Liebe Leserinnen und Leser
«Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand.» Irgendwie ist diese Redewendung aus dem Volksmund hierzulande immer noch populär. Man könnte das moderner auch mit «learning by doing» umschreiben. Einmal ins Amt des Richters oder der Richterin gewählt, weiss man sich dann schon zu helfen. Laienrichter und Laienrichterinnen befinden sich häufig in dieser Situation.
Sind aber Laienrichter noch zeitgemäss? So fragen sich Revital Ludewig-Kedmi und Evelyne Angehrn in ihrem Beitrag und stellen die Institution des Laienrichters in das Spannungsfeld zwischen «gesundem Menschenverstand» und rechtlicher Komplexität. Wie wichtig oder nötig sind Laienrichter in der heutigen Zeit noch? Die Institution der Laienrichter entspricht dem Prinzip der direkten Demokratie. Der richterlichen Gewalt soll der Wille der Bevölkerung «beigegeben» werden. Berufsrichter und Laienrichter sind zwei gleichberechtigte, sich ergänzende Beteiligte der Rechtsprechung und leisten je ihren Beitrag für eine funktionsfähige Justiz. Aber handelt es sich dabei bloss um eine Idealvorstellung? Sind die Laienrichter tatsächlich so stark an der Urteilsfindung beteiligt? Berufsrichter sehen oft in den Laienrichtern keine sinnvolle Bereicherung, in der Urteilsberatung würden sie sich höchst selten der Meinung der Berufsrichter widersetzen, zu beklagen sei auch, dass sich die Laienrichter kaum aktiv an der Urteilsbildung beteiligten. Der «unverbildete, gesunde Menschenverstand» sei überhaupt nicht spürbar. Wird der Laienrichter so zu einem bloss dekorativen Element? Andererseits sind Laienrichter im schweizerischen Rechtssystem ein konstanter Bestandteil, ein politischer Wille zu deren Abschaffung ist kaum vorhanden. Müssten Laienrichter, angesichts dieser Sachlage und der zunehmenden Komplexität der Rechtsfälle besser ausgebildet werden? Würde dann aber die Institution nicht obsolet? Wäre etwa der Forderung nach einer volksnahen Justiz auch genüge getan, indem die Juristen, bzw. zukünftigen Richterinnen und Richter während ihrer Aus- und Weiterbildung sensibilisiert würden, damit die Justiz zwar wissenschaftlich, aber auch volkstümlich sei?
Michael Beusch sieht in seinem Beitrag in der Mitwirkung von Laien in der Verwaltungsrechtsprechung historisch einen wichtigen Schritt zur demokratischen Entwicklung der Justiz. Heute aber gebe es keine sachlichen Gründe mehr, welche eine Laienmitwirkung im Rahmen dieser Rechtsprechung gebieten würden. Angesichts der Komplexität der Rechtsfragen und vor dem Hintergrund der für die Justiz zentralen richterlichen Unabhängigkeit sollte der Einsatz, selbst von fachkundigen Laien, höchst zurückhaltend erfolgen, wenn überhaupt. Es fragt sich, ob in der heutigen Zeit dem Anliegen der Akzeptanz der richterlichen Entscheide und damit dem «Einbinden» der Bevölkerung in einem weiteren Sinn durch Vorsehen einer (sogar vermehrten) Laienmitwirkung gedient ist. In früherer Zeit war dies notwendig, um der Obrigkeitswillkür und einem von den Machthabern abhängigen Berufsrichtertum zu begegnen. Heute aber, wo Gerichte und Richter demokratisch legitimiert sind, erscheint das als überflüssig. Richter sind auch Teil der demokratischen Gesellschaft und verfügen wohl auch über einen «gesunden Menschverstand» wie aller anderen Bürgerinnen und Bürger. Beusch meint deshalb, auf die Mitwirkung von Laienrichtern verzichten zu können. Zur Sicherstellung der Akzeptanz der Entscheide sei neben dem Einhalten der «Verfahrensspielregeln» wesentlich, dass die Entscheide adressatengerecht formuliert und gut begründet würden. Auch für die Rechtsprechung gelte der Ausspruch Gustav Radbruchs: »Denken wie ein Philosoph, reden wie ein Bauer.»
Mit der Geschichte der Umsetzung von Kodifikationen, im Besonderen mit jener des ZGB befasst sich der Rechtshistoriker Michele Luminati. Diese Verlagerung von der Entstehungsgeschichte zur Wirkungsgeschichte widerspiegelt u. a. auch das gestiegene Interesse an der «justiziellen» Dimension.
Beiträge zum Forum, News aus den Kantonen und aus dem Ausland, Reprints, Personalia und Mitteilungen aus den Richtervereinigungen runden diese Ausgabe ab.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.
Anne Colliard, Stephan Gass, Regina Kiener, Hans-Jakob Mosimann, Thomas Stadelmann, Pierre Zappelli