Jusletter IT

Friedrich Lachmayer in persönlichen Zeugnissen

  • Autor/Autorin: Günther Schefbeck
  • Beitragsart: Vorwort
  • Rechtsgebiete: Vorwort
  • DOI: 10.38023/cec8608b-3e87-4b15-93af-9ca11f0f7ccd
  • Zitiervorschlag: Günther Schefbeck, Friedrich Lachmayer in persönlichen Zeugnissen, in: Jusletter IT 29. Juni 2023

Friedrich Lachmayer steht allein – und doch gerade nicht. Er steht allein in seiner einzigartigen Verbindung von Recht und Informatik, von Recht und Visualisierung, von Recht und Semiotik. Er steht allein in seiner unvergleichlichen Fähigkeit, nicht nur sich mit anderen, sondern auch andere miteinander zu vernetzen. Und so steht er eben nicht allein, sondern im Zentrum eines weit verzweigten Netzwerks von Menschen, die er inspiriert, motiviert, intellektuell bereichert und emotional berührt.

Dazu eingeladen, einige persönliche Eindrücke von Friedrich Lachmayer mit den Leserinnen und Lesern dieser Festschrift zu teilen, haben in der Kürze der Zeit, die dafür zur Verfügung gestanden ist, nur einige wenige seiner Freunde, Weggefährten und Schüler zur Feder bzw. zur Tastatur greifen können – und doch entsteht schon aus diesen wenigen Zeugnissen ein pointillistisches Bild von Friedrich Lachmayers Persönlichkeit in ihren vielen Facetten.

Da ist zunächst Friedrich Lachmayer, der Ministerialbeamte. Sein langjähriger Mitarbeiter und Kollege Karl Irresberger erinnert sich:

„Die Besonderheit seines Wesens und Wirkens, verglichen mit anderen leitenden Beamten, möchte ich mit den Worten ‚dynamisch‘ und ‚unkonventionell‘ zusammenfassen. Dynamisch war seine zupackende, auf rasche Problemlösung fokussierte Arbeitsweise, unkonventionell vieles an seiner Gedankenwelt und Redeweise. Bedächtigkeit war ihm nicht eigen, seine Gedanken teilte er gerne unmittelbar mit den Gesprächspartnern. Angenehmerweise war er mit neu eintretenden Mitarbeitern gleich per Du (was damals weniger üblich war als heute), pflegte einen freundschaftlichen Umgangston und ließ nie ‚den Chef heraushängen‘.

 

Für seinen Arbeitsstil bezeichnend ist eine Episode, von der ich berichten möchte: Als Referent hatte ich zahlreiche Geschäftsfälle – zeitgerecht – zu erledigen, und zwar teils in der Lachmayerschen, noch mehr aber in zwei anderen Abteilungen. Typischerweise durfte der Referent seine Arbeit selbständig organisieren, ich reihte meine Geschäftsfälle etwa nach Fristigkeit und sonstiger erkennbarer Dringlichkeit. Verblüfft war ich allerdings, als Friedrich Lachmayer einmal in mein Büro ‚hereinschneite‘, mich und ein Eingangsstück, das mir zur Bearbeitung zugeteilt war, in sein Zimmer mitnahm und an seinem PC einen Erledigungsentwurf zu schreiben begann; dabei er mich zwischendurch immer wieder fragte, ob ich mit seinen Formulierungen einverstanden sei. Obwohl ich also mitformulieren durfte, zeigte der Text eindeutig Lachmayersche Stilmerkmale – als die man wohl Geradlinigkeit, sprachliche Schlichtheit (dabei wenig Einfluss der gängigen Amts- und Juristensprache), Knappheit und geringe Belastung mit Belegen nennen darf. Der Einladung, das (meiner eigenen Schreibweise recht fremde) Ergebnis als Sachbearbeiter zu paraphieren, konnte ich mich dann wohl nicht entziehen.“

Als junger Beamter im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ist auch Edmund Primosch dort Friedrich Lachmayer begegnet:

„In Erinnerung ist mir der aufgeräumte Schreibtisch, über dem an der Wand jeweils ein von Friedrich angefertigtes – eher abstraktes und färbiges – Bild zu sehen war, das von ihm offenbar in regelmäßigen Abständen ausgetauscht wurde. Dieser schöpferische Ausdruck stand für mich in einem auffälligen Kontrast nicht nur zur bürokratischen Umgebung und dem antiquierten Mobiliar des Amtes, sondern auch zur Rationalität der Darstellungen, die Friedrich für ein früher weit verbreitetes rechtshistorisches Lehrbuch zur Verfügung gestellt hatte.“

Vieles, das bis heute weiterwirkt, hat Friedrich Lachmayer als Ministerialbeamter initiiert und geschaffen. (Dies hat der Beamte dem Universitätslehrer voraus: die unmittelbare Wirkung seines Tuns.) Walter Hötzendorfer hebt ein wichtiges Beispiel dafür hervor, das Rechtsinformationssystem des Bundes:

„Es ist vielen Nutzer:innen des RIS vielleicht gar nicht bewusst, wie besonders dieser freie Zugang zum Recht im internationalen Vergleich damals war, als das RIS geschaffen wurde, und zum Teil noch immer ist.“

Dass naturgemäß nicht alle seine unkonventionellen Initiativen von Erfolg gekrönt gewesen sind, hat Friedrich Lachmayer selbst mit der ihm eigenen Fähigkeit zur Selbstironie festgestellt, so gegenüber Karl Irresberger:

„Originell ist eine Anekdote, die ich aus seinem Mund kenne: Friedrich Lachmayer verfocht die Ansicht, dass (nicht nur, aber auch) Gesetzestexte aus kurzen, einfachen Sätzen bestehen sollten, wobei er die akzeptable Höchstlänge eines Satzes mit einem Atemzug bemaß. Da er bei den Beamten der in seinen Wirkungsbereich fallenden Bundesministerien – besonders denen des Wissenschaftsministeriums – hohes Ansehen genoss, konnte er zunächst den für das Denkmalschutzgesetz zuständigen Ministerialrat für den Plan gewinnen, das Denkmalschutzgesetz unter Berücksichtigung der Lachmayerschen Vorstellungen neu zu schreiben. Dies legte er nun so an, dass er den Bedauernswerten das geltende Denkmalschutzgesetz vorlesen ließ und ihn, wenn er mitten im Satz Atem holte, unterbrach und sinngemäß sagte: ‚Stopp! Jetzt gehört ein Punkt gesetzt.‘ Das Projekt gelangte nicht zum Abschluss, da der Ministerialrat mit dem kurzen Atem zuvor in Pension ging. So bietet das Denkmalschutzgesetz auch noch 30 Jahre später das Bild eines durch kasuistische Novellen aufgeblähten, wenig systematischen und weithin schwer leserlichen Gesetzestextes.“

Dass ein Mann mit den intellektuellen Fähigkeiten und Ansprüchen eines Friedrich Lachmayer über die Ministerialbürokratie hinausgreifen und aktiv in die akademische Lehre eintreten musste, kann nicht überraschen. Und so ist die zweite Facette seiner Persönlichkeit, mit der er viele Menschen erreicht und nachhaltig geprägt hat, Friedrich Lachmayer, der akademische Lehrer. 1988 hat er sich an der Universität Innsbruck habilitiert, danach aber insbesondere auch an der Universität Wien gelehrt.

Ahti Saarenpää und Wolfgang Mincke sagen aus eigener Erfahrung, ein guter Professor sei auch „ein darstellender Künstler“. Und so beschreiben sie Friedrich Lachmayers Wirkung als akademischer Lehrer:

„Wenn Friedrich auf die Bühne kommt, nimmt er das Publikum für sich ein. Und das ist keine einstudierte Rolle. Friedrich hat eine eigene Ausstrahlung, mit der er seine Zuhörer in das Interesse für die Rechtstheorie hineinzieht. Bild und Wort fließen anschaulich und natürlich zusammen. Recht und Rechtsdenken visualisieren sich.“

Wie Friedrich Lachmayer seine Studierenden beeindruckt und in weiterer Folge bei der Stange gehalten hat, erzählt Felix Gantner, der nur durch einen glücklichen Zufall in seinen Bannkreis geraten ist:

„Friedrich Lachmayer lernte ich während meines Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Wien kennen. Damals gab es noch gedruckte Vorlesungsverzeichnisse, die man vor Beginn des Semesters zur Erstellung eines Stundenplans mit Pflichtveranstaltungen verwendete. Es war aber auch möglich, das Verzeichnis durchzublättern und nach weiteren interessanten Lehrveranstaltungen zu suchen.

 

Die Zeit der Durchsicht des Vorlesungsverzeichnisses war auch immer eine Phase der guten Vorsätze zum Besuch der Pflichtvorlesungen und des schlechten Gewissens, da ich diese Vorsätze im vorangegangenen Semester nicht umgesetzt hatte.

 

Beim Durchblättern des Vorlesungsverzeichnisses stieß ich auf das Seminar zur Semiotik des Rechts, das Friedrich Lachmayer veranstaltete. Der Titel des Seminars weckte mein Interesse nachhaltiger als jene der Pflichtveranstaltungen.

 

Im Vorlesungsverzeichnis fehlten Details zu Zeit und Ort des Seminars und auch beim Institut gab es keinen Aushang. Bei einer Nachfrage im Institut wurde mir vom Sekretariat mit dem Hinweis ‚externer Vortragender‘ eine Telefonnummer im Bundeskanzleramt gegeben.

 

Nach einem Anruf und einem Termin im BKA bei Friedrich Lachmayer fand ich mich unerwartet in der Situation wieder, ein Referent in dem Seminar zum Themenbereich Algorithmen und Maschinen zu sein.

 

In dem Seminar von Friedrich Lachmayer lernte ich einen für mich bis dahin unbekannten Aspekt von Universität kennen, der geprägt war von Interesse und Offenheit für neues Wissen und einer freien und wertschätzenden Diskussion mit hohen fachlichen Ansprüchen. Diese positive Erfahrung hat meine Sicht auf Wissenschaft und Universität nachhaltig geprägt.

 

Nachhaltig beeindruckt hat mich auch Friedrich Lachmayers Umgang mit Overhead-Projektoren. Auch heute noch kommt PowerPoint mit seinen Spezialeffekten nicht an das multimediale Erlebnis heran, das Friedrich Lachmayer mit einigen Folien und ein paar Münzen erzeugen konnte.

 

Das Seminar für Semiotik des Rechts und dann jenes für Rechts- und Verwaltungsinformatik blieben die einzigen Lehrveranstaltungen, die ich in meiner Studienzeit regelmäßig und vor allem vollständig besucht habe. Sowohl die Inhalte als auch der Stil der Diskussion in diesen Lehrveranstaltungen hatten großen Einfluss auf meine persönliche und berufliche Entwicklung.“

An die Overhead-Visualisierungen, mit denen Friedrich Lachmayer seine Lehrveranstaltungen begleitete, ehe ihm mit PowerPoint ein neues, digitales Werkzeug in die Hand gegeben war, hat auch Peter Ebenhoch die lebendigsten Erinnerungen:

„In fragwürdig belüfteten und verdunkelten höhlenartigen Hörsälen des Juridicums leuchtete, wie in Platons Höhle von außen, der Overhead-Projektor auf ein leere oder teilvorbereitete Folie, die von Friedrich Lachmayer dynamisch orchestriert worden ist: Handschriftlich oder mit kleinen Gegenständen auf der Projektionsfläche ad hoc ergänzt entsteht eine lebendige geistige innere Welt vor unseren Augen und im gemeinsamen Wahrnehmungsraum, die unsere conditio humana und conditio legalis exakt widerspiegelt und uns als solche bewusst macht und vergegenwärtigt.

 

Lachmayer stand zwar physisch vor einem im Hörsaal und hantierte tatsächlich am Overhead-Projektor in Reichweite, man sah dabei aber tief in geistige Milchstraßen hinein, als zupfte er an der Saite eines Instruments und brächte geistige Universen zum Tönen. Im Unterschied zum Höhlengleichnis blieb die geistige Realität nicht draußen, sondern entstand direkt durch diese ontologische helle Projektion.“

Auch Friedrich Lachmayers Universitätsseminare waren Netzwerkveranstaltungen, in die er den wissenschaftlichen Nachwuchs einbezog, wie Dietmar Jahnel bezeugt:

„Als junger Rechtswissenschaftler, der sich bereits in den 80er- und 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts für damals geradezu exotische Themen wie Rechtsdatenbanken oder Datenschutz interessierte, wurde ich rasch von Friedrich Lachmayer ‚entdeckt‘ und laufend zu Vorträgen sowohl in seinem Seminar an der Universität Innsbruck als auch bei den Rechtsinformatik-Veranstaltungen im Bundeskanzleramt eingeladen. Er hatte dabei eine ganz eigene Methode der Acquirierung von Vortragenden: Kaum war eine dieser Veranstaltungen zu Ende, wurde man sofort zu einem neuen Termin eingeteilt – und dieser neue Termin lag meistens mehrere Monate in der Zukunft, also ‚in sicherer Entfernung‘. Was blieb da anderes übrig als zuzusagen und den Termin einzuhalten?“

Friedrich Lachmayers Bereitschaft, Studierende zu fördern, blieb freilich nicht auf seine Lehrveranstaltungen beschränkt; Walter Hötzendorfer erzählt davon,

„wie mich Friedrich Lachmayer gegen Ende meines Doktoratsstudiums unter seine Fittiche nahm und wir einander regelmäßig im Kaffeehaus trafen, um den Fortschritt meiner Dissertation zu besprechen. Während die Gesprächsinhalte dabei stets zur Gänze von mir kamen, verstand es Friedrich in unnachahmlicher Weise, diese aufzugreifen, neu zu strukturieren, neue Facetten hervorzukehren, neue Zusammenhänge herzustellen etc. Dabei ging ich oft nicht nur mit Notizen auf Papier nachhause, die mir Friedrich nach unserem Gespräch überließ – nein, auch Gegenstände und dreidimensionale Gebilde nahm ich von unseren Treffen mit, in denen Friedrich das Besprochene manifestiert hatte. Besonders erinnere ich mich an einen Bogen stärkeren Papiers, den Friedrich, nachdem er die Kernbegriffe unseres Gesprächs darauf notiert hatte, an bestimmten Stellen einriss, umklappte und so faltete, dass sich im Raum bestimmte Begriffe trafen, die an verschiedenen Stellen des Papiers notiert waren, um den besprochenen Gedankengang wieder mit seinem Ausgangspunkt zu verbinden. Ein anderes Mal hatte Friedrich kleine Würfel aus Holz dabei, wie man sie für Würfelspiele verwendet, jedoch waren diese nicht beschriftet, sondern man konnte auf allen sechs Seiten eine Kleinigkeit aufzeichnen, was Friedrich aus unserem Gespräch heraus auch tat, wiederum damit verschiedene Gedanken einander im Raum – oder soll ich sagen: hinten herum – wieder trafen. Diese Gegenstände, die ich natürlich noch immer aufbewahrt habe, illustrieren für mich in einzigartiger Weise Friedrich Lachmayers Art des Denkens in Bildern und seine Gabe, andere dadurch zu inspirieren.“

Was also sowohl den Ministerialbeamten als auch den akademischen Lehrer Friedrich Lachmayer besonders auszeichnet, ist seine Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, ihre Talente zu erkennen und sie darin zu ermutigen, diese Talente zu entfalten. Das ist Friedrich Lachmayer, der Mentor.

Angela Stöger-Frank, die Friedrich Lachmayer ihren „Mentor seit fast 40 Jahren“ nennt, beschreibt seine Tätigkeit so:

„Der Mentor erklärt seine Arbeitsweise, begründet seine Handlungen und gibt dem Mentee Tipps zu seinen eigenen Aufgaben. Er übt sich in konstruktiver Kritik und gibt seinem Schützling allgemeine Ratschläge zur Karriere.“

Und sie sagt:

„Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich immer aus meiner Arbeitsroutine herausholte, mir Denkanstöße gab und mein Blickfeld erweiterte. Die dadurch entstandenen Kontakte zu Universitäten und anderen Institutionen sowie seine philosophisch-humanistische Herangehensweise möchte ich nicht missen.“

Dass Friedrich Lachmayer Menschen nicht nur durch die unmittelbare Wirkung seiner Persönlichkeit zu inspirieren vermag, sondern auch eine „Fernwirkung“ durch sein schriftliches Werk ausübt, belegt der Bericht eines jungen brasilianischen Rechtswissenschaftlers, Diogo Sasdelli. Er lernte ihn kennen

„ganz am Anfang meines Studiums, als ich in einer vergessenen dunklen Ecke der Bibliothek des Juridicums der Bundesuniversität Minas Gerais in Belo Horizonte einige klassische Bücher zur Rechtslogik, darunter auch Sammelbände mit Aufsätzen von Lachmayer, ‚entdeckt‘ habe. Die Klarheit und die Schärfe seines Argumentationsstils und sein geschickter Einsatz meisterhaft konzipierter Visualisierungsmethoden haben wesentlich dazu beigetragen, mein Interesse für Normenlogik und Rechtsinformatik weiterzuentwickeln.“

Erst jüngst, anlässlich des Kolloquiums zum 80. Geburtstag von Friedrich Lachmayer im Rahmen von IRIS 2023, konnte Diogo Sasdelli Friedrich Lachmayer auch persönlich kennenlernen:

„Unsere Gespräche dabei waren nicht nur für mich persönlich äußerst interessant, zumal ich so viele noch offene Fragen habe klären können; sie waren auch mit einer angenehmen Art Déjà-vu-Gefühl verbunden: denn wieder durfte ich, wie zu Anfang meines Studiums, von Prof. Lachmayer und seinem faszinierenden Stil viel lernen.“

Das Internationale Rechtsinformatiksymposion (IRIS), das seit 1998 regelmäßig in Salzburg stattfindet, entspringt einer bis heute weiterwirkenden Initiative Friedrich Lachmayers. Veranstaltungsreihen anzuregen, um den ihm am Herzen liegenden Menschen Foren zu bieten, auf welchen sie die ihm am Herzen liegenden Themen diskutieren konnten, war einer der wichtigsten Ansätze Friedrich Lachmayers, um seine Netzwerke zu erweitern und seine Themen voranzutreiben. Friedrich Lachmayer, der Netzwerker, hat insbesondere mit IRIS, aber auch mit den Legistik-Gesprächen, die zunächst in Klagenfurt stattgefunden haben und mittlerweile mit etwas eingeschränktem thematischem Fokus in Linz fortgeführt werden, ein lebendiges Erbe geschaffen, das seine Wirkung alljährlich aufs Neue entfaltet.

Besonders beeindruckend waren für viele die Schlussworte, mit denen Friedrich Lachmayer IRIS alljährlich zu resümieren und mit denen er auch bereits einen Ausblick auf die jeweils nächstjährige Veranstaltung zu geben pflegte. Dazu Bettina Mielke und Christian Wolff:

„So denken wir in der Rückschau – trotz der vielen brillanten Nachfolger – etwas wehmütig an die Auftritte Friedrich Lachmayers als finale Deutungsmacht und Wegzeiger in die Zukunft jeweils Samstagmittag am Ende des IRIS im Dreisäulensaal des Salzburger Juridicums. Die Leichtigkeit und Raffinesse, mit der er persönliche und familiäre Erfahrungen, philosophische Grundkonzepte und markante Deutungen nicht nur der Rechtsinformatik, sondern des Rechts in einer atemberaubend interaktiven Collage und Animation präsentierte und kommentierte und dabei schlüssig das jeweils kommende Thema des nächsten IRIS herausarbeitete, wird unvergessen bleiben.“

Eine mit IRIS in Zusammenhang stehende anekdotische Erinnerung von Bettina Mielke und Christian Wolff, die auf Friedrich Lachmayers Anregung hin für IRIS 2009 einen Beitrag zum Thema „Welche Farbe hat das Recht?“ verfasst hatten, belegt eine der sympathischsten Eigenschaften Friedrich Lachmayers, seinen liebenswerten, sanften Humor:

„In den Folgejahren begrüßte uns Friedrich Lachmayer, wo immer wir ihn auf dem IRIS trafen, mit verschmitztem Lächeln mit der Aussage, dass die Farbe des Rechts blau sei, ggf. gefolgt von einer Anmerkung zur Farbe unserer Kleidung, die dazu passte oder eben auch nicht. Fast schien es uns, als seien wir Teil eines kleinen Verschwörerkreises, der allein in die wahren Grundlagen der Rechtsvisualisierung eingeweiht ist.“

Es ist nicht zuletzt dieser Humor, der Friedrich Lachmayer zu einem so angenehmen Gesprächspartner macht, wie etwa Sabine Kilgus und Caroline Walser Kessel bestätigen:

„Friedrich Lachmayer hat sich in all den Jahren immer sehr für unsere Tätigkeit im Bereich der Rechtsvisualisierung interessiert und war stets ein spannender Gesprächspartner mit großem Fachwissen und sehr viel Humor!“

Wolfgang Kahlig charakterisiert Friedrich Lachmayer so:

„Eine ganze Welt voller Energie und neuer unkonventioneller Ideen. Dazu unendliche Geduld und Ausdauer. Immer humorvoll, ja witzig und tiefgründig. Und gegenüber ‚guten‘ Ideen anderer nie verschlossen.“

Auch für Reinhard Riedl ist Friedrich Lachmayer, der Gesprächspartner, eine besonders geschätzte Facette seiner Persönlichkeit:

„Gelernt habe ich am meisten von Friedrich in persönlichen Gesprächen – und zwar nicht nur über Rechtskonzepte und gesellschaftliche Rituale, sondern auch über Strategien, wie man Ziele erreichen kann. Er gehört zu jenen Menschen, die sich für sachorientierte Machtpolitik interessieren, über praktische Erfahrung darin verfügen – als Beobachter und als Akteur – und diese Erfahrungen theoretisch reflektieren. Offensichtlich dekonstruiert er gerne Erzählungen – Mythen, Märchen, Dramen –, um alternative, ergänzende Interpretationen aufzuzeigen. Dabei erinnert er einen indirekt auch immer wieder an das Eigentliche, das unsere Erfahrung gerne verdrängt: dass wir beispielsweise mit unseren Projekten eigentlich Gemeinwohlnutzen anstreben.“

Wenn die räumliche Entfernung das persönliche Gespräch zu einer dann umso mehr geschätzten Ausnahme macht, tritt Friedrich Lachmayer, der Korrespondenzpartner, in Erscheinung. Einer jener Menschen, die in den Genuss einer solchen Korrespondenzpartnerschaft kommen, ist der seit vielen Jahren in Kärnten tätige Edmund Primosch, und so würdigt er

„unsere digitale Brieffreundschaft, die einen regelmäßigen und für mich äußerst fruchtbaren Austausch mit sich gebracht hat. Darin kommt den Visualisierungen Friedrichs eine zentrale Rolle zu. Ich erinnere mich an die lange Zeit täglich übermittelten E-Mails etwa mit Bildern zu Sätzen von Epiktet, Blaise Pascal oder La Rochefoucauld, aus der fremden Welt des I Ging, zu Liedern von Franz Schubert, zu Sonetten von William Shakespeare, zu lateinischen Begriffen oder zu liturgischen Texten. Da ich oft das Bedürfnis hatte, meine spontanen Gedanken zu erwidern, konnte sich mit Friedrich ein Dialog entwickeln. Er unterzieht sich auch stets der Mühe, auf einzelne meiner Gedanken zu replizieren, seine Sichtweise zu erläutern und seine große Erfahrung zu teilen.“

Friedrich Lachmayers Blick auf die Welt hat sich in den acht Jahrzehnten seines Lebens immer mehr geweitet. Längst reicht er weit über Rechtswissenschaft und Rechtstheorie hinaus, mit welchen seine berufliche und wissenschaftliche Laufbahn begonnen hat. Im buchstäblichen Sinn des Wortes sichtbar wird die Weite seines Horizonts in seinen Visualisierungen, deren thematisches Spektrum Edmund Primosch angerissen hat. Friedrich Lachmayer überblickt die Welt nicht nur, er durchschaut sie. Und auch wenn einer wie Friedrich Lachmayer unvergleichlich ist, zieht Peter Ebenhoch doch einen Vergleich, einen Vergleich mit einem der großen Soziologen des 20. Jahrhunderts:

„Was Niklas Luhmann in seinem Lebenswerk so großartig mit Worten erkundete und beschrieb – Systeme, Machtverhältnisse, Rechtsprozesse, Abhängigkeiten, Wechselwirkungen etc. –, so massig, dass es unter dem eigenen Gewicht gefühlt wie begraben wirkt, kann einem Friedrich Lachmayer jederzeit und regelmäßig und trotz aller Komplexität immer eingängig und klar direkt vor Augen führen, jederzeit und ad hoc, auch in Pausen oder nach dem Mittagessen auf einer Serviette oder einem Notizzettel.“

Klarheit und eine gewisse Leichtigkeit, das ist es, was die Gedanken Friedrich Lachmayers auszeichnet. Eine solche Leichtigkeit braucht Zeit, um heranzureifen. Friedrich Lachmayer hat die acht Jahrzehnte seines bisherigen Lebens genutzt, um sich diese Leichtigkeit zu erwerben. Mögen ihm – und damit uns mit ihm – noch viele weitere Jahre geschenkt sein!