Urteil des Bundesgerichts 2C_1042/2016 vom 12. Juni 2018

«Bankenprogramm»

  • 31 octobre 2018
  • Traité par: Susanne Raas
  • Catégories d'articles: Arrêt de principe
  • Domaines juridiques: Assistance administrative internationale
  • Proposition de citation: Susanne Raas, Urteil des Bundesgerichts 2C_1042/2016 vom 12. Juni 2018, ASA Online : Arrêt de principe
Urteil des Bundesgerichts 2C_1042/2016 vom 12. Juni 2018 i.S. A. SA und B. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen:

1.

Regeste ^

Im Rahmen eines «Joint Statement», das das US-amerikanische Departement of Justice und das Eidgenössische Finanzdepartement geschlossen hatten, verpflichteten sich die beiden Regierungen, das Nötige zur Beendigung des Steuerstreits zu unternehmen (E. 5.4). Beim «Joint Statement» handelt es sich nicht um eine blosse Verständigungsvereinbarung, die sich im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens halten muss, sondern um einen eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag (E. 5.4.1 f.). Überdies kann selbst ein einseitiges vertrauenserweckendes Verhalten im zwischenstaatlichen Verkehr verpflichtende Wirkungen entfalten (E. 5.4.3).

Zwar bestanden zwischen den Vertragsparteien unterschiedliche Auffassungen über dessen Inhalt, insbesondere ob darauf gestützt Gruppen- oder Einzelersuchen zu stellen seien (E. 5.5.1 ff.). Die USA, welche Einzelersuchen stellten, hätten aber gestützt auf die von den Banken gelieferten Daten auch Gruppenersuchen stellen können, indem sie nämlich die ebenfalls von den Banken bekannt gegebene Fallnummer den schweizerischen Behörden nicht übermittelt hätten. Ein solches Ersuchen wäre zulässig gewesen. Somit ist unerheblich, dass den USA von der Bank auch Fallnummern (die keine Kontonummer sind) übermittelt wurden (E. 5.5.3 ff.).

Als sachkompetente Behörde zur Beurteilung einer Schlussverfügung war das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf eine Vorfrage nicht an eine Anordnung des Zivilgerichts Genf gebunden (E. 6).

Avec le «Joint Statement» conclu entre le Departement of Justice américain et le Département Fédéral des Finances, les deux Gouvernements se sont engagés à entreprendre les mesures nécessaires pour mettre un terme au différend fiscal les opposant (consid. 5.4). Le «Joint Statement» n'est pas un simple accord amiable qui devrait s'en tenir au cadre de la Convention contre la double-imposition; il s'agit bien plutôt d'une convention internationale indépendante (consid. 5.4.1 s.). Au surplus, même un comportement unilatéral |inspirant la confiance peut engendrer des effets contrainants (consid. 5.4.3).

 

Il est vrai qu'il existait des avis divergents entre les Parties contractantes quant au contenu de leur accord, notamment quant à la possibilité de déposer des demandes groupées ou des demandes individuelles (consid. 5.5.1 ss). Toutefois, les États-Unis, qui ont présenté des demandes individuelles, auraient également pu présenter des demandes groupées sur la base des données fournies par les banques, en ne communiquant pas aux autorités suisses le numéro de dossier également communiqué par ces dernières. Une telle demande aurait été recevable. Par conséquent, il importe peu que les États-Unis aient également reçu des numéros de cas (qui ne sont pas des numéros de compte) de la banque (consid. 5.5.3 ss).

 

 

En tant qu'autorité compétente pour juger une décision finale, le Tribunal administratif fédéral n'était pas lié, aux fins d'examen d'une question préjudicielle, à une décision du Tribunal civil genevois (consid. 6).

 

Nell’ambito di un «Joint Statement», concluso tra il Departement of Justice degli USA e il Dipartimento federale delle finanze, entrambi i Governi si sono impegnati ad intraprendere il necessario per porre fine alla controversia fiscale. Nel caso del «Joint Statement» non si tratta di un mero accordo amichevole che deve attenersi a quanto disposto dalla convenzione di doppia imposizione, bensì di un trattato internazionale autonomo (consid. 5.4.1 seg.). Inoltre, anche un comportamento individuale che ispira fiducia può dispiegare degli effetti obbligatori (consid. 5.4.3).

 

Invero tra le parti contraenti sussistono delle opinioni diverse in merito al suo contenuto, in particolare sulla questione a sapere se in base allo stesso vanno inoltrate delle domande raggruppate o individuali (consid. 5.5.1 segg.). Gli USA, che hanno inoltrato una domanda individuale, avrebbero però potuto inoltrare una domanda raggruppata sulla base dei dati consegnati dalle banche, senza di fatto anche dover trasmettere alle autorità svizzere i numeri dei casi sussistenti noti alle banche. Una tale domanda sarebbe stata ammissibile. Di conseguenza, è irrilevante che gli USA abbiano ricevuto dalla banca anche i numeri dei casi (che non sono i numeri di conto; consid. 5.5.3 segg.). Quale autorità specializzata per statuire su una decisione finale, il Tribunale amministrativo federale non era vincolato alla decisione del tribunale civile di Ginevra in rapporto ad una questione pregiudiziale (consid. 6).

 

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

Am 29. August 2013 unterzeichneten das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und das Justizdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika (USA; Department of Justice [DoJ]) eine gemeinsame Erklärung («Joint Statement»; die deutsche Version findet sich im Internet unter: http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/31813.pdf; |die englische unter: http://www.justice.gov/iso/opa/resources/7532013829164644664074.pdf; beide letztmals besucht am 26. März 2018). Darin weisen die beiden Länder auf das Programm für schweizerische Banken (nachfolgend Bankenprogramm) hin, welches die USA den Banken, die unversteuerte Konten von dort steuerpflichtigen Personen führten, zur Regulierung dieses Verhaltens zur Verfügung stellten. Die Bank C. AG (nachfolgend: Bank) nimmt an diesem Bankenprogramm teil und hat der Steuerbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika (Internal Revenue Service [IRS]) entsprechende Informationen übermittelt.

Am 31. März 2015 stellte der IRS ein Amtshilfeersuchen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Dieses betraf ein als «Konto xxx» bezeichnetes Konto, welches sich bei der Bank befinde. Der IRS ersuchte darum, ihm die in den USA steuerpflichtige Person zu nennen, die in der Steuerperiode vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 eine Zeichnungs- oder ähnliche Berichtigung an diesem Konto gehabt habe oder daran wirtschaftlich berechtigt gewesen sei. Auf Aufforderung der ESTV hin übermittelte die Bank am 23. April 2015 die verlangten Unterlagen.

In ihrer Schlussverfügung vom 4. August 2015 hielt die ESTV fest, dass dem IRS die Amtshilfe zu gewähren sei.

Gegen die Schlussverfügung sowie die «Eintretens- und Editionsverfügung» der ESTV vom 2. April 2015 reichten die A. SA und B. am 7. September 2015 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Eingabe vom 23. November 2015 beantragten die Beschwerdeführer die Edition und Einsicht in verschiedene Akten, darunter insbesondere das vollständige Ersuchen des IRS sowie die von der Bank dem IRS übermittelten Akten.

Mit Urteil vom 31. Oktober 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab.

Mit Eingabe vom 11. November 2016 erheben B. und die A. SA Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen hauptsächlich, das angefochtene Urteil vom 31. Oktober 2016 aufzuheben.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

3.

Aus den Erwägungen: ^

1.

1.1. Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Amtshilfegesuch des IRS gestützt auf Art. 26 Ziff. 1 des Abkommens vom 2. Oktober 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-US; SR 0.672.933.61) zu-|grunde. Das am 23. September 2009 unterzeichnete Änderungsprotokoll zum DBA CH-US (vgl. BBl 2010 247) ist noch nicht in Kraft und folglich nicht anwendbar (BGE 139 II 404 E. 1.1 S. 408). Das Verfahren richtet sich nach dem am 1. Februar 2013 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen, soweit es nicht durch das Abkommen vorgegeben ist (Steueramtshilfegesetz, StAhiG; SR 651.1; vgl. Art. 24 StAhiG e contrario).

[…]

5.

Gemäss den Beschwerdeführern ist ein Eintreten auf das Ersuchen ebenfalls unzulässig, weil die Daten in Treu und Glauben widersprechender Weise oder durch strafbare Handlungen erlangt worden sind (Art. 7 lit. c StAhiG). Die USA könnten sich nicht auf das völkerrechtliche Prinzip von Treu und Glauben berufen, da die verlangte Amtshilfe in Steuersachen in Widerspruch zur bestehenden Rechtsordnung in der Schweiz stehe.

5.1. Nach Ansicht der Beschwerdeführer habe die Schweiz keinerlei Grundlage für Vertrauen in die Zulässigkeit von individuellen Amtshilfeersuchen aufgrund von unter dem US Programm rechtswidrig erhaltenen Bankkundendaten gesetzt. Das sog. «Joint Statement» zwischen dem EFD und dem DoJ stelle gar keinen Staatsvertrag dar, sondern höchstens ein Memorandum of Understanding. Bestehendes Schweizer Recht sei darin stets vorbehalten worden, was auch den US-Behörden bewusst gewesen sei. Die Bundesversammlung sei auf das Bundesgesetz über Massnahmen zur Erleichterung der Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten (Lex USA) mit welcher das Bankenprogramm hätte umgesetzt werden sollen, nicht eingetreten (AB N 2013 1108). Die Vorinstanz erhebe nun über den Umweg von Treu und Glauben das «Joint Statement» faktisch in den Rang eines Staatsvertrages. Dadurch verletze sie jedoch den Gesetzesvorrang sowie das Gebot der Gewaltenteilung (Art. 5 Abs. 1 BV). Sie verhelfe dadurch einer Regelung der Exekutive, dem sog. «Joint Statement», zum Durchbruch, die höherrangigem Schweizer Gesetzes- und Verfassungsrecht sowie Verpflichtungen aus einem Staatsvertrag (Art. 26 DBA CH-US) widerspreche und nicht einmal richtig angewendet worden sei, da das «Joint Statement» Schweizer Recht vorbehalte. Es fehle somit an der notwendigen gesetzlichen Grundlage, um einen Eingriff in Art. 13 BV resp. Art. 8 EMRK zu rechtfertigen. Die Vorinstanz habe zu Unrecht offen gelassen, ob die Bank gegen Art. 47 BankG, Art. 271 StGB und Art. 273 StGB verstossen habe, obschon sie diese Frage aufgrund von Art. 7 lit. c StAhiG sowie Art. 3 lit. a DSG [Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz; SR 235.1] hätte prüfen müssen. Selbst wenn wieder Erwarten von einem vertrauensbegründenden Tatbestand ausgegangen würde, so könne dieser nicht anderweitige internationale Verpflichtungen, die die Schweiz eingegangen sei, wie die EMRK, derogieren. Die Schweiz könne sich auch nicht |im Rahmen der Umsetzung von staatsvertraglich geregelter Amts- und Rechtshilfe ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen entziehen. Dementsprechend könne auf das Amtshilfeersuchen nicht eingetreten werden.

5.2. Die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person gehören zu deren Privatsphäre, die einen Teilgehalt des Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK bildet. Als Einschränkung des Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre dürfen Bankkundendaten unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV bzw. Art. 8 Ziff. 2 EMRK ins Ausland weitergegeben werden, d.h. sofern eine gesetzliche oder staatsvertragliche Grundlage und ein öffentliches Interesse daran besteht und die entsprechende Massnahme zudem dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht (vgl. BGE 139 II 404 E. 7.1 S. 421 f.; 137 II 431 E. 2.1.2 S. 437 f.).

5.3.

5.3.1. Das Steueramtshilfegesetz regelt das Verfahren und die Ausführung der Amtshilfe. Seine materiellen Definitionen sind nur von Interesse, soweit sie die Bestimmungen gemäss den anwendbaren internationalen Abkommen erläutern (BGE 143 II 136 E. 4.4 S. 145; 224 E. 6.1 S. 228). Art. 7 lit. c StAhiG sieht vor, dass auf ein Amtshilfeersuchen nicht einzutreten ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, insbesondere wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind. Im Vordergrund steht dabei der Fall, wo sich eine Person Bankdaten illegal beschafft und diese einem Staat übermittelt bzw. verkauft (Botschaft des Bundesrates vom 6. Juli 2011 zum Erlass eines Steuramtshilfegesetzes, BBl 2011 6193, 6208; Daniel Holenstein, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, 2015, N. 301 zu Art. 26 OECD MA; Charlotte Schoder, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen, N. 79 zu Art. 7 StAhiG). Art. 7 lit. c StAHiG konkretisiert das Prinzip von Treu und Glauben im internationalen Recht in Zusammenhang mit Informationen, die durch nach schweizerischem Recht strafbaren Handlungen erlangt worden sind. Es kommt ihm nur insofern eine eigenständige Bedeutung zu, als die Schweiz dadurch verpflichtet ist, auf Amtshilfeersuchen, die in Widerspruch zu Treu und Glauben gestellt worden sind, nicht einzutreten, während im internationalen Recht bloss die Möglichkeit zum Nichteintreten vorbehalten ist (BGE 143 II 224 E. 6.2 S. 229). Derselbe Entscheid hielt fest, dass im Zusammenhang mit der Amtshilfe in Steuersachen ein Staat, der schweizerische Bankdaten kauft, um sie danach für Amtshilfegesuche zu verwenden, ein Verhalten an den Tag legt, welches nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar ist. Ansonsten ist die Frage, ob ein Staat den Grundsatz von Treu und Glauben bei von Art. 7 lit. c StAhiG erfassten Konstellationen verletzt hat, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGE 143 II 224 E. 6.4 S. 230 f.). Der Grundsatz gilt aufgrund von Art. 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (Wiener Übereinkommen, |VRK; SR 0.111) selbst dann, wenn er nicht ausdrücklich in den einschlägigen Staatsvertrag aufgenommen wurde.

5.3.2. Das dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Amtshilfegesuch des IRS wurde gestützt auf Art. 26 DBA CH-US 96 gestellt. Bei der Auslegung und Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens ist auf die sich aus der VRK ergebenden Grundsätze abzustellen (BGE 142 II 161 E. 2.1.3 S. 167; 139 II 404 E. 7.2.1 S. 422). Gemäss Art. 26 VRK bindet ein Abkommen die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. Dieser Grundsatz gebietet die redliche, von Spitzfindigkeiten und Winkelzügen freie Auslegung von vertraglichen Bestimmungen. Eine Auslegung nach Treu und Glauben beachtet auch das Rechtsmissbrauchsverbot einschliesslich des Verbots des venire contra factum proprium. Somit haben die Vertragsstaaten eine zwischenstaatliche Übereinkunft nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 und 2 VRK). Gemäss Art. 31 Abs. 3 VRK sind, ausser dem Zusammenhang, in gleicher Weise zu berücksichtigen jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (lit. a), jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (lit. b), sowie jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz (lit. c). Die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses sind ergänzende Auslegungsmittel (vgl. Art. 32 VRK; BGE 139 II 404 E. 7.2.1 S. 423 mit Hinweisen).

5.4. Das DoJ und das EFD haben am 29. August 2013 ein «Joint Statement» veröffentlicht, in dem sich beide Regierungen verpflichteten, das Nötige zur Beendigung des Steuerstreits zu unternehmen.

5.4.1. Bei diesem handelt es sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht um eine blosse Verständigungsvereinbarung, welche sich an den Rahmen des zu konkretisierenden Abkommens (hier DBA CH-US) halten müsste (vgl. dazu ausführlich Urteil BVGE 2010/7 E. 3.7). Es wurde eine eigenständige, vom DBA CH-US unabhängige Vereinbarung getroffen; insbesondere fehlt ein Bezug zu Art. 25 DBA CH-US, welcher die Grundlage für eine Verständigungsvereinbarung im Bereich der Amtshilfe darstellen würde. Das «Joint Statement» gleicht damit vielmehr dem Protokoll vom 31. März 2010 zur Änderung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der Vereinigten Staaten von Amerika betreffend UBS AG (SR 0.672.933.612), welches als Staatsvertrag zu betrachten ist (vgl. dazu Walter H. Boss, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, 2015, N. 116 zu Art. 25 OECD MA unter Verweis auf BGVE 2010/40 E. 6.2 und 6.7 S. 562 ff.).|

5.4.2. Gemäss Art. 2 lit. a VRK bedeutet «Vertrag» im Sinne dieses Übereinkommens eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten, gleichviel ob sie in einer oder in mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat. Das «Joint Statement» erfüllt diese Anforderungen; die im Wiener Übereinkommen enthaltenen Regeln gelangen zur Anwendung (BGE 143 II 628 E. 4.2.1 S. 637; 122 II 140 E. 2 S. 141). Zweifelhaft kann einzig die Anforderung der Übereinkunft sein, welche einen Verpflichtungswillen der beiden unterzeichnenden Staaten voraussetzt (Mark E. Villiger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, Leiden/Boston 2009, N. 7 zu Art. 2 VRK; Kälin, a.a.O., S. 16 e contrario). Zwar fehlt im «Joint Statement» ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass ein Staat durch die Unterzeichnung des Abkommens gebunden wird, aber es steht fest, dass die Verhandlungsstaaten der Unterzeichnung einvernehmlich diese Wirkung beilegen wollten, wie es auch Art. 12 Abs. 2 VRK als Möglichkeit vorsieht. So führt die Pressemitteilung des EFD unmissverständlich aus, dass sich sowohl die Schweiz als auch die USA mit Abschluss der Vereinbarung «verpflichtet» haben. Die USA sind offensichtlich ebenfalls davon ausgegangen, dass für beide Staaten eine Verpflichtung besteht, haben sie doch nach Erhalt der Daten die Schweizer Banken, wie zugesichert, in das Bankenprogramm aufgenommen und anschliessend darauf basierende Amtshilfegesuche an die Schweiz gestellt.

5.4.3. Aber selbst ein einseitiges vertrauenserweckendes Verhalten kann im zwischenstaatlichen Verkehr verpflichtende Wirkungen entfalten (vgl. auch BGE 143 II 224 E. 6.3 S. 230). Das «Joint Statement» wurde zwar nicht vom Parlament genehmigt (wie z.B. das Abkommen mit den Niederlanden vgl. BGE 143 II 136 E. 5.3.3 S. 151), dieses hat jedoch in einer Erklärung vom 19. Juni 2013 (AB 2013 N 1109), auf welche im «Joint Statement» ebenfalls verwiesen wird, seine Erwartung ausgedrückt, dass der Bundesrat alle in Übereinstimmung mit dem schweizerischen Recht stehenden Massnahmen ergreifen werde, um den schweizerischen Banken eine Zusammenarbeit mit dem DoJ zu ermöglichen (Ziff. 2 der Erklärung lautet: «Der Nationalrat erwartet, dass der Bundesrat im Rahmen des geltenden Rechts alle Massnahmen ergreift, um die Banken in die Lage zu versetzen, mit dem Department of Justice zu kooperieren»). Die Situation ist vergleichbar mit dem Briefwechsel zwischen der Schweiz und Norwegen, welcher BGE 143 II 628 zugrunde lag, und wo ebenfalls eine vorgängige Ermächtigung des Bundesrats durch das Parlament zum Abschluss einer Erklärung vorlag (AS 2010 195). Somit haben sowohl Bundesrat, handelnd durch das EFD, als auch das Parlament ausdrücklich ihre Kooperationsbereitschaft betreffend das Bankenprogramm festgehalten und den USA kundgetan. Unter diesen Umständen kann sich die Schweiz nicht darauf berufen, dass die Äusserungen von einem nicht zuständigen Organ erfolgten, bzw. dieses seine gewährten Kompetenzen überschritten hat. Eine offenkundige Verletzung innerstaatlichen Rechts, welche der völkerrechtlichen Wirksamkeit entgegenstehen könnte, liegt nicht vor, zumal die Ver-|letzung nicht nur aus schweizerischer, sondern aus der Sicht anderer Staaten objektiv erkennbar sein müsste (vgl. Art. 46 Abs. 2 VRK; BGE 120 Ib 360 E. 2c S. 366; 112 Ia 75 E. 4c S. 79; Urteil 2A.131/1998 vom 9. Juli 1998 E. 1a sowie BVGE 2010/40 E. 5.3.4 f. S. 554 ff.). Die im «Joint Statement» geäusserten Zusicherungen sind somit der Schweiz zuzurechnen und sie ist daran gebunden.

5.4.4. Dies würde selbst dann gelten, wenn das «Joint statement» die Voraussetzungen von Art. 11 ff. VRK (insb. hinsichtlich Ratifikation nach Art. 14 VRK), nicht erfüllen würde, da im Gegensatz zum Briefwechsel zwischen der Schweiz und Norwegen (AS 2012 4221) keine ausdrückliche Vorgehensweise zur Ratifikation des «Joint Statements» besteht. Jedoch tritt ein Vertrag in Kraft, sobald die Zustimmung aller Verhandlungsstaaten vorliegt, durch den Vertrag gebunden zu sein (Art. 24 Abs. 2 VRK), wovon hier auszugehen ist. Sollte dies nicht zutreffen, berührt gemäss Art. 3 VRK die mangelnde Schriftform eines Vertrages dessen Rechtsgültigkeit nicht, und sie hindert auch nicht die Anwendung der Garantien der VRK, die gewohnheitsrechtlich auch auf mündliche Verträge Anwendung finden (vgl. dazu auch Kälin, a.a.O., S. 17).

5.5. Offensichtlich bestanden jedoch betreffend den zugesicherten Inhalt im «Joint Statement» unterschiedliche Auffassungen der beiden Vertragsparteien. Die Vorinstanz fasste dies wie folgt zusammen (vgl. E. 5.6 des angefochtenen Entscheids):

5.5.1. Die Schweizer Seite habe sich bereit erklärt, die Banken zur Teilnahme am Programm zu ermutigen. Ferner habe sie auf die soeben erwähnte Erklärung des schweizerischen Parlaments vom 19. Juni 2013 hingewiesen. Aus dem «Joint Statement» und der entsprechenden Pressemitteilung ergebe sich klar, dass die USA Anfragen zu Kundendaten im ordentlichen Amtshilfeverfahren stellen müssten, d.h. auf der Basis des DBA CH-US 96 und – sobald auch in den USA ratifiziert – der Änderung vom 23. September 2009. Die Schweiz habe sich verpflichtet, sicherzustellen, dass Schweizer Banken innerhalb des bestehenden Rechts (ohne Lex USA) in wirksamer Weise am US-Programm teilnehmen konnten. Im Rahmen der Erläuterung des Bundesrates über die Eckwerte für die Kooperation der Schweizer Banken mit den US-Behörden (d.h. bei der Erläuterung der entsprechenden Musterverfügung nach Art. 271 StGB) wurde ebenfalls festgehalten: «Kundendaten sind von der Bewilligung gemäss Art. 271 StGB nicht erfasst. Diese dürfen nur im Rahmen der bestehenden Abkommen mit den USA im Bereich der Doppelbesteuerung auf dem Weg der ordentlichen Amtshilfe übermittelt werden.» In der Wegleitung zur Musterverfügung werde ausgeführt: «Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Ausdruck Bankkundendaten nur persönliche Identifikationsmerkmale des Bankkunden (Name, Adresse, Sozialversicherungsnummer, Kontonummer) umfasst.»

5.5.2. Nach Ansicht des Bundesrates hätten die Banken lediglich allgemeine Daten liefern sollen, welche es den USA erlaubt hätten, ein Gruppenersuchen zu stellen, das auf |den von der Bank übermittelten Verhaltensmustern beruhe. Das DoJ sei dagegen davon ausgegangen, dass detaillierte Kontoinformationen übermittelt würden. Im Bankenprogramm würden detaillierte Kontoinformationen zwar ausdrücklich nur im Zusammenhang mit geschlossenen Konten aufgezählt. Es werde aber auch festgehalten, dass die Banken alle Informationen liefern müssten, die für die USA notwendig seien, damit diese ein Ersuchen stellen könnten, um Kontoinformationen zu erhalten. Die Bank sei im vorliegenden Fall mit der Übermittlung einer Fallnummer, die in Bezug auf die Identifizierbarkeit der Übermittlung der Kontonummer gleichkomme, eher der Auffassung des DoJ gefolgt.

5.5.3. Letztlich sei es jedoch unerheblich, ob die USA ein Gruppenersuchen stellten (Meinung Bundesrat) oder ob sie in der Lage seien, ein Einzelersuchen zu stellen. Entscheidend sei, dass die USA die sie interessierenden Daten nur über den Amtshilfeweg erhalten können. Dabei sei es auch nicht von Belang, dass die Fallnummer von der Bank sofort einer konkreten Kontonummer zugeordnet werden könne, weil die Bank selber vor der Übermittlung an die USA die Kontonummer durch die Fallnummer ersetzt habe.

5.5.4. Im «Joint Statement» hat sich der Bundesrat bereit erklärt, die Banken zur Teilnahme zu ermutigen, und zugesichert, dass das geltende schweizerische Recht eine effiziente Teilnahme der Schweizer Banken gemäss den im Programm festgelegten Bedingungen ermöglicht. Die im Programm festgelegten Bedingungen, welche die Übermittlung detaillierter Informationen zu bestimmten Konten vorsahen, waren dem Bundesrat bekannt. Diese umfassten nach seiner Auffassung zwar nicht die Kontonummer oder Fallnummer. Solange die genannten Verhaltensmuster jedoch genügend konkret sind, muss die Amtshilfe gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 26 Ziff. 1 DBA CH-US auch ohne die Nennung der Fallnummer geleistet werden (BGE 139 II 404 E. 7.3.2 S. 430). Mit anderen Worten, die Schweiz hätte einerseits auch Amtshilfe leisten müssen, wenn die Bank nicht bereits die Fallnummer, sondern bloss die spezifischen Verhaltensmuster, was mangels konkreter Daten unter dem Aspekt des Datenschutzes unbedenklich ist, übermittelt hätte. Andererseits mussten die USA auch nach Bekanntgabe der Fallnummer durch die Bank ein Amtshilfeersuchen stellen, um an den Namen des Kontoinhabers zu kommen. Insgesamt ist es somit unerheblich, ob die betroffene Bank die Fallnummer gleich mitliefert oder zuerst nur die Informationen zu spezifischen Verhaltensmustern nennt, die Fallnummer vorerst für sich behält und diese erst im Rahmen der Gruppenanfrage preisgibt. Würde sie letztgenanntes Vorgehen wählen, so würde sie dies sinnvollerweise gestützt auf die bereits erhobenen, aber noch nicht übermittelten, Fallnummern tun und nicht den ganzen Prozess nochmals durchführen. Im Ergebnis ändert die Übermittlung der Fallnummer bereits im Zuge des Bankenprogramms nichts an der Ausgangslage für das Amtshilfeverfahren oder an der Position der Betroffenen.|

5.5.5. Unter den vorliegenden Umständen kann das Vorgehen der USA nicht als treuwidrig gewertet werden, da sie die zusätzliche Datenübermittlung der Bank nicht zu verantworten haben und den Beschwerdeführern daraus kein Nachteil erwachsen ist, weil das Amtshilfeersuchen ohne weiteres auch in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht hätte gestellt werden können.

6.

Die Beschwerdeführer beanstanden, dass sich die Editions- und die Schlussverfügung der ESTV auf Informationen stützten, welche aus rechtswidrigen und strafbaren Handlungen der Bank herrührten. Zudem werde eine Anordnung des Zivilgerichts Genf missachtet. Vorliegend geht es um den Vollzug der Amtshilfe, für welche aufgrund von Art. 2 StAhiG die ESTV zuständig ist. Eine Beschwerde gegen die Schlussverfügung ist an das Bundesverwaltungsgericht zu richten (Art. 32 VGG e contrario; Art. 19 Abs. 5 StAhiG), welches im vorliegenden Verfahren sachlich zuständig war, um über die ersuchte Amtshilfe zu entscheiden. Als sachkompetente Behörde ist es nicht an den Entscheid über die Vorfrage durch eine andere Instanz gebunden (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 69), womit die Anordnung des Zivilgerichts Genf im vorliegenden Verfahren nur von untergeordneter Bedeutung ist. Aber selbst wenn die Übermittlung der Fallnummer durch die Bank rechtswidrig wäre, müsste die Schweiz dennoch die Amtshilfe gewähren. Wie gesehen (E. 5.5.4), kann sich das Ersuchen der USA auch bloss auf die in zulässiger Weise übermittelten Verhaltensmuster der Bankkunden stützen. Die allfällige Verfehlung der Bank wirkt sich auf das vorliegende Amtshilfeverfahren folglich nicht aus und ist unbeachtlich.|

[…]