1.
Unschärfe und Recht ^
Juristisches Beurteilen betrifft den Umgang mit Rechtsnormen. Zentral ist dabei die Erfassung des Normsinnes, des normativen Inhalts einer Vorschrift1 . Die Sinnerfassung ist regelmäßig verknüpft mit einem juristischen Entscheiden2 . Etwa, ob auf bestimmte Fakten «Sachverhalt» bestimmte Normen angewendet werden können, ob sich dann bestimmte Verpflichtungen, Berechtigungen, Ermächtigungen für bestimmte Personen ergeben. In der Regel wird dazu die (potentielle) Schaffung weiterer Rechtsnormen in den Blick genommen. Dabei geht es beispielsweise um den Abschluss von Verträgen oder die Erlassung behördlicher Individualakte auf dem Boden genereller Rechtsvorschriften, oder – davon bloß graduell abgesetzt durch einen weiteren Spielraum3 – die Erlassung eines Gesetzes durch den an die Verfassung gebundenen Gesetzgeber. Da die Normen einer Rechtsordnung hierarchisch gestuft erzeugt werden und innerhalb der Hierarchie mit unterschiedlicher Derogationskraft ausgestattet sind, erweist sich auch der normative Inhalt einer Rechtsordnung hierarchisch strukturiert .
Eine Entscheidung setzt die Kenntnis der einschlägigen Entscheidungsgrundlagen voraus. Für juristische Entscheidungen bedeutet das, dass der Inhalt der rechtlichen Regelungen sowie die entscheidungserheblichen Fakten miteinander koordiniert aufbereitet werden. Der (zirkuläre) Vorgang der Entscheidungsfindung orientiert sich an einem dialektischen «Hin und Herwandern» des Blickes zwischen Sachverhalt und Rechtsnormen, wobei die Entscheidung – ex post – (linear) als subsumptionsartiger Schluss präsentiert wird. Es liegt auf der Hand, dass die Entscheidungsgrundlagen betreffend Rechtsnormen und Fakten möglichst präzis erarbeitet werden müssen, um eine vorgabengerechte Entscheidung zu ermöglichen. Die auf Präzisierung angelegte Reduktion von Unschärfen besteht vor allem im Herausarbeiten von Abgrenzungen. Unschärfebeseitigung bedeutet so gesehen Grenzziehungsarbeit . Etwa Abgrenzungen zur Erfassung des Inhaltes von Rechtsnormen, Abgrenzungen zwischen normerheblichen und rechtsunerheblichen Fakten.
Diese Aufbereitung ist allerdings auf allen Normhierarchieebenen mit einer Reihe von unvermeidlichen Unsicherheitselementen ausgeliefert, die den Umgang mit Norminhalten belasten. Obwohl eine juristische Entscheidung an rechtliche Vorgaben gebunden ist, ist es doch unausweichlich, dass eine vollständige Determinierung fehlt. Wäre nämlich eine vollständige Determinierung gegeben, würde bereits die Vorgabe die konkrete Regelung enthalten, die erst durch die Entscheidung produziert werden soll; letztere wäre dann entbehrlich. Eine juristische Entscheidung verlangt daher nicht bloß die (kognitive) Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen, sondern eine volitive Entscheidung (d.h. einen Willensakt), die Setzung einer Norm, die zuvor so nicht bestand. Dieser Umstand stellt kein (verwirrendes) Paradoxon4 dar, sondern ein unverzichtbares Systemelement jeder hierarchisch gegliederten Rechtsordnung5 . Dieses Unsicherheitsmoment sollte nicht überbewertet werden. Es beschränkt sich nicht auf den Umgang mit Rechtsnormen, vielmehr ist unser Lebensraum ganz allgemein dahingehend gestaltet, dass Ereignisse in Raum und Zeit gebunden sind und zudem in ihrem Verlauf relativ offen erscheinen6 .
Rechtsakte werden in aller Regel mit sprachlichen Zeichen zu Texten abgefasst, aus ihrer sprachlichen Fassung werden sie gedanklich reproduziert. Angesichts der in allen drei Dimensionen (Syntax, Semantik, Pragmatik) der natürlichen Sprache gegebenen Unschärfen ergibt der Normtext bei der Erfassung des Norminhalts einen mehr oder weniger großen Spielraum. Die Sprachabhängigkeit des rechtlichen Geschehens lässt sich nicht völlig aus der Welt schaffen.
Ferner besteht im jedem Entscheidungsfall eine gewisse Faktenungewissheit : Weder lässt sich Vergangenes in einem rechtlichen Verfahren mit letzter Sicherheit ergründen, noch lassen sich mit einer von Rechtsnormen geforderten prognostischen Beurteilung zukünftige Ereignisse präzise erfassen. Notorisch ist der Umstand, dass infolge des Erfordernisses, in vertretbarem zeitlichen Rahmen Entscheidungen zu fällen, die Informationslage betreffend die entscheidenden Fakten zumeist nicht völlig erschöpfend aufbereitet werden kann, was die Erfassung von Entscheidungsalternativen beeinflussen mag.
Entscheidende Personen sind zudem Teil des Entscheidungsprozesses , was die Sicht auf die eigene Position im Kontext des Entscheidungsgeschehens nur beschränkt erkennen lassen wird. Dieser «blinde Fleck» kann auch die Sicht auf sachliche Zusammenhänge7 verstellen.
Zusammengefasst ergibt sich, dass juristische Entscheidungen – ungeachtet einer fallspezifischen besonderen Komplexität – grundsätzlich von mehrfachen Momenten für Unschärfe belastet sind. Diesen Momenten vermag sich juristisches Beurteilen letztlich nicht zu entziehen.
2.
Konzepte und Strategien gegen Unschärfe ^
Diese Belastung lässt sich freilich durch bestimmte Konzepte zur Präzisierung der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen für die Entscheidungsfindung begegnen. Sie lassen sich als maßgeblicher Teil einer Funktionslogik des Rechts erfassen, die den inhaltlichen Umgang mit Recht strukturieren und determinieren.
2.1.1.
Kasuistik und Generalklausel ^
2.1.2.
Finale Programmierung ^
2.1.3.
Belassen von Spielräumen ^
2.1.4.
Regelungsabsicht ^
2.1.5.
Prozeduralisierung ^
2.1.6.
Entscheidungsverpflichtung ^
2.1.7.
Traditionalisierung ^
In diesem Ansatz ist die regulative Idee des einzig richtigen Auslegungsergebnisses bzw. der einzig richtigen Fallentscheidung erkennbar10 . Zwar ist mit dem Modell der bloß regulativen Idee der Anspruch aufgegeben, dass es tatsächlich in jedem Fall nur eine richtige Entscheidung geben kann, aufrechterhalten wird damit aber das Bemühen, mittels des besseren Arguments die (vorläufig11 ) bessere Lösung zu erreichen. Daraus ergibt sich ein «Imperativ zum besseren Argument »12 . Dieser erschöpft sich nicht in einem auf die möglichst fachgerechte Interpretation der Normtexte zur Ermittlung des Inhalts der Normen gerichteten «hermeneutischen Imperativ»13 , sondern erfasst – diesen hierarchisch überwölbend –den gesamten, Fakten und Normen integrierenden Fall, der der pragmatischen Zielsetzung des Rechts entsprechend zu entscheiden ist14 .
2.1.8.
Harmonisierung und Konkordanz ^
Im methodologischen Sprachgebrauch werden diese Harmonisierungsbestrebungen mit der regulativen Idee der Einheit der Rechtsordnung apostrophiert17 . Die Mehrschichtigkeit zeitgenössischer staatlicher Rechtsordnungen, die zudem durch generelles und partikuläres internationales Recht (etwa Unionsrecht) überlagert werden, lässt Spannungsverhältnisse und Widersprüche häufiger in Erscheinung treten, sie erweitert aber auch tendenziell die Argumentationsspielräume, um Spannungsverhältnissen und Widersprüchen begegnen zu können. Die Situation erinnert an die Analysen von Jürgen Habermas zur «neuen Unübersichtlichkeit»18 . Das Recht unserer Zeit deshalb als «nachpositiv » oder «postpositiv» zu qualifizieren greift aber zu kurz: Die ausgebaute bzw. vertiefte Mehrschichtigkeit ändert nichts daran, dass es sich bei den einzelnen Schichten jeweils um positiv gesetztes Recht handelt, das der Rechtsanwendung vorgegeben ist; ein Charakteristikum besteht aber darin, dass die konvergierende – um Konsistenz und Konkordanz bemühte – Zusammenschau der Schichten letztlich nicht vom Gesetzgeber, sondern nur von der Rechtsanwendung im einzelnen Fall geleistet werden kann19 .
2.1.9.
Richtigkeitsabsicht ^
2.1.10.
Fehlerkalkül ^
2.1.11.
Zeitablauf ^
2.1.12.
Plausibilität und Schlüssigkeit ^
2.1.13.
Diskurs und Transparenz ^
2.1.14.
«Self-restraint» ^
2.1.15.
Mehrstufigkeit und Inklusion ^
Der Weg der Inklusion wird beschritten, wenn in Rechtsnormen an außerrechtliche Standards angeknüpft wird. Das kann insbesondere durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder durch ausdrücklichen Verweis auf eine «Verkehrssitte» (oder Vergleichbares) erfolgen. Inklusion führt damit zu einer gewissen Flexibilisierung des Norminhaltes, die (wie erwähnt) die Norm ohne Änderung ihres Textes für geänderte Verhältnisse anwendbar macht.
Eine besondere Art von Inklusion stellen die Grundrechte dar28 . Sie repräsentieren rechtliche Positionen, in die andere Rechtsvorschriften nicht oder – nach dem grundrechtseigenen Gesetzesvorbehalt29 – nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen eingreifen dürfen. Ihrem Inhalt nach sind sie Grundwerte, an denen sich die Rechtsordnung insgesamt ausrichtet. Entwickelt wurden sie wesentlich im Bereich der politischen Philosophie und der Rechtsphilosophie30 . Sie erlauben es, individuelle Rechtspersönlichkeit vor und gegen den Staat (die souveräne öffentliche Gewalt) in Anschlag zu bringen. Mit der Übernahme in das Völkerrecht und das nationale (Verfassungs-) Recht wurden damit (als «präpositive Strukturelemente»31 ) Grundsatzpositionen in die Rechtsordnungen inkorporiert, die insbesondere auch die Ebene von existentieller Sinngebung für die Sozietät und ihre Mitglieder betreffen32 . Die letztlich rechtsdogmatisch durch die gerichtliche Anwendungspraxis und die Rechtswissenschaft entfaltete Inklusion relativiert den (auf rechtstheoretischer Ebene pointierten) Gegensatz zwischen positivem Recht und Naturrecht. Außerdem ermöglicht die Grundrechtsschicht dem Recht einen inhaltlichen Austausch mit anderen normativen Ordnungen mit vergleichbarem Anspruch (etwa der Ethik), was Spannungen zwischen Rechtsordnung und den daran angelegten außerrechtlichen Maßstäben und sich daraus ergebende Unsicherheiten entgegenwirken kann. Die rechtspraktische Entfaltung der Grundrechte ist im Übrigen ihrerseits wiederum durch mannigfaltige Inklusionen von normativen Konstruktionen charakterisiert. Dafür zwei Beispiele: Der für die Operationalisierung der Grundrechte zentrale Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stammt aus einem anderen Bereich des öffentlichen Rechts, nämlich dem (Sicherheits-)Polizeirecht. Wenn dem allgemeinen Gleichheitssatz gerichtlich auch die Dimension der «Sachgerechtigkeit» zugeschrieben wird, wird eine Denkfigur aus der «Natur der Sache»33 ins positive Recht verortet, die sich einer konkreten Positivierung entziehen dürfte.
2.1.16.
Institutionalisierung ^
3.
Konventionalismus und Theoriedefizit ^
Die Darstellung zeigt, dass sich mit der Perspektive der Funktionslogik gegen die Unschärfe das rechtliche Geschehen weitgehend erfassen lässt. Man mag versucht sein, sie als bloß konventionell abzutun, im Sinn von unoriginell und bar jener theoretischen Attraktivität, die üblicherweise zu scharfen Stellungnahmen Anlass und für Kontroversen Nahrung bietet. In der Tat ist sie praxisrekonstruktiv und bewegt sich insofern auf bekannten Bahnen. Sie hat allerdings den Vorzug, eine Funktionslogik abzubilden, der unsere Rechtssysteme weitgehend folgen. Ihre Attraktivität liegt insofern in ihrem hohen Erklärungswert und damit in ihrer Utilität.
Juristisches Geschehen dabei ist argumentativ36 : Es sind jeweils Gründe, d.h. Argumente, die eine rechtliche Beurteilung erzielen bzw. einen bestimmten Sachverhalt annehmen lassen. Der damit einhergehenden Offenheit für Unschärfe und Unklarheiten wird im juristischen Bereich gerade mit der Strukturierung des Argumentationsgeschehens (etwa Prozeduralisierung und Traditionalisierung) begegnet. Die Alternative zur juristischen Argumentation wäre Dezision ohne Rechtfertigungszwang37 .
Meinrad V. Handstanger, Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes, Honorarprofessor an der Universität Innsbruck, Judenplatz 11, 1014 Wien,meinrad.handstanger@vwgh.gv.at
Dieser Beitrag wurde bei IRIS 2010 – dem 13. Internationalen Rechtsinformatik Symposium in Salzburg im Februar 2010 – in verkürzter Form präsentiert. Damit ist er dafür prädestiniert, dem Jubilar – eine für IRIS zentrale Persönlichkeit – gewidmet zu werden.
- 1 Vgl dazu RÜTHERS, B./FISCHER, Ch., Rechtstheorie5, München 2010, Rz 640 ff.
- 2 Dies gilt für alle Perspektiven, aus denen Rechtsnormen betrachtet werden können (Teilnehmerperspektive, Gesetzgeberperspektive, Beobachterperspektive, vgl KOLLER, P., Theorie des Rechts, Wien 19972, 47 ff.
- 3 Pointiert KELSEN, H., Reine Rechtslehre1, 1934, 112 (zitiert nach der von JESTAEDT, M., herausgegebenen Studienausgabe, Tübingen 2008).
- 4 Vgl. LUHMANN, N. Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt aM 1993, 307 ff.
- 5 Dies gilt wohl für jede Rechtsordnung, bei der die Setzung aller Normen nicht bei einer Stelle konzentriert ist, welche anlässlich der Entscheidung eines individuellen Falls auch das generelle Recht für den Einzelfall abändern könnte.
- 6 Zum philosophischen Kontingenzbegriff vgl. SCHISCHKOFF, G., Philosophisches Wörterbuch22, Stuttgart 1991, 393.
- 7 Sowohl auf der Ebene der Rechtsnormen als auch der Faktenebene.
- 8 Vgl. LUHMANN, N., Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt aM 1993, 297 ff, insbesondere 328 ff.
- 9 Das Konzept der gleichmäßigen Anwendung stellt wohl seit jeher ein zentrales (wenn nicht das zentrale) proprium rechtlicher Normensysteme dar. Die neuere, wesentlich auf das Zeitalter Aufklärung zurückgehende Errungenschaft besteht darin, dass für alle «Normunterworfene» gleiche Rechtsinhalte – d.h. nur eine Rechtsordnung – existiert und insofern Rechtsgleichheit herrscht.
- 10 S. etwa ALEXY, R., Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL Bd 61, Berlin 2002, 7, 22.
- 11 Angesichts der grundsätzlich immer offenen Möglichkeit des noch besseren Arguments besteht für ein Auslegungsergebnis stets die Möglichkeit der Falsifikation.
- 12 Dieser Imperativ erfasst die Rechtsanwendung in doppelter Hinsicht: Zum Einen geht es darum, das bessere Argument zu suchen. Zum Anderen wird verlangt, dem besseren Argument zu folgen; diese Beachtungsverpflichtung ergibt sich aus dem «zwanglosen Zwang», den die bessere Argumentation an Überzeugungskraft entfaltet (insofern besteht eine gewisse gegenseitige Anschlussfähigkeit zwischen der hier rekonstruierten Rechtsanwendungspraxis und der Rechtsphilosophie von Jürgen Habermas (vgl. HABERMAS, J., Faktizität und Geltung4, Frankfurt aM 1994, insbesondere 238 ff.
- 13 S. in diese Richtung AUGSBERG, I., Die Lesbarkeit des Rechts, Göttingen 2009, insbesondere 173 ff.
- 14 So gesehen ist dem hermeneutischen Imperativ ein «pragmatischer Imperativ» übergeordnet.
- 15 Für die Weiterentwicklung der Entscheidungsstandards erweist sich im Übrigen eine kritische Stellungnahme zu behördlichen Entscheidungen wohl als fruchtbarer als eine bloß affirmative Nachzeichnung.
- 16 Rechtsdogmatisches Denken beginnt mit einem Vergleichsfall, vgl LEGE, J., Was Juristen wirklich tun, in: Brugger/Neumann/Kirste (Hrsg), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt aM 2008, 207, 224; Rechtsdogmatik wird damit von Lehre und Rechtsprechung gleichermaßen betrieben.
- 17 Diese regulative Idee korrespondiert in gewisser Weise mit der regulativen Idee der oben behandelten einzig richtigen Fallentscheidung.
- 18 Habermas, Jürgen, Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt aM 1985.
- 19 Ähnlich wie bei den juristischen Interpretationsmethoden werden sich diese Methoden bzw. Modelle der Zusammenschau nicht zur Gänze gesetzgeberisch determinieren lassen.
- 20 Allerdings verlangen solche Fassadenbegründungen eine oft eingehende Auseinandersetzung mit der komplexen Faktenlage (einschließlich der Beurteilung betreffend das Vorliegen der einzelnen Fakten [Beweiswürdigung]).
- 21 Vgl. KOLLER, P., Theorie des Rechts2, Wien 1997, 103, unter Hinweis auf A.J.Merkl.
- 22 RÜTHERS, B., Geleugneter Rechtsstaat und vernebelte Richtermacht, NJW 2005, 2759.
- 23 Juristisches Denken arbeitet diesbezüglich daher weitgehend mit enthymemischen Schlüssen, in deren Rahmen die Untersätze nicht wahr, sondern bloß plausibel sind; vgl. ARISTOTELES, Rhetorica 1356b.
- 24 Diese Konzeption lässt insgesamt erkennen, dass es für die verfahrensmäßige Festlegung des juristisch «Wahren» einer entscheidenden Instanz bedarf, die alle Ebenen ihren jeweiligen Plausibilitätskonzepten entsprechend auswertet und in der Entscheidung «zusammenspielt». Diese verdichtete Abhängigkeit von einer rechtsprechenden Instanz findet eine gewisse Ausbalancierung aber darin, dass Entscheidungen routinemäßig der Kritik der rechtwissenschaftlichen – in den Fall nicht involvierten – Lehre ausgesetzt werden; so gesehen besteht ein gewisser dialektischer Dualismus der zwei Instanzen Rechtssprechung und Lehre.
- 25 Zur Diskurstheorie des Rechts vgl. (überblicksartig) etwa NIESEN, P. /EBERL, O., Demokratischer Positivismus: Habermas / Maus, in: Buckel, S. /Christensen, R. /Fischer-Lescano, A., Neue Theorien des Rechts, Stuttgart 2006, 3 ff; HILGENDORF, E., Zur Lage der juristischen Grundlagenforschung in Deutschland heute, in: Brugger/Neumann/Kirste (Hrsg), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt aM 2008, 111; RÜTHERS, B.,/FISCHER, Ch., Rechtstheorie5, München 2010, Rz 586 ff.
- 26 HANDSTANGER, M., Zur Verfassungskonformität der verfassungskonformen Auslegung, in: Brünner u.a. (Hrsg), FS Manfred Prisching, Wien/Graz 2010, 969.
- 27 Vgl. jüngst VwGH 30.9.2010, 2009/03/0051, 0055; VwGH 16.9.2010, 2010/12/0126; VwGH 13.10.2010, 2010/12/0169.
- 28 Zur moralischen Begründung von Grundrechten vgl. FORST, R., Das Recht auf Rechtfertigung, Frankfurt aM 2007; vgl. ferner Günther, K., Liberale und diskurstheoretische Deutung der Menschenrechte, in: Brugger/Neumann/Kirste (Hrsg), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt aM 2008, 338, 347 ff.
- 29 Auf die Differenzierung zwischen Grundrechten mit Eingriffsvorbehalt und Grundrechten mit Ausgestaltungsvorbehalt kann hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu etwa ÖHLINGER, Th., Verfassungsrecht8, Wien 2009, Rz 710 ff, 902 ff.
- 30 Einen maßgeblichen Theoriestrang bildete etwa das Naturrecht, vgl. dazu und zum Folgenden MENKE, Ch./POLLMANN, A., Philosophie der Menschenrechte, Hamburg 2007, 98 ff.
- 31 MARCIC, R., Der unbedingte Rechtswert des Menschen, in: FS Eric Voegelin, 1962, 360, 368.
- 32 Diese werden zT als universell (interkulturell) gültig angesetzt, vgl. etwa (unter Hinweis auf den Konfuzianismus) HÖFFE, O., Prinzip Menschenwürde, in: ders., Medizin ohne Ethik?, 2002, 58ff.
- 33 Vgl einführend KAUFMANN, A., Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, Heidelberg 20047, 85.
- 34 Vgl WEINBERGER, O., Norm und Institution, Wien 1988, insbesondere 27 ff.
- 35 Vgl FOUCAULT, M., Die Wahrheit und die juristischen Formen, Frankfurt aM 2003, 52 ff.
- 36 DWORKIN, R., Law’s Empire, Cambridge/M 1986, 13: «Legal practice, unlike many other social phenomena, isargumentative .»
- 37 NEUMANN, U., Theorie der juristischen Argumentation, in: Brugger/Neumann/Kirste (Hrsg), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt aM 2008, 233, 260.
- 38 Auch für den Bereich des Juristischen gilt hier in einem übertragenen Sinn: «Der Gegensatz zu Komplexität ist aggressive Vereinfachung, nicht schlechthin Einfachheit. Der Preis für Vereinfachung ist Gewalt.» Vgl. HACKER, F., Aggression. Die Brutalisierung der modernen Welt, Wien 1971, 16.