art. 12 VStrR) knüpft damit an die Hauptsachezuständigkeit an (vgl. Urteile 2C_424/2014 vom 18. Juli 2015 E. 1.2.2; 2C_723/2013 vom 1. Dezember 2014 E. 1.2.3).

9.2. Die Vorinstanz erwog in diesem Zusammenhang, die Durchführung des Verlagerungsverfahrens setze voraus, dass die EZV in einer Einfuhrveranlagungsverfügung einen mit der Zollanmeldung gestellten Antrag auf Verlagerung der Einfuhrsteuer gutheisse. Die vorliegend strittige Nachleistungspflicht stütze sich darauf, dass bei den betreffenden Einfuhren trotz fehlender Voraussetzungen die Durchführung des Verlagerungsverfahrens beansprucht worden sei, dass diese Anträge mit gegenüber der Galerie B. erlassenen Einfuhrveranlagungsverfügungen zu Unrecht gutgeheissen worden seien, und dass auf diese Weise Einfuhrsteuern nicht entrichtet worden seien. Die Nachleistungspflicht stehe damit in direktem Zusammenhang mit den Einfuhrveranlagungsverfügungen, welche nach der Kompetenzordnung auch bei Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens von der EZV zu erlassen seien. Die EZV habe mit ihrer Nachforderungsverfügung vom 19. August 2015 lediglich darauf abgezielt, nachträglich beziehungsweise «revisionsweise» den Rechtszustand herzustellen, welcher bestanden hätte, wenn sie anstelle der zu Unrecht unter Gewährung des Verlagerungsverfahrens erfolgten Einfuhrsteuerveranlagungen wie eigentlich angebracht den Beschwerdeführer als Auftraggeber der betreffenden Einfuhren zur Entrichtung der Einfuhrsteuer verpflichtet hätte.

9.3. Dass die Vorinstanz davon ausging, die EZV sei die in der Hauptsache zuständige Behörde, ist nicht zu beanstanden:

9.3.1. Im Ausgangspunkt festzuhalten ist diesbezüglich, dass – unbesehen der von der ESTV vorgängig einzuholenden generellen Zulassung zum Verlagerungsverfahren (Art. 38 Abs. 1 und 2 aMWSTGV; Art. 117 Abs. 1 MWSTV) – im Einzelfall die EZV für die Beurteilung der Frage zuständig ist, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens gegeben sind (Art. 38 Abs. 3 aMWSTGV; Art. 117 Abs. 2 MWSTV). Hinzu kommt, dass die Kompetenz zur Veranlagung der Einfuhrsteuer auch bei gewährtem Verlagerungsverfahren bei der EZV verbleibt (vgl. Art. 83 Abs. 1 aMWSTG; Art. 62 Abs. 1 MWSTG): Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wird also die Einfuhrsteuer durch bewilligte Inanspruchnahme des Verlagerungsverfahrens nicht zur Inlandsteuer; lediglich die Zahlungsmodalitäten weichen vom «ordentlichen Verfahren» ab, indem die Einfuhrsteuer nicht der EZV, sondern im Rahmen der Quartalsabrechnung für die Inlandsteuer der ESTV zu «entrichten» ist (vgl. Camenzind/Honauer/Vallender, Handbuch zum aMWSTG, 2. Aufl. 2003, Rn. 2001; anderer Meinung Bossart Meier/Clavadetscher, a.a.O., S. 455 ff. und Regine Schluckebier, in: Geiger/Schluckebier [Hrsg.], OFK MWSTG, 2. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 63 MWSTG).

Die EZV bleibt damit selbst dann die für die Veranlagung der Einfuhrsteuer zuständige Behörde, wenn zuvor (rechtmässig) das Verlagerungsverfahren beansprucht wurde. Daraus ergibt sich auch, dass die Kompetenz zur nachträglichen Korrektur einer ursprünglich fehlerhaften Einfuhrsteuerveranlagung (Art. 63 Abs. 1 VStrR) der EZV zufällt.

[…]

[Abweisung der Beschwerde.]