Jusletter IT

Gutachten zur Zulässigkeit des Projekts OpenJustitia

  • Author: Jurius
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: E-Government
  • Citation: Jurius, Gutachten zur Zulässigkeit des Projekts OpenJustitia, in: Jusletter IT 11 December 2014
The Federal Court is responsive to the expertise regarding the release of informatics solutions of the Federal Administration as Open-Source-Software. The Court takes measures related to the retentions in using their court software OpenJusitia by the courts, which are discussed in the expertise. (ah)
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OpenJustitia ist ein Paket gerichtsspezifischer Software, die auf Open-Source-Komponenten aufbaut. Die Anwendungen wurden vom Bundesgericht ab 2006 mangels geeigneter Marktangebote selber entwickelt und fortlaufend den Bedürfnissen des Gerichts angepasst. Seit September 2011 wurde das OpenJustitia-Paket vom Bundesgericht im Rahmen der Grundsätze von Open-Source interessierten Nutzern kostenlos zur Verfügung gestellt. Aktuell gehören 18 Mitglieder zur OpenJustitia-Community, wobei fast ausschliesslich eine Nutzung durch Gerichte in Betracht fällt. Die unentgeltliche Weitergabe von OpenJustitia ist geeignet, die Informatik-Kosten der öffentlichen Hand zu senken und den Steuerzahler zu entlasten. Das Bundesgericht kann seinerseits von den Weiterentwicklungen anderer Teilnehmer profitieren.

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Auf eine Interpellation hin entschied der Bundesrat im Februar 2013, ein juristisches Gutachten zur Zulässigkeit der Freigabe von Informatiklösungen der Bundesverwaltung als Open-Source-Software erstellen zu lassen, mit spezifischen Fragen betreffend OpenJustitia. Das nun veröffentlichte Gutachten von Prof. Dr. iur Georg Müller und PD Dr. iur. Stefan Vogel kommt unter anderem zum Schluss, dass ein Zusammenwirken des Bundesgerichts mit kantonalen Gerichten im Rahmen einer Open-Source-Community möglich ist, aber einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Der Einbezug von Privaten in Open-Source-Projekte des Bundesgerichts ist gemäss dem Gutachten problematisch und grundsätzlich unzulässig.
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Bei seinem Entscheid zur Freigabe von OpenJustitia im Rahmen einer Open-Source-Community ging das Bundesgericht davon aus, dass dieser Schritt mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen vereinbar ist. Insbesondere vertrat es die Auffassung, dass es bei der kostenlosen Öffnung des Zugangs zur OpenJustita-Software nicht gewerblich tätig ist und dass das OpenJustitia-Projekt dem im Finanzhaushaltgesetz (FHG) festgelegten Grundsatz entspricht, wonach der Bund für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel zu sorgen hat (Artikel 12 Absatz 4 FHG). Zudem stützte es seinen Freigabe-Entscheid auf die E-Government-Strategie des Bundesrates (E-Government-Strategie Schweiz, vom Bundesrat verabschiedet am 24. Januar 2007) und die entsprechende öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Kantonen (Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz [2007–2015], vom Bundesrat verabschiedet am 29. August 2007) ab, gemäss denen der «Mehrfachnutzung von Daten und Leistungen» eine zentrale Bedeutung zukommt.

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Das Bundesgericht nimmt zur Kenntnis, dass das Gutachten teilweise zu gegenteiligen Schlüssen kommt, die vom Gericht vorgesehene Open-Source-Nutzung von OpenJustitia im Rahmen der im Gutachten formulierten Kriterien aber nicht ausschliesst. Das Bundesgericht wird eine Standortbestimmung vornehmen und den Subkommissionen Gerichte/BA der Geschäftsprüfungskommissionen bis 22. Dezember 2014 Bericht erstatten. Was die aktuelle Nutzung von OpenJustitia im Rahmen der Open-Source-Community betrifft, handelt es sich dabei ausschliesslich um die Verwendung durch kantonale Gerichte oder im Auftrag von kantonalen Gerichten. Dem im Gutachten gemachten Vorbehalt der fehlenden gesetzlichen Grundlage trägt das Bundesgericht insofern Rechnung, als es vorerst keine Weiterentwicklungen allgemein zugänglich veröffentlicht. Es wird allenfalls Sache des Parlaments sein, über die Schaffung der gesetzlichen Grundlage zu entscheiden. Soweit das Gutachten bei Leistungsbeziehungen zwischen dem Bundesgericht und Dritten gewisse Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz formuliert, wird das Bundesgericht den massgebenden Grundsätzen weiterhin vorbehaltlos Rechnung tragen.

Quelle: Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 23. Oktober 2014