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Softwaregestützte juristische Fallbearbeitung - Erste Praxiserfahrungen

  • Author: Bernd Schaudinn
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Advanced Legal Informatics Systems and Applications
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Bernd Schaudinn, Softwaregestützte juristische Fallbearbeitung - Erste Praxiserfahrungen, in: Jusletter IT 1 September 2010
Die juristische Praxis hat mittlerweile mit der Erprobung der nach den Vorgaben des Referenten entwickelten und Anfang 2009 vorgestellten Software NeBis (www.fallsoft.de) begonnen. Dieser Beitrag beleuchtet die hieraus gewonnenen ersten Erfahrungen und zeigt auf, wie das Programm aufgrund von Rückmeldungen der Anwender weiter entwickelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Praxiserfahrungen und Fortentwicklung
  • 2.1. Notwendige Umstellung der Arbeitsmethode
  • 2.2. Erweiterte Suchmöglichkeiten
  • 2.3. Sonstiges
  • 3. Fazit

1.

Ausgangslage ^

[1]

Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist die elektronische Aktenführung, Sachbearbeitung und Archivierung untrennbar verbunden. Im Vergleich zur traditionellen Papierakte soll die elektronische Akte den Anwendern einen Mehrwert bieten, indem die inhaltlich-juristische Sacharbeit effektiv gefördert und unterstützt wird.

[2]

Das nach den Vorgaben des Referenten entwickelte Programm NeBis ist ein modernes Softwarewerkzeug, das alle Bereiche der juristischen Fallbearbeitung wirksam unterstützt. Es bildet den juristischen Arbeitsablauf ab und ermöglicht dem Anwender den sekundenschnellen Zugriff auf alle benötigten tatsächlichen und rechtlichen Informationen des Falls einschließlich ihrer Fundstellen.

2.

Praxiserfahrungen und Fortentwicklung ^

[3]

Das Programm wurde mit Echtdaten u.a. von Staats- und Rechtsanwälten erprobt. Nachfolgend werden die wesentlichen Erfahrungen aufgezeigt, die im Verlauf des Jahres 2009 zur Fortentwicklung bestimmter Programmbereiche geführt haben.

2.1.

Notwendige Umstellung der Arbeitsmethode ^

[4]

Die Anwender hatten zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, ihre bisherige – an der Papierakte ausgerichtete – Arbeitsmethode umzustellen. Auch nach einer erfolgreichen Einarbeitung, die den Überblick über das Programm und den wesentlichen Funktionen vermittelt hat, bestand die Schwierigkeit darin, einen Einstieg zu finden, wie der konkrete Fall im Programm erfasst und überarbeitet werden kann. Hierfür gab es zwei maßgebliche Ursachen:

  • Die Anwender waren es vor allem nicht gewohnt, bereits von Beginn der Fallbearbeitung an eine präzise Selektierung der maßgeblichen Tatsachen sowie eine Differenzierung zwischen subsumierbaren (Haupt)tatsachen und Indizien vorzunehmen.
  • Viele Anwender arbeiten bevorzugt aus der Aktenlektüre heraus und strukturieren den Fall erst später, während das Programm in seinen ersten Versionen vorrangig die (fortlaufende) Entwicklung einer Struktur und die anschließende Erfassung der maßgeblichen Akteninhalte vorgesehen hatte.
[5]

Die erste Ursache kann nur durch eine Umstellung der Arbeitsmethode beseitigt werden, wobei sich gezeigt hat, dass das Erfassen eines konkreten Falls unter Anleitung eine deutliche Hilfestellung bietet. Der zweiten Ursache konnte durch eine Fortentwicklung des Programms Rechnung getragen werden. In der aktuellen Version kann der Anwender nunmehr auch in der gewohnten Form aus der Akte heraus arbeiten. Die Verzahnung des integrierten PDF-Readers mit dem Programm wurde erheblich optimiert, so dass wesentliche Menübefehle nunmehr auch über den PDF-Reader zur Verfügung stehen. Weiterhin wurde der Komfort bei der Erfassung deutlich gesteigert, indem markierte Textpassagen sowie die genaue Fundstelle automatisch in die entsprechenden Dialogfenster übernommen werden. Die über den PDF-Reader erfassten Tatsachen und Beweismittel findet der Anwender nunmehr in einem Eingangsbereich des Programms, von wo aus sie per Drag & Drop auf Strukturpunkte verschoben werden können.

2.2.

Erweiterte Suchmöglichkeiten ^

[6]

Neben dem schnellen Zugriff auf Sachverhalts- und Rechtsinformationen durch Anbindung der Fundstellen an die Struktur hatten die Anwender den Bedarf nach flexiblen Suchmöglichkeiten. Während die Volltextsuche über alle Bereiche der Datenbank bereits von Anbeginn im Programm eingebunden war, konnte durch die verbesserte Verzahnung mit dem PDF-Reader eine leistungsfähige Volltextsuche auch im Inhalt der angebundenen PDF-Dokumente realisiert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die PDF-Dokumente im Textformat vorliegen.

[7]

Darüber hinaus wurde eine sog. Expertensuche aufgenommen, die eine sehr gezielte Suche nach Wortkombinationen ermöglicht. Diese Funktion eignet sich insbesondere zur effektiven Suche in großen Dokumentenmengen.

2.3.

Sonstiges ^

[8]

Auf Anwenderwunsch wurde eine zusätzliche Outliner-Funktion im Bereich Fachwissen realisiert, die sich beispielsweise für die Abbildung von Musterfällen und Ablaufschemata eignet. So kann in größeren juristischen Organisationseinheiten eine einheitliche Vorgehensweise sichergestellt werden. Zudem können Fälle einschließlich angehängter Dateien im XML-Format zwischen verschiedenen juristischen Organisationseinheiten ausgetauscht werden (z.B. Rechtsabteilung eines Unternehmens und beauftragte Anwaltskanzlei).

3.

Fazit ^

[9]

Es zeichnet sich ab, dass die in das Programm gesetzten Erwartungen, nämlich Zeitersparnis und gleichzeitige Qualitätssteigerung bei der Fallbearbeitung, erfüllt werden. Insbesondere Anwender, die sich intensiver mit dem Programm auseinandergesetzt haben und die Möglichkeiten ausschöpfen, haben sich in diesem Sinne geäußert. Die Erprobung des Programms in der juristischen Praxis soll nunmehr intensiviert werden.



Bernd Schaudinn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Advocatio Rechtsanwälte, Innere Wiener Str. 13, D-81667 München
schaudinn@advocatio.de;www.advocatio.de/