Jusletter IT

Second-Hand-Markt für E-Books und Hörbücher trockengelegt

  • Author: Simon Schlauri
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Media Law
  • Citation: Simon Schlauri, Second-Hand-Markt für E-Books und Hörbücher trockengelegt, in: Jusletter IT 11 December 2014
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Mit Urteil vom 15. Mai 20141 stellte das Oberlandesgericht Hamm (D) fest, dass AGB, die den Weiterverkauf digitaler Kopien von E-Books und Hörbüchern verbieten, rechtens seien. Dies im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof, gemäss dem2 von einem Server heruntergeladene Software weiterverkauft werden darf, wenn die Lizenzen nicht aufgeteilt und die Kopien des Verkäufers gelöscht werden.3 Juristen sprechen hier von Erschöpfung. Dies bedeutet, dass sich ein Schutzrechtsinhaber bezüglich des weiterverkauften Werkexemplars nicht mehr auf sein Schutzrecht berufen kann.
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Gemäss EuGH spielt es nach der EU-Software-Richtlinie4 keine Rolle, ob bei Software ein physischer Datenträger oder bloss eine digitale Kopie übertragen wird. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zur Info-Richtlinie5, gemäss der ein Anbieten zum Download normaler Werke nicht zu einer Erschöpfung der Urheberrechte führt. Dies weil die Software-Richtlinie der Info-Richtlinie als lex specialis vorgehe. Die Erschöpfung habe zum Ziel, zu verhindern, dass zweimal Geld verlangt werden könne, was Sekundärmärkte behindern würde.

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Das OLG Hamm befand demgegenüber, der Erschöpfungsgrundsatz gelte für Downloads normaler Werke aus dem Internet nicht, denn es gehe nicht um die Verbreitung körperlicher Werkexemplare. Zudem verwies es ebenfalls auf den Lex-specialis-Grundsatz. Formal ist am Entscheid des OLG Hamm nichts auszusetzen, weil die Richtlinie für Software tatsächlich in Bezug auf die Erschöpfung von jener für andere Werke abweicht.
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Gegen eine Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf digitale Werke im Allgemeinen spricht, dass dieser der Koordination von Urheber- und Sachenrecht dient: Der Erwerber einer Sache soll sich darauf verlassen können, dass an dieser keine Rechte Dritter bestehen.6 Indem der EuGH den Grundsatz aber auch auf Softwaredownloads anwendet, entfernt er sich von diesem ursprünglichen Gedanken. Und ist dieser Schritt einmal getan, ist fraglich, warum die Erschöpfung nicht auch bei anderen digitalen Werken eintreten sollte, denn Sekundärmärkte sind für die meisten digitalen Werke denkbar.
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Das Schweizer Urheberrechtsgesetz unterscheidet im Wortlaut nicht zwischen physischen und digitalen Werkexemplaren, was für eine technologieneutrale Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf Software und andere Werke spricht.7 Gerichtsentscheide liegen allerdings noch keine vor.

Simon Schlauri

  1. 1 Urteil des OLG Hamm AZ 22 U 60/13 vom 15. Mai 2014.
  2. 2 Urteil des EuGH vom 3. Juli 2012, Rs. C-128/11.
  3. 3 Das Aufteilungsverbot gilt nicht für Volumenlizenzen, d.h. um im Paket verkaufte Einzellizenzen, sondern nur für Lizenzen, bei denen eine Kopie der Software auf einem Server abgelegt wird und der Kunde eine bestimmte Zahl von Zugriffsrechten erhält.
  4. 4 Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Software-Richtlinie 2009/24/EG).
  5. 5 Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Info-Richtlinie 2001/29/EG).
  6. 6 R. Hilty, Urheberrecht, Bern 2010, N 160.
  7. 7 So C. Rigamonti, Zur Rechtmässigkeit des Handels mit Softwareproduktschlüsseln, AJP 2010, 582 ff., 586, tinyurl.com/qhfegku; anders D. Barrelet/W. Egloff, Urheberrecht, 3. A. Bern 2008, N 1a zu Art. 12 des Urheberrechtsgesetzes (URG).