Network

Kommunikation in der Kanzlei – ein Praxisbericht

Klienten stellen heute hohe Anforderungen an Erreichbarkeit, Produktivität und Vertraulichkeit. Weitaus die meisten Anwaltskanzleien in der Schweiz sind KMUs mit entsprechend limitierten finanziellen und personellen Ressourcen. Wie können diese den steigenden Anforderungen mit vernünftigem Aufwand gerecht werden? Jürg Friedli, Partner bei der Thuner Anwaltskanzlei Büchler & Friedli und Redaktor der Fachzeitschrift des bernischen Anwaltsverbandes „in dubio“, befragte Dr. Wolfgang Straub (Deutsch Wyss & Partner, Bern) nach seinen praktischen Erfahrungen zum IT Management in der Anwaltskanzlei. Wolfgang Straub hat in den letzten Jahren zahlreiche IT-Projekte grösserer Unternehmen rechtlich begleitet und sich in verschiedenen Publikationen mit Rechtsfragen des IT-Einsatzes auseinandergesetzt.

Jürg Friedli: Welche Bedeutung hat die Informatik für Ihre Kanzlei? Gibt es bei Ihnen eine IT-Strategie?
Wolfgang Straub: Die Informatik ist für uns das weitaus wichtigste Arbeitswerkzeug. Auch bei meinen Büropartnern gibt es zum Glück eine gewisse Neugier, was neue IT-Möglichkeiten betrifft. Wir versuchen alles, was sich mit vernünftigem Aufwand automatisieren lässt, informatikgestützt zu bearbeiten. Als KMU mit acht Arbeitsplätzen müssen wir uns allerdings gut überlegen, wo sich Investitionen längerfristig auch rechnen.

Arbeiten Sie mit verschiedenen IT-Dienstleistern zusammen? Oder haben Sie einen ‚preferred supplier’?
Diese Frage wird mir oft von Kollegen anderer Kanzleien gestellt. KMUs haben in der Regel mit mehreren Anbietern zu tun (Hersteller von Branchensoftware, Netzwerkbetreuer, Lieferant des Kopierers etc.). Bei Schnittstellenproblemen besteht das Risiko, dass jeder die Schuld auf die anderen abschiebt und niemand für die Lösung zuständig sein will. Es ist für uns daher sehr wichtig, einen einzigen Ansprechpartner zu haben. Alle unsere kanzlei-internen Projekte werden von der infolutions GmbH in Bern koordiniert, auch wenn einzelne Arbeiten von anderen Firmen ausgeführt werden. Dieses Vorgehen hat sich während der letzten Jahre gut bewährt.

Hatten Sie denn schon ernsthafte Probleme mit Ihrer Informatikumgebung?

Man darf sich nicht täuschen: Fast jedes IT-Projekt ist mit gewissen Anlaufsschwierigkeiten verbunden. Wir mussten am Anfang einiges an Lehrgeld bezahlen. Als wir vor etwa zehn Jahren unser Netzwerk von Novell auf Windows migrierten, lief tagelang nichts mehr. Das war allerdings noch vor unserer Zusammenarbeit mit infolutions.

Das kam Ihre Lieferanten wohl teuer zu stehen. Als spezialisierter Anwalt machen Sie sicher Verträge, die alles klar regeln?

Es gibt ein Sprichwort‚ Schusterskinder gehen barfuss und die Kinder des Schneiders tragen Lumpen’. Im Gegensatz zu den IT-Projekten, welche ich als Anwalt begleite, sind die Investitionen und die finanziellen Risiken in unserer eigenen Kanzlei überschaubar. Die Aushandlung detaillierter Vertragswerke würde hier in einem Missverhältnis zum Ergebnis stehen. Wir nehmen uns Zeit bei der Evaluation neuer Hard- und Software und definieren Anforderungen, Zeitplan und Kosten gemeinsam mit dem Anbieter. Aber Konventionalstrafen und dergleichen gibt es nicht. IT ist für uns Vertrauenssache. Wenn wir mit einem Anbieter nicht mehr zufrieden sind, wechseln wir ihn so bald als möglich aus – selbst wenn dadurch kurzfristig Mehrkosten entstehen. Langfristig hat sich diese Strategie bisher auch finanziell bewährt.

Haben Sie nie daran gedacht, die ganze IT einfach outzusourcen?
Tatsächlich haben wir einmal mit dem Gedanken gespielt, den Betrieb des Mailservers auszulagern. Bei meinen Klienten beobachte ich immer wieder, dass IT Outsourcing für den Leistungsbezüger eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist. Wenn man sich als KMU nicht einfach mit den Vorgaben eines Anbieters zufrieden geben will, stehen die Transaktionskosten rasch in einem Missverhältnis zu den erzielbaren Einsparungen. Zudem wollen wir ein gewisses Grundwissen im Umgang mit IT im Haus behalten.

Lohnen sich Investitionen in die Informatik überhaupt?

Manchmal beneide ich diejenigen Kollegen ein wenig, welche nur alle paar Jahre einen IT-Lieferanten kommen lassen, wenn ihr alter Computer nicht mehr funktioniert. Aber das sind meist solche, die weder über einen Server noch über ein Netzwerk verfügen und den Computer eigentlich eher als Schreibmaschine benutzen. Wir haben nur ein kleines Kanzleiteam, sind aber wir auf ein effizientes Funktionieren der IT angewiesen. Zudem arbeiten wir oft büroübergreifend mit anderen Anwälten zusammen. Daher muss die Kommunikation (z.B. Austausch umfangreicher Vertragsdokumente) reibungsfrei funktionieren.

Inwieweit hat elektronische Post bei Ihnen die analoge verdrängt?
Weit über 90% meiner Korrespondenz erfolgt per E-Mail. Bei meinen forensisch tätigen Bürokollegen liegt der Prozentsatz etwas tiefer. Eingehende Briefpost leite ich fast nur noch in eingescannter Form an die Klienten weiter, da dies die firmeninterne Weiterverteilung erleichtert. Dies hat jedoch keineswegs zum papierlosen Büro geführt – ganz im Gegenteil. Wir erhalten immer mehr E-Mail-Attachements. Nach wie vor drucke ich vieles davon aus. Glücklicherweise verfügen wir über einen leistungsfähigen Drucker, den man per Fernzugriff von ausserhalb des Büros ansteuern kann. Mehrseitige Texte drucke ich meist in der Heftform. Bei Vertragsverhandlungen mit vielen Dokumenten erleichtert dies die Übersicht.

Mit dem Aufkommen der elektronischen Kommunikation hat auch die Hektik zugenommen. Wie gehen Sie damit um?
Leider haben Sie recht. Je länger je mehr wird von den Klienten eine Reaktion auf E-Mails noch am gleichen Tag erwartet. Man muss mental aufpassen, nicht schon ein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ein E-Mail eine Stunde unbeantwortet in der Mailbox liegt...

Sind Sie denn wirklich immer per E-Mail erreichbar? Ist das möglich – oder überhaupt erstrebenswert?
Tatsächlich haben wir bürointern vor der Einführung der Direct Push-Technologie auf unsere Mobiltelefone über Vor- und Nachteile der ständigen Erreichbarkeit intensiv diskutiert, und nicht alle Büropartner gehen gleich mit dieser Frage um. Für mich bedeutet es eine grosse Entlastung, auch unterwegs stets zu wissen, ob wichtige Mails eingegangen sind. Trotzdem gibt es auch Zeiten, in welchen ich das Gerät bewusst ausschalte (z.B. während Verhandlungen, welche ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern). Andererseits gibt es auch unterwegs immer wieder Wartezeiten, die ich gerne für E-Mail-Korrespondenz nutze.

Sind Sie sicher, dass Sie in der heutigen Spamflut die relevanten Mails überhaupt noch finden?
Es ist für uns sehr wichtig, dass keine geschäftlichen E-Mails verloren gehen. Wir haben bereits seit ein paar Jahren Spamfilter auf unserem Mailserver installiert. Keines der getesteten Produkte konnte das Problem jedoch befriedigend lösen. Um sicherzustellen, dass wirklich keine E-Mails verloren gehen, mussten wir immer wieder die Spamordner sichten. Inzwischen hat sich dieses Problem aber entschärft: Spam wird meist von anderen als den darin angegebenen Absenderadressen aus versandt (spoofing). Anfang dieses Jahres hat infolutions bei uns ein Greylisting Tool installiert, das nur diejenigen E-Mails durchlässt, welche wirklich vom angegebenen Absender stammen. Am Anfang waren wir etwas skeptisch gegenüber dieser Lösung. Seither hat sich die Anzahl von Spam auf unserem Mailserver um mehr als 90% reduziert. Die verbleibenden Mails müssen aber immer noch einen konventionellen Spamfilter passieren.

... und Viren? Hand aufs Herz: Waren Sie davon nicht auch schon betroffen?
Antivirenprogramme setzen wir bereits seit mehr als 10 Jahren ein. Am Anfang litten wir trotzdem immer wieder unter Viren, die von den lokal installierten Virenschutzprogrammen zu spät, nämlich erst nach dem Öffnen von Attachments, erkannt wurden. Um die Qualität des Virenscans auf dem Mailserver selbst bestimmen zu können, haben wir uns schon vor Jahren entschieden, einen eigenen Exchange-Server zu betreiben. Seither hatten wir nie mehr irgendwelche Virenprobleme. Die Investitionen in Mailserver und hochwertige Virenscanner haben sich mehr als gelohnt.

Ein Problem im Umgang mit E-Mails ist auch die Ablage bzw. die Archivierung. Es gibt hier ja auch Vorschriften zu beachten…
Ein grosser Teil der Geschäftskorrespondenz wird heute nur noch elektronisch abgewickelt. Nicht allen Anwälten ist bewusst, dass jedenfalls soweit eine Eintragungspflicht im Handelsregister besteht, auch die Vorschriften der Geschäftsbücherverordnung eingehalten werden müssen. Diese enthält detaillierte Anforderungen an die Archivierung elektronischer Dokumente. Einige Anwälte dürften den Buchführungsvorschriften auch deshalb unterstehen, weil sie mit ihrer Büroinfrastruktur Geschäftskorrespondenz für von ihnen verwaltete Gesellschaften abwickeln. Zudem bestehen standesrechtliche Vorschriften zur Aktenaufbewahrung, welche allenfalls zu einer analogen Anwendung von Bestimmungen der Geschäftsbücherverordnung auf elektronische Akten führen könnten.

Kann man dieses Problem am besten vermeiden, indem man alle E-Mails ausdruckt?
Eine Aufbewahrung in der Form von Papierausdrucken ist zunehmend schwieriger zu gewährleisten (z.B. von mobilen Geräten aus versandte E-Mails) und oft auch gar nicht sinnvoll. Solche Dokumente müssen dennoch in nicht veränderbarer Form gespeichert werden. Zudem muss sich nachweisen lassen, wann ein E-Mail ein- oder ausgegangen ist. Die entsprechenden Informationen müssen während der ganzen 10-jährigen Aufbewahrungsdauer lesbar bleiben. Diese Anforderungen können nur mit spezialisierten Mailarchivierungsprogrammen erfüllt werden. Wir haben uns im letzten Jahr zur Einführung einer solchen Lösung entschieden. Diese hat sich im Alltag als sehr praktisch erwiesen, da sie die Rückverfolgung von Maildialogen erlaubt und auch alle Attachements mit aufzeichnet. Zudem kann auf einfache Weise nach Stichworten, Zustellungsinformationen und nicht mehr auf dem Mailserver vorhandenen E-Mails gesucht werden.

Wie gehen Sie mit Faxdokumenten um?
Alle ein- und ausgehenden Faxe werden auf ein eigenes Mailkonto kopiert. Damit wurden Fax und E-Mail so kanalisiert, dass diese Dokumente auch per Fernzugriff verfügbar sind. Der Hauptvorteil dieser Lösung liegt aus meiner Sicht darin, dass alle Faxe auf diese Weise in die E-Mailarchivierung einbezogen werden. Allerdings hat die praktische Bedeutung des Telefax in den letzten Jahren stark abgenommen.

Wie verwalten Sie Agenden und Adressbücher?
Wir arbeiten alle öfters auch ausser Haus. Als wir noch Papieragenden führten, konnte das Sekretariat nie mit Sicherheit sagen, wann welcher Anwalt wieder im Büro erreichbar sein würde. Zudem wusste man nach einer Büroabwesenheit nie, welche Termine unterdessen von der Kanzlei vereinbart worden waren. Das führte immer wieder zu Kollisionen. Wir verwalten daher heute alle Agenden (inklusive Ressourcenplanung für das Sitzungszimmer) und alle Kontakte über einen Exchange-Server. Dieser wird fortlaufend mit unseren Mobiltelefonen abgeglichen, so dass stets alle Kanzleimitglieder auf den aktuellen Stand sind. Damit entfällt auch das lästige manuelle Synchronisieren von Kontaktdaten zwischen PC und Handy, welches gelegentlich zu Fehlern geführt hatte. Bei der mobilen Kommunikation muss allerdings auch Sicherheitsaspekten vermehrt Beachtung geschenkt werden.

IT-Sicherheitsfragen gewinnen zunehmend an Brisanz. Was ist in diesem Bereich zu beachten?
IT-Sicherheit ist ein komplexes Thema und erfordert in der Regel den Beizug von Spezialisten. Trotzdem dürfen Anwälte nicht alles den IT-Fachleuten überlassen. Im Hinblick auf unsere beruflichen Sorgfaltspflichten versuchen wir mindestens alle branchenüblichen Massnahmen zu treffen. Wir haben uns in letzter Zeit vermehrt mit Sicherheitsfragen befasst und sind dabei, ein neues Sicherheitskonzept zu erarbeiten. Unser IT-Dienstleister hat unter www.infolutions.ch/weblaw einen leicht verständlichen Sicherheits-Check verfügbar gemacht, welcher einen ersten Eindruck der Situation in der eigenen Kanzlei verschafft.

Sie arbeiten oft ausserhalb des Büros. Wie greifen Sie auf das Netzwerk Ihrer Kanzlei zu?
Tatsächlich erledige ich einen grossen Teil meiner Arbeit unterwegs oder von zuhause aus. Um Informationen vom Server herunterzuladen nutze ich ein Virtual Private Network (VPN). Weil Sicherheit für uns einen hohen Stellenwert einnimmt, verwende ich eine hardwarebasierte Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung. Mit einer portablen Firewall kann ich mich irgendwo ins Internet einklinken. Sobald die Firewall unseres Büronetzwerks dieses Gerät erkannt hat, wird eine verschlüsselte Verbindung aufgebaut.

Das klingt alles sehr modern. Gibt es dennoch Bereiche, in welchen Sie nicht IT-gestützt arbeiten?
Unsere Telefonzentrale ist bereits älteren Datums. In nächster Zeit möchten wir sie durch eine internetbasierte Lösung (Voice over IP, kurz VoIP) ersetzen. Dabei werden wir insbesondere auf Sprachqualität und Sicherheitsfragen achten müssen. Ich habe bei verschiedenen meiner Klienten solche Projekte gesehen. Für KMUs geeignete Lösungen sind erst im Kommen. Ein weiteres Projekt betrifft das elektronische Dossier. Wir möchten in Zukunft mit möglichst geringem Aufwand sämtliche ein- und ausgehenden Post, E-Mails und Faxe in elektronischen Klientendossiers ablegen. Momentan sind wir gemeinsam mit infolutions dabei, die Schnittstellen dieses Projekts zu Zeiterfassung, Telefonie und Buchhaltung zu prüfen.

Herr Kollege Straub, vielen Dank für das Interview.

Portrait infolutions GmbH
Um die IT-Anforderungen von Kanzleien zu erfüllen, muss ein IT-Dienstleister wissen, worauf es im Anwaltsalltag ankommt. Der Berner Informatikdienstleister infolutions, konzipiert, installiert und betreut seit über vier Jahren massgeschneiderte Informatiklösungen für Unternehmen und Organisationen verschiedenster Bereiche, darunter auch Rechtsanwälte. Hard- und Softwareprodukte gleichen sich immer mehr. Patrik Hofer, Gründer der infolutions GmbH, betont vor allem die Flexibilität bei der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und IT-Spezialisten als Erfolgsfaktor: „Natürlich müssen wir Produkte anbieten, die dem neusten technologischen Stand entsprechen. Zudem gilt es Know-how des gesamten Teams stets auf höchstem Niveau zu halten. Die Zufriedenheit der Kunden gründet aber in vielen Fällen auf unserer Bereitschaft, rasche und unkomplizierte Lösungen zu bieten.“