Justice - Justiz - Giustizia

Neues aus der Legistik

  • Autor/Autorin: Yvonne Summer
  • Beitragsart: News abroad
  • DOI: 10.38023/4bf2d748-bcd5-46c2-b836-7e0d2b691c19
  • Zitiervorschlag: Yvonne Summer, Neues aus der Legistik, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2020/4
Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Betrages erlebt Österreich den zweiten harten Lockdown. Die Covid-19-Notmassnahmenverordung sieht verschärfte Ausgangsbeschränkungen und eine weitgehende Schliessung der Geschäfte mit Ausnahme der Grundversorgung vor.
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Anders als im März wirkt sich dieser Lockdown aber nicht mehr unmittelbar auf die Justiz aus. Seitens der Politik werden diesmal vom Gesetzgeber keine Einschränkungen des Verhandlungsbetriebes angeordnet und wird somit in die unabhängige Rechtsprechung nicht eingegriffen. Die Bundesregierung ruft jedoch dazu auf, Kontakte möglichst zu vermeiden. In dieser Situation stehen die Richter*innen vor der Herausforderung, einerseits den Gerichtsbetrieb als Garant eines funktionierenden Rechtsstaates aufrechtzuerhalten, andererseits die mit dem Verhandlungsbetrieb unweigerlich einhergehenden physischen Kontakte zu minimieren.

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Während also der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang in den Gerichtsbetrieb nicht mehr eingreift, hat er in den vergangenen Wochen ein Gesetzesprojekt auf den Weg gebracht, das – sollte es beschlossen werden – Richter*innen aus unterschiedlichen Gründen stark betrifft, nämlich einen Entwurf der Dienstrechtsnovelle (20/SN-43/ME), die Änderungen des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG) vorsieht:

Herabsetzung der Auslastung (§ 76f RStDG):

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Derzeit kann die Auslastung von Richter*innen nach § 75g RStDG aus Krankheitsgründen herabgesetzt werden, während eine Herabsetzung der Auslastung aus anderen Gründen, etwa einer eingeschränkten Belastbarkeit auf Grund fortgeschrittenen Alters nicht möglich ist. Mit der nunmehr vorgeschlagenen Regelung des § 76f RStDG wird zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, dass die Auslastung von Richter*innen nach Vollendung des 55. Lebensjahres um 25% und nach Vollendung des 60. Lebensjahres um 25% oder 50% herabgesetzt werden kann. Diese Regelung ermöglicht eine weitere Flexibilisierung und dient dem Erhalt der Arbeitskraft bis zum Pensionsantritt, stellt aber kein Modell der «Altersteilzeit», wie sie etwa aus der Wirtschaft bekannt ist, sondern nur eine Herabsetzung der Auslastung dar. Mit diesem Entwurf wird einer langjährigen Forderung der richterlichen Standesvertretung nähergetreten. Mit den Möglichkeiten des § 75g und des neuen § 76f RStDG wird nämlich ein Grossteil der Fälle, in denen Richter*innen eine Herabsetzung der Auslastung benötigen, abgedeckt werden können. Richter*innen werden jedoch auch mit dieser Regelung nach wie vor ohne sachlich gerechtfertigten Grund schlechter gestellt als alle anderen Bundesbediensteten, insbesondere auch als die Staatsanwält*innen (§ 50a BDG). Es wird daher weiterhin die generelle Möglichkeit der Herabsetzung der Auslastung gefordert, ohne Einschränkung auf Alter oder Krankheit.

Steigerung der Transparenz im Verfahren zur Besetzung von richterlichen Planstellen:

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Nach § 32 RStDG erstatten die zuständigen Personalsenate für die Besetzung ausgeschriebener Planstellen der Richter*innen Besetzungsvorschläge, die an das Bundesministerium für Justiz weiterzuleiten sind. Das ernennende Organ (die*der Bundespräsident*in oder die*der Bundesminister*in für Justiz) ist daran de iure nicht gebunden. De facto haben die Justizminister*innen in der Vergangenheit allerdings in der Regel keine Bewerber*innen ernannt oder vorgeschlagen, die in den Besetzungsvorschlägen nicht vorgekommen sind. Auch «Umreihungen» der angeführten Kandidat*innen waren in der Praxis die Ausnahme. Dennoch hat die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) im Rahmen der vierten Evaluierungsrunde Österreich empfohlen, die Besetzungsvorschläge der Personalsenate bindend zu machen, zumindest aber das Ernennungsverfahren transparenter zu gestalten (vgl. den GRECO Evaluierungsbericht zu Österreich, angenommen am 21. Oktober 2016, Empfehlung xi, Punkt 93). Im Sinne der Erhöhung der Transparenz in den Ernennungsverfahren soll daher der in der Praxis bereits angewendete «Rückleitungsprozess» im neuen § 33a gesetzlich verankert werden. Er sieht vor, dass die*der Bundesminister*in für Justiz dem oder den betreffenden Personalsenat(en) schriftlich mitzuteilen hat, wenn sie*er (im Ausnahmefall) beabsichtigt, dem Besetzungsvorschlag des Personalsenates oder, wenn zwei Personalsenate einen Vorschlag erstatten, keinem davon zu folgen (Abs. 1). Dem oder den Personalsenat(en) steht diesfalls die Möglichkeit offen, eine ergänzende schriftliche Stellungnahme abzugeben (Abs. 2). Die*der Bundesminister*in für Justiz hat bei Vorlage ihres*seines Ernennungsvorschlages die nach Abs. 2 eingeholte(n) Stellungnahme(n) anzuschliessen und die ursprünglichen Erwägungen nach Abs. 1, die zu einer Abweichung von der Reihung durch den oder die Personalsenat(e) geführt haben, ebenfalls zu übermitteln (Abs. 3). Darüber sind die Personalsenate schriftlich in Kenntnis zu setzen. Auch wenn damit keine Bindung des ernennenden Organs verbunden ist, wird diese Bestimmung die Transparenz der Besetzungsverfahren deutlich erhöhen.

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Nachdem die Dienstrechtsnovelle politisch akkordiert ist, ist damit zu rechnen, dass diese auch entsprechend des Entwurfes erlassen und für die Richter*innen wichtige und positive Änderungen mit sich bringen wird.


Mag. iur. Yvonne Summer, Richterin, Vorsteherin des Bezirksgerichtes Dornbirn, Vizepräsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter.