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Das VCD als Praxisbeispiel von E-Procurement: Umsetzung im Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009

  • Author: Beatrix Maier
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Procurement
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2011
  • Citation: Beatrix Maier, Das VCD als Praxisbeispiel von E-Procurement: Umsetzung im Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009, in: Jusletter IT 24 February 2011
Der vorliegende Beitrag soll einen Einblick über E-Procurement im Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009 geben und das Virtual Company Dossier als ein Praxisbeispiel vorstellen. Fokus ist die Förderung des elektronischen Vergabewesens durch die Richtlinie der Europäischen Union und andere rechtliche Rahmenbedingungen (insbesondere des Bundesvergabegesetzes), welche vor dem Hintergrund der faktischen Durchsetzung auf legistische Weise beleuchtet werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Das Vergaberecht in Österreich
  • 1.1. Das Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009
  • 2. E-Procurement
  • 2.1. E-Procurement Verordnung 2004 in Österreich
  • 3. Das Virtual Company Dossier (VCD) als Praxisbeispiel

1.

Das Vergaberecht in Österreich ^

[1]
Zur Bewältigung der täglichen Arbeit benötigen sowohl öffentliche als auch private Stellen Waren und Dienstleistungen. Das Vergaberecht dient der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen in zumeist großem Umfang. Ziel ist es, die Transparenz der Verfahren der Waren- und Dienstleistungsbeschaffung der öffentlichen Stellen zu gewährleisten, einen ungehinderten, fairen und lauteren Wettbewerb zu ermöglichen und dem Diskriminierungsverbot Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck werden im Bereich des öffentlichen Vergaberechts privatrechtliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Privatunternehmen abgeschlossen.
[2]
Es bestand ein Sammelsurium aus zu beachtenden Bestimmungen, die durch Unübersichtlichkeit und Komplexität gekennzeichnet waren. Die ÖNORM A 2050 über das bei Vergabe von Lieferungen und Leistungen einzuhaltende Verfahren wurde seit den 50er Jahren als Richtlinie zur Regelung dieses Bereichs herangezogen. Es bestand im Bereich des Vergabewesens schon lange die Forderung nach einheitlichen gesetzlichen Regelungen.
[3]
Das erste österreichische Bundesvergabegesetz, welches nur für öffentliche Auftraggeber im Bundesbereich galt, wurde im Zuge der Anpassung der Rechtsordnung an das EG-Recht 1993 erlassen und trat gleichzeitig mit dem EWRA am 1. Januar 1994 in Kraft. Daneben ergingen zusätzlich neun Landesgesetze für öffentliche Auftraggeber in den Ländern und Gemeinden.
[4]
In der Folge sah sich der österreichische Gesetzgeber durch die Rechtsprechung des VfGH und des EuGH sowie einer Entschließung des Nationalrates vom 24. November 2000 (E-45NR XXI.GP) veranlasst, ein einheitliches Gesetz im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu erlassen (Bundesvergabegesetz 2002). Aufgrund dieses Gesetzes sollte unter anderem die Regelungen der ÖNORM A 2050 in das Gesetz integriert werden, die bisherige Zersplitterung im Vergabeverfahren weitgehend beseitigt werden und der VfGH Judikatur entsprochen werden. Auch sollten die elektronischen Medien für die öffentliche Auftragsvergabe genutzt werden, dieser Punkt ist für den vorliegenden Beitrag von vordergründigem Interesse.
[5]
Auf europarechtlicher Ebene sind die Richtlinien 2004/18/EG1 und 2004/17/EG2 zu beachten. Diese haben es notwendig gemacht, die nationale Gesetzgebung zu modifizieren. Genannte Richtlinien und die neueste Judikatur des VfGH und des EuGH führte zur Erlassung des Bundesvergabegesetzes 20063 , welches am 1.Februar 2006 in Kraft trat und 2009 novelliert wurde4 .

1.1.

Das Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009 ^

[6]
Die Novelle 2009 wurde mit dem BGBl. I Nr. 15/2010 verlautbart und trat am 5. März 2010 in Kraft. Die Novelle 2009 hat vor allem für die Förderung des E-Procurement im Vergabewesen Bedeutung.5
[7]
Explizit wird der elektronische Schriftverkehr als Kommunikationsmittel bevorzugt, aber auch zahlreiche andere vergaberechtliche Bestimmungen, auf welche im Folgenden kurz eingegangen wird, unterstützen den Fortschritt des E-Procurement:

  • In § 43 Abs. 1 BVergG ist der Weg der Informationsübermittlung festgelegt. Bevorzugt wird die elektronische Informationsübermittlung. Die Übermittlung von Informationen zwischen Auftraggeber und Bewerber/Bieter kann grundsätzlich wahlweise per Fax oder elektronisch erfolgen. Briefliche Informationen soll es nur mehr in begründeten Ausnahmefällen geben.

  • In § 43 Abs. 2 BVergG ist festgelegt, dass bei elektronischen Kommunikationsmittel die technischen Merkmale keinen diskriminierenden Charakter haben dürfen und diese Kommunikationsmittel mit den allgemein verbreiteten Anwendungen der Technologie kompatibel sein müssen.

  • Wenn es zu einer elektronischen Übermittlung von Ausschreibungsunterlagen, Angeboten und Dokumenten kommt, hat eine solche Übermittlung unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur bzw. so zu erfolgen, dass die Überprüfbarkeit der Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit der übermittelten Datensätze mit der Qualität einer sicheren elektronischen Signatur gewährleistet ist (§ 43 Abs. 4 BVergG). Gemäß § 4 Abs. 1 SigG ersetzt die sichere elektronische Signatur die eigenhändige Unterschrift. Eine Gleichstellung der «elektronischen» mit der schriftlichen Übermittlung ist durch den Art. 5 Abs. 1 lit. a der SignaturRL vorgegeben.

  • Gemäß § 88 Abs. 1 BVergG soll auch die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich elektronisch erfolgen, sofern die vergebende Stelle über die technischen und sonstigen Voraussetzungen verfügt.

  • Grundsätzlich können Angebote im Vergabeverfahren sowohl elektronisch als auch in Papierform abgegeben werden. Gemäß § 91 BVergG ist unter bestimmten Voraussetzungen die Abgabe elektronischer Angebote zulässig. Die Form der Abgabe ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch in den Ausschreibungsunterlagen bekannt zu geben. Falls ein Auftraggeber keine Angaben über die Zulässigkeit der Abgabe elektronischer Angebote gemacht hat, so ist die elektronische Abgabe nicht zulässig. Wenn jedoch die Abgabe von elektronischen Angeboten gemäß § 91 Abs. 1 BVergG zulässig ist, so ist in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, ob diese Angebote ausschließlich elektronisch oder sowohl elektronisch als auch in Papierform abgegeben werden können.6
[8]
Im BVergG 2002 und auch im BVergG 2006 idF. Novelle 2009 wurde eine Anzahl von verschiedenen Maßnahmen ergriffen, die eine Erleichterung und Unterstützung von E-Procurement vorsehen. Aufgrund dieser Maßnahmen können Kommunikation und Transaktion zwischen öffentlichen Auftraggebern und Bewerbern/Bietern elektronisch erfolgen (E-Mail/Internet), dabei müssen jedoch Bestimmungen der E-Commerce Richtlinie und der E-Signatur Richtlinie eingehalten werden.

2.

E-Procurement ^

[9]
Im Wesentlichen handelt es sich bei E-Procurement um die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen über das Internet. Die «Online Beschaffung» macht eine Steigerung der Effizienz im Vergabewesen möglich, auch Studien sowie das Grünbuch7 der Europäischen Union belegen, dass durch E-Procurement Einsparungspotenziale von beträchtlichem Ausmaß erzielt werden können. Der Einsatz von E-Procurement bringt auch zahlreiche andere Vorteile, deren Gesamtheit schwer zu erfassen ist. Beispielhaft werden angeführt die Verbesserung der Zugänglichkeit und die Transparenz, das Schaffen einer effizienteren Verwaltung und die Gelegenheit zur Rationalisierung und Überprüfung der Beschaffungsprozesse. Bereits im Bundesvergabegesetz 2002 wurde der notwendige Grundstein für die E-Procurement Verordnung 2004 gelegt; sie sollte vor allem die technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen festlegen.8
[10]
In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird E-Procurement schon betrieben; die Nutzung bleibt jedoch hinter den in der Manchester Erklärung9 dargelegten Erwartungen zurück. Diese sah vor, dass die online abgewickelten Beschaffungstransaktionen im öffentlichen Bereich bis 2010 mindestens 50% betragen müssen.10

2.1.

E-Procurement Verordnung 2004 in Österreich ^

[11]
Die E-Procurement Verordnung 2004 spielt im Bereich der elektronischen Vergabepraxis eine entscheidende Rolle und ist stneben dem Bundesvergabegesetz 2006 idF. Novelle 2009, den Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG, der österreichischen und europäischen Judikatur sowie anderen gesetzlichen Bestimmungen (Signaturgesetzes, etc.) zu beachten.
[12]
Auf Grundlage des § 85 Abs. 4 BVergG 2002 hat der Verfassungsdienst die E-Procurement Verordnung 2004 erarbeitet und trat am 1. Mai 2004 in Entsprechung der RL (1999/93/EG11 und 2000/31/EG12 ) in Kraft.13
[13]
Das BVergG 2002 enthielt keine spezifischen Regelungen über die Erstellung und Übermittlung von elektronischen Angeboten im Rahmen von Vergabeverfahren. Diesem Umstand wurde mit der Verordnung 2004 Rechnung getragen.
[14]
Die Verordnung 2004 wurde sehr technologieneutral gehalten und sie wurde minimalistisch formuliert, um auf die rasanten Neuerungen im Bereich der technischen Entwicklungen eingehen zu können. Grundsätzlich herrscht Wahlfreiheit, welche elektronischen Medien bzw. in welcher Form diese im Rahmen von Vergabeverfahren eingesetzt werden; dennoch wird keine Verpflichtung des Auftraggebers zur Annahme elektronischer Angebote normiert. Wenn der Auftraggeber jedoch zum Empfang elektronischer Angebote bereit ist, sollen durch die Verordnung 2004 die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.14 Dies entspricht auch dem Grundsatz der Wahlfreiheit der Kommunikationsarten in § 1 Abs. 1 E-GovG.15

[15]
Viele E-Procurement Grundsätze wurden im Hinblick auf eine Forcierung des elektronischen Vergabewesens im Bundesvergabegesetz 2006 umgesetzt.

3.

Das Virtual Company Dossier (VCD) als Praxisbeispiel ^

[16]
Das von Seiten der Europäischen Union geförderte PEPPOL-Projekt (Pan European Public OnLine) will aus vergaberechtlicher Sicht den vorgenannten Vorgaben entsprechen. Dieses Projekt verfolgt das ehrgeizige Ziel, dass jedes Unternehmen als Bewerber/Bieter in der EU mit jeder ausschreibenden Stelle als potenzieller Auftraggeber Beschaffungsverfahren elektronisch abwickeln kann. Derzeit werden europaweit verbindliche Standards für E-Procurement-Systeme entwickelt, getestet und produktiv eingesetzt.16
[17]
Beim VCD handelt es sich um eines der Kernarbeitspakete des PEPPOL-Projektes. Im Rahmen des Large Scale Pilot PEPPOL arbeiten derzeit 18 Teilnehmer aus 12 verschiedenen Ländern an der Implementierung einer Pilotlösung, die auf nationalen Systemen basiert und einen grenzüberschreitenden Zugang zu Beschaffungsplattformen öffentlicher Verwaltungssysteme ermöglichen soll. Zukünftig soll jedes Unternehmen in Europa mit öffentlichen Auftraggebern in Europa elektronisch nach den gleichen Verfahren kommunizieren können.17
[18]
Das VCD wird zur Nachweiserbringung bei öffentlichen Vergabeverfahren eingesetzt und ist eine Applikation, die es einem Bewerber/Bieter ermöglicht, die erforderlichen Nachweise – einem Regelwerk folgend – zu einem elektronischen Sammelcontainer zusammenzustellen. Ziel ist es mit Hilfe des VCD die Teilnahme an grenzüberschreitenden Vergabeverfahren zu vereinfachen und die Sammlung der notwendigen Nachweise in einer anwenderfreundlichen und effizienten Weise zu ermöglichen. Die Zukunft wird zeigen, ob die im PEPPOL-Projekt erarbeiteten Lösungen in der Praxis angenommen werden und sohin die Weichen für den Einsatz der PEPPOL-Anwendungen sowohl aus rechtlicher als auch tatsächlicher/faktischer Sicht gestellt sind. Beim Einsatz des VCDs werden sowohl alle rechtlichen Grundsätze gewahrt als auch weiterhin die Möglichkeit zur Nachweiserbringung in Papierform bestehen bleiben. Sowohl das Bundesvergabegesetz, als auch die E-Procurement Verordnung und die Richtlinien der Europäischen Union ebnen den Weg für die Zukunft des E-Procurement und im weitesten Sinne für das PEPPOL-Projekt.



Beatrix Maier, Mag.iur., Dissertantin; Projektassistentin, Bundesministerium für Finanzen Sektion V, IT-, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Hintere Zollamtstraße 2b, 1030 Wien, AT,B.Maier@bmf.gv.at


  1. 1 RL 2004/18/EG vom 31. März 2004.
  2. 2 RL 2004/17/EG vom 31. März 2003.
  3. 3 BGBl I Nr 17/2006.
  4. 4 S. Bachmann, G. Baumgartner, R. Feik, K.J. Giese, D. Jahnel, G. Lienbacher; Besonderes Verwaltungsrecht; 6. Vollständig überarbeitete Auflage; Springer Wien New York; Beitrag Susanne Bachmann, Seite 321 f.
  5. 5 www.vergabegesetze.at, abgerufen am 23.Dezember 2010.
  6. 6 http://www.ris.bka.gv.at ; Bundesvergabegesetz, §§ 43, 88 und § 91ff. BVergG, abgerufen am 5. Januar 2011.
  7. 7 http://europa.eu/documentation/official-docs/green-papers/index_de.htm , Grünbuch zum Ausbau der E-Beschaffung in der EU SEK (2010) 1214, abgerufen am 20. Januar 2011.
  8. 8 www.lexandtax.at, Neuerungen in der elektronischen Auftragsvergabe, Dr. Martin Niklas, LL.M. (Mittwoch, 24.März 2004) abgerufen am 27. Dezember 2010.
  9. 9 http://ec.europa.eu/information_society/activities/egovernment/docs/pdf/manchester_declaration.pdf , abgerufen am 21. Januar 2011.
  10. 10 http://europa.eu/documentation/official-docs/green-papers/index_de.htm Grünbuch zum Ausbau der E-Beschaffung in der EU SEK (2010) 1214, abgerufen am 20. Januar 2011.
  11. 11 RL 1999/93/EG vom 13.Dezember 1999.
  12. 12 RL 2000/31/EG vom 8. Juni 2000.
  13. 13 www.bka.gv.at/2004/4/20erl-eprocurment , Erläuterungen zur E-Procurement Verordnung – Vorblatt, abgerufen am 5. Januar 2011.
  14. 14 http://www.lexandtax.at , Neuerungen in der elektronischen Auftragsvergabe, Dr. Martin Niklas, LL.M. (Mittwoch, 24.März 2004) abgerufen am 27.Dezember 2010.
  15. 15 Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 4.Auflage, VJ Verlag Österreich, Wien 2006, S. 101.
  16. 16 Silke Weiß, Natalie Egger, Jan Huntgeburth, Josef Makolm , Virtual Company Dossier: Ein neues E-Government-Service, In: eGovernment Review, 5. Ausgabe, S. 14-15 (Januar 2010).
  17. 17 Manoela Bodiroza, Silke Weiß , PEPPOL: IT-Innovationen in der öffentlichen Beschaffung. In: eGovernment Review, 3. Ausgabe, S. 16-17 (Januar 2009).