1.
Ambient Assisted Living (AAL) ^
«Alternde Menschen sind wie Museen: Nicht auf die Fassade kommt es an, sondern auf die Schätze im Inneren», sagt die französische Schauspielerin Jeanne Moreau. Durch den demographischen Wandel der Bevölkerung wird es immer mehr ältere Menschen geben, die im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit in der eigenen und vertrauten Umgebung leben wollen.1 Der mit einem solchen Wandel verbundene Pflegeaufwand für Alte stellt für zukünftige Gesundheits- und Sozialsysteme eine neue Herausforderung dar, die mittels technischer Lösungen bewältigt werden soll. Die Rede ist von Ambient Assisted Living (AAL), womit insbesondere technische Hilfen gemeint sind, die alten, demenzkranken oder anderwärtig gehandicapten Personen im Alltag Unterstützung und Hilfe anbieten sollen.2 In diesem Sinne forciert die Europäische Union die Entwicklung eines «umgebungsunterstützen Lebens»3. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung wurde auch in den Leitinitiativen der Strategie «Eine digitale Agenda für Europa» prioritär behandelt. Es werden Lösungen zum intelligenten Wohnen erarbeitet, die Probleme feststellen und ausgleichen, die im Alter auftreten können, etwa Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit oder zunehmende Gesundheitsprobleme. Eingesetzt werden Sensoren und Aktoren in Fußböden und Schuhen, die registrieren, wenn der Träger oder die Trägerin stürzt. Gegenstand fortgeschrittener Forschungsarbeiten ist die Robotik zur Unterstützung bei Alltagsverrichtungen.
2.1.
Datenkategorien ^
2.2.
Betroffene und ihre Daten ^
2.3.
Auftraggeber ^
2.4.
Zustimmung ^
2.5.
Erste Schlussfolgerungen ^
3.
Ambient Assisted Living als strategischer Aspekt ^
Aus kultursoziologischer Sicht wird zunehmend das Design einer Gesellschaft thematisiert18. Neben der Soziologie des Designs sind Fragen von Datenschutz und Technikpaternalismus zu debattieren, die Frage von Freiheit und Kontrolle wird evident. Ausgehend von Ambient Assisted Living in der Altenpflege wird eine gesellschaftliche Vorstellung dafür entwickelt werden müssen, was es bedeutet in einer U-City zu leben,19 denn der Einsatz und die Entwicklung assistiver Technologien berühren grundlegende Grundrechte wie das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs. Zudem werden politische Themen berührt, wie die Frage der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen. Es ist zu fragen: Welches Alterskonzept steht hinter der Entwicklung assistiver Technologien? Diese ethischen Fragestellungen berühren letztlich das, was Jeanne Moreau als die Schätze im Inneren des Menschen bezeichnet hat.
4.
Literatur ^
Hödl, Elisabeth/Hofmann, Christina, Philosophie des Datentransports. Lösungen im österreichischen Recht, in: Taeger, Jürgen (Hrsg.), Die Welt im Netz – Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, Oldenburg 2011, S. 665-679.
Hödl, Elisabeth/Hofmann, Christina, Open Source Biologie für eine Gesellschaft der offenen Quellen? in: Taeger (Hrsg.) Tagungsband der Herbstakademie 2012. IT und Internet - mit Recht gestalten, Oldenburg 2012, S. 307-322.
Horn, Bernhard/Grechenig, Thomas, Cloud Computing in der Medizin – Patientengeheimnis versus medizinischen Forstschritt, in Schweighofer/Kummer (Hrsg.) Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts, Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, IRIS 2011, S. 67-74.
Jahnel, Dietmar, Handbuch Datenschutzrecht, Wien 2010.
Liebwald, Doris, Die RFID-Technologie im Licht des Datenschutzrechts, in: MR 2007, S. 461.
Moebius, Stephan/Prinz, Sophia, Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs, Bielefeld 2012.
Regnery, Christian, Datenschutzrechtliche Fragen beim Ambient Assisted Living, in: Taeger (Hrsg.), IT und Internet – mit Recht gestalten. Tagungsband Herbstakademie, Oldenburg 2012, S. 579-995.
Weichert, Thilo, Datenschutz von Daten aus Ambient Assisted Living (AAL) Umgebungen, unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz, https://www.datenschutzzentrum.de/vortraege/20100726-weichert-ambient-assisted-living-aal.html aufgerufen 28.1.2013; TMF-Workshop; 26.7.2010; Berlin.
Elisabeth Hödl, Lektorin, Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik an der Karl-Franzens-Universität Graz.
- 1 Die Europäische Kommission geht von einer Prognose aus, wonach das Verhältnis von Bürgern über 65 Jahre und arbeitende Bevölkerung (15-64), das 2008 etwa 1:4 betrug, im Jahr 2020 auf 1:3 und bis 2050 auf 1:2 sinken wird. Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat. Erste Zwischenbewertung des gemeinsamen Programms «Umgebungsunterstütztes Leben» (AAL JP).
- 2 Unter Ambient Assisted Living versteht man Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die assistive Technologien mit dem sozialen Umfeld verbinden.
- 3 KOM/2010/0763 endg.
- 4 Beispielhaft können das Aktivitätsmonitoring im Fussboden genannt werden, das registriert, wenn eine demenzkranke Person ihr Zimmer verlässt, elektronische Geräte, die ein Signal auslösen, wenn eine ungewöhnliche Nutzung registriert wird, oder ein Beispiel aus der heute längst üblichen Praxis ist ein E-Herd, der über eine ungewöhnlich lange Zeit aktiviert ist und sich bei Brandgefahr selbst ausschaltet. Bewegungsmelder im Schlafzimmer können nach vordefinierten Parametern ein Verhalten anzeigen und wenn es daraufhin ungewöhnlich erscheint, wird ein entsprechender Alarm gegeben. Dies könnte der Fall sein, wenn zur Mittagszeit immer noch keine Bewegungsaktivität im Schlafzimmer eines Menschen registriert wird, der für gewöhnlich am Morgen das Zimmer verlässt.
- 5 Welche Signale der Sensoren welche Meldungen auslösen soll, ist zunächst frei konfigurierbar. Im Fall der Sensormessung kann insbesondere die genaue Dauer und Zeitspanne festgelegt werden.
- 6 Die Sequenzierung soll vom 5. September 2013 bis zum 4. Oktober 2013 stattfinden. Die allgemeine Verfügbarkeit sowie die öffentliche Zugänglichkeit genetischer Daten ist bisher rechtlich ungeklärt. Vgl. Hödl/Hofmann, Open Source Biologie für eine Gesellschaft der offenen Quellen? in: Taeger (Hrsg.) Tagungsband der Herbstakademie 2012. IT und Internet - mit Recht gestalten, Oldenburg 2012, S. 307-322.
- 7 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000) BGBl I 165/1999 i.d.F. 51/2012.
- 8 Vgl. Horn/Grechenig, Cloud Computing in der Medizin – Patientengeheimnis versus medizinischen Forstschritt, in: Schweighofer/Kummer (Hrsg.) Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts, Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, IRIS 2011, S. 67-74.
- 9 Vgl Regnery, Datenschutzrechtliche Fragen beim Ambient Assisted Living, S. 582.
- 10 Folgt man dem Prinzip der Datensparsamkeit und der Datensicherheit, so sollten diese Daten in der Wohnung des Nutzers ausgewertet werden und in dieser Form an Dritte weitergeleitet werden.
- 11 Natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe.
- 12 Gemäß Art 2 lit d der EG-Datenschutzrichtlinie ist «für die Verarbeitung Verantwortlicher» die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.
- 13 Liebwald geht etwa für den Fall der RFID-Technik davon aus, dass darüber hinausgehende Informationen in geeigneter Weise zu geben sind, wenn dies für eine Verarbeitung nach Treu und Glauben erforderlich ist. Datenverarbeitung nach Treu und Glauben setzt voraus, dass die betroffenen Personen in der Lage sind, das Vorhandensein einer Verarbeitung zu erfahren und ordnungsgemäß und umfassend über die Bedingungen der Erhebung informiert werden, wenn Daten bei ihnen erhoben werden. Liebwald, Die RFID-Technologie im Licht des Datenschutzrechts, in: MR 2007, S. 461. Vgl. Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zum Schutz der Privatsphäre von natürlichen Personen bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten.
- 14 Die Ausgestaltung des Rechts auf Löschung findet sich in § 27 DSG 2000. Die nähere Ausgestaltung des Auskunftsrechtes findet sich in § 26 DSG 2000. Das DSG 2000 sieht eine schriftliche Auskunftserteilung vor.
- 15 Einen Überblick über die Zustimmungserfordernisse im DSG in verwaltungsrechtlicher Hinsicht, siehe Hofmann/Hödl, Listbroking in Österreich - der Handel mit E-Mail-Adressen zu Werbezwecken, in: Taeger (Hrsg.), Digitale Evolution – Herausforderungen für das Informations- und Medienrecht, Oldenburg 2010, S. 665-681.
- 16 Zu den Problemstellungen dazu siehe Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht, Wien 2010, S. 319-430.
- 17 KOM(2009) 278 endgültig. Mitteilungen der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Internet der Dinge – ein Aktionsplan für Europa.
- 18 Vgl. Moebius/Prinz, Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs, Bielefeld 2012.
- 19 Visionen dienen als Perspektive: Als bisher größtes Stadtkonzept des Internet der Dinge kann Songdo City genannt werden. Es handelt sich um eine Plan- und Businessstadt (Teilstadt der Millionenstadt Incheon) in Südkorea, die auf einer Fläche von 6 km2 errichtet wird. Hier soll erstmals eine groß angelegte Einführung des «Internet der Dinge» veranschaulicht und vollbracht werden.