Jusletter IT

Keyword Advertising: Louis Vuitton v. Google - Schlussanträge des Generalanwaltes - Analyse und Kritik

  • Author: Konstantin Hobel
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Commerce
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Konstantin Hobel, Keyword Advertising: Louis Vuitton v. Google - Schlussanträge des Generalanwaltes - Analyse und Kritik, in: Jusletter IT 1 September 2010
Der Vorgang des Keyword Advertising, d.h. die gezielte, mit dem vorher eingegebenen Suchbegriff abgestimmte Schaltung von Werbeflächen auf der Website, welche die Ergebnisliste anzeigt, beschäftigt seit geraumer Zeit Juristen aus ganz Europa. Mit den Schlussanträgen des Generalanwaltes Maduro in den verbundenen Rechtssachen C-236/08, C-237/08 und C-238/08, wird der Öffentlichkeit nach langer Wartezeit endlich die erste Entscheidungsaussicht von offizieller Seite zu den EuGH-Verfahren zuteil, die über die Zukunft der Praxis des Keyword Advertising in Europa bestimmen werden.
[1]

Die anfangs als werbefreie Zonen konzipierten Suchmaschinen, sind nun schon seit längerer Zeit in den Werbemarkt eingegliedert. Das Online Marketing ist zu einer fixen Größe herangewachsen und zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden.1

[2]

Suchmaschinen wie Google oder Yahoo! finanzieren2 sich vorwiegend über Einnahmen aus ihren Online Werbesystemen insb. ihren Keyword Advertising Programmen «Adwords» (Google) und «Yahoo! Search Marketing» (Yahoo!).

[3]

Unter dem Begriff Keyword Advertising versteht man die «gezielte, mit dem vorher eingegebenen Suchbegriff abgestimmte Schaltung von Werbeflächen auf der Website, welche die Ergebnisliste anzeigt. »3

[4]

Gängige Keyword Advertising Programme bieten ihren Anzeigenkunden auch die Möglichkeit markenrechtlich geschützte Suchbegriffe zu buchen. Die Frage nach der Zulässigkeit der Nutzung von Stichwörtern (Keywords), die Marken entsprechen, in Anzeigensystemen wie Adwords und der Praxis von Mitbewerbern der Markeninhaber, markenrechtlich geschützte Suchbegriffe zur Einblendung ihrer Anzeigen (in der Folge: Ads) auszuwählen, beschäftigt seit längerer Zeit nationale Gerichte in mehreren EU-Mitgliedsstaaten.

[5]

Seit Mitte 2008 wurden dem EuGH mittlerweile bereits sieben Vorabentscheidungsersuchen4 aus fünf Mitgliedsstaaten zum Thema Keyword Advertising übermittelt.

[6]

Am 22. September 2009 erhielt die angeregte Diskussion5 der Rechtsfrage in ganz Europa durch die Schlussanträge des Generalanwaltes Maduro in den verbundenen RechtssachenC-236/08 ,C-237/08 undC-238/08 einen neuerlichen Impuls.

[7]

Den Inhalt der Schlussanträge interpretierte die Fachpresse durchwegs als Grund zum Triumph für die Google Inc. «Google wins ground (...) »6 , «Google closer to victory (...) »7 und «Google can sell trademarked keywords (...) »8 , las man in den Schlagzeilen. Nach Auffassung des Generalanwaltes Maduro verletzte die Google Inc. keine Markenrechte, indem sie Anzeigenkunden erlaubte, Stichwörter zu erwerben, die eingetragenen Marken entsprechen.

[8]

Generalanwalt Maduro ließ jedoch eine Hintertüre für die Inhaber von Markenrechten offen. Er qualifizierte sowohl die Google Suchmaschine, als auch Google Adwords als Dienste der Informationsgesellschaft. Der Haftungsausschluss für Hosts nach der E-CommerceRL9 gelte aber für die in Adwords angezeigten Inhalte nicht, da Google ein unmittelbares finanzielles Interesse daran habe, dass Internetnutzer auf die Ad-Links klickten.

[9]

Die Frage nach dem Haftungsausschluss für Hosts nach der E-CommerceRL10 im Bezug auf das Adwords Anzeigensystem soll jedoch nicht Gegenstand dieses Textes sein. Im Rahmen der folgenden Beurteilung steht die Frage nach der markenrechtlichen Zulässigkeit des Keyword Advertising im Vordergrund.

[10]

Generalanwalt Maduro widmete die größte Aufmerksamkeit der Vorlagefrage, ob Inhaber von Markenrechten es der Google Inc. verbieten könnten, in Adwords Stichwörter zu verwenden, die ihren Marken entsprechen.

[11]

Das Vorliegen folgender vier kumulativer Voraussetzungen sei für die Feststellung, die Benutzung einer fremden Marke verletze die Rechte des Markeninhabers erforderlich:

1) Fehlende Zustimmung des Inhabers des Markenrechts
2) Benutzung im geschäftlichen Verkehr
3) Benutzung für Waren oder Dienstleistungen (Identität / Ähnlichkeit mit den von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen)
4) Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke aufgrund der Gefahr von Verwechslungen für die Allgemeinheit
[12]

Bei der Analyse des Vorgangs des Keyword Advertising, gelangte der Generalanwalt zu der Auffassung dieser ließe sich in zwei Benutzungsbegriffe aufspalten:


a.) Erlaubnis von Google gegenüber Anzeigenkunden zur Auswahl von Keywords
b.) Anzeige von Ads neben den natürlichen Suchergebnissen
[13]

Diese zwei Benutzungshandlungen unterschieden sich von den (laut Generalanwalt Maduro eigenständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfenden) Benutzungen von Marken auf den Websites der Anzeigenkunden, auf Produkten, die auf diesen Websites verkauft werden und insb. in den Texten der Ads.

[14]

Zusätzlich erfolgten die obengenannten zwei Benutzungen jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten, hätten unterschiedliche Zielgruppen (Anzeigenkunden / Internetnutzer) und beträfen unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen (Anzeigendienst bzw. Adwords /auf angezeigten Websites beworbene Waren oder Dienstleistungen).

[15]

Die erste Benutzung von Marken beschränke sich auf eine Auswahl von Keywords, welche einen systeminternen Vorgang darstelle. Ein solcher könne nicht als Benutzung «für» Waren oder Dienstleistungen, die mit den von der Marke erfassten identisch oder ähnlich seien und somit nicht als Verletzung der Markenrechte bezeichnet werden, da keine Waren oder Dienstleistungen an die Allgemeinheit vertrieben würden.

[16]

Bezüglich der zweiten Benutzungshandlung stelle die Anzeige von Ads zwar eine Verbindung zwischen den Keywords und den angezeigten Websites her, eine solche reiche aber nicht zur Feststellung einer Markenverletzung. Für die Suchmaschinenbenutzer ergebe sich bloße Anzeige relevanter Websites im Rahmen der Suche nach Stichwörtern keine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen. Die Internetnutzer beurteilten diese nur aufgrund des Inhalts des Ads und eines Besuchs der verlinkten Website. Wie bereits erwähnt, seien in der Benutzung von Marken auf den Websites der Anzeigenkunden und in den Anzeigentexten eigenständig zu beurteilende Benutzungshandlungen zu sehen, die nicht Gegenstand der konkreten Vorlagefragen seien.

[17]

Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH in seinem Urteil dem Generalanwalt in seiner Auffassung folgen wird, der Keyword Advertising Vorgang sei in zwei separat zu beurteilende Benutzungshandlungen aufzuspalten.

[18]

Bei einer globaleren Beurteilung des Keyword Advertising würde folgender, vom Generalanwalt im Zuge der Analyse der Benutzung von fremden Marken durch Google bei der Erlaubnis der Auswahl von Stichwörtern thematisierter, Problempunkt keine Rolle mehr spielen: Während bei Aufspaltung der Benutzungsbegriffe keine Waren / Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit gegeben ist, wäre bei einheitlicher Betrachtung sogar Waren / Dienstleistungsidentität vorliegend. Dies würde bedeuten, dass der Vorgang des Keyword Advertising nach Art. 5 Abs 1 lit aMarkenRL zu beurteilen wäre, der im Gegensatz zu Art. 5 Abs 1 lit b MarkenRL kein Erfordernis einer Verwechslungsgefahr kennt.

[19]

Damit würde sich die Beurteilung der dem EuGH vorgelegten Fälle entscheidend ändern. In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, dass die Schlussanträge des Generalanwaltes die Richter des EuGH nicht in ihrer Rechtsansicht binden. Es bleibt anzumerken, dass der Ansicht des Generalanwaltes in cirka 80 % der Fälle gefolgt wird, ob der EuGH sich auch im Falle des Keyword Advertising dazu entscheidet, wird sich jedoch erst Anfang April 2010 zeigen, dem voraussichtlichen Datum des Urteils.



Konstantin Hobel, Dissertant, Universität Wien, Schottenbastei 10-16/2/5
1010 Wien AT
a0300824@unet.univie.ac.at

  1. 1 Egermann inKilian/Heussen , Computerrechts-Handbuch27 (2009) Rn 12.
  2. 2 Google erwirtschaftete im Jahr 2008 einen Umsatz von rund 22 Mrd. USD; Wilkens, Google steigert Umsatz und Gewinn,www.heise.de/newsticker/meldung/Google-steigert-Umsatz-und-Gewinn-213580.html (19.01.2010).
  3. 3 Egermann inKilian/Heussen , Computerrechts-Handbuch27 (2009) Rn 14.
  4. 4 EuGH 3.6.2008C-236/08 , Google v. Louis Vuitton; EuGH 3.6.2008C-237/08 , Google v. Viaticum; EuGH 3.6.2008C-238/08 , Google v. CNRRH; EuGH 26.6.2008C-278/08 , BergSpechte v. Günter Guni; EuGH 17.12.2008C-558/08 , Portakabin v. Primakabin; EuGH 6.3.2009C-91/09 , Eis.de v. BBY; EuGH 12.8.2009C-323/09 , Interflora v. Marks and Spencer.
  5. 5 Ruess , «Just google it?» - Neuigkeiten und Gedanken zur Haftung der Suchmaschinenanbieter für Markenverletzungen in Deutschland und den USA, GRUR 2007, 198;Shemtov , Searching for the Right Balance: Google, Keywords Advertising and Trade Mark Use, eipr 2008, 286;Blakeney , Keyword Advertising: Will the ECJ Provide an Answer?, CTLR 2008, 209; Denis-Leroy, Liability for Adwords Services in France, CRi 2008, 108;Jaeschke , Zur markenmäßigen Benutzung beim Keyword-Advertising, CR 2008, 375;Ott , Die Entwicklung des Suchmaschinen- und Hyperlink-Rechts im Jahr 2008, WRP 2009, 351;Klett , AdWord-Werbung unter Verwendung fremder Kennzeichen – markenrechtsverletzend?, Kommunikation & Recht 2009, 317;Wukoschitz , Keyword Advertising: EuGH am Wort, RdW 2009, 69.
  6. 6 Gordon/Kiviniemi , Google wins ground in ad case,http://online.wsj.com/article/SB125360607088830277.html (19.01.2010).
  7. 7 Tait/Peel , Google closer to victory in keyword ads legal battle,http://www.ft.com/cms/s//fb422b04-a74c-11de-9467-00144feabdc0.html?SID=google (19.01.2010).
  8. 8 Bodoni , Google Can Sell Trademarked Keywords, EU Adviser Says (Update 4),www.bloomberg.com/apps/news?pid=206770001&sid=aidRBNoOFvsk (19.01.2010).
  9. 9 ErsteRichtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40, 1-7.
  10. 10 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt («Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr»), ABl. L 178, 1-16.