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Oberlandesgericht Hamm entscheidet zur Datenverarbeitung im Kraftfahrzeug

Unterscheidung zwischen «Offline»- und «Online»-Kraftfahrzeugen erforderlich

  • Autoren/Autorinnen: Jan Spittka / Marcus Schreibauer
  • Kategorie: Urteilsbesprechung
  • Region: Deutschland
  • Rechtsgebiete: Datenschutz, Robotik
  • Zitiervorschlag: Jan Spittka / Marcus Schreibauer, Oberlandesgericht Hamm entscheidet zur Datenverarbeitung im Kraftfahrzeug, in: Jusletter IT 24. November 2016
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Beschluss 28 U 46/15 vom 2. Juli 2015 als Berufungsgericht im ersten in Deutschland bekanntgewordenen Rechtsstreit über die Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten im Kraftfahrzeug entschieden. Im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen einem Verkäufer und dem Käufer eines Geländewagens über den fehlgeschlagenen Kauf musste sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit Datenspeicherung in den Systemen des Fahrzeuges zur Verweigerung der Abnahme berechtigt. In diesem Zusammenhang traf das Gericht wesentliche Aussagen zur immer üblicher und umfassender werdenden Datenverarbeitung im Kfz.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Sachverhalt
  • 2. Zusammenfassung der Erwägungen
  • 3. Kommentar

1.

Sachverhalt ^

[1]
Die Klägerin (Verkäuferin eines individuell konfigurierten Neuwagens) machte gegen den Beklagten (Käufer) einen Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz wegen der Nichtabnahme des Fahrzeuges geltend. Die Parteien hatten einen entsprechenden Schadensersatzanspruch für den Fall der Nichtabnahme in AGB-rechtskonformer Weise im Kaufvertrag vereinbart.
[2]

Nachdem der Beklagte bei der Klägerin, die selber nicht Herstellerin des Fahrzeugs war, eine verbindliche Neuwagenbestellung unterzeichnet hatte, entstand bei dem Beklagten der Eindruck, dass das bestellte Fahrzeug mit einem Permanentspeicher (sog. WORM-Speicher, d.h. write once, read multiple) ausgestattet sein könnte, in den fortlaufend Daten abgelegt werden, bei denen Fahrzeuginformationen (Gas-/Bremsstellung, Licht, Scheibenwischer etc.) mit Informationen aus dem Navigationssystem verknüpft werden, ohne dass dem Fahrzeugnutzer ein Löschen dieser Daten möglich wäre.

[3]

Daraufhin richtete der Beklagte eine Anfrage an die Klägerin, mit der er zum einen die Übersendung einer Betriebsanleitung verlangte und zudem die Weitergabe ihn betreffender Daten an Dritte untersagte. Außerdem verlangte er, dass

  • das Fahrzeug nicht «Ort, Zeit und km-Stand» abspeichern dürfe,
  • das fahrzeugverbundene Handy nur mit eingelegter SIM-Card funktionieren dürfe,
  • die Navigationsantenne keine Daten senden dürfe,
  • benutzergenerierte Daten zu löschen sein müssten und
  • Dritte von außen keinen funktechnischen Zugang zu dem Fahrzeug haben dürften.

Die Klägerin leitete diese Anfrage an eine dritte Partei (Anmerkung: wahrscheinlich den Hersteller des Fahrzeugs) weiter. Nach den gerichtlichen Feststellungen konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte von dort keine Antwort erhielt.

[4]
Die Verkäuferin forderte den Käufer mehrfach zur Abnahme des Fahrzeugs auf. Dieser kam der Forderungen jedoch nicht nach und begründete dies damit, er sei nicht abnahmepflichtig, da bei der Fahrzeugnutzung eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu befürchten sei.
[5]

Daraufhin trat die Verkäuferin vom Kaufvertrag zurück und verklagte den Käufer auf Zahlung des pauschalierten Schadensersatzes in Höhe von € 9.067,50. Im erstinstanzlichen Prozess verteidigte sich der Käufer damit, dass der Kaufvertrag nichtig sei, da die Klägerin ihm einen schweren Produktmangel in Form der Nicht-Respektierung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bezüglich des Fahrzeugs arglistig verschwiegen habe. Zum einen habe die Klägerin eine vertragliche Nebenpflicht bzw. einen Auskunftsanspruch nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verletzt, indem sie ihm nicht mitgeteilt habe, ob der PKW digitale Speicher/Speichermedien enthalte, welche Daten aus dem Fahrverhalten aufzeichnen und speichern würden. Auch auf seine Bitte, eine Betriebsanleitung zu übersenden, sei nicht eingegangen worden. Es bestehe die Gefahr der permanenten Überwachung des Fahrers. Diese Daten würden in einem Permanentspeicher abgelegt, auf die Mitarbeiter des Herstellers oder andere Personen mittels Mobilfunk zugreifen könnten. Deshalb müsse von einer Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs im Sinne des § 434 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgegangen werden. Somit sei seine Verpflichtung zur Fahrzeugabnahme nicht fällig geworden. Zumindest habe dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs zugestanden.

[6]
Ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass der bestellte PKW keinen vom Kläger beschriebenen Permanentspeicher aufwies. Es habe lediglich eine event-bezogene Datenspeicherung für die Fehlerauslesung oder eine Unfallauswertung stattgefunden, die nach Einschätzung des Sachverständigen nicht mit Daten aus dem Navigationsgerät verknüpft wurde. Auch das Risiko einer Datenausspähung durch Dritte war nach Feststellung des Sachverständigen nicht gegeben, weil im Navigationssystem weder WLAN noch Bluetooth verbaut seien. Das Landgericht (LG) Paderborn (Az. 2 O 343/14) gab daraufhin der Schadensersatzklage statt, da dem Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe. Auch eine Aushändigung der Betriebsanleitung sei erst bei Fahrzeugübergabe geschuldet gewesen. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein.

2.

Zusammenfassung der Erwägungen ^

[7]
Das OLG Hamm schloss sich mit der nachfolgenden Begründung der Auffassung des LG Paderborn an, wonach der Beklagte kein Recht habe, die Abnahme des Neufahrzeugs zu verweigern:
[8]
Zunächst habe der Käufer vor Fahrzeugübergabe keinen Anspruch auf Übersendung einer Betriebsanleitung.
[9]
Auch die Untersagung der Datenweitergabe an Dritte sei rechtlich unbeachtlich, da die Klägerin keinen Anlass für die Annahme gegeben habe, sie werde personenbezogene Daten des Beklagten unbefugt an Dritte weitergeben. Bei den weiteren Forderungen des Beklagten hinsichtlich der Ausgestaltung der Datenverarbeitung im bestellten Fahrzeug1 handele es sich um Vorgaben, welche die Beschaffenheit der Kaufsache betrafen. Die Klägerin sei jedoch nach Unterzeichnung der verbindlichen Neuwagenbestellung nicht dazu verpflichtet gewesen, sich auf diese Vorgaben des Beklagten einzulassen, zumal die Klägerin nicht Herstellerin des Fahrzeugs sei und somit auf dessen Bauteile keinen Einfluss nehmen konnte.
[10]
Schließlich habe der Beklagte die Abnahme des Fahrzeugs auch nicht wegen eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB ablehnen dürfen. Die Datenverarbeitung im streitgegenständlichen Fahrzeug stelle nämlich keinen Sachmangel dar, da – anders als vom Beklagten behauptet – weder eine «unzulässige Vorratsdatenspeicherung» noch etwaige Verstöße gegen das BDSG vorlagen.
[11]
Zunächst konnte nach dem Gutachten des Sachverständigen kein Nachweis für den Vorwurf des Beklagten erbracht werden, das Navigationsgerät empfange Daten über die zeitliche und örtliche Befindlichkeit des Fahrzeugs, die anschließend in bestimmten Bauteilen des Fahrzeugs für den Beklagten unzugänglich abgelegt würden. Eine solche Datenweiterleitung vom Navigationsgerät an andere Teile des Fahrzeugs sei nach Auffassung des Sachverständigen auch technisch nicht plausibel, da solche Daten für eine Fehlerauswertung nicht erforderlich seien.
[12]

Der Auffassung des Beklagten, eine Datenspeicherung im Fahrzeug sei wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung per se als Sachmangel anzusehen, erteilte das Gericht eine Absage. Da der Beklagte das Fahrzeug, in dem Daten abgelegt werden, übereignet bekommen sollte, hätte er über die Daten selbst verfügen können. Das Gericht zieht eine Parallele zur der Anschaffung eines Computers oder eines Smartphones, bei denen ebenfalls Daten der Nutzer im Gerät gespeichert werden, ohne dass dieser Umstand einen technischen Fehler dieser Geräte bedeutet.

[13]
Ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB durch Datenverarbeitung in einem Fahrzeug komme nach Auffassung des OLG Hamm allenfalls dann in Betracht, wenn eine nicht beeinflussbare Weiterleitung personenbezogener Daten von dem Fahrzeug an unbefugte Dritte zu befürchten stünde. In einem solchen Fall wäre gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu prüfen, ob dies eine Beschaffenheit ausmache, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist und die ein Käufer nicht erwarten müsse. Im vorliegenden Fall konnte dies jedoch nach den Feststellungen des Sachverständigen ausgeschlossen werden, weil es nicht zu einer Permanentspeicherung personenbezogener Daten des Fahrzeugnutzers kommt und das Navigationsgerät auch keine Schnittstellen im Sinne von WLAN oder Bluetooth aufwies, die eine Datenabfrage von außen ermöglichen würden. Vielmehr seien in dem Fahrzeug lediglich Teile verbaut worden, die auch bei anderen Fahrzeugherstellern verwendet würden. Das Fahrzeug entspreche damit dem technischen Stand der Automobilindustrie.

3.

Kommentar ^

[14]

Der vom OLG Hamm entschiedene Fall macht deutlich, dass die Verarbeitung von Kfz-Nutzungsdaten bei modernen Kraftfahrzeugen immer stärker in den Fokus der datenschutzrechtlichen Wahrnehmung rückt. Bereits durchschnittliche Kraftfahrzeuge produzieren eine Vielzahl an Daten. Diese Entwicklung wird sich aufgrund der fortschreitenden informationstechnischen Ausstattung der Fahrzeuge, deren Anbindung an das Internet und der Vernetzung der Verkehrsteilnehmer untereinander fortsetzen. Darüber hinaus entstehen zahlreiche neue Fahrzeugfunktionen und Verkehrstelematikanwendungen, z.B. in den Bereichen Service und Multimedia.2

[15]

Das OLG Hamm musste sich im Rahmen der Frage, ob ein Käufer die Abnahme eines bestellten PKWs unter Berufung auf mögliche Datenschutzverstöße verweigern darf, inzident mit der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in einem Kfz auseinandersetzen. Zunächst hat das Gericht ein Leistungsverweigerungsrecht aufgrund der nicht zur Verfügung gestellten Betriebsanleitung sowie einer vom Käufer pauschal behaupteten unbefugten Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte richtigerweise abgelehnt. Beim Kauf einer Sache besteht nach deutschem Recht zwar ein Anspruch auf Überlassung einer Betriebsanleitung, jedoch nur zusammen mit der Kaufsache und nicht vorab. Das Handbuch ist Teil des Fahrzeugs und gilt als Zubehör.3 Darüber hinaus bestand nach Auffassung des Gerichts auf tatsächlicher Ebene kein Anlass zur Annahme, dass die Verkäuferin personenbezogene Daten des Käufers unbefugt an Dritte weitergeben würde.

[16]

Kernfrage der Entscheidung ist jedoch, inwieweit die Datenverarbeitung im bestellten Fahrzeug einen Mangel darstellt, der den Käufer zur Nichtabnahme berechtigt. Grundsätzlich steht es einem Käufer nach deutschem Recht frei, die Abnahme einer bestellten Sache zu verweigern, wenn diese Sache einen Sachmangel (im Sinnes des § 434 BGB) oder einen Rechtsmangel (im Sinne des § 435 BGB) aufweist.4 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hingegen schützt den Einzelnen5 bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten. Dieses «Datenschutz-Grundrecht» wird aus der Kombination der Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) abgeleitet.6 Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.7 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch einfachgesetzliche Regelungen, wie das BDSG, konkretisiert.8 Die Entscheidung des OLG Hamm beleuchtet an dieser Schnittstelle zwischen Kaufrecht und Datenschutz damit den – für das Sachmängelgewährleistungsrecht relativ neuen – Aspekt eines möglichen Sachmangels wegen datenschutzrechtlich unzulässiger Datenspeicherung im oder Datenübermittlung aus dem Fahrzeug.9

[17]

Eine Kaufsache ist nach deutschem Recht frei von Sachmängeln, wenn sie

  • die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB),
  • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder
  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Hinsichtlich der Datenverarbeitung lag zunächst keine Vereinbarung der Beschaffenheit vor. Die nach Vertragsschluss vom Käufer einseitig aufgestellten Anforderungen an die Eigenschaften zur Datenverarbeitung durch das Fahrzeug stellen keine solche Vereinbarung dar. Die Beschaffenheit muss zwischen den Parteien vereinbart werden.10 Dies liegt bei einseitigen Forderungen nach Vertragsschluss gerade nicht vor. Für Hindernisse bei der nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung des Fahrzeugs bestanden keine Anhaltspunkte.

[18]
Folgerichtig prüfte das OLG Hamm, ob ein Sachmangel wegen Fehlens der üblichen Beschaffenheit vorliegt und unterscheidet zwischen der Speicherung personenbezogener Daten innerhalb eines Kraftfahrzeuges und der Übermittlung der Daten aus dem Fahrzeug heraus. Das Gericht zieht eine Parallele zu Computern und Smartphones und kommt zu dem Ergebnis, dass jedenfalls die Speicherung im Fahrzeug mangels Datenschutzverstoß keinen Sachmangel darstellt.
[19]

Die Auffassung des Gerichts deckt sich mit der Auffassung der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden, die ebenfalls zwischen nicht vernetzten «Offline»-Autos und vernetzten «Online»-Autos unterscheiden.11 Bei «Offline»-Autos beginnt der datenschutzrechtlich rechtfertigungsbedürftige Umgang mit personenbezogenen Daten nicht bereits mit der Speicherung der Daten im Fahrzeug, sondern erst mit dem Auslesen und der, gesondert zu betrachtenden, anschließenden Verarbeitung dieser Daten, z.B. durch eine Werkstatt für Reparaturzwecke.12 Zwar bestehen nach Auffassung der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden auch hinsichtlich der im Fahrzeug gespeicherten Daten bestimmte Pflichten zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.13 Diese Grundsätze der Datenvermeidung und Datensparsamkeit bzw. dem Gedanken des «Privacy by Design» richten sich jedoch an den Hersteller14 und nicht an den Verkäufer des Fahrzeugs. Eine Verletzung der vorgenannten Grundsätze wurde vom Käufer im vorliegenden Fall zudem nicht geltend gemacht. Auch wenn grundsätzlich die wichtigsten Informationen zur Datenverarbeitung in allgemein verständlicher Form auch in der Borddokumentation nachlesbar vorzuhalten sind,15 besteht kaufrechtlich gerade kein Anspruch auf Überlassung dieser Betriebsanleitung vor Überlassung des Fahrzeugs.16 Es liegt damit am potentiellen Käufer, sich vor Abschluss eines verbindlichen Kaufvertrages beim Verkäufer und ggf. dem Hersteller über die Grundsätze der Datenverarbeitung zu informieren und dies in die Kaufentscheidung mit einzubeziehen.

[20]
Das OLG Hamm setzt sich zu Recht nicht weiter mit dem vom Käufer gegen den Verkäufer geltend gemachten datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch aus § 34 BDSG auseinander. Ein solcher Anspruch war im vorliegenden Fall auch nicht gegeben. Der Anspruch besteht lediglich gegenüber der datenschutzrechtlich verantwortlichen Stelle.17 Verantwortliche Stelle ist jedoch gemäß § 3 Abs. 7 BDSG die Stelle, die personenbezogene Daten für sich selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt oder dies durch andere im Auftrag vornehmen lässt. Ein Verkäufer, der in die anschließende Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Nutzung der Kaufsache nicht eingebunden ist, ist keine datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle18 und damit nicht Anspruchsgegner des § 34 BDSG. Auch die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden gehen davon aus, dass die Fahrzeughalter von «Offline»-Autos lediglich die Möglichkeit des Auslesens von Daten haben, gegebenenfalls mithilfe von Sachverständigen, was nicht zwingend unentgeltlich sein müsse.19 Zwar müsse sich der Betroffene unentgeltlich und ohne sachverständige Hilfe über die Grundsätze der Datenverarbeitungsvorgänge einschließlich zumindest der Art der verarbeiteten personenbezogenen Daten informieren können, dies gelte jedoch gegenüber dem Hersteller.20 Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass ein Verkäufer einer Sache, selbst wenn er nicht datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle ist, aus lauterkeitsrechtlichen Gründen (§ 5a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG) die Pflicht haben kann, auf die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Nutzung der Kaufsache hinzuweisen.21
[21]

Im Gegensatz zu «Offline»-Autos hält das OLG Hamm hinsichtlich vernetzter «Online»-Autos einen Sachmangel bei nicht beeinflussbarer Weiterleitung personenbezogener Daten von dem Fahrzeug an unbefugte Dritte nicht für ausgeschlossen. Sofern es zu einer datenschutzrechtlich unzulässigen Übermittlung der Daten kommt, wäre jedoch für die Annahme eines Mangels im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zusätzlich zu prüfen, ob dies eine Beschaffenheit ausmacht, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist und die ein Käufer nicht erwarten muss. Insoweit bleibt abzuwarten, inwieweit sich im Hinblick auf die Datenhoheit der Fahrzeugnutzer ein allgemeiner Standard in der Automobilindustrie entwickeln wird. Erste diesbezügliche Ansätze sind in der Gemeinsame Erklärung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder und des VDA zu erkennen.22


 

Jan Spittka ist Rechtsanwalt im Kölner Büro der Kanzlei DLA Piper UK LLP und auf Datenschutz und Cybersecurity spezialisiert.

 

Dr. Marcus Schreibauer ist Partner und Fachanwalt für Informationstechnologierecht im Düsseldorfer Büro der Kanzlei Hogan Lovells International LLP.

  1. 1 Siehe oben Rz 3.
  2. 2 Gemeinsame Erklärung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) – Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge, Berlin/Schwerin, 26. Januar 2016, Vorbemerkung, abrufbar unter https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Aktuelles/Inhalt/Datenschutz_im_Auto/Gemeinsame_Erklaerung_VDA_Datenschutzbehoerden.pdf (zuletzt besucht am 4. November 2016).
  3. 3 Werner Bachmeier, in: Bachmeier (Hrsg.), Rechtshandbuch Autokauf, 2. Aufl. 2013, Rz 576.
  4. 4 Statt vieler Walter Weidenkaff, in: Palandt (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2015, § 433 Rz 47.
  5. 5 Nach deutschen Verständnis schützt das Datenschutzrecht grundsätzlich lediglich natürliche Personen (vgl. § 3 Abs. 1 BDSG).
  6. 6 Vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1.
  7. 7 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1.
  8. 8 Statt vieler Spiros Simitis, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 1 Rz 23 ff.
  9. 9 Ingemar Kartheuser, Kein Sachmangel bei Speicherung von Fahrzeugdaten, in: IT-Rechtsberater 2016, S. 102, 103.
  10. 10 Statt vieler Weidenkaff (Fn. 4), § 434 Rz 13.
  11. 11 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 2.
  12. 12 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 2.
  13. 13 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 2.
  14. 14 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 3.
  15. 15 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 4
  16. 16 Siehe Rz 17.
  17. 17 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 5.
  18. 18 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Juni 2016 – 2-03 O 364/15 zu Smart TVs.
  19. 19 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 5.
  20. 20 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 5.
  21. 21 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Juni 2016 – 2-03 O 364/15 zu Smart TVs.
  22. 22 Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge (Fn. 2), Ziffer 6.