1.1.
Die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes ^
Die Rechtsmäßigkeit des Online- Handels mit Gebrauchtsoftware wirft in vielerlei Hinsicht urheberrechtliche und IT-vertragsrechtliche Probleme auf.1 Zentraler Streitpunkt war aber vor allem die Frage nach der Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes für den Onlinebezug von Computerprogrammen. Dieser in Art. 4 Abs. 2 der EU-Softwareschutzrichtlinie2 und § 69c Nr. 3 S. 2 dUrhG verankerte Grundsatz besagt, dass eine einmal vom Rechteinhaber innerhalb der EU in Verkehr gebrachte Software vom Käufer frei weiterveräußert werden kann. Hintergrund dieses Grundsatzes ist, dass das einmal in den Warenverkehr gebrachte Produkt frei zirkulieren können soll.3 Dem Urheber soll es verwehrt sein, nach seiner einmaligen Zustimmung zum Inverkehrbringen seines Werkes, sämtliche nachfolgenden Vertriebsmärkte mit seinem urheberrechtlichen Verbreitungsrecht zu blockieren.4 Umstritten war bis zur nun vorliegenden Entscheidung des EuGH, ob dieses Prinzip auch dann zum Tragen kommt, wenn zwar keine physischen Kopien der Software weitergegeben, dem Kunden mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers aber der Zugriff auf die Software via Internetdownload ermöglicht wird.
1.2.
Ansichten gegen die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes ^
Ein Teil der deutschen Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur verneinte eine solche Anwendung unter Verweis auf das im Wortlaut des § 69c Nr. 3 S. 2 dUrhG angelegte Erfordernis einer körperlichen Manifestierung des Werkes.5 So wollten einige Vertreter dieser Ansicht die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes beim Weiterverkauf im Internet nicht anerkennen, da sich die Erschöpfung sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht ausschließlich auf in einem Gegenstand verkörperte Werke beziehe.6 Auch eine analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes verneinen viele. So etwa das OLG Frankfurt a.M., welches zudem bei einem Erwerb via Download schon ein Inverkehrbringen verneinte.7 In der Regel wurde von den Gerichten zudem die erforderliche Analogiefähigkeit des Erschöpfungsgrundsatzes bezweifelt, da dieser als restriktiv auszulegende Ausnahmeregelung zu qualifizieren sei.8 Jedenfalls fehle es an der Planwidrigkeit der Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der unkörperlichen Übertragung gekannt und diese bewusst nicht erfassen wollen.9 Weiterhin spreche Art. 4 der Urheberrechts-RL, der eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts nur für körperliche Vervielfältigungsstücke vorsehe, gegen die Annahme einer Planwidrigkeit.10
1.3.
Ansichten für die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes ^
Andere Ansichten argumentieren wiederum, dass es keinen Unterschied mache, ob Software via CD-ROM oder über das Internet vertrieben werde. In beiden Fällen müsse wirtschaftlich und juristisch im Hinblick auf eine Erschöpfung gleich argumentiert werden.11 Egal, ob Vertrieb als OEM-Version oder als Download, solange sichergestellt sei, dass es zu keiner Vermehrung von Vervielfältigungen der überlassenen Software komme, müsse der Erschöpfungsgrundsatz anerkannt werden. Zudem mache es keinen Unterschied für das Verwertungsinteresse des Urhebers, welche Vertriebsform gewählt werde.12 Andernfalls würde es zu einer ähnlich absurden Situation kommen, wie der Aushebelung des § 53 dUrhG durch die von § 95a dUrhG unter Schutz gestellten technischen Schutzmaßnahmen. Weiterhin wurde argumentiert, es könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, dass Softwarehersteller die Möglichkeit haben, sich im Wege eines reinen Online-Vertriebs der Wirkung des § 69c Nr. 3 S. 2 dUrhG zu entziehen.13 In der Literatur wird zudem, unter Bezugnahme auf die Unkenntnis des Richtliniengebers von der Fallgestaltung des Onlinevertriebes und der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von verkörperter und heruntergeladener Software, eine analoge Anwendung von Art. 4 Abs. 2 EU- Softwareschutzrichtlinie befürwortet.14
2.1.
Sachverhalt ^
Dem vom EuGH zu entscheidenden Verfahren15 lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die Firma Oracle entwickelt und vertreibt Computersoftware. Als Vertriebsweg bietet sie ihren Kunden die Möglichkeit, die Software per Download über das Internet zu beziehen. Im konkreten Fall lag eine auf diesem Wege von Oracle angebotene «Client-Server-Software» vor. Bei dieser wird die Software im Rahmen eines Netzwerkes auf einem zentralen Server einmal gespeichert. Die übrigen im Netzwerk vorhandenen Clients können sodann über ihren Arbeitsspeicher auf die gespeicherte Software zugreifen und diese als Betriebsmittel nutzen.
2.2.
Ausgangsverfahren und Auslegungsfragen des BGH ^
Der entsprechenden erstinstanzlichen Klage Oracles im Jahre 2006 wurde vom LG München I stattgeben.16 Die daraufhin von UsedSoft eingelegte Berufung wurde vom OLG München abgewiesen.17 Zudem ließ das Gericht die Revision zum BGH nicht zu, da die Rechtslage eindeutig sei. Der daraufhin eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gab der BGH indes statt. Allerdings sah sich der Senat wegen der vorhandenen, die EU-Softwareschutzrichtlinie betreffenden und für den Fall entscheidungserheblichen Auslegungsfragen nicht in der Lage, ohne Vorabentscheidung des EuGH in der Sache zu entscheiden.18
Der BGH legte daher dem EuGH die Frage vor, ob und unter welchen Umständen das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogrammes aus dem Internet mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechtes führt. Außerdem wollte der BGH wissen, ob – für den Fall, dass eine Erschöpfung bejaht werde – der Erwerber gebrauchter Software zu einem rechtmäßigen Erwerber im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EU-Softwareschutzrichtlinie (§ 69 d Abs. 1 dUrhG) werde, mit der Folge, dass dieser die Software vervielfältigen darf, um sie bestimmungsgemäß benutzen zu können.
2.3.1.
Vorliegen eines «Erstverkaufes einer Programmkopie» ^
Da von einer Erschöpfung des Verbreitungsrechtes im Sinne von Ar. 4 Abs. 2 EU-Softwareschutzrichtlinie nur ausgegangen werden kann, wenn der Urheberrechtsinhaber das geschützte Werk innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verkauft, hatte der EuGH zunächst darüber zu befinden, ob die Vertragsbeziehungen zwischen Oracle und den Ersterwerbern in der Konstellation des Ausgangsverfahrens als ein «Erstverkauf von Programmkopien» im Sinne der Richtlinie anzusehen waren.19
2.3.1.1.
Definition des Begriffes «Erstverkauf einer Programmkopie» ^
Dies bejahte der EuGH unter Festlegung einer Definition des Begriffes «Erstverkauf» im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der EU-Softwareschutzrichtlinie. Unter diesem, als autonomen im Sinne des Unionsrechtes anzusehenden Begriff seien vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 EU-Softwareschutzrichtlinie nach allgemeiner Auffassung alle Vereinbarungen zu fassen, nach der eine Person ihre Eigentumsrechte an einem ihr gehörenden körperlichen oder nichtkörperlichen Gegenstand gegen Zahlung eines Entgelts an eine andere Person abtrete.20
2.3.1.2.
Gesamtbetrachtung der zugrundeliegenden Handlungen ^
Dabei läge auch dann ein Verkauf in diesem Sinne vor, wenn – wie im zu entscheidenden Fall – die Zurverfügungstellung der Software durch das Herunterladen im Internet und getrennt von dem Abschluss des Lizenzvertrages erfolge. Beide Vorgänge seien im Hinblick auf ihre rechtliche Einordnung vielmehr als untrennbare Gesamtheit anzusehen, da der Download der Softwarekopie sinnlos wäre, wenn der Kunde diese nicht ebenfalls nutzen dürfe.21 Es mache zudem keinerlei Unterschied, wenn – wie seitens Oracle vorgetragen – der Download für sich gesehen faktisch und unter formellen Gesichtspunkten unentgeltlich erfolge und die Zahlungspflicht erst durch den ebenfalls abgeschlossenen Lizenzvertrag entstehe.
2.3.1.3.
Eigentumsübertragung an der Oracle Software ^
Unter Beachtung der damit statuierten Gesamtbetrachtung von Softwaredownload und Abschluss des Lizenzvertrages stellten die Richter fest, dass Oracle auch das Eigentum an der von ihr angebotenen Software im Sinne der zuvor festgestellten Definition des Rechtsbegriffes «Erstverkauf» auf den Kunden übertragen habe. Es mache hierfür keinen Unterschied, ob die Software, ohne in einem Gegenstand wie einer CD-ROM verkörpert zu sein, aus dem Internet heruntergeladen werde. Da der Erwerber, der eine Kopie des Computerprogramms von einem materiellen Datenträger auf seinen eigenen Computer herauflädt und für diese Kopie einen entsprechenden Lizenzvertrag schließt, das Recht erhalte, sie gegen Zahlung eines Entgelts unbefristet zu nutzen, sei davon auszugehen, dass durch diese beiden Geschäfte, wenn eine Kopie des betreffenden Computerprogramms auf einem materiellen Datenträger wie einer CD-ROM oder DVD zur Verfügung gestellt werde, ebenfalls das Eigentum an dieser Kopie übertragen werde.22 Im Falle der Übertragung der Software via Internetdownload können dementsprechend keine anderen Maßstäbe gesetzt werden.
2.3.2.
Erschöpfung des Verbreitungsrechts unabhängig von der Verkörperung ^
Im Weiteren stellt der EuGH fest, dass sich der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz nicht nur auf verkörperte Werke, sondern auch auf aus dem Internet heruntergeladene Computerprogramme beziehe. Dafür spräche, dass Art. 4 Abs. 2 EU- Softwareschutzrichtlinie ausdrücklich nicht zwischen Programmkopien in körperlicher oder unkörperlicher Form unterscheide und es vielmehr der Wille des europäischen Gesetzgebers gewesen sei, körperliche und unkörperliche Programmkopien gleich zu behandeln.23 Darüber hinaus seien die Veräußerung eines Computerprogramms auf CD-ROM oder DVD und die Veräußerung eines Computerprogramms durch Herunterladen aus dem Internet wirtschaftlich gesehen vergleichbar.24 Die Online-Übertragung entspreche funktionell der Aushändigung eines materiellen Datenträgers. Zudem sei bei Ablehnung einer Online-Erschöpfung der Urheberrechtsinhaber in der Lage, den Wiederverkauf von aus dem Internet heruntergeladenen Kopien zu kontrollieren und bei jedem Wiederverkauf erneut ein Entgelt zu verlangen. Dies führe gerade vor dem Hintergrund, dass ihm bereits der Erstverkauf der betreffenden Kopie ermöglicht hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen, zu einer unangemessenen Situation.25 Gleichzeitig verwirft der EuGH damit die Argumentation, dass in der Zurverfügungstellung der Software auf der Internetseite des Urheberrechtsinhabers eine die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht auslösende öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/2926 zu sehen sei. Denn die Bestimmungen der Softwareschutzrichtlinie gingen als Spezialvorschriften (leges speciales) in jedem Fall der Richtlinie 2001/29 vor.27
2.3.3.
Reichweite des Online Erschöpfungsgrundsatzes ^
Der EuGH führte zudem aus, dass auch ein gleichzeitig abgeschlossener Wartungsvertrag den Eintritt der Erschöpfung nicht verhindere. Zwar umfasse die Erschöpfung in Art. 4 Abs. 2 der EU-Softwarerichtlinie grundsätzlich nur Kopien, die tatsächlich Gegenstand des Erstverkaufs waren und nicht gegebenenfalls zusätzlich abgeschlossene Dienstleistungsverträge.28 Allerdings werde durch die zusätzlich vereinbarten Leistungen lediglich die verkaufte Programmkopie repariert und aktualisiert. Selbst wenn sie auch noch verändert, verbessert oder ergänzt werde, könne der Erwerber die aktualisierte Software unabhängig vom Fortbestand des Wartungsvertrags uneingeschränkt weiter nutzen.29 Die Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechtes erstrecke sich daher auch auf die verbesserte und aktualisierte Software und zwar auch dann, wenn der Erwerber später beschließt, seinen Wartungsvertrag nicht zu verlängern.
2.3.4.
Zulässigkeit der Vervielfältigung durch die Folgeerwerber ^
Anders als noch der Generalanwalt in seiner Stellungnahme30, bejahte der EuGH auch die Zulässigkeit des Herunterladens der Software durch Kunden der UsedSoft über die Internetseite des Herstellers. Zwar sei mit dieser Handlung eine Speicherung der Software und somit eine urheberrechtsrelevante Vervielfältigung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 a) EU-Softwareschutzrichtlinie (§ 16 Abs. 1 dUrhG) verbunden. Der neue Erwerber dürfe beim Weiterverkauf der Programmkopie durch den Ersterwerber, die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 jedoch ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers vornehmen, da es sich bei dieser Vervielfältigung um eine für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Software erforderliche Handlung handle.31 Denn rechtmäßiger Erwerber sei nicht nur der Ersterwerber, der aufgrund eines unmittelbar mit dem Urheberrechtsinhaber geschlossenen Vertrags zur Nutzung des Computerprogramms befugt sei.32 Vielmehr sei auch der Folgenutzer als «rechtmäßiger Erwerber» im Sinne der Richtlinie anzusehen, der sich mithin auf das aus Art. 5 Abs. 2 EU-Softwareschutzrichtlinie folgende Vervielfältigungsrecht berufen könne.
3.
Konsequenzen des Urteils für den Handel mit «gebrauchter» Software ^
Da die Entscheidung des EuGH zunächst «nur» die Auslegungsfragen des BGH auf der Grundlage des konkret zu entscheidenden Falles betreffen, geht mit dem Urteil eine rechtskräftige Entscheidung über den Ausgangsfall selber nicht einher. Vielmehr muss der BGH nunmehr im konkreten Fall entscheiden. Allerdings sind die zu den vorgelegten Auslegungsfragen getroffenen Feststellungen des EuGH für den BGH und für die mitgliedsstaatlichen Instanzgerichte in vergleichbaren Sachverhalten verbindlich. Eine Abweichung von dem Urteilsspruch der europäischen Richter ist daher genauso unzulässig, wie eine Abänderung der vorgenommenen abstrakten Auslegung.33 Mithin können auch ohne Vorliegen des endgültigen BGH-Urteils nachfolgend aufgeführte Konsequenzen für den Softwarehandel im Online-Bereich festgehalten werden:
3.1.
Erschöpfung als allgemeiner Grundsatz des Onlinesoftwarevertriebes ^
Mit der Entscheidung des EuGH ist denjenigen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die den Erschöpfungsgrundsatz nicht in die digitale Welt des Onlinehandels übertragen wollten34, eine Absage erteilt worden. Der EuGH hat mit der vorliegenden Entscheidung ein allgemeines Prinzip des Urheberrechts auf den Softwaredownload übertragen und verankert diesen als zentralen Grundgedanken für den Softwarehandel. Für diesen folgt daraus, dass einmal mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers verkaufte und damit in den Handel gebrachte Softwareprodukte und Lizenzen vom Erwerber ohne weitere Zustimmung des Urhebers weiterverkauft werden können, ohne dass der Weiterverkäufer damit gegen das urheberrechtliche Verbreitungsrecht aus § 17 dUrhG verstößt. Damit einher geht eine Gleichstellung von Offline- und virtuellem Online- Softwarehandel. Auf die vorherig erforderliche Unterscheidung von verkörperter und nicht verkörperter Programmkopie kommt es zudem nicht mehr an. In den ursprünglich noch von einer langjährigen Rechtsunsicherheit35 und daher von einem mit gewisser Vorsicht der Kunden36 geprägten Online-Softwarehandel, kehrt mit der damit verbundenen Bejahung der Verkehrsfähigkeit von Softwarelizenzen nun Rechtssicherheit, insbesondere für die Händler und deren Geschäftsmodell, ein.
3.2.
Erwerber sind «rechtmäßige Erwerber» im Sinne der EU-SoftwareschutzRL ^
Gleiches gilt auch für die Erst- und Folgeerwerber. Denn die Bejahung des Erschöpfungsgrundsatzes beim Download der Software aus dem Internet bedeutet für den Ersterwerber, dass eine beim Herunterladen der Software erfolgende urheberrechtserhebliche Vervielfältigung zulässig ist. Auch wenn sich der Erschöpfungsgrundsatz grundsätzlich nicht auf das Vervielfältigungsrecht des Urheberrechtsinhabers bezieht, wird der Zweiterwerber nunmehr als «rechtmäßiger Erwerber» im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der EU-Softwareschutzrichtlinie und im Sinne von § 69d Abs. 1 dUrhG angesehen, da die mit der Erschöpfung des Verbreitungsrechts einhergehende Verkehrsfähigkeit der Software, im Bereich von Computerprogrammen, in dem typischerweise eine Vervielfältigung des Programmes zur Nutzung erforderlich ist, ansonsten leerlaufen würde. Gleiches gilt auch für alle nachfolgenden Rechteerwerber innerhalb einer Vertriebskette, insbesondere also auch für die Kunden der Gebrauchtsoftwarehändler. Diese können sich mithin auf Art. 5 Abs. 1 der EU Softwareschutzrichtlinie berufen und die Software zum bestimmungsgemäßen Gebrauch auf ihrem Computer oder in ihrem Arbeitsspeicher vervielfältigen. Der Neu-Download einer Software, die als gebrauchte Software erworben wurde, von der Seite des Herstellers ist damit zulässig. Zudem gilt, dass der Erwerber berechtigt ist, die Software in der jeweils aktuellen Version von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterzuladen.
Zu beachten ist aber zur Wahrung des Vervielfältigungsrechts des Urhebers, dass der Originallizenznehmer seine eigene Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs löschen oder unbrauchbar machen muss. Der Erschöpfungsgrundsatz und die daraus resultierende Berechtigung des Erwerbers im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EU-Softwareschutzrichtlinie soll nicht zu einer Verdoppelung der Datenbestände, sondern einzig zur Verkehrsfähigkeit des Computerprogrammes und der damit zusammenhängenden Lizenzen führen.
Die Berechtigung der Folgeerwerber kann außerdem entfallen, wenn der Softwarehersteller seine Programme mit technischen Kopierschutzmaßnahmen versieht und diese zunächst umgangen werden müssten, um eine Kopie anfertigen zu können. Außerdem bedarf es vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH in Sachen «Half- Life 2»37 und der Andeutung des EuGH38 besonderer Vorsicht, wenn der Download der Software von der Etablierung einer Kennung abhängig gemacht wird, deren Weitergabe der Softwarehersteller vertraglich untersagt hat.39
3.3.
Unbeachtlichkeit der Vertragsbezeichnung ^
Mit der vom EuGH vorgenommenen, rechtlichen Gesamtbetrachtung von Software-Download und Lizenzvereinbarung und der Einordnung dieser beiden Geschäfte als «(Erst-)Verkauf» im Sinne der EU- Softwareschutzrichtlinie, geht das Ende der «Lizenz» einher. Diese war immer schon eine urheberrechtsspezifische Konstruktion, bei der es im Kern darum ging, sich aus den klassischen Gewährleistungs- und Haftungsregeln des BGB herauszuziehen und sich urheberrechtlich vom Erschöpfungsgrundsatz zu entfernen. Das, was der BGH in seiner Rechtsprechung zur Software als Sachkauf und zur vertragstypologischen Einordnung des ASP40 bereits vor längerer Zeit angeführt hatte, bekräftigt der EuGH nun. Die Übertragung von Nutzungsrechten an einer Programmkopie auf Dauer gegen Einmalentgelt erfolgt typischerweise im Rahmen einer Veräußerung, mit der die vollen Eigentumsrechte auf den Erwerber übertragen werden. Der Ansicht des Generalanwalts in seinem Schlussantrag folgend41, wäre es für die Urheberrechtsinhaber ansonsten denkbar einfach, durch bloße Bezeichnung des Vertrages als «Lizenz» der Subsumtion unter den Begriff des «Verkaufes» zu entgehen. Der EuGH nimmt insoweit eine denkbar weite Auslegung des Verkaufsbegriffes vor.42 Ob der Vertrag durch den Softwarehersteller als «Lizenz» bezeichnet wird, ist daher für die Einordnung des Softwaredownloads als Verkauf im Sinne der EU- Softwareschutzrichtlinie in der Zukunft unbeachtlich, wenn eine dauerhafte Nutzungseinräumung gegen Entgelt vereinbart wird. Zu beachten ist aber, dass es sich nicht um einen (Erst-)Verkauf im Sinne der EU- Softwareschutzrichtlinie handelt, wenn der Softwarehersteller die Überlassung der Software unter Hinnahme der damit verbundenen weiten Gewährleistungsrechte des Erwerbers43, als Mietvertrag oder aber als Leasingvertrag ausgestaltet. Für eine Überlassung der heruntergeladenen Software auf Zeit gilt der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz nämlich nicht.44
Prof. Dr. Thomas Hoeren. Westfälische Wilhelms-Universität, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Itm), Zivilrechtliche Abteilung.
- 1 Siehe zu den weiteren Problemen vor der Entscheidung des EuGH: Hoeren, Der Erschöpfungsgrundsatz bei Software, GRUR 2010, S. 665.
- 2 Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. L 111, vom 5. Mai 2009, 16.
- 3 Vgl. OLG Düsseldorf, GRUR- RR 2010,4.
- 4 Vgl. BGH, GRUR 1995, 673, 676 – Mauerbild; BGH, GRUR 2001, 51, 53 – Parfumflakon; Schricker/Loewenheim, § 69c UrhR, Rn. 31.
- 5 LG München I, MMR 2006, 175 = CR 2006, 159 mit Anm. Haines/Scholz; OLG München, MMR 2006, 748 mit Anm. Stögmüller = CR 2006, 655 mit Anm. Lehmann. Siehe dazu Hoeren, CR 2006, 573 ff; Schricker/Loewenheim, § 69c dUrhG Rdnr. 34; Fromm/Nordemann/Czychowski, § 69c dUrhG Rdnr. 33; Schricker/v. Ungern-Sternberg, § 19a dUrhG Rdnr. 6; Bergmann, in: Festschr. f. Erdmann, 2002, S. 17ff.
- 6 Zuletzt MMR 2008, 601 m. Anm. Moritz = BeckRS 2008, 16725; K & R 2008, 538; davor CR 2006, 655 m. Anm. Lehmann; BeckRS 2006, 10438 = MMR 2006, 748.
- 7 OLG Frankfurt am Main, MMR 2009, 544 m. Anm. Bräutigam; ähnlich OLG Frankfurt, Urteil vom 22.06.2010, 11 U 13/10; so auch LG München I, MMR 2007, 328 ff. und bestätigend OLG München, MMR 2008, 601m. Anm. Moritz = ZUM 2009, 70; ähnlich auch LG Frankfurt am Main, CR 2009, 142 ff., welches einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht angenommen hat. Ferner ebenso LG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.04.2011 - 2-06 O 428/10, 2-6 O 428/10.
- 8 LG München I, CR 2007, 356, 358.
- 9 LG München I, CR 2007, 356, 358f; Spindler, CR 2008, 69, 70.
- 10 LG München I, CR 2007, 358; Spindler, CR 2008, 69,70.
- 11 So etwa LG Hamburg, MMR 2006, 827 = CR 2006, 812; OLG Hamburg, MMR 2007, 317 mit Anm. Hüsch/Meuser. Siehe dazu auch Rössel, ITRB 2007, 105. Ähnlich Grützmacher, ZUM 2006, 302; ders. CR 2007, 549; Sosnitza, K & R 2006, 206.
- 12 LG Hamburg, ebd; Grützmacher, ZUM 2006, 302, 305; Hoeren, CR 2006, 573, 574.
- 13 Grützmacher, ebd.
- 14 vgl. zu § 69 c Nr. 3 S. 2 dUrhG Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, § 69c dUrhG Rdnr. 31; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 69c Rdnr. 24; Hoeren, in: Möhring/Nicolini, dUrhG, 2. Aufl., § 69c Rdnr. 16; Fromm/Nordemann/Dustmann, § 19a dUrhG Rdnr. 29; vgl. auch Haberstumpf, in: Büscher/Dittmer/Schiwy, § 69c dUrhG Rdnr. 8.
- 15 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C- 128/11, BeckRS 2012, 81351.
- 16 LG München I, MMR 2007, 328.
- 17 OLG München, MMR 2008, 601 m. Anm. Moritz.
- 18 BGH, MMR 2011, 305 m. Anm. Heyden.
- 19 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 40.
- 20 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 42.
- 21 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 44.
- 22 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11,BeckRS 2012, 81351; Rn. 47.
- 23 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11,BeckRS 2012, 81351; Rn. 55.
- 24 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 61.
- 25 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11,BeckRS 2012, 81351; Rn. 63.
- 26 Richtlinie 2001/29/EG deseuropäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, 10.
- 27 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 59.
- 28 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 66.
- 29 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 67.
- 30 Siehe dazu Rojczyk/Hansen, EuGH: Gerneralanwalt erachtet Übertragung «gebrauchter Lizenzverträge» als unzulässig, MMR-Aktuell 2012, 331746.
- 31 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11,BeckRS 2012, 81351; Rn. 81.
- 32 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az. C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 82.
- 33 Wegener in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 267, Rn. 47 ff.
- 34 Siehe dazu C. II.
- 35 Stogmüller in: Leupold/Glossner, Münchener Anwaltshandbuch IT Recht, Teil 5, Rn. 200.; siehe auch A. II.
- 36 Söbbing, IT/IP-Rechte im Unternehmenskauf: Leitfaden für Information Technology& Software Transfer bei Merger&Acquisitions, S. 180.
- 37 BGH, MMR 2010, 771 m. Anm. Heydn.
- 38 EuGH, U. v. 3. Juli 2012, Az.C-128/11, BeckRS 2012, 81351; Rn. 87.
- 39 Welser, EuGH: Weiterverkauf gebrauchter Software ist zulässig, GRUR-Prax 2012, 334362.
- 40 BGH, NJW 2007, 2394.
- 41 Vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes Yves Bot vom 24. April 2012, Rn. 59 ff.
- 42 Moritz, Eingeschränkte Zulässigkeit der Weiterveräußerung gebrauchter Software, K&R 2012, S. 456 (456)
- 43 Nach § 525 I S. 2 BGB ist die Gebrauchstauglichkeit während der Mietzeit Hauptpflicht des Vermieters.
- 44 Schricker/Loewenheim, § 69c UrhR, Rn. 39; Moritz, Eingeschränkte Zulässigkeit der Weiterveräußerung gebrauchter Software,K&R 2012, 456 (458).