Jusletter

Liebe Leserinnen und Leser

Vor gut einem Jahr haben Volk und Stände die sogenannte «Masseneinwanderungsinitiative» angenommen. Bis heute ist unklar, wie und wie weit Art. 121a BV umgesetzt werden wird. Peter Uebersax nimmt eine erste Einordnung des Vernehmlassungsentwurfes des Bundesrates zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative vor. Er ordnet diesen ein in den Entstehungskontext der Initiative und kommt zum Schluss, dass der Entwurf sich zwar auf der Linie des Auftrags der Verfassung bewegt, aber nicht besonders originell geraten ist und wohl kaum eine Begrenzungs- oder Steuerungswirkung auf die Zuwanderung haben wird. Weitere Verfassungsziele (namentlich das gesamtwirtschaftliche Interesse) und rechtsstaatliche Anforderungen sieht Uebersax durch den Vernehmlassungsentwurf bedroht.

Die vorliegende Schwerpunkt-Ausgabe widmet sich indessen schwergewichtig der grund- und menschenrechtlichen Dimension des Migrationsrechts und diskutiert – in einem gewissen Kontrast zum vorherrschenden Diskurs – weniger die ökonomischen Einflüsse der Migration als deren humanitären Aspekte.

Zwei Beiträge befassen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz: Der Beitrag von Stefanie Kurt und Valentin Zuber behandelt vor dem Hintergrund der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes und der dort verankerten «erfolgreichen Integration» als Voraussetzung zur Erlangung des Schweizer Passes die paradoxe Situation, dass die Ausübung politischer Rechte stark zur politischen und gesellschaftlichen Integration beitragen würde, dass diese aber weder auf Bundesebene noch in den meisten Kantonen gefördert wird. Der Aufsatz von Babak Fargahi setzt sich mit dem Begriff «Heimat» bei Nicht-Staatsangehörigen, die seit Kindheit oder gar in zweiter oder dritter Generation in der Schweiz leben, auseinander. Er fordert unter Berücksichtigung der Praxis zu den Begriffen «Privatleben» in der Verfassung und der EMRK und dem Begriff «das eigene Land» im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte ein vom Bürgerrecht und von der Frage nach der Integration entkoppeltes Aufenthaltsrecht.

Zwei weitere Abhandlungen betreffen asylrechtliche Themen, und zwar auf EU-Ebene und in der nationalen Rechtsanwendung: Sarah Progin-Theuerkauf und Teresia Gordzielik legen einen umfassenden Überblick über die für das Asylrecht einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der diese auf das europäische Asylrecht anzuwendenden Rechtsprechung des EuGH vor. Dabei werden sowohl der materielle Schutzgehalt wie auch der Schutz von Verfahrensrechten thematisiert. Mit der für das Asylverfahren überragenden Bedeutung der Informationen über die Herkunftsländer («Country of Origin Information», COI) und den Standards für die entsprechende Informationsgewinnung befasst sich Damian Rosset: Da sowohl die erste Instanz (das Staatssekretariat für Migration) wie auch die Beschwerdeinstanz (das Bundesverwaltungsgericht) eigene spezialisierte Stellen haben, interessiert auch die Interaktion zwischen diesen Behörden.

Schliesslich beleuchten Samah Posse-Ousmane und Sarah Progin-Theuerkauf die zunehmend komplexe und fragmentierte Regulierung des Familiennachzuges im Europarecht, thematisieren die einschlägige Rechtsprechung des EGMR und setzen diese in Kontrast zum Verfahren und der Rechtsprechung des EuGH, dessen Rollenverständnis und Zugang zur Frage des Familiennachzugs ein ganz anderes ist, was zu einer komplexen und dynamischen Interaktion zwischen den beiden Gerichten führt.

Wir hoffen, dass diese Beiträge auf ein breites Interesse stossen werden.
 
Prof. Dr. Alberto Achermann
Zentrum für Migrationsrecht
an der Universität Bern
Redaktor Jusletter Migrationsrecht
Stefan Schlegel
Zentrum für Migrationsrecht
an der Universität Bern
 

 

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