Urteil des Bundesgerichts 2C_547/2022 vom 13. Dezember 2022

Radio- und Fernsehabgabe

  • Trattato da: Rafi Feller
  • Categoria di articoli: Sentenza di principio
  • Campo del diritto: Altre contributi e imposte
  • Citazione: Rafi Feller, Urteil des Bundesgerichts 2C_547/2022 vom 13. Dezember 2022, ASA Online: Sentenza di principio
Urteil des Bundesgerichts 2C_547/2022 vom 13. Dezember 2022 i.S. A._______ gegen Serafe AG, Schweizerische Erhebungsstelle, für die Radio- und Fernsehabgabe. Radio- und Fernsehabgabe (Gegenstand).
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juni 2022 (A-1754/2021).

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt (Zusammenfassung)
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Eine Diskriminierung von «Singles» ist nicht ersichtlich. Die Abgabe knüpft nicht an den Status als «Single» an. Auch eine Person, die in einer Beziehung lebt, kann in einem Einpersonenhaushalt wohnen und umgekehrt auch eine Person, die in keiner Beziehung lebt, in einem Mehrpersonenhaushalt (E. 4.1 ff.).

Der Beschwerdeführer kann aus dem Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nichts zu seinen Gunsten ableiten (E. 4.2 ff.).

Il ny a pas de discrimination à lencontre des célibataires. La redevance n’est pas rattachée au statut de célibataire. Même une personne en couple peut vivre seule dans un ménage, tout comme une personne seule peut vivre dans un ménage de plusieurs personnes (consid. 4.1 ss).

Le recourant ne peut rien déduire en sa faveur du principe de légalité́ de traitement et du principe de la capacité économique (consid. 4.2 ss).

2.

Sachverhalt (Zusammenfassung) ^

A.

Nachdem die Schweizerische Erhebungsstelle für die Radio- und Fernsehabgabe (nachfolgend: Serafe AG) A. drei Rechnungen zur Begleichung der Radio- und Fernsehabgabe (sog. Haushaltabgabe) für die Perioden vom 1. Januar 2019 bis 31. Juli 2019 in der Höhe von Fr. 212.90, vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2020 in der Höhe von Fr. 365.– und vom 1. August 2020 bis 31. Juli 2021 in der Höhe von Fr. 347.50 zugestellt hatte, ersuchte dieser die Serafe AG um eine anfechtbare Verfügung. Die Abgabe pro Haushalt sei für ihn als alleinstehende Person («Single») diskriminierend und verstosse gegen die Verfassung und die EMRK. Diesem Ansinnen kam die Serafe AG nach und setzte die erwähnten Beträge mittels Verfügung vom 26. November 2020 (Ref. Nr. 212’627’160) fest.

B.

Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde an das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) und der Weiterzug an das Bundesverwaltungsgericht blieben erfolglos (Verfügung des Bundesamts für Kommunikation vom 11. März 2021; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1754/2021 vom 2. Juni 2022).

C.

Mit Eingabe vom 7. Juli 2022 erhebt A. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

(…)

3.

Aus den Erwägungen ^

(...)

3.1.Die Abgabe für Radio und Fernsehen (Art. 68–70d des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen [RTVG; SR 784.40]) wurde mit Gesetzesänderung vom 26. September 2014 (in der Referendumsabstimmung vom 14. Juni 2015 angenommen), in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 2131), neu gestaltet. Die Abgabe wird pro Haushalt und pro Unternehmung erhoben (Art. 68 Abs. 2 RTVG). Der Bundesrat bestimmt die Höhe der Abgabe für Haushalte und für Unternehmen, wobei er gewisse Kriterien zu berücksichtigen hat (Art. 68a Abs. 1 RTVG). Die Haushaltabgabe ist für jeden Privathaushalt in gleicher Höhe zu entrichten (Art. 69a Abs. 1 RTVG). Ein Haushalt ist die Einheit aller Bewohnerinnen und Bewohner, die in der gleichen Wohnung leben (Art. 69a Abs. 2 RTVG in Verbindung mit Art. 3 lit. d des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister [RHG; SR 431.02]). Für die Abgabe eines Haushalts haften in der Regel die volljährigen Personen solidarisch (Art. 69a Abs. 3 RTVG).

3.2. Die Anknüpfung der Abgabe an den Haushalt unabhängig von dessen Grösse und Anzahl darin lebender Einzelpersonen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. Art. 68 Abs. 2 und Art. 69a Abs. 1 RTVG, vgl. vorne E. 3.1).

(…)

3.4 Der Ertrag der Abgabe dient verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit Radio und Fernsehen (Art. 68a RTVG), namentlich der Finanzierung des Angebots der SRG (vgl. Art. 25 Abs. 3 lit. b, Art. 34 und Art. 68a Abs. 1 lit. a RTVG). Die Haushaltabgabe ist unabhängig von einem individuell-konkreten Nutzen oder Verursacheranteil geschuldet. Sie erfüllt die herkömmlichen Charakteristika einer Steuer (BGE 145 I 52 E. 5.2; 140 I 176 E. 5.2). Weil der Ertrag der Finanzierung von Aufgaben im Zusammenhang mit Radio und Fernsehen (Finanzierung des Service Public) dient, hat die Haushaltabgabe Elemente der Zwecksteuer (BGE 147 I 16 E. 3.2.2; 141 II 182 E. 6 m.w.H.; 129 I 346 E. 5.1). Das Bundesgericht hat sie denn auch beiläufig als rundfunkrechtliche Steuer bezeichnet (Urteile 2C_852/2021 vom 10. Dezember 2021 E. 2.4.3 m.w.H.; 2C_238/2019 vom 14. März 2019 E. 3.1; 2C_21/2018 vom 25. Januar 2018 E. 3.2). Diese Auffassung ist von einem Teil der Lehre kritisiert worden (vgl. Locher/Müller, Ist die Haushaltabgabe wirklich eine Steuer? Problematische Umdeutung des traditionellen Steuerbegriffs durch einen Teil der Lehre, ZBl 9/2022 S. 459 ff.). Auf diese Kritik ist im vorliegenden Fall mangels Relevanz für den Verfahrensausgang nicht weiter einzugehen.

(…)

3.6. Der Beschwerdeführer erfüllt alle gesetzlichen Kriterien und untersteht damit der Haushaltabgabe in der dafür vorgesehenen Höhe.

4.

Der Beschwerdeführer bringt allerdings vor, die Haushaltabgabe sei verfassungs- und konventionswidrig (Art. 8 BV; Art. 8 und 10 in Verbindung mit Art. 14 EMRK).

4.1. Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteiligung von Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betroffenen Personen ausmachen; insofern beschlägt das Diskriminierungsverbot auch Aspekte der Menschenwürde nach Art. 7 BV. Das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV schliesst indes die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal – wie beispielsweise Herkunft, Rasse, Geschlecht, soziale Stellung oder religiöse Überzeugung – nicht absolut aus. Eine solche begründet zunächst lediglich den blossen Verdacht einer unzulässigen Differenzierung. Diese kann indes durch eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden. Eine indirekte oder mittelbare Diskriminierung liegt demgegenüber vor, wenn eine Regelung, die keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützten Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer solchen Gruppe besonders benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (BGE 135 I 49 E. 4.1; 126 II 377 E. 6; BGE 134 I 49 E. 3 BGE 132 I 49 E. 8.1 BGE 129 I 167 E. 3; BGE 129 I 217 E. 2.1; BGE 129 I 392 E. 3.2.2; BGE 126 V 70 E. 4c/bb m.w.H.; vgl. Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 687 ff.).

4.1.1. Vorliegend knüpft die Haushaltabgabe nicht an den Status als «Single» an. Auch eine Person, die in einer Beziehung lebt, kann alleine in einem Haushalt wohnen. Auch kann eine Person, die in keiner Beziehung lebt, in einem Mehrpersonenhaushalt leben. Zudem wurde die Anknüpfung der RTVG-Abgabe an den Haushalt durch den Gesetzgeber thematisiert und sachlich begründet (Erhebungseffizienz, Einheitlichkeit, einfache und möglichst unbürokratische Lösung etc.; vgl. E. 3.2.2 f.).

4.1.2. Die Anwendung von Bundesrecht kann vom Bundesgericht nicht versagt werden, selbst wenn diese verfassungswidrig sein sollte (Art. 190 BV; BGE 146 V 129 E. 4.4; 139 I 257 E. 4; Urteil 2C_852/2021 vom 10. Dezember 2021 E. 2.3.2 m.w.H.). Zwar handelt es sich bei Art. 190 BV um ein Anwendungsgebot und kein Prüfungsverbot. Es kann sich rechtfertigen, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zu überprüfen; wird eine solche jedoch festgestellt, muss das Gesetz dennoch angewendet werden. Das Bundesgericht kann in diesem Fall lediglich den Gesetzgeber einladen, die fragliche Bestimmung anzupassen (BGE 144 I 126 E. 3 mit zahlreichen Hinweisen [«Appellentscheid»]). Der Einzelne hat keinen Anspruch darauf, dass das Bundesgericht von dieser Befugnis Gebrauch macht (BGE 146 V 378 E. 4.4). Ob eine Veranlassung besteht, die bundesgesetzliche Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist, ob ein genügendes allgemeines Interesse an der Feststellung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit und der Einladung an den Gesetzgeber besteht, die umstrittene Regelung anzupassen (BGE 140 I 353 E. 4.1; Urteil 2C_336/2021 vom 18. Mai 2022 E. 4.2.1 zur Publikation vorgesehen).

4.1.3. Im vorliegenden Fall ist schon kein entsprechendes Bedürfnis ersichtlich. Wie ausgeführt: Der Gesetzgeber hatte punkto Anknüpfung der Abgabe an einen Haushalt anstelle einer Einzelperson Kenntnis, dennoch entschied er sich bewusst für das Erhebungsmodell mit Anknüpfung an den Haushalt (vgl. E. 3.2; BBl 2013 4975, 4994; Urteil 2C_336/2021 vom 18. Mai 2022 E. 4.2.2 zur Publikation vorgesehen). Es kann nicht gesagt werden, dass die Haushaltabgabe offensichtlich Art. 8 Abs. 2 BV verletzen würde.

4.2. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung des Gleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) und eine Verletzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV).

4.2.1. Das Gebot rechtsgleicher Behandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV ist ein selbständiges verfassungsmässiges Recht. In allgemeiner Weise ist Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Jede Ungleichbehandlung ist durch sachliche Gründe zu rechtfertigen. Dies ist der Fall soweit die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse, die einer Regelung oder einem Entscheid zugrunde liegen, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht verschieden sind. Die hiefür notwendige Wertung richtet sich nach der herrschenden Rechtsauffassung bzw. der herrschenden Wertanschauung (BGE 143 V 139 E. 6.2.3; 132 I 68 E. 4.1; Urteil 5A_527/2022 vom 2. September 2022 E. 3.1; 2C_851/2018 vom 15. Februar 2019 E. 2.4.1). Ein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liegt vor, wenn zwischen gleichartigen Fällen Unterscheidungen getroffen werden, die durch keinen vernünftigen Grund in Bezug auf den zu regelnden Sachverhalt gerechtfertigt sind, oder wenn er Sachverhalte betrifft, die erhebliche Unterschiede aufweisen und so beschaffen sind, dass sie eine unterschiedliche Behandlung erforderlich machen, einer identischen Regelung unterwirft (BGE 147 I 16 E. 4.2.1; 143 I 1 E. 3.3; 136 II 120 E. 3.3.2; 136 I 1 E. 4.1; 133 I 249 E. 3.3).

4.2.2. Im Bereich der Steuern ist der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die in den in Art. 127 Abs. 2 BV enthaltenen Besteuerungsgrundsätzen verankert. «Soweit es die Art der Steuer zulässt» ist der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (Art. 127 Abs. 2 BV; BGE 147 I 16 E. 4.2.2; 144 I 78 E. 9.2; 141 I 78 E. 9.1; 140 II 157 E. 7.1). Das meint in erster Linie die ordentlichen Steuern auf dem Einkommen und Vermögen (Markus Reich, Steuerrecht, 3. Aufl. 2020, S. 89 ff.). Hingegen hat der Grundsatz eine beschränkte Tragweite für Sonder- oder Zwecksteuern (BGE 128 I 102 E. 6d; Urteil 2C_668/2013 vom 19. Juni 2014 E. 7.1; Florence Aubry Girardin, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, N. 60 zu Art. 127 BV; vgl. Urteil 2C_1033/2020 vom 9. Dezember 2021 E. 5.4 in Bezug auf die Kurtaxe). Ebenso verlangt das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im horizontalen Verhältnis nicht, dass die Besteuerung absolut identisch sein muss; der Vergleich gilt nur beschränkt (BGE 147 I 16 E. 4.2.2; 140 II 157 E. 7.3.; 133 I 206 E. 7.2; 132 I 157 E. 4.2 m.w.H.).

4.2.3. Der Beschwerdeführer kann aus dem Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Haushaltabgabe pro Haushalt und nicht pro Kopf ist für Ein- und Mehrpersonenhaushalte zwar betragsmässig ungleich. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, gibt es gute Gründe für eine Schematisierung wie die vorgesehene (Urteil Vorinstanz E. 5.3.1). Abgesehen davon und einmal mehr: Gesetz und Wille des Gesetzgebers sind klar, was für das Bundesgericht massgebend ist (Art. 190 BV i.V.m. Art. 69a Abs. 1 RTVG; vgl. E. 3.2). Von einer offensichtlichen Verletzung des Gleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) oder des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) kann nicht gesprochen werden.

(…)

6.

Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für die rechtsanwendenden Behörden nach Art. 190 BV massgebenden Bestimmungen zur Haushaltabgabe weder verfassungs- noch konventionswidrig sind. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Sie ist abzuweisen.