Liebe Leserinnen und Leser
Künstliche Intelligenz, Robotik, selbstfahrende Autos – die Welt, wie wir sie kennen, verändert sich in rasanter Geschwindigkeit. Dies hat nicht nur Einfluss auf die Gesellschaft, sondern bringt auch für das Rechtssystem neue Herausforderungen. In dieser Ausgabe diskutieren Experten die verschiedenen Rechtsgebiete, die von der Einführung neuer Technologie tangiert werden. Eine oft gehörte Beschwerde in diesem Kontext ist, dass das Gesetz Mühe hat, mit diesen technologischen Veränderungen Schritt zu halten. Ein weiteres Problem sind die intellektuellen Mauern, die das Universitätssystem um diese Themen herum baut und so den interdisziplinären Austausch verhindert, der notwendig wäre, um die zukünftigen Herausforderungen zu anzugehen. Denn diese können nur gemeistert werden, wenn wir nicht nur die Struktur akademischer Wissensproduktion und -verbreitung radikal verändern, sondern auch die der juristischen Ausbildung. Die Anwälte der Zukunft werden andere Kompetenzen benötigen, um den Bedürfnissen von Industrie, Regierung und Zivilgesellschaft gerecht zu werden. Jusletter IT hat von jeher das Neuland digitaler Wissensverbreitung erforscht, neue Formate und Strukturen eingeführt und getestet und so den Schritt über die Grenzen traditioneller Printmedien gewagt. Das Internationale Rechtsinformatik Symposium IRIS war schon immer eine jener Veranstaltungen, die eine solche interdisziplinäre, gegenseitige Befruchtung unterstützen und fördern, und auch in dieser Ausgabe stammen einige der Beiträge vom IRIS. Doch genauso wichtig wie fachübergreifende Forschung sind generationsübergreifende Diskussionen, die sicherstellen, dass rechtliche Reaktionen und technologischer Fortschritt im Gleichschritt gehen und dass die Anwälte der Zukunft mit den Forschungskompetenzen ausgestattet sind, um technologische Herausforderungen in ihren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen zu verstehen. In der Bildungsbranche werden langsam aber sicher neue Formate eingeführt, so werden z.B. Rechts-Hackatons oder digitale Design-Wettbewerbe in das Schulprogramm der juristischen Fakultäten aufgenommen und ergänzen so die bekannten simulierten Verfahren. In Edinburgh haben wir aus einem dieser Events die Erfahrung mitnehmen können, dass das Unterrichten immer bidirektionaler und bereichernder wird – unsere Studenten, die als Digital Natives aufgewachsen sind, können Zusammenhänge herstellen und Chancen erkennen, die auch (oder insbesondere) die erfahrensten Akademiker überraschen. Das Verbünden von Spezialisten verschiedenster Fachrichtungen ist nur der Anfang, der es juristischer Forschung erlaubt, mit technologischen Veränderungen mitzuhalten. Genau aus diesem Grund war es eine besonders willkommene Chance, diese Ausgabe zu betreuen und so auch Forscher und Doktoratsstudenten anzugehen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, bzw. Studenten des Robotics LL.M.-Kurses an der Universität Edinburgh mit erfahreneren Mentoren zusammenzubringen. Mit diesem Ansatz haben Anne Helms und ich redaktionelle Arbeit und Peer Review in Angriff genommen, und so sichergestellt, dass alle Beiträge so gründlich und verbindlich sind, wie es unsere Leserinnen und Leser erwarten dürfen. Gleichzeitig können sie von einzigartigen Einblicken, dem Aufbau von Forschungskapazitäten und der Unterstützung bei der Gestaltung der digitalen Agenda profitieren.
Jonathan Sinclair und Burkhard Schafer betrachten selbstfahrende Autos vom Standpunkt der Haftung und Versicherung aus. Die Autoren beschreiben, wie das Vereinigte Königreich mit diesen neuen Technologien umgeht, nachdem sie ein Szenario aufstellen, dass zwar nach Science Fiction klingt, aber mit dem Aufkommen selbstfahrender Autos möglich geworden ist.
Eine andere Perspektive wird von Giuseppe Contissa, Francesca Lagioia und Giovanni Sartor behandelt: Die Autoren diskutieren die ethischen Dilemmata, die auftreten, wenn selbstfahrende Autos einem unvermeidbaren Unfall entgegensehen. Wer sollte entscheiden, welchen Weg das Auto wählt: der Programmierer, der Fahrer oder das Auto selbst?
Ein weiteres Rechtsgebiet, das von selbstfahrenden Autos tangiert wird, ist Datenschutz. Maria Cristina Gaeta greift die Speicherung und Verarbeitung persönlicher Daten unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung auf.
Computer-Codes lösen Anwälte beim Aufsetzen von Verträgen ab: künstliche Intelligenz ermöglicht Smart Contracts. Gabriel Olivier Benjamin Jaccard unterscheidet zwischen Smart Contracts, Blockchain und Crypto-Eigentum und bietet eine rechtliche Analyse von Smart Contracts unter Schweizer Recht.
Welche Regulationen sind im Zusammenhang mit Robotern notwendig? Wie können Sicherheit und Datenschutz garantiert werden? Erica Palmerini zeigt verschiedene Ansätze auf, wie Roboter reguliert werden können und hebt insbesondere den EU-Beschluss mit Empfehlungen der Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik hervor.
Sollte ein Roboter als Person betrachtet werden? Kann die Gesellschaft der Zukunft ohne jegliche Form von Rechtssubjektivität für autonome künstliche Intelligenzen funktionieren? Robert van den Hoven van Genderen kann sich vorstellen, dass bestimmte Formen des Handelns für eine gewisse Form von Rechtssubjektivität für Roboter sprechen, sodass diese ihre Aufgaben erfüllen können.
Burkhard Schafer und Erica Fraser diskutieren einen weiteren Ansatz: Sie geben einen Überblick über die rechtlichen Probleme, die angegangen werden müssen, wenn künstliche Intelligenzen und Roboter Erfindungen kreieren und erklären geistiges Eigentum in diesem Kontext.
Wenn künstliche Intelligenzen mit Menschen interagieren, ist Sicherheit eines der wichtigsten Anliegen. Yueh-Hsuan Weng erklärt, warum «Social System Design» unumgänglich ist, wenn Ethik, Politik und Recht auf autonome Roboter angewendet werden.
Die Machtpositionen zwischen Menschen und Robotern kehren sich um. Hin-Yan Liu und Karolina Zawieska betrachten diese Machtverschiebung und deren Auswirkung auf die Menschenrechte.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre! Die nächste Ausgabe von Jusletter IT erscheint am 22. Februar 2018 und wird die Tagungsbeiträge des IRIS2018 enthalten.
Burkhard Schafer
Prof., LL.M.
University of Edinburgh
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