Um die parlamentarische Oberaufsicht zu verstärken, hat das Parlament 1990 beschlossen, mit der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) einen professionellen Dienst einzurichten, der für die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) Evaluationen durchführt. Die PVK nahm ihre Tätigkeit 1991 auf und konnte somit 2021 ihr dreissigjähriges Bestehen feiern. Sie hat am 25. November 2021 ihre rund 40 ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (die Hälfte davon Hochschulpraktikantinnen und -praktikanten) zu einem Jubiläumsanlass ins Parlamentsgebäude eingeladen, an dem die Arbeit der PVK aus verschiedenen Perspektiven gewürdigt wurde.
In ihrer Eröffnungsrede betonte Simone Ledermann, die aktuelle Leiterin der PVK, dass diese heute auf breiten Schultern stehe, auf einem Fundament, zu dem alle Anwesenden beigetragen hätten. Die PVK sei in institutioneller Hinsicht fest verankert und könne auf eingespielte organisatorische Abläufe sowie auf die Erfahrung aus unzähligen Evaluationen in den verschiedensten Politikbereichen zählen. Ziel des Anlasses sei aber auch, Anstösse für die Zukunft der PVK zu erhalten.
«Die PVK – ein Blick von aussen» lautete der Titel des Gastvortrages von Adrian Vatter, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Er erinnerte daran, dass er vor fast 30 Jahren im Auftrag der PVK einen Bericht über die Entstehung der parlamentarischen Verwaltungskontrolle verfasst hatte. Zu diesem Zeitpunkt habe die PVK erst seit kurzem bestanden und der zukünftige Stellenwert der parlamentarischen Verwaltungskontrolle sei noch schwer abschätzbar gewesen. Inzwischen sei die PVK im institutionellen Gefüge nicht mehr wegzudenken, obwohl sie in der medialen Öffentlichkeit eine grosse Unbekannte darstelle. Gerade im politischen System der Schweiz sei die parlamentarische Aufsichtsfunktion besonders wichtig, weil es systembedingt keine schlagkräftige grosse Oppositionspartei gebe, die jeden Entscheid der Regierung gezielt auf kleinste Fehler überprüfe. Er hielt aber auch fest, dass «die Möglichkeiten der parlamentarischen Oberaufsicht nach wie vor äusserst begrenzt» seien. Den rund fünf Vollzeitstellen der PVK stünden knapp 40’000 Mitarbeitende der Bundesverwaltung gegenüber. In diesem Kontext könne parlamentarische Oberaufsicht immer nur als «Tendenzkontrolle» verstanden werden, wo es weniger um einzelne Mängel gehe, sondern um die daraus allenfalls erkennbare Richtung der Verwaltungspraxis und deren Wirkung auf die Gesellschaft. Die reine Existenz der PVK, gekoppelt mit ihrer punktuellen Wirksamkeit, könne aber auch eine beträchtliche präventive Wirkung entfalten, indem die Bundesbehörden wüssten, dass sie potentiell kontrolliert werden könnten. Hinsichtlich der künftigen Entwicklung der PVK hielt Vatter fest, die Komplexität der Geschäfte werde vermutlich weiter zunehmen. Die Arbeit der PVK bleibe deshalb weiterhin von hoher Relevanz und es scheine von aussen betrachtet geradezu zwingend notwendig, dass nach 30 Jahren ein Ausbau – angesichts auch der stetig grösser werdenden Verwaltung – in Angriff genommen werden sollte. Am Ende seiner Rede betonte Vatter: «Eine hohe Glaubwürdigkeit, sauberes wissenschaftliches Arbeiten und hohe Transparenz müssen trotz oder gerade in Anbetracht der sich verbreitenden ‹Wissenschafts- und Behördenskepsis› als zentrale Prinzipien der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle hochgehalten werden.»
Marion Baud-Lavigne und Raoul Kaenzig, beide Projektleitende der PVK, präsentierten unter «Rückblicke auf die Zeit bei der PVK» die Ergebnisse einer kurzen Online-Umfrage bei den ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PVK. Die Attraktivität ihrer Tätigkeit bei der PVK sahen die Ehemaligen primär darin, dass sie an der Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Wissenschaft arbeiteten, zur Transparenz und Effizienz der Tätigkeiten der Bundesbehörden beitrugen und ihre Kenntnisse in der Evaluation von öffentlichen Politiken anwenden und erweitern konnten. Verbesserungsvorschläge wurden vor allem hinsichtlich der Kommunikation der Evaluationsergebnisse vorgebracht. Die meisten beurteilten ihre Zeit bei der PVK in der Umfrage als nützlich für ihre weitere Karriere und würden die Arbeit bei der PVK empfehlen, was im Hinblick auf künftige Stellenbesetzungen laut den Präsentierenden ein ermutigendes Ergebnis darstelle. Eine kurze Videobotschaft von Corine Mauch, die vor ihrer Wahl zur Stadtpräsidentin Zürichs bei der PVK gearbeitet hatte, schloss den Programmpunkt ab. Sie hob hervor, dass die PVK die Bundesversammlung unabhängig, mit wissenschaftlicher Expertise und lösungsorientiert unterstütze und damit zu faktenbasierten Entscheiden beitrage.
Andreas Tobler legte den Schwerpunkt in seinem Referat «Die PVK – von den Anfängen zur Gegenwart» auf persönliche Erinnerungen aus den über 25 Jahren, in denen er bereits bei der PVK tätig ist. Er zeigte, wie die PVK vom eher peripheren Standort an der Hotelgasse 10 über zwei Zwischenetappen schliesslich ins repräsentative Bundeshaus Ost umzog, also schrittweise quasi ins Zentrum der Macht vorstiess. Dem Historiker Tobler sagt die zumeist rückblickende Perspektive der Oberaufsicht zu. Er verwies auf eine auch für ihn sehr zutreffende Aussage von Martin Rothenbühler, einem der ersten Mitarbeitenden der PVK, aus dem Jahr 1997: «Ich war ein Privilegierter, weil ich fast überall hineinsehen konnte und das tun durfte, was mir für den öffentlichen Dienst so wichtig scheint: Nachfragen, was mit den eingesetzten Mitteln in der Verwaltungstätigkeit geschieht». Über 80 Evaluationen hat die PVK seit 1991 durchgeführt, das sind knapp drei pro Jahr. Ihre Themen sind sehr vielfältig und betreffen alle Departemente, die Bundeskanzlei wie auch die eidgenössischen Gerichte.
In der von Felix Strebel (stv. Leiter PVK) geleiteten Podiumsdiskussion sprachen vier der inzwischen sechs bisherigen Leitenden der PVK über prägende Momente, wichtige Neuerungen und zukünftige Entwicklungen. Als wichtige Neuerung wurde in der Runde das unter Daniel Janett (Leiter 2000–2008) und Christoph Bättig (Leiter 2008–2014) eingeführte Planungssystem und Prozessmanagement genannt. Beide Instrumente wurden nach Vorbildern aus der Privatwirtschaft entwickelt und werden – mittlerweile stark optimiert – bis heute verwendet. Unter Nicolas Grosjean (Leiter 2014–2018) engagierte sich die PVK neu in der parlamentarischen technischen Zusammenarbeit, insbesondere zugunsten des mongolischen Parlaments. Simone Ledermann (Leiterin seit 2019) berichtete, dass es das Team der PVK auch während der Corona-Pandemie geschafft hat, alle geplanten Leistungen zu erbringen und sie beabsichtige, die in der Pandemie erprobten Arbeitsweisen wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und -orte teilweise fortzusetzen. Auf die Frage von Strebel, welche Fähigkeiten aus der PVK die ehemaligen Leiter mitgenommen hätten, nannte Janett sowohl die Kompetenzen im Projektmanagement als auch das Arbeiten mit Wirkungsmodellen. Wichtig sei auch die Erfahrung einer komplexen Stakeholderumgebung (Parlament, Exekutive, Zivilgesellschaft, Forschungseinrichtungen, Medien) gewesen. Bättig fügte an, dieses vielfältige Denken, das er bei der PVK erlernt habe, sei für ihn bei schwierigen Projekten immer noch hilfreich. Man verstehe zudem, wie die Prozesse zwischen Verwaltung und Politik funktionierten, und dass evidenzbasierte Grundlagen nur einen beschränkten Einfluss hätten. Schliesslich wies Grosjean daraufhin, er habe bei der PVK überhaupt erst das Evaluationshandwerk gelernt. Evaluationen seien zwar nicht immer direkt wirksam, aber man könne nicht sagen, sie bewirkten nichts. Die PVK spiele gerade jetzt, da die Wissenschaft angezweifelt werde, eine wichtige Rolle. In Bezug auf die künftige Entwicklung der PVK sehen die (ehemaligen) Leitenden Potenzial in der Präsentation der Evaluationsergebnisse. So sind die Berichte der PVK im Laufe der Jahre attraktiver und adressatengerechter geworden. Zu kurz dürften sie indes nicht ausfallen, denn die Ergebnisse müssten wissenschaftlich belegt und nachvollziehbar sein, so Grosjean. Janett stimmte zu, dass die PVK auch künftig Berichte verfassen müsse, jedoch die Verbreitungskanäle erweitern und die Ergebnisse besser visualisieren könnte. Öffentlichkeit sei ein Element, das wichtig für das Gleichgewicht der Kräfte und die Nutzung der Ergebnisse sei. Ledermann erinnerte daran, dass die PVK in erster Linie die GPK anspricht und durch diese wirkt. Die PVK investiere viel in die Präsentationen vor den Kommissionen, doch laufe die weitere politische Nutzung der Ergebnisse über die GPK. Die Trennung sei so gewollt und für die Glaubwürdigkeit der PVK notwendig.
Aus dem Publikum kamen mehrere Voten, die eine Aufstockung des Stellenetats der PVK verlangten, insbesondere damit diese auch künftig über die notwendigen spezialisierten Kenntnisse verfüge. Beatrice Meli (Sekretärin der GPK) meinte dazu, die PVK leiste viel mit ihren bestehenden Arbeitsprozenten. Ressourcenaufstockungen müssten vom Parlament beschlossen werden, was unter den aktuellen Bedingungen eher schwierig sei. Die PVK sei zwar sehr politologie-orientiert, ziehe aber notwendiges spezifisches Wissen über Expertenmandate bei.
Zum Schluss richtete sich Philippe Schwab (Generalsekretär der Bundesversammlung), der nicht am Jubiläumsanlass teilnehmen konnte, in einer Videobotschaft an die Anwesenden. Er kennt die PVK und ihre Geschichte bestens, trat er doch 1993 ins Sekretariat der GPK ein und war lange Jahre dessen Sekretär. Er erinnerte daran, dass die Politikevaluation 1990 in Artikel 47sexies des Geschäftsverkehrsgesetzes verbannt wurde, doch inzwischen sei sie in der Bundesverfassung verankert. Manche Köpfe hätten der PVK damals keine rosige Zukunft vorausgesagt und es habe schwierige Zeiten geben, doch heute stehe die PVK besser da als je zuvor. Die Jahre hätten sie geformt und optimiert. Dies sei das Ergebnis der Anstrengungen engagierter Leitungspersonen und eines motivierten Teams. Ihre Arbeiten von hoher wissenschaftlicher Qualität würden der politischen Debatte die nötige Genauigkeit und Objektivität verleihen.
Gestärkt durch die Anerkennung, die am Anlass ausgedrückt wurde, und mit neuen Anstössen für künftige Optimierungen hat die PVK inzwischen das 31. Jahr ihrer Tätigkeit in Angriff genommen.
Andreas Tobler, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Parlamentarische Verwaltungskontrolle, Bern.