1.
Begriffsdefinitionen ^
Unter dem Begriff Governance wird das Steuerungs- und Regelungssystem einer politisch-gesellschaftlichen Einheit wie dem Staat oder einer Gemeinde subsummiert. Neben dem öffentlichen Sektor bezieht sich der Begriff auch auf die Privatwirtschaft und den «Dritten Sektor» (Vereine, Verbände, Interessenvertretungen)1.
E-Governance bezeichnet die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Informationsgesellschaft und wird auch regulierendes E-Government genannt.
E-Government 2.0 bezeichnet den Entwicklungssprung hin zur partizipativen, vernetzenden, kollaborativen und transparenten Kultur der Politik und der Verwaltung unter Einsatz des Internets. E-Government 2.0 soll den Meinungsbildungsprozess der gewählten Organe durch Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützen. 2
E-Government 2.0 bezeichnet den Entwicklungssprung hin zur partizipativen, vernetzenden, kollaborativen und transparenten Kultur der Politik und der Verwaltung unter Einsatz des Internets. E-Government 2.0 soll den Meinungsbildungsprozess der gewählten Organe durch Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützenERR.
2.
Entwicklungszyklen und Versionsnummern ^
Was bedeutet der Zifferschlüssel 2.0 und woher kommt er? Die Ziffern hinter der Bezeichnung eines Softwareproduktes dienen zur Kennzeichnung von Unterschieden zwischen Entwicklungszyklen dieser Produkte und werden Versionsnummern genannt. Hat ein Softwareprodukt die Versionsnummer 1.3 so wird durch die erste Ziffer die Produktversion gekennzeichnet und durch die zweite Ziffer kleinere funktionale Erweiterungen – sogenannte Release. Bei signifikanter Änderung wird die nächste Versionsnummer gewählt z.B. 2.0.
Im Web 2.0 gestalten die Benutzer die Inhalte mit, indem diese Informationen erstellen, bearbeiten und im Internet zur Verfügung stellen. Dies geschieht in quantitativ und qualitativ entscheidendem Maße selbst bzw. unterstützt durch interaktive Anwendungen3. Die Vernetzung mittels sozialer Software ist ein wesentlicher Bestandteil des Web 2.0. Im Web 1.0 stellten relativ wenige Benutzer rein statische Inhalte im Internet für eine Vielzahl an Nutzern bereit. Die Inhalte blieben häufig für eine längere Zeit unverändert und wurden hauptsächlich passiv genutzt. Die Generation des Web 2.0 kann sich das Web 1.0 oftmals kaum mehr vorstellen. Informationen werden ständig durch verschiedene Benutzer aktualisiert, kommentiert und weitergegeben. Dabei spielt der Einsatz von Wikis, Foren und weiteren sozialen Medien eine große Rolle, da damit eine unmittelbare und einfache Bearbeitung möglich ist.
Eine Entwicklung im E-Government 1.0 waren bspw. elektronische Register wie das Firmenbuch. Ein weiterer Release waren Webauftritte gefolgt von Portalen wie «Help.gv.at». Das Portal «Help.gv.at» stellt Information für Bürgerinnen und Bürger nach dem Lebenslagenprinzip (Geburt, Hochzeit, Sterbefall, etc.) bereit. Die Entwicklung interner Workflows, wie sie das elektronische Aktensystem (ELAK) und SAP im Haushalts- und Rechnungswesen des Bundes und im Personal- sowie Projektmanagement bereitstellen, erhielten die spezifische Kennzeichnung durch die Nummer 1.6. Die Versionsnummer 1.8 wurde für interaktive Applikationen vergeben. Ein Beispiel hierfür ist «FinanzOnline», das virtuelle Finanzamt für Bürger, Bürgerinnen und die Wirtschaft, ein großer Meilenstein der österreichischen Finanzverwaltung. Mittels FinanzOnline konnten Behördengänge erstmals elektronisch durchgeführt werden, dies unabhängig von Ort und Zeit.
Ein wesentlicher Entwicklungsschub wird mit E-Government 2.0 bezeichnet und umfasst das zur Verfügung stellen von Wissen und Informationen der Regierung und Verwaltung unter Berücksichtigung des Datenschutzes für die breite Allgemeinheit. Im E-Government 2.0 sollen Bürger und Bürgerinnen durch kollaborative Entscheidungsprozesse «mitregieren» können. Möglich macht dies das Internet, durch das klassische politische Strukturen aufgebrochen und durch basisdemokratische Elemente4 ersetzt werden können. Die Integration von Anwendungen, die Identifikation und Bereitstellung von Shared Services über Zuständigkeitsgrenzen hinaus sowie die organisations- und ebenenübergreifende Bereitstellung von Verbundlösungen sind weitere Aspekte des E-Government 2.0 genauso wie die Personalisierung von Services und Partizipation im Rahmen von politischen Entscheidungen. Durch personalisierte Dienste können Bürger automatisch darauf hingewiesen werden, dass sie tätig werden müssen, beispielsweise, wenn der Reisepass abläuft oder Steuererklärungen fällig sind. Des Weiteren können personalisierte Services vorausgefüllte Formulare bereitstellen. Daten, die der Behörde bekannt sind, werden im rechtlich erlaubten Umfang eingefügt. Automatische Dienstleistungen stellen Services bereit, die soziale oder wirtschaftliche Rechte umsetzen. Ausgelöst werden diese Dienstleitungen von besonderen «Ereignissen», die eintreten. Beispielsweise könnte automatisch mit der Anmeldung eines Kindes die Zahlung der Familienbeihilfe starten. Eine Anforderung des Dienstes ist hierdurch nicht mehr erforderlich. Der Einsatz von Web 2.0 Technologien – wie Blogs, Wikis, Foren und Chats – ebnet ganz neue Formen der Zusammenarbeit den Weg. Partizipation in jeglicher Hinsicht, sei es bei der Gestaltung eines Gesetzes oder einer Verordnung, Mitsprache bei der Verwendung von öffentlichen Mitteln oder im Rahmen der Entwicklung einer neuen E-Government-Anwendung werden dadurch ermöglicht.
Abbildung 1: Unterschied zwischen Government 1.0 und 2.0 nach Krabina 20115
Das Begriffsschema 1.0 / 2.0 – wie im Falle von Web 1.0 und Web 2.0 und E-Government 1.0 und E-Government 2.0 – wurde auf andere Bereiche übertragen, in denen es ähnliche qualitative Entwicklungssprünge gab. Zu diesen Bereichen zählen u.a. Health, Lernen und Enterprise.
3.
Ausgangssituation ^
4.
Rahmenbedingungen der öffentlichen Verwaltung ^
Grundlage für diese Veränderung ist ein Wechsel bei der Art wie Daten entstehen und damit vorliegen. Bisher lagen die Daten meist nur in Papierform vor, sodass die Inhalte nur mit größerem Aufwand auf elektronischen Weg weitergegeben werden konnten. Durch das Scannen der Inhalte sind nun bereits große Teile der Daten auch in elektronischer Form abrufbar und können beispielsweise einem elektronischen Akt hinzugefügt werden. Um die gesamten Möglichkeiten der Datenverwendung auszunützen ist es jedoch erforderlich, dass die Daten bereits digital entstehen und somit keiner Umwandlung der Daten von analog auf digital bedürfen. Durch das von Beginn an digitale Vorliegen der Daten, liegen diese bereits in der richtigen Struktur und durch Prüfungen bei der Eingabe qualitätsgesichert vor.
Neben der elektronischen Vorlage der Daten stellt die technologische Weiterentwicklung die Grundlage für die Änderung der Kommunikationsstruktur dar. Durch die zunehmende Vernetzung und Reduktion der Schwelle, Informationen an größere Kreise weiterzugegeben, ändert sich das Bild vom Staat als Sender von Informationen und dem Bürger bzw. der Wirtschaft als Empfänger dieser Informationen zu einer Form der Kommunikation, in der sowohl der Staat als auch der Bürger und die Wirtschaft als Sender und Empfänger auftreten. Aus dieser Entwicklung heraus entsteht das sogenannte Open Government. Dies stellt eine Weiterentwicklung des E-Government 2.0 dar, bei der der Staat seine nicht personenbezogenen Daten mit dem Einverständnis zur Weitergabe und Weiterverarbeitung zur Verfügung stellt.
5.
Zuständigkeiten ^
Die Verteilung der Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis erfolgt entweder aufgrund des Ortsbezugs bzw. der Ortsnähe, des fachlichen Spezialwissens oder aufgrund eines hinreichenden Überblicks. Die Zuständigkeit des Ortsbezugs, der Ortsnähe, wird örtliche Zuständigkeit genannt. Im steuerlichen Bereich ist die örtliche Zuständigkeit im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 (AVOG 2010) geregelt. Dabei wird die Zuständigkeit für die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung bspw. an den Wohnort des jeweiligen Antragstellers geknüpft. Bei der Einheitsbewertung hingegen wird auf die Katastralgemeinde des Sitzes (bzw. des wertvollsten Teiles) einer wirtschaftlichen Einheit (eine im Bewertungsgesetz vorgegebene Zusammenstellung mehrerer Bewertungsgegenstände wie z.B. Grundstücke) abgestellt.
Die Zuständigkeit aufgrund eines hinreichenden Überblicks wird instantielle Zuständigkeit genannt. Sie regelt die Zuständigkeit innerhalb einer Behörde- oder Gerichtshierarchie und ist ein Spezialfall der sachlichen Zuständigkeit6.
Der konsequente Einsatz von E-Government führt zu einer Veränderung hinsichtlich der Zuständigkeitsregeln. Einerseits ist dies durch einen leichteren Zugriff auf die in elektronischer Form vorliegenden Informationen möglich, da nicht mehr Akten von einer Stelle zur nächsten transportiert werden müssen. Beispielsweise angeführt sei hier die Verlagerung der Zuständigkeit hinsichtlich der Gebührenverfahren zu einem einzigen Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel in Wien. Andererseits ergeben sich Änderungen aus der Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger sich an jedes Amt wenden zu können. Dies könnte sich z.B. bei der Erweiterung der Abgabemöglichkeit einer Steuererklärung in ganz Österreich niederschlagen.
6.
E-Government am Wendepunkt ^
E-Government steht am Wendepunkt, da die Neugestaltung der Verwaltungsprozesse nicht mehr von einer Behörde allein realisiert werden kann. Große und wichtige Projekte sind ressort- und ebenenübergreifend z.B. ELAK, SAP, VoIP im Bund7, EU Dienstleistungs-Richtlinie. Die rechtliche Basis für solche Projekte erfolgt im Konsensprinzip. Probleme hierbei sind die Dauer von Abstimmungsprozessen und die Finanzierung. Des Weiteren ist die Steuerung ebenenübergreifender IT-Vorhaben derzeit noch Neuland. Der Modernisierungsansatz hat sich geändert, stand bisher der IT-Zugang für Bürger, Bürgerinnen und Unternehmen zu bestehenden Anwendungen im Vordergrund, wird E-Government gegenwärtig immer mehr als Mittel zur Neugestaltung von Verwaltungshandeln anhand der Bedürfnisse der Verfahrensbeteiligten gesehen. Beispiele hierfür sind die Umsetzung von Mehrkanalzugängen und One-Stop-Shops, die Neugestaltung von Prozessen und Abläufen über Organisationsgrenzen hinaus, die Trennung von Front- und Backoffice und die Transformation organisatorischer Anforderungen in IT-gesteuerte Prozesse.
7.
Trends ^
Seit der in den letzten Jahren immer mehr verbreiteten internetfähigen mobilen Endgeräten (Smartphones8, Notebooks, …) entstehen immer mehr Erwartungen an die Verwaltung, die zu grundlegenden Änderungen im Verwaltungshandeln führen. Es ist inzwischen möglich von überall aus und zu jeder Tageszeit Informationen einer Behörde abzurufen sowie den Status eines Verwaltungsverfahrens einzusehen. Ein erster Schritt in diese Richtung war FinanzOnline. Seit kurzem stellt das Bundesministerium für Finanzen mit dem «SteuerApp» eine Anwendung zur Verfügung, bei der der Bürger, die Bürgerin z.B. das nächstgelegene Finanzamt finden kann. Damit werden die angezeigten Informationen nicht nur von dem jeweiligen Bürger bzw. Unternehmer abhängig gemacht, sondern auch vom Ort der jeweiligen Abfrage.
Der Ort der jeweiligen Abfrage ist auch ein Kriterium bei einem der nächsten Trends, der Europäisierung der Verwaltung. Durch das Verschwinden mancher Grenzen wachsen auch Regionen zusammen und die Verkehrsströme (z.B. bei der Arbeitsplatzauswahl im Innviertel) ändern sich. Damit gehen auch länderübergreifende Verfahrensbeteiligungen einher. Ein österreichischer Bürger, der in Deutschland seinen Wohnsitz hat und in Österreich arbeitet, ist z.B. bei seiner Steuererklärung an das Finanzamt in Österreich gebunden, beim Bauverfahren sind jedoch deutsche Verwaltungsbehörden zuständig. Daraus ergeben sich auch Herausforderungen für die bereitgestellten Verwaltungsverfahren.
Dieser Europäisierung wird durch die Europäische Kommission durch immer mehr Rechtsinitiativen begegnet, in denen versucht wird europaweit einheitliche bzw. ähnliche Regelungen zu etablieren und auf die Herausforderungen der Mobilität zu reagieren. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt PEPPOL (Pan-European Public Procurement Online), in dessen Rahmen eine europaweit grenzlose elektronische Beschaffung geschaffen werden soll. Dadurch werden auch im wirtschaftlichen Bereich staatliche Unterschiede reduziert bzw. überbrückt. Diesbezüglich ist jedoch aus den jeweiligen Rechtstraditionen entstehende unterschiedliche Auslegung der EU-Richtlinien ein zusätzlicher und neuer Aspekt.
Neben der Harmonisierung verstärkt sich noch ein weiteres Problem, jenes der Mehrsprachigkeit. Zur Überbrückung der Mehrsprachigkeit bietet der Einsatz von IT-Anwendungen große Hilfen an. So können bspw. semantisch identische Begriffe in verschiedenen Sprachen verfügbar gemacht werden und dem jeweiligen Antragsteller die Informationen in seiner Sprache zur Verfügung gestellt werden. Um diese Möglichkeiten einzusetzen ist jedoch ein strukturierter Aufbau der Texte, Formulare usw. erforderlich, was wiederum einen Wandel in der Denkweise in Organisationen erforderlich macht. Mit der Mehrsprachigkeit einher geht oft auch das Problem anderer Zeichensätze, da in anderen Sprachen andere Zeichen Verwendung finden (z.B. die im Dänischen). Dabei sind zwei Problembereiche erkennbar. Einerseits die Darstellung der Zeichen und andererseits die Erfassung der Zeichen ohne entsprechende Tastatur. Die Darstellung der Zeichen ist z.B. beim Mehrwertsteueraustauschinformationssystem (MIAS) von Relevanz, da zur Überprüfung der Gültigkeit einer UID-Nummer auch Firmennamen und Adresse, beispielsweise unter Verwendung des kyrillischen Alphabetes (mit Transliteration), angezeigt werden müssen. Die Erfassung diakritischer Zeichen ist z.B. im Zentralen Melderegister ein grundlegendes Thema, da gewährleistet sein muss, dass jeder gemeldete mit seinem «richtigen» Namen der Behörde bekannt ist. Außerdem hat der Gemeldete ein Recht, dass sein Name in offiziellen Dokumenten nach der originalen Schreibweise (in lateinischer Schrift) verzeichnet ist.
Ein weiterer großer Trend ist die Entwicklung und der Einsatz organisationsübergreifender, einheitlicher E-Government Verfahren für alle Gebietskörperschaften. Dadurch ist es möglich über Organisationsgrenzen hinweg – ohne einen Medienbruch – die Daten auszutauschen und damit nicht den Antragsteller, sondern die Daten weiterzugeben. Die Entwicklung und der Einsatz einheitlicher E-Goverment-Verfahren bietet daneben die Möglichkeiten Synergien durch gemeinsam genutzte Komponenten zu nutzen. Damit trägt E-Government zum effizienten Einsatz der Ressourcen bei.
Mit E-Government Trends beschäftigen sich auch wissenschaftliche Einrichtungen intensiv, so hat das Frauenhofer eGov Zentrum beispielsweise folgende zehn Trends identifiziert9:
- E-Government für die Modernisierung von Staat und Gesellschaft
- E-Government wird mobil
- E-Government wird sicher
- E-Inclusion – barrierefreies E-Government
- E-Partizipation – die Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung mitnehmen
- E-Government im Web 2.0
- Kernprozessorientierung und Umsetzung von durchgängigen Prozessketten
- E-Government – Steuerung und Engineering
- Shared Service Center, Hochleistungsportale, D115 und EU-Dienstleistungsrichtlinie
- Dienste statt Software
8.
Schwerpunkte im E-Government ^
Aktuelle Schwerpunkte im E-Government sind die Umsetzung von «One-Stop-Government» und transorganisationaler Prozesse. Ein Beispiel für One-Stop-Government ist das österreichische Unternehmensserviceportal (USP), ein zentrales Portal das Unternehmen bei der Erfüllung der rechtlich auferlegten Informations- und Meldeverpflichtungen unterstützt. Dies erfolgt durch Bereitstellung von Informationen und Services, die auf die Unternehmen zugeschnitten sind. Das USP erzielt hierdurch nicht nur Einsparungspotential für Unternehmen, sondern auch für die öffentliche Verwaltung und trägt wesentlich zur Verwaltungsreform bei10. Die Gewinnung eines hohen Nutzens für eine große Anzahl an Benutzern, die Entwicklung nachhaltiger Anwendungen und die Umsetzung eines bundesweit einheitlichen E-Identity Managements für Bürger, Bürgerinnen, Unternehmen und Behörden stehen genauso auf dem Tagesplan, wie die Schaffung einer Verbindung zu e-Health, die Einbindung der Sozialversicherung und das Management komplexer organisationsübergreifender Projekte, das derzeit noch Neuland ist. E-Finanz SZ11 ist ein aktuelles Beispiel eines komplexen organisationsübergreifendes Projekts. Ziel von E-Finanz SZ ist die Neugestaltung der IT-Unterstützung für die Steuer- und Zollverwaltung. Herausforderung ist die Harmonisierung der Steuer- und Zollverfahren, um Einsparung durch effiziente Prozessunterstützung erzielen zu können.
9.
E-Government Enabler ^
Prozessdenken ist noch nicht selbstverständlich und überall dort erforderlich, wo verschiedene Stellen der Verwaltung zusammenarbeiten müssen. Das Denken in Prozessen bei derart starker Fragmentierung, wie sie in der Verwaltung (Europa, Bund, Länder, Gemeinden) vorliegt und die weitere Aufteilung in Abteilungen und Referate in denen oft «Silodenken» vorherrscht und im Lauf der Zeit sich die Interessen der Teilorganisation verselbständigten, ist eine Herausforderung. Der Blick auf das «große Ganze» fehlt. Aufgrund dessen ist ein «process owner» erforderlich, der die Teile zusammen hält, das Ergebnis im Blick behält und den Prozess zur Erzielung des Ergebnisses vorantreibt. Wichtig ist, dass nicht die Sicht von Teilschritten, sondern das gewünschte Ergebnis im Vordergrund steht.
Integriertes Konzept von Führung, Organisation und Controlling, das eine zielgerichtete Steuerung der Geschäftsprozesse ermöglicht und die gesamte Organisation auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden und anderer Interessengruppen ausrichtet. Geschäftsprozesse bestehen aus der funktionsüberschreitenden Verkettung wertschöpfender Aktivitäten, die von Kunden erwartete Leistungen erzeugen und deren Ergebnisse strategische Bedeutung habenERR.
Integriertes Konzept von Führung, Organisation und Controlling, das eine zielgerichtete Steuerung der Geschäftsprozesse ermöglicht und die gesamte Organisation auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden und anderer Interessengruppen ausrichtet. Geschäftsprozesse bestehen aus der funktionsüberschreitenden Verkettung wertschöpfender Aktivitäten, die von Kunden erwartete Leistungen erzeugen und deren Ergebnisse strategische Bedeutung haben12.
Neue Möglichkeiten des Prozessmanagements sind die Zerlegung der Prozesse in Teilschritte (Module, Bausteine). Diese Bausteine können ausgelagert, zugekauft, wiederverwendet oder nur verknüpft werden. Module, die häufig verwendet werden, können – auch über Organisationsgrenzen hinweg – standardisiert werden (MOA13). Standardisierung ist eine Voraussetzung für die zentrale Erstellung der Module und die Bereitstellung von Bausteinen bis zu ganzen Verfahren durch Shared Service Center.
Durch transorganisationale Prozesse werden Verwaltungsprozesse zu Dienstleistungsprozessen. Transorganisationale Prozesse beginnen und enden beim Kunden und lösen vollautomatische Prozesse bzw. semi-automatische Prozesse aus. Voraussetzung hierfür sind die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Interoperabilität. Interoperabilität kann bspw. durch die Festlegung gemeinsamer Standards erzielt werden oder anderseits durch Erkennung von Unterschieden und Schaffung von semantischen Beziehungen. Im Rahmen der Umsetzung des Virtual Company Dossiers14 bspw. wurde durch die Schaffung von semantischen Beziehungen zwischen nationalen Rechtslagen und Nachweisen der einzelnen EU-Ländern eine Lösung geschaffen, die KMU Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl der Nachweise bietet, die im Rahmen von transeuropäischen Ausschreibungen beigebracht werden müssen. Zukünftig vorstellbar ist weiters die sogenannte «transorganisationale Integration» in den Bereichen Government2Buisness und Government2Consumer. Beispiel hierfür sind FinanzOnline, gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) sowie die Transparenzdatenbank.
Zur Umsetzung der Visionen im E-Government muss eine Wandlung von Organisation und Prozess erfolgen. Die Nutzung des Potentials neuer Technologien zur Umgestaltung und Optimierung von Aufbau- und Ablauforganisation ist ebenfalls ausschlaggebend. Des Weiteren ist ein radikaler Perspektivenwechsel durch Prozessorientierung notwendig. Government Process Engineering ist eine Folge der Möglichkeiten des E-Government. Damit wird es möglich, dass nicht mehr die Strukturen die Abläufe bestimmt, sondern die Abläufe die Struktur und dass eine Trennung von Vertrieb (Front Office) und Leistungserstellung (Back Office) erfolgt. Durch den IT-Einsatz wird die Aufgabenwahrnehmung zunehmend ubiquitär, da Produkte und Leistungen überall angeboten und genutzt werden können. Eine Neufestlegung der Grenzen zwischen den Organisationseinheiten der Verwaltung wird möglich und ist zwingend notwendig, um bspw. der Budgetknappheit zu begegnen.
10.
Fazit ^
Durch E-Government ist ein Paradigmenwechsel möglich, dies nicht zuletzt dadurch, dass Daten nur einmal erfasst und gespeichert werden können und dann durch Shared Services anderen bereitgestellt werden können. Auch die Bindung an Raum und Zeit ist aufgehoben und die Trennung von «Produktion» und «Vertrieb» ist möglich. Eine neue Prozessgestaltung, die sich von den historisch gewachsen Prozessen abhebt und eine effiziente Durchführung der Prozesse unterstützt, wird möglich. E-Government verbessert die Handlungsoptionen. Die Verwaltung ist leichter erreichbar und wird von Außenstehenden als nahtlose Verwaltung wahrgenommen. Dies erfolgt durch Umsetzung einer Organisation entlang der Geschäftsprozesse. Services sind ubiquitär und neue noch nicht bestehende Dienstleistungen können angeboten werden. Des Weiteren ermöglicht E-Government die Nutzung des vorhandenen Datenkapitals, die Individualisierung des Verwaltungshandelns und zeitnahes Verwaltungshandeln ohne Wartefristen inklusive Information über den Status des eingebrachten Anliegens.
Was wäre die Vision für eine Verwaltung der Zukunft: ein elektronischer Zugang zu einer vernetzten Verwaltung! Damit verbunden wäre, dass Bürger sich an die nächste Behörde wenden (einheitlicher Ansprechpartner für den Bürger) können und sich nicht erst im Behördendschungel zurecht finden müssen. Dies bedarf einer Neugestaltung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. Bürger sollen alle Schritte aus einer bestimmten Lebenssituation heraus über den einheitlichen Ansprechpartner abwickeln können. Weitere Visionen sind die Virtualisierung der Verwaltung, No-Stop-Government, die interaktive Beratung, individuelle Lösungen (1:1), die Entlastung der Wirtschaft durch «Better Regulation» sowie die Strukturreform. Die vernetzte Verwaltung stellt einen Mehrkanalzugang bereit, d.h. sowohl der konventionelle als auch der elektronische Weg ist möglich. Des Weiteren wichtig ist ein bundesweit einheitliches E-Identity Management, die Schaffung von One-Stop-Shop Portalen für organisationsübergreifende Anwendungen, die Schaffung einheitlicher Ansprechpartner (Single Point of Contact) für alle «Kunden», ein elektronischer Zugang an sieben Tagen der Woche je 24 Stunden pro Tag, elektronische und gesicherte elektronische Kommunikation (z.B. De-Mail in Deutschland), zentrale Register sowie Register mit Metadaten bestimmter zentraler Register.
Eine vernetzte Dienstleistungsverwaltung ermöglicht in manchen Bereichen die Realisierung einer Genehmigungsvermutung, dies ist eine stillschweigende Genehmigung von gestellten Anträgen, die nicht binnen einer angemessenen Frist bearbeitet werden (vgl. EU-Dienstleistungsrichtlinie) und stellt einen wesentlichen Paradigmenwechsel dar. Des Weiteren ist eine prozessorientierte Betrachtung aus Sicht der Zielgruppe und nicht aus Sicht der Anwendung zielführend und eine organisations- und ebenenübergreifende Gestaltung der Prozesse. Die Dimension der Vernetzung kann innerstaatlich, EU-weit oder sogar international sein. Ein Beispiel für EU-weite Vernetzung ist die Anwendung «VAT-Refund15»16. Hierbei handelt es um eine IT-Lösung, die für den Rückforderungsprozess ausländischer Vorsteuern geschaffen wurde.
Prof. Dr. Arthur Winter, der ehemalige Sektionschef der IT-Sektion des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen, ist ein E-Government Experte der ersten Stunde. Er steht für die erfolgreiche Implementierung staatstragender Anwendungen in den Bereichen Bundeshaushalt, Bundespersonalmanagement und Finanzverwaltung (bspw. FinanzOnline) sowie für maßgebliche Anwendungen im Justiz- und Arbeitsmarktbereich. Ein besonderes Anliegen ist ihm die zeitnahe Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, um die führende Position Österreichs im europäischen E-Government langfristig zu sichern. Aktuell stellt Prof. Dr. Winter sein Wissen im Rahmen von E-Government Vorlesungen der «Young Science» zur Verfügung.
arthur.winter @chello.at
Dipl.-Inform.Wirt Silke Weiß ist Projektleiterin im österreichischen Bundesministerium für Finanzen und beschäftigt sich mit der Analyse von Informations-, Kommunikations- und Transaktionsprozessen sowie mit partizipativer Stakeholder-Integration auf Basis von Web 2.0 Technologien zur Entwicklung neuer E-Governance Strukturen.
Des Weiteren obliegt Ihr die stellvertretende Leitung des Arbeitskreises Organisation, im Rahmen des Forum e|Government der Österreichischen Computer Gesellschaft. http://www.ocg.at/egov/organisation.html
silke.weiss@bmf.gv.at
-
1
Governance, http://wiki.cinfo.ch/index.php/Governance, abgerufen am 5. Juni 2012. Vgl. des Weiteren Kuno Schedler, John Philipp Siegel, Strategisches Management in Kommunen, Ein integrativer Ansatz mit Bezug auf Governance und Personalmanagement, Hans Böckler Stiftung, 2004.
- 2 David Röthler, Government 2.0 Chancen und Herausforderungen, In der Reihe «S:Z:D Arbeitspapiere Praxis» der Robert-Jungk-Stiftung, November 2010.
- 3 Web 2.0, Version (Software), vgl. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Web_2.0 und http://de.wikipedia.org/wiki/Version_(Software) abgerufen am 29. Mai 2012.
- 4 vgl. arabischer Frühling 2011 und Piratenparteien.
- 5 Bernhard Krabina, Governance 2.0 – wie Gov 2.0 und OpenGov Politik- und Verwaltungshandeln verändern, E-Government-Konferenz der ADV, Juni 2011, Salzburg, http://e-government.adv.at/2011/pdf/Session5-Krabina-eGovernmentKonferenz2011.pdf abgerufen am 29. Mai 2012.
- 6 Zuständigkeit, vgl. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Zust%C3%A4ndigkeit abgerufen am 29. Mai 2012.
- 7 Voice over IP (VoIP = Internettelefonie).
- 8 Intelligente Mobiltelefone.
- 9 Nobert Fröschle, Innovative Trends für eGovernment, Fraunhofer Forum eGovernment Trends, Folie 14, http://www.egov-zentrum.fraunhofer.de/extra_files_filedownload.php3?sessionid=e8cf140d586b0947722df885cd8315de&id=100 abgerufen am 29. Mai 2012.
- 10 Arthur Winter, Das Unternehmensserviceportal als Umsetzung des One-Stop-Shop Ansatzes, in: E. Schweighofer et al. (Hrsg.), Globale Sicherheit und proaktiver Staat – Die Rolle der Rechtsinformatik, Tagungsband des 13. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2010, S. 141–142.
- 11 E-Finanz SZ – E-Finanz Steuer und Zoll.
- 12 Hermann J. Schmelzer, Wolfgang Sesselmann, Geschäftsprozessmanagement in der Praxis, CARL HANSER VERLAG, 2003.
- 13 MOA = Module für Online Applikationen.
- 14 Die Umsetzung eines Virtual Company Dossier ist Ziel des zweiten Arbeitspakets, dass im Rahmen des PEPPPOL-Projekts umgesetzt wird (siehe www.peppol.eu).
- 15 VAT = value added tax.
- 16 Erich Waldecker, VAT-Refund: Transeuropäische Besteuerungsprozesse im Online-Portal der Österreichischen Finanzverwaltung, in: E. Schweighofer et al. (Hrsg.), Globale Sicherheit und proaktiver Staat – Die Rolle der Rechtsinformatik, Tagungsband des 13. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2010, S. 217–218.