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Urheberrecht und Insolvenz – aktuelle Entwicklungen

  • Author: Clemens Thiele
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Clemens Thiele, Urheberrecht und Insolvenz – aktuelle Entwicklungen, in: Jusletter IT 1 September 2010
Der außerordentlich großen wirtschaftlichen Bedeutung des Urheberrechts im Allgemeinen, und der Verträge zur Überlassung von Software im Besonderen, steht eine bemerkenswert geringe wissenschaftliche Beachtung dieses Rechtsinstrumentariums in der Insolvenz entgegen. Der von Höller offen gelegte Befund, die urheberrechtliche Lizenzierung von Computerprogrammen, gerade bei Unternehmen, die sich in der Krise befinden, sei oftmals mangelhaft, macht bestehende Defizite deutlich.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Überblick über die aktuelle Rechtsprechung
  • 2.1. Konkursfestigkeit von Softwarelizenzen
  • 2.2. Anfechtbarkeit von Zug-um-Zug-Geschäften bei Dauerschuldverhältnissen
  • 2.3. Ausgleich des Werknutzungsberechtigten9
  • 3. Schlussfolgerungen für die Praxis
  • 3.1. Insolvenz des Lizenzgebers
  • 3.2. Insolvenz des Lizenznehmers
  • 4. Ausblick auf das IRÄG 2010
  • 5. Schlussfolgerungen

1.

Einleitung ^

[1]

Urheberrechte im Sinne von urheberrechtlichen Befugnissen und urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten können Teil der Insolvenzmasse sein und als solcher der Verfügungsbefugnis des Masseverwalters unterliegen. Bei der Kundeninsolvenz fällt nur das jeweilige bestehende Nutzungsrecht in die Masse; bei Anbieterinsolvenz das jeweils bestehende Recht des Anbieters (z.B. zum Vertrieb), während das Urheberrecht als das höchstpersönliche und nicht übertragbare Recht gemäß § 23 Abs. 3 UrhG im Gegensatz zu den Verwertungsrechten aus ihm nach § 25 Abs. 1 UrhG nicht der Vollstreckung unterliegt. Erfasst werden jeweils Datenträger und Dokumentationen.

2.

Überblick über die aktuelle Rechtsprechung ^

[2]

Ausgehend von den eingangs skizzierten Positionen erläutert der Beitrag die in jüngerer Zeit ergangene Judikatur (2.) und zieht anschließend die wichtigsten Konsequenzen daraus für die Insolvenzpraxis (3.). Ein Ausblick auf das im Gesetzgebungsverfahren befindliche Insolvenzrechtsänderungsgesetz (4.) rundet das Bild zur österreichischen Rechtslage ab.

2.1.

Konkursfestigkeit von Softwarelizenzen ^

[3]

Der spätere Kläger, der im Rahmen seines Unternehmens für Bauplanung und Bauleitung ein Statikprogramm entwickelt hatte, schloss im September 1997 mit der erstbeklagten GmbH & Co KG (Lizenznehmerin) eine als Lizenzvertrag übertitelte Vereinbarung über die Lieferung eines Computerprogramms auf Datenträgern sowie eines Schutzsteckers gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts von ca. ATS 60.000,-. Der Lizenzgeber räumte der Lizenznehmerin nach Punkt 1.1. des Vertrags aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Entgelts «die nicht übertragbare, persönliche, nicht ausschließliche ... zeitlich nicht begrenzte Lizenz zum Gebrauch» des Programms und der Anwenderdokumentation (Benutzerhandbuch) ein. Nach Punkt 10.1. ist der Kläger berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund aufzulösen. Als solcher wird die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Lizenznehmers im Vertrag ausdrücklich angeführt. Mit Punkt 10.2. des Vertrags wurde festgelegt, dass der Lizenznehmer bei Auflösung des Vertrags binnen 3 Tagen die Lizenzprogramme zu löschen, dies schriftlich zu bestätigen und alles Erhaltene zurückzugeben habe; für den Verzugsfall wurde eine Vertragsstrafe festgesetzt.

[4]

Nachdem über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet worden war, erklärte der klagende Softwarehersteller schriftlich innerhalb einer Woche die Auflösung des Vertrags mit sofortiger Wirkung und forderte letztlich im Klagswege von der Lizenznehmerin und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin die Herausgabe des Programms. Letztlich wurde im Wege des Zwangsausgleichs die Software weiter genutzt. Die beklagten Parteien wendeten u.a. mit der seinerzeitigen Einmalzahlung wäre trotz der Bezeichnung als «Anwenderlizenzvertrag» kein kündbares Dauerschuldverhältnis begründet worden, sondern ein nach den Bestimmungen der Konkursordnung nicht anfechtbarer Kaufvertrag. Die «Insolvenzausstiegsklausel» wäre sittenwidrig, die Vertragsstrafe unterläge der richterlichen Mäßigung. Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies die Klage ab.

[5]

Die Gerichte hatten sich neben der Qualifikation des Lizenzvertrages als Ziel- oder Dauerschuldverhältnis auch mit der Zulässigkeit der Insolvenzausstiegsklausel (Pkt. 10.2.) auseinander zu setzen.

[6]

Das Höchstgericht bestätigte die abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts und betonte, dass im konkreten Fall dem Kläger laut Punkt 9. des Vertrags ausdrücklich das Eigentum am Lizenzprogramm, den gelieferten Datenträgern und dem Schutzstecker vorbehalten wurde und dem Lizenznehmer sowohl die entgeltliche als auch unentgeltliche Verfügung über die Lizenzprogramme Dritten gegenüber untersagt worden wäre. Unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebenden Umstände sowie i.S. einer Interessenabwägung anhand eines «beweglichen Systems» würde sich ein Verstoß der geprüften «Insolvenzausstiegsklausel» gegen § 879 ABGB, zusammengefasst, wie folgt, begründen:

  • Einmalzahlung des Lizenzentgelts
  • Einräumung eines zeitlich nicht begrenzte Gebrauchsrechts an der Software (einschließlich Datenträger, Schutzstecker, Anwenderdokumentation)
  • kein weiterer Leistungsaustausch
  • tatsächliche zehnjährige Laufzeit
  • keine auch nur teilweise Rückzahlung des Entgelts pro rata tempore im Konkursfall
  • keine Anknüpfung an allfällige Weitergabe der Software
  • Interesse der im Ausgleich befindlichen Lizenznehmer das Programm weiter zu nutzen
[7]

Schließlich urteilten die Höchstrichter, dass es wegen der ohnehin gegebenen Sittenwidrigkeit der Vertragsauflösung nicht mehr darauf an käme, ob der vorliegende Vertrag deshalb als Ziel- oder als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren wäre.

[8]

Bereits einmal im Zusammenhang mit Softwarelizenzen hat das Höchstgericht die Unzulässigkeit einer Vertragsklausel wegen Gesetzwidrigkeit beanstandet. Eine der Sicherung des Werknutzungsberechtigten dienende Vereinbarung, die dessen Pflicht, das Werknutzungsrecht bei Auflösung des Vertrags über die Einräumung des Werknutzungsrechts dem Vertragspartner zurück zu übertragen, auf bestimmten Sachverhalt einschränkt und damit dazu führt, dass das Werknutzungsrecht dem Werknutzungsberechtigten endgültig verbleibt, wenn sein Vertragspartner die durch diese Vereinbarung gesicherten Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt, ist eine unzulässige Verfallsabrede iS des § 1371 ABGB.1

[9]

Im konkreten Fall tritt der Sittenwidrigkeitsverstoß ungeachtet der rechtlichen Qualifikation des Lizenzvertrages als Kauf- oder Mietvertrag ein, was am Maßstab des § 879 ABGB gemessen durchaus zutrifft. Die vom Höchstgericht gefundene Lösung entspricht im Übrigen der ausdrücklichen Regelung des deutschen Konkursrechts. Konkret auf die Insolvenzeröffnung bezogene außerordentliche Kündigungsrechte oder Sonderregelungen sind nach § 119 dInsO unwirksam. Insofern wird diese Rechtslage auch für Österreich bestätigt.2

[10]

Dennoch macht das vorliegende Urteil einmal mehr die grundlegende Unterscheidung zwischen Nutzungsbeschränkungen in Softwareverträgen bewusst, je nachdem ob es sich um Dauer- oder Zielschuldverhältnisse handelt. Ausgehend vom entschiedenen Sachverhalt und in Anbetracht der bisherigen Rsp3 dürfte es sich m.E. um einen Softwarekauf gehandelt haben.

2.2.

Anfechtbarkeit von Zug-um-Zug-Geschäften bei Dauerschuldverhältnissen ^

[11]

Der Anlassfall betraf zwar ein Finanzierungsleasinggeschäft einer in Konkurs geschlitterten Transportfirma, doch erscheinen die vom Höchstgericht stammenden Erwägungen durchaus auch für Softwarelizenzverträge von Bedeutung. Die wesentlichsten Ausführungen lauten leitsatzartig, wie folgt:

  • Beim Softwareleasing stehen die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses periodisch für die Gebrauchsüberlassung geleisteten Lizenzraten in einem Austauschverhältnis Zug-um-Zug, weshalb, wie beim Bestandverhältnis - eine Anfechtung der Bardeckung nach § 30 KO oder § 31 Abs. 1 Z. 1 und 2 jeweils erster Fall KO mangels schon bestehender Gläubigerstellung ausscheidet.4
  • Erst drei bis vier Monate im Nachhinein bezahlte Mietzinse bei monatlichen Verrechnungsperioden können nicht als anfechtungsfeste Zug-um-Zug-Leistungen angesehen werden. Essentiell ist, dass der in Zeitabschnitten gewährte Gebrauch der Sache oder des Rechts mit dem für den entsprechenden Zeitraum geschuldeten Entgelt korrespondiert, sodass der Anspruch auf Mietzinszahlung erst mit der Gebrauchsgewährung im entsprechenden Zeitraum entsteht.
  • Die Ratenzahlung des Schuldners an den Leasinggeber (Eigentumsvorbehaltsverkäufer) ist unter der Voraussetzung anfechtungsfest, dass dem Befriedigungsfonds der Gläubiger für den entzogenen Wert der Zahlung in zumindest gleicher Höhe der Wert der haftungsfrei gestellten Sache zu Gute gekommen ist.
  • Die Zug-um-Zug-Abwicklung, die eine Anfechtung ausschließt, darf jedoch nicht bloß vereinbart sein; es bedarf vielmehr eines zeitlichen und ursächlichen Zusammenhanges zwischen Leistung und Gegenleistung. Die gleichzeitige Bewirkung von Leistung und Gegenleistung wird allerdings nicht gefordert; maßgeblich ist vielmehr, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt.
[12]

Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die (wenigen) Sonderbestimmungen des «Urhebervertragsrechts» nach den §§ 29 ff UrhG. Die Rsp.5 hielt mehrfach fest, dass Verlagsvertragsverhältnisse – abgesehen von den Fällen der §§ 29 ff. UrhG – auch wegen ihrer in der Regel längeren Dauer als Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden können. Da der Verlagsvertrag ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet, kommen als wichtiger Grund für seine Auflösung alle Umstände in Betracht, die das gegenseitige Vertrauen zerstören oder schwer erschüttern, sodass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Entscheidend ist, wie die Umstände auf den Kündigenden wirken und ob sie sein Vertrauen in die Vertragstreue und Redlichkeit seines Vertragspartners zu erschüttern geeignet sind. Dies ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, insbesondere im Hinblick auf die Besonderheiten der Vertragsbeziehungen und die darauf beruhende Interessenlage sowie im Hinblick auf Art und Maß der in Frage stehenden Störungen zu prüfen. Nach § 29 Abs 4 UrhG kann die Wirksamkeit der Auflösungserklärung nicht mehr bestritten werden, wenn der Werknutzungsberechtigte die Erklärung nicht binnen vierzehn Tagen nach ihrem Empfang zurückweist. Diese materiell-rechtliche Fallfrist wird nicht dadurch verlängert, dass die Auflösungserklärung mit der Klage verbunden war.6

2.3.

Ausgleich des Werknutzungsberechtigten9 ^

[13]

Im Auftrag einer in weiterer Folge in Ausgleich gegangenen Generalunternehmerin für die Errichtung mehrerer Attraktionen im Wiener Prater stellte die spätere Klägerin den Film «Miraculum I» her und räumte der Generalunternehmerin das Recht zur Nutzung des Films ein. Mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters trat die Gemeinschuldnerin nach § 20b AO vom Vertrag mit der Klägerin zu einem Zeitpunkt zurück, da sie noch nicht das gesamte Entgelt für die Herstellung des Films gezahlt hatte. Die später Beklagte führte den Film im Wiener Prater öffentlich vor. Die Klägerin begehrte im Sicherungsverfahren der Beklagten zu verbieten, das Laufbild öffentlich aufzuführen. Das Erstgericht erließ die Einstweilige Verfügung; das Rekursgericht bestätigte.

[14]

Der OGH hob auf und verwies die Sache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Die Wirksamkeit des Rücktritts der Generalunternehmerin nach § 20b AO setzte voraus, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Generalunternehmerin bei Ausgleichseröffnung noch aufrecht war. Das träfe nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu, weil demnach die Generalunternehmerin schon vorher ihre Rechte am Film umfassend an die Beklagte übertragen habe. Eine solche Weiterübertragung wäre nach § 40 Abs 2 UrhG auch ohne die Zustimmung der Klägerin möglich gewesen, weil eine davon abweichende Vereinbarung nicht behauptet wurde. In diesem Fall wäre die Beklagte an die Stelle der Generalunternehmerin in den Vertrag eingetreten. Sie wäre dann zur Nutzung des Films berechtigt, aber auch zur Zahlung des ausständigen Entgelts verpflichtet. Das Unterlassungsbegehren wäre abzuweisen. Ob aber das Sachvorbringen der Beklagten zutrifft, war noch offen. Die I. Instanz hätte eine diesem Vorbringen entgegenstehende Negativfeststellung getroffen: Auf dieser Grundlage stünden dem Ausschließlichkeitsrecht der Klägerin unabhängig von der Wirksamkeit des Vertragsrücktritts der Generalunternehmerin keine Rechte der Beklagten gegenüber; der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wäre berechtigt. Allerdings hätten die Beklagten die Negativfeststellung bekämpft und die Feststellung der Weiterübertragung der Werknutzungsrechte an sie vor der Ausgleichseröffnung begehrt. Träfe das zu, wäre das Unterlassungsbegehren abzuweisen.

[15]

Im Falle des Rücktritts des Masseverwalters wird der Vertrag nicht aufgehoben, es unterbleibt aber die (weitere) Erfüllung;7 darunter fallen auch Gewährleistungsansprüche. Eine Rückforderung (durch den Masseverwalter) wegen bereits erbrachter Leistungen ist nur im Rahmen einer Bereicherung des Vertragspartners möglich. Eine solche Bereicherung der Masse kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Wert der vom Gemeinschuldner bereits erbrachten Teilleistungen die Gegenleistungen des anderen Vertragsteils sowie dessen allfällige weiteren Schadenersatzansprüche nach § 21 Abs. 2 Satz 2 KO übersteigt.

[16]
§ 20b AO ist – ebenso wie § 21 KO – insbesondere auf alle Dauerschuldverhältnisse anwendbar, die nicht unter eine speziellere Regelung (etwa für Bestand- oder Arbeitsverträge) fallen. § 32 Abs. 1 UrhG steht der Anwendung von § 20b AO nicht entgegen. Wurden im Vertrag Werknutzungsrechte oder -bewilligungen eingeräumt, so erlöschen mit dem Rücktritt die Duldungs- und Enthaltungspflichten des Urhebers gegenüber dem Ausgleichsschuldner (Gemeinschuldner); die Verwertungsrechte fallen automatisch an den Urheber zurück.
[17]
Aus § 32 Abs. 1 UrhG kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Einräumung nicht ausschließlicher Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte die Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften über noch nicht erfüllte zweiseitige Verträge ausgeschlossen sei.

3.

Schlussfolgerungen für die Praxis ^

3.1.

Insolvenz des Lizenzgebers ^

[18]
Wirklich sicher ist nur der käufliche Erwerb von Software, der zur insolvenzrechtlich ungestörten Nutzung befähigt, sofern der Kaufpreis bezahlt ist.
[19]
Ebenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs der Wahlmöglichkeit durch den Masseverwalter bewegt sich die Vereinbarung einer zeitlich begrenzten Nutzung, sofern vereinbarungsgemäß das Nutzungsentgelt für den gesamten Nutzungszeitraum bereits vollständig gezahlt wurde. Wegen der nachteiligen Wirkung einer umfänglichen Vorfinanzierung auf die Liquidität des Lizenznehmers sowie insbesondere des Risikos eines insolvenzbedingten Scheiterns der evtl. beim Lizenzgeber beauftragten Softwarepflege dürfte sich ein ausgiebiger Gebrauch dieser Variante jedoch verbieten. Letztlich kann sich der Lizenznehmer nach derzeitiger Rechtslage wohl nur durch eine rechtzeitige Ersatzbeschaffung gegen einen insolvenzbedingten Verlust der Nutzungsbefugnis schützen.
[20]

Die Möglichkeit der Wahl einer Erfüllungsverweigerung könnte sich gar der Lizenzgeber selbst missbräuchlich zu Nutze machen, indem er sein lizenzierendes Unternehmen bewusst in die Insolvenz führt, um anschließend aus der Masse das ausschließliche Nutzungsrecht zurück zu erwerben und dann gewinnbringend bei den ursprünglichen Kunden erneut zu lizenzieren. Die Gerichte haben für diesen Fall ein sittenwidriges Herbeiführen einer Drucksituation durch den Käufer eines Softwareunternehmens im Konkurs festgestellt, wenn er ehemalige Kunden des Gemeinschuldners, die die Weiterbetreuung der Unternehmenssoftware wollen, zu atypischen Sonderleistungen zwingt.8

3.2.

Insolvenz des Lizenznehmers ^

[21]

Wird über das Vermögen des Kunden das Konkursverfahren eröffnet, hat umgekehrt der Masseverwalter ein Wahlrecht, wenn der Kunde und der Anbieter den kaufweisen Überlassungsvertrag noch nicht voll erfüllt haben, also z.B. nicht, wenn bereits Leistung erbracht wurde (z.B. vollständig, d.h. mit Dokumentation geliefert). Bei der Wahl der Erfüllung durch den Masseverwalter des Kunden stellen Vergütungsansprüche des Anbieters (vorweg zu befriedigende) Masseschulden nach § 46 KO dar. Bei Ablehnung der Erfüllung hat der Anbieter einen Nichterfüllungsanspruch gegen die Masse. Hat der Anbieter bei Verfahrenseröffnung bereits vollständig erfüllt, stellt eine noch offene Vergütungsforderung eine Forderung gegen die Masse dar. Gleiche Erwägungen gelten grundsätzliche auch bei Werkverträgen. Bei Miete hat der Masseverwalter des mietenden Kunden das Wahlrecht aus § 23 KO.

4.

Ausblick auf das IRÄG 2010 ^

[22]

Das neue Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG 2010) ist am 20.8.2009 in Begutachtung gegangen und hätte mit 1. Jänner 2010 in Kraft treten sollen. Eine Kundmachung ist bislang noch nicht erfolgt. Geplant ist eine Vereinheitlichung der Verfahren: Bislang wurden Insolvenzverfahren entweder als Konkursverfahren oder als Ausgleichsverfahren abgewickelt. Nun soll es ein einheitliches Insolvenzverfahren und damit auch eineeinheitliche Insolvenzordnung (InsO) geben.9

[23]

Die im Entwurf vorgesehene stärkere Einschränkung des Kündigungsrechts eines Gläubigers im Falle der Insolvenzeröffnung ist noch heftig umstritten und könnte wieder aus dem Entwurf gestrichen werden.

5.

Schlussfolgerungen ^

[24]

Nach Auffassung der Rsp. verstößt ein für den Fall des Konkurses des Lizenznehmers vereinbartes Kündigungsrecht des Lizenzgebers gegen § 879 ABGB, wenn die zugrundeliegende Computersoftware durch Einmalzahlung zur Nutzung erworben wurde. Wirklich sicher ist nur der Softwarekauf, der zur insolvenzrechtlich ungestörten Nutzung befähigt, sofern der Kaufpreis bezahlt ist. Geht der Softwarenutzer in Insolvenz bleibt es im Wesentlichen beim Rücktrittsrecht des Masseverwalters, sofern ein Dauerschuldverhältnis wie idR. bei der Softwarepflege vorliegt.



Clemens Thiele, Rechtsanwalt, EUROLAWYER® Rechtsanwälte
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  1. 1 OGH 23.11.1999, 4 Ob 274/99v, ÖJZ-LSK 2000/75 = EvBl 2000/85, 385 = MR 2000, 162 (zustWalter ) = ecolex 2000/257, 648 = ÖBA 2004, 944 (kritHolzner ).
  2. 2 Vgl. auch BGH 17.11.2005, IX ZR 162/04, ITRB 2006, 74 (Wülfing ); eingehendWitte , AGB-Klauseln zur Vermeidung des Insolvenzrisikos bei Softwareüberlassung, ITRB 2006, 263 mwN; zur Reform des § 108a dInsO sieheSchmid , Gesetzentwurf zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzverträgen, ITRB 2007, 245.
  3. 3 OGH 23.5.2000, 4 Ob 30/00s –Handwerkerpaket WIN 2.3 , RdW 2000/498, 517 = ecolex 2000/291, 732 (Schanda ) = MR 2000, 249 (Walter ) = RdW 2000/651, 664 = ZfRV 2000/93, 233 = ÖBl-LS 2000/123, 255 = ÖBl 2001, 141; Zur Individualsoftware demgegenüber: OGH 3.8.2005, 9 Ob 81/04h, RdW 2005/750, 687 = JUS Z/4063 = JBl 2006, 174 = JBl 2006, 195 (Staudegger ) = JUS Z/4054 = MR 2005, 480 = SZ 2005/109
  4. 4 Ausdrückliche Abkehr von OGH 6.6.1991, 8 Ob 545/91, ecolex 1991, 844 = SZ 64/73.
  5. 5 Zuletzt OGH 8.9.2009, 4 Ob 113/09k –Rainhard F ., nv.
  6. 6 OGH 8.9.2009, 4 Ob 113/09k –Rainhard F ., nv.
  7. 7 OGH 16.6.1987, 4 Ob 339/87 –Salz des Lebens , wbl 1987, 276 = MR 1987, 175(Walter ) = GRURInt 1988, 519 = ÖBl 1988, 108 = SZ 60/108.
  8. 8 OGH 20.8.2002, 4 Ob 143/02m –Igel-Real , ZIK 2003/46, 33 = RdW 2003/118, 142 = ÖBl-LS 2003/19, 75 = ÖBl-LS 2003/20, 75 = ÖBl 2003/45, 171.
  9. 9 Der Entwurf ist abrufbar unterhttp://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00083/pmh.shtml (4.2.2010).