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Kontrahierungszwang beim Zugang zu Rechtsinformation?

  • Author: Lothar Hofmann
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Search technology for jurists, Legal Informatics
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Lothar Hofmann, Kontrahierungszwang beim Zugang zu Rechtsinformation?, in: Jusletter IT 1 September 2010
Der Zugang zu Rechtsinformationen, insbesondere zu Entscheidungen und Literatur, die in neuen Entscheidungsbegründungen zitiert werden, ist vielfach eingeschränkt. Dies soll im besonderen unter kartellrechtlichen Prämissen, aber auch im Sinne der Nachprüfbarkeit und Transparenz untersucht werden

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Zitate in Entscheidungsbegründungen
  • 1.1. Verweis auf Datenbank
  • 1.2. Zugang zur Quelle
  • 1.3. Notwendigkeit für Rechtsberater
  • 2. Kontrahierungszwang
  • 2.1. Urheberrecht
  • 2.2. Kartellrecht
  • 2.3. Einschränkung der Vertragsfreiheit

1.

Zitate in Entscheidungsbegründungen ^

1.1.

Verweis auf Datenbank ^

[1]

In Gerichts- und Behördenentscheidungen wird nicht nur auf konventionell veröffentlichte Vorentscheidungen und sonstige Literaturstellen verwiesen, sondern zunehmend auch auf Abfrageergebnisse aus Datenbanken. Angesprochen wird hier nicht der Bereich, in dem die entscheidende Stelle auf solche Quellen zur Begründung ihrer Tatsachenfeststellung Bezug nimmt, sondern die Bezugnahme auf Judikatur- und Literaturstellen zur Unterlegung der rechtlichen Beurteilung.

1.2.

Zugang zur Quelle ^

[2]

Bei Papierprodukten besteht neben einem käuflichen Erwerb zumeist die Möglichkeit, die Quelle in einer Bibliothek einzusehen und gegebenenfalls (zu – bei österreichischen Gerichten jedenfalls bis zum Budgetbegleitgesetz 2009 – vernachlässigbaren Kosten) Kopien zu ziehen. Bei elektronischen Produkten, insbesondere Datenbankzugängen, ist eine vergleichbare Zugänglichkeit fraglich und könnte durch Entwicklungen am Markt der juristischen Datenbanken noch fraglicher werden. Zum einen erscheinen juristische Datenbanken zunehmend vielfältiger und segmentierter, was eigentlich die Wettbewerbssituation stärkt. Andererseits ist – wegen der Vielfalt von Produktionen - eine umfassende Berücksichtigung aller theoretisch verfügbaren Quellen weniger und weniger möglich. Um die Nachprüfbarkeit eine Entscheidung zu wahren, müsste einem Leser der Entscheidungsbegründung, in der auf ein Abfrageergebnis verwiesen wird, die Möglichkeit gegeben werden, eine derartige Nachfrage nachzuvollziehen. Dazu benötigt der Interessierte eine Zugangsberechtigung, die zumeist kostenpflichtig ist.

1.3.

Notwendigkeit für Rechtsberater ^

[3]

Eine adäquate Zugänglichkeit solcher Quellen ist schon abstrakt aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Praktisch wichtig ist eine solche Zugänglichkeit insbesondere für Rechtsberater. Für, zumindest in bestimmten Beratungsbereichen, traditionell und immer noch vorwiegend kleinere – Rechtsberatungsunternehmen wird es mehr und mehr erforderlich, verschiedene Zugänge zu Datenbanken einzugehen und zu erhalten. Eine ähnliche Entwicklung könnten Online-Medien nehmen, die darauf ausgerichtet werden, Kommentarwerke zu ersetzen.

2.

Kontrahierungszwang ^

[4]

Die sich ergebende Kostenbelastung könnte die Frage nähren, ob Anbieter derartiger Zugänge als unentbehrlich für die Erbringung der Rechtsdienstleistungen einem Kontrahierungszwang zu angemessenen Preisen unterliegen.

2.1.

Urheberrecht ^

[5]
Zunächst sei die urheberrechtliche Situation betrachtet: Das Urheberrechtsgesetz definiert Datenbanken als Sammlungen von einzeln zugänglichen systematisch oder methodisch angeordneten Elementen; diese werden als Sammelwerke geschützt.
[6]
Als Limitierung zu den Verwertungsrechten des Urhebers gewährt das Gesetz aufgrund der Interessen der Allgemeinheit Rechte zur freien Werknutzung. So ist die Benutzung eines Werkes zu Beweiszwecken im Verfahren vor den Gerichten oder vor anderen Behörden sowie für Zwecke der Strafrechtspflege und der öffentlichen Sicherheit grundsätzlich gestattet. Die oben dargestellte Verwendung für rechtliche Begründungen ist damit aber zumindest vom Wortgehalt her schwerlich gedeckt, es sei denn, man versteht Beweiszwecke weit im Sinne einer Unterlegung einer rechtlichen Argumentation. Für gerechtfertigte nicht-kommerzielle Zwecke dürfen einzelne Vervielfältigungsstücke für den eigenen Gebrauch zu Zwecken der Forschung angefertigt werden. Die freie Werknutzung für sich löst allerdings noch nicht die Frage des Zugangs, für den der Datenbankanbieter eine Kostenpflicht anordnet.

2.2.

Kartellrecht ^

[7]
Kartellrechtlich gesehen hält ein solcher Datenbankanbieter unter Umständen eine marktbeherrschende bzw Monopolstellung, weil sein Datenbankzugang nicht oder nur schwer substituierbar ist. Zur Verhinderung eines Missbrauchs dieser Marktmacht mag der Datenbankanbieter gezwungen sein, den Zugang zur Datenbank zu – zumindest in bestimmten Bandbreiten – vorgegebenen Konditionen zu ermöglichen. Markbeherrschende Stellung begründet dann Kontrahierungszwang ,.

2.3.

Einschränkung der Vertragsfreiheit ^

[8]

Das Instrument des Kontrahierungszwang steht im natürlichen Konflikt mit dem privatrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit und schränkt diesen im Rahmen der Erfordernisse ein.



Lothar Hofmann, Rechtsanwalt, Johannesgasse 15, 1010 Wien AT,LH@hlaw.at ;www.hlaw.at