Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3404/2017 vom 16. März 2018

Zoll. Zolltarif. Tortillas.

  • 6 giugno 2018
  • Trattato da: Monique Schnell Luchsinger
  • Categoria del articolo: Sentenza di principio
  • Campo del diritto: Dogane
  • Citazione: Monique Schnell Luchsinger, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3404/2017 vom 16. März 2018, ASA Online: Sentenza di principio
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3404/2017 vom 16. März 2018 i.S. A. AG gegen Zollkreisdirektion Basel. Unzulässige Tarifierungs-Praxis der Oberzolldirektion.

Inhalt

  • 1. Regeste
  • 2. Sachverhalt
  • 3. Aus den Erwägungen

1.

Regeste ^

Auslegung der Zoll-Tarifnummer 1905.9082. Die Praxis der Oberzolldirektion (OZD), wonach Zucker in geringen Mengen, der aus einem Backmittel stammt, für die Tarifeinreihung «auch bei Backwaren mit vorhandener Zutatenliste auf der Verpackung» nicht berücksichtigt bzw. als nicht zugesetzt behandelt wird (E. 4.7.1), steht im Widerspruch zum Tariftext und den schweizerischen Erläuterungen.

Interprétation du numéro de tarif douanier 1905.9082. La pratique de la Direction générale des douanes (DGD), selon laquelle du sucre en faible quantité provenant dadjuvants pour pains ne doit pas être observé, respectivement est traité comme nétant pas adjoint, pour la classification tarifaire « également pour les articles de boulangerie disposant dune liste dingrédients sur lemballage » (consid. 4.7.1) est en contradiction avec la lettre du tarif et les notes explicatives suisses.

Interpretazione della voce di tariffa 1905.9082. La prassi della Direzione generale delle dogane (DGD), secondo cui per la classificazione tariffale lo zucchero in quantità ridotte derivante da un prodotto della panetteria non viene preso in considerazione, rispettivamente viene trattato come non aggiunto, «anche per i prodotti della panetteria con lindicazione sullimballaggio della lista degli ingredienti presenti» (consid. 4.7.1), è contraria al testo della tariffa nonché alle note esplicative svizzere.

2.

Sachverhalt ^

A.

Die A._______ AG (nachfolgend: Zollpflichtige) meldete am 28. Juli 2016 bei der Zollstelle Basel/Weil-Autobahn im EDV-Verfahren das Produkt «Tortillas […]» der Marke B._______ aus Polen mit einer Eigenmasse von 9’720 kg und einer Rohmasse von 10’170 kg zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Sie verwendete dabei die Tarifnummer 1905.9085 sowie den unter dieser Tarifnummer vorgesehenen Zollansatz für Importe aus der Europäischen Union (EU) von Fr. 38.65 je 100 kg Eigenmasse.

Das Ergebnis der vom Zollcomputer durchgeführten Selektion der Deklaration lautete auf «gesperrt». In der Folge nahm die Zollverwaltung eine Beschau der Ware vor. Zudem entnahm sie ein Muster des Produktes zwecks Analyse durch das Zolllabor. Aufgrund des Laborbefundes wurde in der Folge die Veranlagungsverfügung Zoll Nr. […] vom 16. September 2016 erlassen, nach welcher für die am 28. Juli 2016 erfolgte Einfuhr des Produktes «Tortillas […]» der Marke B._______ aus Polen der für Importe von Waren der Tarifnummer 1905.9082 aus der EU geltende Zollansatz von Fr. 49.35 je 100 kg Eigenmasse massgebend ist.

B.

Eine gegen die erwähnte Veranlagungsverfügung erhobene Beschwerde der Zollpflichtigen, mit welcher diese die Einreihung des Produktes «Tortillas […]» der Marke B._______ in die ursprünglich angegebene Tarifnummer 1905.9085 sowie eine entsprechende Verzollung verlangte, wurde von der Zollkreisdirektion Basel (nachfolgend auch: Vorinstanz) mit Beschwerdeentscheid vom 15. Mai 2017 kostenpflichtig abgewiesen.

C.

Mit Beschwerde vom 13. Juni 2016 beantragt die Zollpflichtige (nachfolgend: Beschwerdeführerin) beim Bundesverwaltungsgericht sinngemäss, unter Aufhebung des Beschwerdeentscheids der Vorinstanz vom 15. Mai 2017 sei eine Verzollung gemäss der bei der Einfuhrzollanmeldung vom 28. Juli 2016 verwendeten Tarifnummer 1905.9085 vorzunehmen.

D.

Mit Vernehmlassung vom 24. August 2017 beantragt die Oberzolldirektion (nachfolgend: OZD) die kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

3.

Aus den Erwägungen ^

[…]

2.4

2.4.1 Die Vertragsstaaten des HS-Übereinkommens ([internationales Übereinkommen vom 14. Juni 1983 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren, SR 0.632.11, für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Januar 1988]; E. 2.2) – darunter die Schweiz – sind verpflichtet, ihre Tarifnomenklaturen mit dem Harmonisierten System in Übereinstimmung zu bringen und beim Erstellen der nationalen Tarifnomenklatur alle Nummern und Unternummern des Harmonisierten Systems sowie die dazugehörenden Codenummern zu verwenden, ohne dabei etwas hinzuzufügen oder zu ändern. Sie sind verpflichtet, die allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten Systems (vgl. nachfolgend E. 2.4.4) sowie alle Abschnitt-, Kapitel- und Unternummern-Anmerkungen anzuwenden. Sie dürfen den Geltungsbereich der Abschnitte, Kapitel, Nummern oder Unternummern des HS nicht verändern und haben die Nummernfolge des Harmonisierten Systems einzuhalten (Art. 3 Ziff. 1 Bst. a des HS-Übereinkommens; siehe zum Ganzen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-7486/2016 vom 14. Dezember 2017 E. 3.2.1; A-3030/2013 vom 8. Mai 2014 E. 2.2.1).

2.4.2 Die Nomenklatur des Harmonisierten Systems bildet somit die systematische Grundlage des schweizerischen Generaltarifs, dessen Kodierung durchwegs als achtstellige Tarifnummer pro Warenposition ausgestaltet und damit gegenüber der sechsstelligen Nomenklatur des Harmonisierten Systems um zwei Stellen verfeinert ist. Daraus folgt, dass die schweizerische Nomenklatur bis zur sechsten Ziffer völkerrechtlich bestimmt ist. Die siebte und achte Position bilden schweizerische Unternummern, denen grundsätzlich ebenso Gesetzesrang zukommt, soweit sie mit Erlass des ZTG geschaffen worden sind. Da sowohl Bundesgesetze als auch Völkerrecht für die Zollverwaltung und alle anderen Rechtsanwender nach dem sog. Anwendungsgebot massgebendes Recht darstellen (vgl. Art. 190 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]), ist diesfalls das Bundesverwaltungsgericht an die gesamte achtstellige Nomenklatur gebunden (vgl. statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-7486/2016 vom 14. Dezember 2017 E. 3.2.2; A-5558/2013 vom 4. April 2014 E. 2.2.2; siehe auch Remo Arpagaus, Zollrecht, in: Heinrich Koller et al. [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XII, 2. Aufl. 2007, N. 578).

2.4.3 Die Vertragsstaaten des HS-Übereinkommens beabsichtigen eine einheitliche Auslegung der völkerrechtlich festgelegten Nomenklatur (vgl. Art. 7 Ziff. 1 Bst. b und c und Art. 8 Ziff. 2 des HS-Übereinkommens). Hierzu dienen u.a. die «Avis de classement» (nachfolgend: Einreihungsavisen) und die «Notes explicatives du Système Harmonisé» (nachfolgend: Erläuterungen), welche vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (Weltzollrat; heute: Weltzollorganisation) auf Vorschlag des Ausschusses des Harmonisierten Systems genehmigt worden sind (Art. 1 Bst. e und f in Verbindung mit Art. 7 Ziff. 1 Bst. a–c in Verbindung mit Art. 8 Ziff. 2 und 3 des Übereinkommens). Diese Vorschriften sind als internationales Staatsvertragsrecht für das Bundesverwaltungsgericht verbindlich. Die Vertragsstaaten haben einzig nach Art. 7 Ziff. 1 sowie Art. 8 Ziff. 1 und 2 des Übereinkommens die Möglichkeit, die Überprüfung oder Änderung der Erläuterungen und Einreihungsavisen zu veranlassen. Dennoch bleibt Raum für nationale Regelungen. So kann die OZD zum Beispiel zusätzlich sog. schweizerische Erläuterungen erlassen. Diese können unter www.tares.ch abgerufen werden (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7486/2016 vom 14. Dezember 2017 E. 3.2.3, mit Hinweisen). Die schweizerischen Erläuterungen sind als Dienstvorschriften (Arpagaus, a.a.O., N. 579) bzw. Verwaltungsverordnungen für die Justizbehörden nicht verbindlich (zur Rechtsnatur und Bindungswirkung von Verwaltungsverordnungen anstelle vieler: BGE 141 V 175 E. 2.1; André Moser et al., Prozessieren vor Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, N. 2.173 f.).

2.4.4 Hinsichtlich der Auslegung sehen die von den schweizerischen Zollbehörden angewendeten «Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten Systems» (nachfolgend: AV), welche mit den «Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten Systems» des offiziellen Textes des Übereinkommens übereinstimmen, in Ziff. 1 vor, dass für die Tarifeinreihung einer Ware der Wortlaut der Nummern und der Abschnitt- oder Kapitel-Anmerkungen sowie die weiteren Allgemeinen Vorschriften, soweit diese dem Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen nicht widersprechen, massgebend sind. Bei der Bestimmung der zutreffenden Tarifnummer ist somit stufenweise in der gesetzlich bzw. staatsvertraglich festgelegten Reihenfolge (Tariftext – Anmerkungen – Allgemeine Vorschriften) vorzugehen. Die nächstfolgende Vorschrift ist immer erst dann heranzuziehen, wenn die vorangehende Bestimmung nicht zum Ziel geführt, das heisst keine einwandfreie Tarifierung ermöglicht hat (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-7486/2016 vom 14. Dezember 2017 E. 3.2.4; A-3030/2013 vom 8. Mai 2014 E. 2.3.2, A-5558/2013 vom 4. April 2014 E. 2.3.2).

Die Auslegung der schweizerischen Unternummern richtet sich grundsätzlich ebenfalls nach den AV. Während aber die ersten vier Nummern und die ersten zwei Unternummern ausschliesslich den Auslegungsregeln des HS unterstehen, müssen die schweizerischen Unternummern genau gleich wie jede andere Norm des schweizerischen Rechts ausgelegt werden können. Dies bedeutet, dass grundsätzlich die üblichen, von der schweizerischen Praxis und Lehre entwickelten methodologischen Regeln zur Auslegung von Rechtsnormen Anwendung finden. Eine Abweichung vom klaren Wortlaut ist allerdings nur zulässig, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-7486/2016 vom 14. Dezember 2017 E. 3.2.4; A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.4.1; A5216/2014 vom 13. April 2015 E. 2.7.3; A-3459/2014 vom 11. Februar 2015 E. 2.3.3; vgl. zum Ganzen bereits Entscheid der Eidgenössischen Zollrekurskommission [ZRK] 1998-018 vom 19. Februar 1999, in: Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 64.10 E. 3a, mit weiteren Hinweisen; Arpagaus, a.a.O., N. 588; Michael Beusch/Monique Schnell Luchsinger, Wie harmonisiert ist das Harmonisierte System wirklich? in: Zollrevue, 1/2017 S. 12 ff., S. 17 f.).

[…]

4.

4.1 Im vorliegenden Fall ist streitig und zu klären, ob das am 28. Juli 2016 aus Polen importierte Produkt «Tortillas […]» der Marke B._______ statt in die Tarifnummer 1905.9082 in die ursprünglich angegebene Tarifnummer 1905.9085 einzureihen ist (zu Recht wird nicht in Abrede gestellt, dass eine weitere Tarifnummer für die Einreihung des importierten Produktes nicht in Frage kommt). Beim streitbetroffenen Erzeugnis handelt es sich um runde, dünne, vorgebackene Fladenbrote aus Weizenmehl (vgl. Akten Vorinstanz, act. 16). Im Folgenden werden diese Fladenbrote der Einfachheit halber als «Weizentortillas» bezeichnet.

4.2 In tatsächlicher Hinsicht ist unbestritten, dass die in Frage stehenden Weizentortillas Glukose enthalten.

Richtigerweise gehen die Verfahrensbeteiligten sodann davon aus, dass Glukose als Zucker im Sinne der Tarifnummer 1905.9082 gilt. Denn schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst der in dieser Tarifnummer verwendete Begriff «Zucker» insbesondere Glukose: So findet sich etwa zum Stichwort Glukose in einem verbreiteten Wörterbuch die Umschreibung «weisser, kristalliner Zucker, Schlüsselsubstanz im Kohlenhydratstoffwechsel, als Blutzucker im menschl. u. tierischen Organismus enthalten, wird in grünen Pflanzen gebildet», und wird dabei Traubenzucker als Synonym genannt (vgl. Renate Wahrig-Burfeind, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. Gütersloh 2011, Stichwort «Glukose», S. 631). Triftige Gründe, um vom klaren Wortlaut des Zolltarifes abzuweichen und damit im hier interessierenden Kontext Glukose nicht als Zucker zu qualifizieren, sind nicht erkennbar.

Bei dieser Sachlage ist einzig zu klären, ob das eingeführte Produkt mit Blick auf die darin enthaltene Glukose als solches «mit Zusatz» von Zucker gilt und damit eine Behandlung als Produkt «ohne Zusatz» von Zucker im Sinne der Tarifnummer 1905.9082 ausser Betracht fällt. Gegebenenfalls wäre das Produkt der Tarifnummer 1905.9085 zuzuordnen.

4.3 Die in den streitbetroffenen Weizentortillas enthaltene Glukose bildet gemäss dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Laborbefund der Zollverwaltung einen Bestandteil des verwendeten Backhilfsmittels (vgl. Akten Vorinstanz, act. 16). Backhilfsmittel (bzw. Backmittel) sind Stoffe, welche dem Teig zur Verbesserung der Backfähigkeit zugesetzt werden (vgl. Meyers grosses Universallexikon, Bd. 2, Mannheim/Wien/Zürich 1981, Stichwort «Backhilfsmittel», S. 117).

4.4

4.4.1 Folgt man dem Wortlaut des schweizerischen Gebrauchstarifes, ist für die Frage, ob eine Ware der Tarifnummer 1905.9082 oder der Tarifnummer 1905.9085 zuzuordnen ist, (soweit hier interessierend) massgebend, ob das Produkt ein solches «ohne Zusatz von Zucker oder anderen Süssstoffen» oder ein solches «mit Zusatz von Zucker oder anderen Süssstoffen» bildet. Das entscheidende Kriterium ist somit, ob die Ware eine Beigabe von Zucker oder anderen Süssstoffen enthält. Dabei ist nicht relevant, auf welcher Stufe des Herstellungsprozesses der Süssstoff beigefügt wurde. Vielmehr erscheint nach dem Wortlaut des schweizerischen Gebrauchstarifes einzig massgebend, ob dem Produkt oder einem seiner Bestandteile Zucker oder ein anderer Süssstoff zugesetzt worden ist.

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Schluss auf, dass ein Produkt jedenfalls dann im Sinne der hier interessierenden Tarifnummern als solches «mit Zusatz von Zucker oder anderen Süssstoffen» gilt, wenn bei seiner Herstellung oder der Herstellung seiner Bestandteile eigens Zucker oder ein anderer Süssstoff beigefügt worden ist. Dem Wortlaut der hier interessierenden Tarifnummern lässt sich mit anderen Worten nicht entnehmen, dass für die Frage nach dem Vorliegen eines Zuckerzusatzes nur die «‹effektiven› Backzutaten», nicht aber die Bestandteile des verwendeten Backmittels bzw. Backhilfsmittels massgebend sind. Soweit die OZD mit ihren Ausführungen etwas anderes suggerieren sollte (vgl. dazu Vernehmlassung, S. 4 ff., wo zwischen «‹effektiven› Backzutaten» und den Bestandteilen des Backhilfsmittels unterschieden wird), wäre ihr somit jedenfalls nach dem Wortlaut des schweizerischen Gebrauchstarifes nicht zu folgen.

4.4.2 Triftige Gründe, dass die hier gestützt auf den Wortlaut des Tariftextes gezogenen Schlüsse nicht seinem wahren Sinn entsprechen, sind nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext, dass nach diesem Text nicht vorausgesetzt wird, dass der Hersteller der Backware ein vorgefertigtes Backhilfsmittel verwendet. Es ist denkbar, dass der Hersteller im Rahmen des Produktionsprozesses alle Zutaten der Backmischung unter Einschluss der einzelnen Bestandteile des Backhilfsmittels selbst zusammenstellt und dabei Zucker beifügt, ohne dass klar unterschieden werden könnte, inwieweit der Zucker als Backhilfsmittel dient und inwiefern er im Übrigen eine «‹effektive› Backzutat» bildet. Bei einer solchen Konstellation wäre eine im Tariftext nicht angelegte Differenzierung zwischen Bestandteilen des Backhilfsmittels und «‹effektiven› Backzutaten» entweder überhaupt nicht machbar oder jedenfalls nicht praktikabel.

4.5 Nach dem Gesagten muss die Glukose in den importierten Weizentortillas bei der Beurteilung der sich hier stellenden Frage, ob diese Fladenbrote zolltariflich gesehen einen Zuckerzusatz enthalten, mitberücksichtigt werden, obschon die Glukose lediglich einen Bestandteil des verwendeten Backhilfsmittels bildete. Dies gilt zumindest dann, wenn die Auslegung der hier interessierenden schweizerischen Unternummern ohne Heranziehung der vorn in E. 3.2 genannten schweizerischen Erläuterungen erfolgt.

Es wird seitens der Zollverwaltung nicht in Abrede gestellt und ist davon auszugehen, dass vorliegend die Glukose dem Backhilfsmittel separat beigefügt wurde. Infolgedessen ist gemäss dem Zolltarif – jedenfalls bei einem Abstellen auf den Tariftext ohne Berücksichtigung der in E. 3.2 zitierten schweizerischen Erläuterungen – von Weizentortillas «mit Zusatz von Zucker» auszugehen.

4.6 Aus den schweizerischen Erläuterungen zur Tarifnummer 1905 ergibt sich – wie im Folgenden ersichtlich wird – nicht, dass die vorliegenden Weizentortillas abweichend vom Tariftext (vgl. E. 4.2 ff.) als solche «ohne Zusatz von Zucker» gelten.

4.6.1 Bei den von der Beschwerdeführerin importierten Weizentortillas ist ein Hinweis auf Zucker auf der Verpackung vorhanden, ist doch auf dieser Verpackung die Glukose als Bestandteil der «Backmischung» aufgeführt (vgl. Akten Vorinstanz, act. 9 S. 2). Damit gelten diese Tortillas gemäss den schweizerischen Erläuterungen als Backwaren, die aufgrund des Hinweises auf den Zucker auf der Verpackung ohne Rücksicht auf den Prozentsatz des zugesetzten Zuckers als Waren «mit Zusatz von Zucker» gelten (vgl. E. 3.2). Soweit die OZD die Auffassung vertritt, der entsprechende Passus der schweizerischen Erläuterungen beziehe sich nur auf Verpackungsangaben zu den «‹effektiven› Backzutaten» und nicht auf solche zu den «Bestandteilen eines Backmittels» (Vernehmlassung, S. 4), kann ihr nicht gefolgt werden:

Zum einen lässt sich am Wortlaut der schweizerischen Erläuterungen an der einschlägigen Stelle keine Beschränkung der Massgeblichkeit der Verpackungsangaben auf «‹effektive› Backzutaten» festmachen (vgl. Alinea 1 der schweizerischen Erläuterungen zur Tarifnummer 1905 [vorn E. 3.2]). Der Wortlaut der schweizerischen Erläuterungen ist vielmehr insofern klar, als danach bei einem Hinweis auf Zucker auf der Verpackung stets von einer Backware «mit Zusatz von Zucker» auszugehen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Erläuterungen ist bei Vorliegen eines solchen Hinweises eine sinngemässe Anwendung der schweizerischen Erläuterungen zu den Tarifnummern 1905.9021/9039 mit den dort enthaltenen Ausführungen zu Zucker, der aus dem Backhilfsmittel stammt, ausgeschlossen. Letzteres gilt in Ermangelung einer diesbezüglichen abweichenden Regelung auch dann, wenn sich der entsprechende Hinweis (faktisch) nur auf die Bestandteile des Backmittels bzw. Backhilfsmittels bezieht.

Zum anderen sind keine triftigen Gründe ersichtlich, dass der klare Wortlaut der schweizerischen Erläuterungen nicht ihren wahren Sinn wiedergibt. Vielmehr erscheint eine Regelung, welche diesem Wortlaut entspricht, prinzipiell als sachgerecht und praktikabel. Ein Abstellen auf die Verpackungshinweise ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Hinweise auf die «‹effektiven› Backzutaten» oder auf die Bestandteile eines Backmittels beziehen, erlaubt es nämlich, auf eine andernfalls regelmässig erforderliche nähere Untersuchung der Ware zu verzichten. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch am vorliegenden Fall, bei welchem anscheinend erst anlässlich Laboruntersuchungen festgestellt werden konnte, dass die Glucose nur einen Bestandteil des Backhilfsmittels, also keine «‹effektive› Backzutat» im Sinne der von der OZD verwendeten Terminologie bildet.

4.6.2 Im vorliegenden Fall ergibt sich – wie gesehen – allein schon aus dem Tariftext, dass das streitbetroffene Produkt als solches «mit Zusatz von Zucker» gilt (vgl. E. 4.2 ff.). Das in den schweizerischen Erläuterungen zur Tarifnummer 1905 genannte formale Kriterium des Hinweises auf Zucker führt bei diesem Produkt zum gleichen Resultat (vgl. E. 4.6.1). Aus diesem Grund stellt sich bei der hier zu beurteilenden Konstellation die Frage, ob die schweizerischen Erläuterungen mit dem Tariftext übereinstimmen, nicht.

4.6.3 Die OZD behauptet in der Vernehmlassung, bei den schweizerischen Erläuterungen sei es nicht ausgeschlossen, dass Erläuterungen, die auf Ausführungen für die ganze Tarifnummer folgen und nur für eine spezifische schweizerische Unternummer gelten, noch weitergehende Informationen enthalten. Aus diesem Grund müssten die schweizerischen Erläuterungen «jeweils komplett bis zum Ende» konsultiert werden (Vernehmlassung, S. 6 f.).

Zwar scheint die OZD damit geltend machen zu wollen, für das Verständnis der schweizerischen Erläuterungen zur Tarifnummer 1905 seien die schweizerischen Erläuterungen zu den Tarifnummern 1905.9021/9039 sinngemäss zu berücksichtigen. Auch bedeutet eine solche sinngemässe Berücksichtigung anscheinend nach Ansicht der OZD, dass das Kriterium des Hinweises auf Zucker auf der Verpackung nur bei «‹effektiven› Backzutaten», nicht aber bei Bestandteilen des Backhilfsmittels greift. Indessen lässt der klare Wortlaut der schweizerischen Erläuterungen zur Tarifnummer 1905 – wie gesehen (vgl. E. 4.6.1) – keinen Raum für eine solche Auslegung. Die schweizerischen Erläuterungen zu den Tarifnummern 1905.9021/9039 und damit das dort erwähnte Kriterium, ob der im Produkt enthaltene Zucker (lediglich) als Bestandteil des Backhilfsmittels zu werten ist (vgl. E. 3.2), liessen sich von vornherein nur dann sinngemäss heranziehen, wenn es an einem Verpackungshinweis auf Zucker – sei es als Inhaltsstoff des Backhilfsmittels und/oder der übrigen Bestandteile der Backware – fehlen würde.

4.7 Die weiteren Vorbringen der Zollverwaltung rechtfertigen es nicht, die hier in Frage stehenden Weizentortillas zolltariflich als Backwaren «ohne Zusatz von Zucker» zu behandeln:

4.7.1 Die Zollverwaltung verweist auf eine angeblich langjährige Praxis der OZD, wonach Zucker in geringen Mengen, der aus einem Backmittel stammt, für die Tarifeinreihung «auch bei Backwaren mit vorhandener Zutatenliste auf der Verpackung» nicht berücksichtigt bzw. als nicht zugesetzt behandelt wird (Vernehmlassung, S. 4). Nach Darstellung der Zollverwaltung soll diese Praxis in einer nicht auf Verpackungshinweise Rücksicht nehmenden, sinngemässen Anwendung der Ausführungen zu Backhilfsmitteln in den schweizerischen Erläuterungen zu den Tarifnummern 1905.9021/9039 bestehen. Die Praxis bezweckt angeblich die Gleichbehandlung von Produkten, die abgesehen von ihrer Verkaufsaufmachung (Einzelverkaufsaufmachung mit aufgedruckter Zutatenliste oder Grosshandelspackung ohne aufgedruckter Zutatenliste) identisch sind.

Die erwähnte, allfällige Praxis steht – soweit vorliegend interessierend – im Widerspruch zum Tariftext und den schweizerischen Erläuterungen. Wie aufgezeigt, bilden die streitbetroffenen Weizentortillas nämlich sowohl nach dem Tariftext als auch gemäss den schweizerischen Erläuterungen Waren «mit Zusatz von Zucker». Abweichungen von den schweizerischen Erläuterungen aus verfassungsrechtlichen Überlegungen namentlich zum Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV sind zwar grundsätzlich denkbar, da das Bundesverwaltungsgericht nicht an diese Dienstanweisungen gebunden ist (vgl. E. 2.4.3). Auch wäre es zulässig, von den hier interessierenden schweizerischen Unternummern des Gebrauchstarifes aus verfassungsrechtlichen Gründen abzuweichen, soweit diese Unternummern nicht bereits mit dem Erlass des ZTG geschaffen wurden und damit nach dem Anwendungsgebot bindend sind (vgl. E. 2.4.2).

Selbst wenn aber den erwähnten schweizerischen Unternummern kein Gesetzesrang zukommen sollte und damit an sich Raum für eine nicht mit diesen Tarifnummern übereinstimmende Behandlung der importierten Waren aus verfassungsrechtlichen Gründen bestehen würde, besteht vorliegend kein Anlass, mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot vom Tariftext und den schweizerischen Erläuterungen abzuweichen. Eine mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot (allenfalls) nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von identischen Waren allein aufgrund ihrer unterschiedlichen Verpackungen ist nämlich insofern von vornherein nicht gegeben, als die hiervor vorgenommene zolltarifliche Zuordnung der Weizentortillas zu den Backwaren «mit Zusatz von Zucker» nicht einzig auf den Verpackungsangaben, sondern entsprechend dem Tariftext der Unternummern auf den Inhaltsstoffen des Erzeugnisses beruht (vgl. E. 4.2 ff.).

4.7.2 Die Zollverwaltung führt im Zusammenhang mit der von ihr behaupteten Praxis auch ins Feld, dass es schwierig sei, die genaue Zusammensetzung eines Backmittels festzustellen (vgl. Vernehmlassung, S. 5). Im Lichte solcher allfälliger Schwierigkeiten mag zwar die erwähnte Regelung der schweizerischen Erläuterungen zu aus dem Backhilfsmittel stammendem Zucker (vgl. E. 3.2) bei isolierter Betrachtung dieser Erläuterungen Sinn ergeben. Indessen sind die diesbezüglichen Ausführungen in der Vernehmlassung der OZD vorliegend schon deshalb nicht stichhaltig, weil nach dem Tariftext – soweit hier interessierend – jede Beigabe von Zucker unabhängig von der Menge und ohne Rücksicht darauf, ob es sich beim beigegebenen Zucker um einen Bestandteil des Backhilfsmittels handelt, die Backware zu einer solchen «mit Zusatz von Zucker» macht (vgl. E. 4.3 ff.).

[…]

Gutheissung der Beschwerde. Neueinreihung in die Tarifnummer 1905.9085.