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Verletzt das Recht auf Vergessen(werden) des EuGH die Meinungsäusserungsfreiheit?

  • Authors: Rolf H. Weber / Ulrike I. Heinrich
  • Category: Articles
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Data Protection
  • Citation: Rolf H. Weber / Ulrike I. Heinrich, Verletzt das Recht auf Vergessen(werden) des EuGH die Meinungsäusserungsfreiheit?, in: Jusletter IT 11 December 2014
Mid-May 2014 the Court of Justice of the European Union (EuGH) determined, that the runner of an online search engine is – under data protection aspects – responsible for the processing of personal data which appear on websites of third-party providers and supports, under certain circumstances, the entitlement for individuals to the right to deletion of links out of the search results. This «Right to be forgotten» is despite the strong resonance on the part of the internet users – already until mid-November almost 17’000 cancellation requests reached the search engine operator Google – increasingly criticised as too far-reaching. In particular, with a view on the preservation of a free and uncensored internet, the question arises to what extent the freedom of expression is affected, especially since it is unclear if the legislation recognised by the EuGH is even suitable for protecting the privacy of individuals. (ah)

Inhaltsverzeichnis

  • A. Problemstellung
  • B. Schaffung eines neuen Grundrechts auf Vergessen(werden)?
  • I. Begriffsbestimmung
  • II. Möglichkeiten der dauerhaften Datenbeseitigung im Internet
  • 1. Nutzerseitiges Entfernen von Daten
  • 2. Technische Möglichkeiten der Datenlöschung
  • III. Europäische Regelungen zum Recht auf Vergessen(werden)
  • 1. Status Quo in Europa
  • a) Europarat
  • b) Europäische Union
  • c) Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung
  • 2. Google-Spanien-Entscheid im Besonderen
  • 3. Sachlage nach dem Google-Spanien-Entscheid
  • C. Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit durch das Google-Urteil?
  • I. Verankerung der Meinungsäusserungsfreiheit
  • 1. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen
  • 2. Menschenrechtskonvention des Europarates
  • 3. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
  • II. Recht auf Vergessen(werden) des EuGH vs. Meinungsäusserungsfreiheit
  • 1. Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit
  • 2. Vereinbarkeit mit Meinungsäusserungsfreiheit
  • 3. Würdigung/Analyse
  • III. Exkurs: Recht auf Vergessen (im eigentlichen Sinn) vs. Meinungsäusserungsfreiheit
  • D. Ausblick

A.

Problemstellung ^

[1]

In seinem Aufsehen erregenden Urteil in Sachen Google Spanien hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Mitte Mai 2014 festgestellt, dass der Betreiber einer Internetsuchmaschine bei personenbezogenen Daten, die auf den Seiten von Drittanbietern erscheinen, für die vorgenommene Verarbeitung unter datenschutzrechtlichen Aspekten verantwortlich sei, und hat in diesem Zusammenhang unter bestimmten, im Detail einzeln aufgeführten Voraussetzungen den Anspruch auf Löschung von Verlinkungen aus den Suchergebnissen für Privatpersonen bejaht.1 Ungeachtet der starken Resonanz seitens der Internetnutzer – bis Mitte November 2014 erreichten den Suchmaschinenbetreiber Google bereits knapp 170´000 Löschungsanträge, von denen in der Zwischenzeit rund 60 Prozent positiv beschieden sind2 – wird das Urteil zunehmend (und nicht nur seitens Google)3 als zu weitgehend kritisiert.

[2]
Insbesondere steht mit Blick auf die Erhaltung eines freien und unzensierten Internets die Frage im Raum, inwieweit durch das Recht auf Vergessen(werden) des EuGH die Meinungsäusserungsfreiheit tangiert wird.

B.

Schaffung eines neuen Grundrechts auf Vergessen(werden)? ^

I.

Begriffsbestimmung ^

[3]
Beim Recht auf Vergessen(werden) handelt es sich um ein Individualrecht, selbst über das langzeitige Vorhandensein von persönlichen Informationen im Netz entscheiden zu können.4 In Frage steht also das Recht des Einzelnen, ab einem zu bestimmenden Zeitpunkt persönliche Datenspuren im Internet zu löschen, damit Drittpersonen diese nicht weiter verfolgen können.5
[4]

Die Idee, ein solches Recht für den Online-Bereich zu entwickeln, ist nicht neu6 und längst keine «Erfindung» des EuGH.7 Angesichts der wachsenden Bedeutung des Internets sprachen sich bereits im Jahr 2010 Vertreter aus dem Umfeld der französischen Regierung für die Einführung eines solchen Rechts aus (Charte du droit à l’oubli dans les sites collaboratifs et les moteurs de recherche);8 seit Ende November 2010 befasst sich auch die EU-Kommission mit der Einführung eines «right to be forgotten».9

[5]
Nachdem die Bemühungen um die Schaffung eines sog. «digitalen Radiergummis»10 lange Zeit auf ein moralisches Postulat beschränkt blieben, ist das Recht auf Vergessen(werden) spätestens nach den Enthüllungen von Edward Snowden über die NSA-seitige flächendeckende Internetüberwachung verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Mit der zunehmenden Beteiligung an sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook und Twitter offenbaren Netzteilnehmer in grossem Umfang Bilder oder andere persönliche Informationen im Internet. Darüber hinaus sammeln Webseitenbetreiber regelmässig viele über ihre Internetseite übermittelte Daten und speichern diese oft während eines langen Zeitraums. Einmal veröffentlicht bleiben die häufig unüberlegt preisgegebenen Daten zeitlich praktisch unbeschränkt abrufbar, was ein «Vergessen» im Sinne einer kompletten, dauerhaften Löschung von Informationen nahezu unmöglich macht.

II.

Möglichkeiten der dauerhaften Datenbeseitigung im Internet ^

1.

Nutzerseitiges Entfernen von Daten ^

[6]
Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ins Netz transportierte bzw. dort vorhandene Datenspuren eigenständig wieder zu entfernen, erweisen sich bislang als eher unzureichend. In der Regel sind Internetnutzer zur dauerhaften Löschung einmal veröffentlichter Daten auf die Mitwirkung und den Goodwill des Seitenbetreibers angewiesen;11 hat dieser seinen Sitz im Ausland, ist der Löschungswillige meist gezwungen, sein Begehren auf dem Gerichtsweg zu erstreiten.12 Der Erfolg sogenannter «Online Reputation-Defender»,13 welche das Internet gegen Zahlung eines Entgelts nach persönlichen Daten durchsuchen und den Auftraggeber für den Fall des Auffindens von unerwünschten Veröffentlichungen bei der Durchsetzung seines Löschungsbegehrens unterstützen,14 ist ebenfalls begrenzt. In der Praxis scheitert der Versuch der dauerhaften Datenvernichtung zumeist daran, dass viele Informationen bereits weiterverbreitet worden sind und sich damit (auch) dem Einflussbereich der Dateninhaber, Webseitenbetreiber und «Online Reputation-Defender» entziehen.

2.

Technische Möglichkeiten der Datenlöschung ^

[7]
Auch wenn die IT-Branche schon seit geraumer Zeit an der Schaffung von alltagstauglichen Möglichkeiten zur zeitgesteuerten und irreversiblen Löschung von Daten arbeitet, stehen den Löschungswilligen technische Möglichkeiten zur dauerhaften Löschung von Daten bislang nur in begrenztem Umfang zur Verfügung.15 Beispielsweise hat ein Spin-Off Unternehmen der Universität des Saarlandes16 im Jahr 2011 ein (zunächst) erfolgversprechendes Programm zur selbstbestimmten Datenverbreitung vorgestellt; mit Hilfe der kostenpflichtigen Anwendung X-pire können Anwender ihre Fotos vor dem Veröffentlichen im Internet mit einem Verfallsdatum und einem digitalen Schlüssel ausstatten. Beim Versuch, ein so bearbeitetes Bild abzurufen, prüft der Browser zunächst, ob der Schlüssel noch gültig ist. Für den Fall, dass dieser bereits abgelaufen ist, erscheint ein Hinweis auf das Erreichen des Verfallsdatums, die Datei wird nicht geladen und das Bild «verschwindet» förmlich aus dem Internet.17 Angesichts der Möglichkeit, von Bildern während der Gültigkeitsdauer mittels eines Mausklicks Kopien in Form von Screenshots zu erstellen, sind allerdings auch dieser Anwendung Grenzen gesetzt.18

III.

Europäische Regelungen zum Recht auf Vergessen(werden) ^

1.

Status Quo in Europa ^

a)
Europarat ^
[8]
Aufgrund des kontinuierlich zunehmenden grenzüberschreitenden Datenverkehrs vereinbarten die (damaligen) Mitgliedsstaaten des Europarats anfangs 1981 zur Sicherstellung eines einheitlichen Datenschutzniveaus das «Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich Kontrollstellen und grenzüberschreitendem Datenverkehr» (Europäische Datenschutzkonvention, DSK);19 mit der Konvention einigten sie sich auf einen gemeinsamen Datenschutzstandard für automatisiert verarbeitete personenbezogene Daten.20 Zwar enthält die Datenschutzkonvention kein Recht, eigenständig über das Löschen von persönlichen Informationen im Netz zu entscheiden; dennoch wird jedem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt, seine Daten ggf. berichtigen oder löschen zu lassen, sofern ihre Verarbeitung entgegen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts erfolgt ist (Art. 8 lit. c DSK).21
b)
Europäische Union ^
[9]
In der Europäischen Union hatten die Mitgliedsländer schon vor vielen Jahren die am 13. Dezember 1995 in Kraft getretene Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. Oktober 1995 (Datenschutzrichtlinie, DS-RL) in nationales Recht umzusetzen. Ein Recht auf Vergessen im Sinne eines Löschungsanspruchs kann der Richtlinie nicht entnommen werden. Jedoch obliegt es den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass personenbezogene Daten sachlich richtig und auf dem neuesten Stand sind (Art. 6 Abs. 1 lit. d DS-RL) sowie dass personenbezogene Daten nicht über die Erreichung des Zwecks hinaus in einer die Identifizierung der betroffenen Person ermöglichenden Form aufbewahrt werden (Art. 6 Abs. 1 lit. e DS-RL).
c)
Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung ^
[10]

Um den Internetnutzern im Zeitalter der Informationsüberflutung und des «digitalen Exhibitionismus»22 mehr Kontrolle über die «eigenen» Daten einzuräumen, hat die Europäische Kommission nach mehrmonatigen öffentlichen Beratungen Ende 2010 eine Mitteilung über ein Gesamtkonzept für den Datenschutz in der Europäischen Union veröffentlicht.23 Anfang 2012 hat sie darüber hinaus zur Sicherstellung eines einheitlichen und hohen Datenschutzniveaus eine umfassende Reform der bestehenden EU-Datenschutzvorschriften angekündigt.24 Zeitgleich hat die EU-Kommission einen Vorschlag für die Änderung der EU-Datenschutzrichtlinie vorgelegt;25 dieser umfasst neben einer Mitteilung zum Datenschutz im 21. Jahrhundert insbesondere den Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVo).26

[11]
Im Unterschied zur Datenschutzkonvention und zur Datenschutzrichtlinie räumt der erste Entwurf zur DS-GVo den Betroffenen ein Recht auf Vergessenwerden ausdrücklich ein, vorausgesetzt die Speicherung der eigenen Daten ist unter Verstoss gegen die Verordnung erfolgt.27 In diesem Sinne soll jede «betroffene Person das Recht [haben], von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten und die Unterlassung jeglicher weiteren Verbreitung dieser Daten zu verlangen» (Art. 17 DS-GVo). Dem Entwurf zufolge soll dieses Recht auf Vergessenwerden insbesondere dann Anwendung finden, wenn es sich bei den fraglichen personenbezogenen Daten um im Kindesalter veröffentlichte Informationen handelt, die für die Zwecke, für welche sie vormals erhoben bzw. verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1a) DS-GVo), gegen deren Verarbeitung ein Widerspruch vorliegt (Art. 17 Abs. 1c) DS-GVo), bzw. für welche die einmal erteilte Einwilligung widerrufen wurde (Art. 17 Abs. 1b) DS-GVo), oder wenn die Verarbeitung der Daten aus anderen Gründen nicht mit der Verordnung vereinbar ist (Art. 17 Abs. 1d) DS-GVo). Sofern der Datenbearbeiter die in Frage stehenden Daten öffentlich gemacht hat, ist er zudem auch verpflichtet, alle vertretbaren Schritte zu unternehmen, um Dritte, welche die Daten verarbeiten, über das Löschungsbegehren zu informieren (Art. 17 Abs. 2 DS-GVo).28
[12]

Nach Übermittlung des Grundverordnungsentwurfs durch die Kommission29 konnte sich das Europäische Parlament relativ zügig auf eine gemeinsame Position verständigen;30 anstelle des ursprünglich im Kommissionsentwurf vorgesehenen «Rechts auf Vergessenwerden» sieht Art. 17 der DS-GVO ein geringfügig erweitertes Recht auf Berichtigung und Löschung vor.31 Die Einigung des Ministerrats steht bislang noch aus. Im Juni 2013 scheiterte der Entwurf der irischen Ratspräsidentschaft an den Bedenken der Vertreter Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs32 und auch anfangs Dezember 2013 in Brüssel konnte keine Einigung über die wesentlichen Streitfragen erzielt werden.33 Daraufhin verständigten sich die EU-Kommission, die amtierende griechische Ratspräsidentschaft und die künftige italienische Ratspräsidentschaft im Rahmen des Ende Januar 2014 in Athen34 durchgeführten informellen Justiz- und Innenministerrats darauf, die Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem EU-Parlament (sog. Trilogverhandlungen) nach Wahl des neuen EU-Parlaments zügig aufzunehmen;35 der Trilogbeginn wurde auf Juli 2014 terminiert, doch sind bisher keine Fortschritte zur Verabschiedung der DS-GVO zu erkennen.36

2.

Google-Spanien-Entscheid im Besonderen ^

[13]

Im Rahmen seines am 13. Mai 2014 erlassenen Urteils im Vorabentscheidungsverfahren zwischen den spanischen Datenschutzbehörden und der Internetsuchmaschine Google hat sich der EuGH nunmehr für ein «Recht auf Vergessen» ausgesprochen.

[14]

Hintergrund dieses Verfahrens war die Forderung des Spaniers Mario Costeja González, die nach Eingabe seines Namens erscheinende Information über bzw. die Verlinkung auf eine im Jahr 1998 infolge unbezahlter Sozialversicherungsbeiträge gerichtlich angeordnete Zwangsversteigerung seines Hauses aus dem Internet zu löschen, weil die Pfändung seit Jahren vollständig erledigt sei und folglich keine Erwähnung mehr verdiene. Nachdem der zuständige Seitenbetreiber (Verleger) die Löschung verweigert hatte,37 wandte sich der Betroffene direkt an Google. Der Suchmaschinenbetreiber kam seinem Begehren, alle vorhandenen Verknüpfungen zu dieser Information zu entfernen, nicht nach. Zur Begründung trug Google unter anderem vor, dass allein der «Verbreiter» der Information der richtige Ansprechpartner für ein solches Anliegen sei38 und die geforderte Löschung der Verlinkung darüber hinaus einer Einschränkung der Meinungsfreiheit gleichkäme.39 Die hiergegen Anfang 2011 bei der Agencia Española de Proteccións de Datos (AEPD) gegen Google eingereichte Beschwerde40 hiess die spanische Datenschutzagentur gut.41 Nachdem Google die Verlinkung noch immer nicht löschen wollte, klagte die AEPD erfolgreich vor dem Audencia Nacional (Nationales Obergericht, Spanien), woraufhin das Verfahren im Rahmen der Google-seitig eingelegten Berufung als Vorabentscheidungsersuchen vor den Europäischen Gerichtshof gelangte. Die dem EuGH in diesem Zusammenhang vorgelegten Fragen betrafen neben dem räumlichen Anwendungsbereich der Europäischen Datenschutzrichtlinie und der Einstufung der Tätigkeit von Google als «Verarbeitung» von personenbezogenen Daten insbesondere die Tragweite des in der Datenschutzrichtlinie enthaltenen Rechts auf Löschung und/oder Widerspruch gegen die Verarbeitung und das Vorhandensein eines Rechts auf «Vergessenwerden».42

[15]

Der EuGH sieht den räumlichen Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie als gegeben an. In Bezug auf personenbezogene Daten, die auf den Seiten von Drittanbietern erscheinen, stuft der EuGH den Betreiber einer Internetsuchmaschine für die seinerseits vorgenommene Verarbeitung als verantwortlich ein;43 dem Gericht zufolge nehme Google Datenerhebungen im Sinne der Datenschutzrichtlinie vor, indem das Unternehmen automatisch, kontinuierlich und systematisch im Internet veröffentlichte Informationen aufspüre, diese dann mit speziellen Programmen auslese und speichere, sowie sie abschliessend den Nutzern der Suchmaschinen in Form von Suchergebnislisten zur Verfügung stelle.44

[16]

Mit Blick auf die Tragweite des in diesem Zusammenhang fraglichen Rechts auf Löschung bzw. Widerspruch gegen die Verarbeitung und auf die Frage nach der Existenz eines «Rechts auf Vergessen» hat das Gericht dafür gehalten, dass ein (wenngleich nicht absolutes) Recht auf Vergessenwerden existiere. Demzufolge müssten Verlinkungen auf Artikel, die nach Eingabe eines Namens45 erscheinen, dann auf Antrag gelöscht werden, wenn im Einzelfall festgestellt werde, dass die Einbeziehung des Links in die Suchergebnisliste zu dem fraglichen Zeitpunkt nicht mit der Europäischen Datenschutzrichtlinie vereinbar gewesen sei.46 Die Interessen der Betroffenen, die fraglichen Informationen nicht mehr der breiten Öffentlichkeit durch Einbeziehung in eine Suchergebnisliste zur Verfügung zu stellen, überwiegen dem Gericht zufolge bei nicht in der Öffentlichkeit stehenden Personen grundsätzlich die wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenbetreibers und darüber hinaus auch das Interesse der breiten Öffentlichkeit, Zugang zur Information zu erhalten.47 Detaillierte Angaben zur Frage des Zeitpunkts, ab welchem die fraglichen Informationen «informationsunwürdig» werden, machte das Gericht hingegen nicht48 und trug nur ergänzend vor, dass Betroffene ihre Anträge unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber richten können.49

3.

Sachlage nach dem Google-Spanien-Entscheid ^

[17]
Der Umstand, dass die Verbreitung und der Empfang von Informationen im Internet infolge der Beseitigung von technischen und institutionellen Schranken heute praktisch jedermann zugänglich sind,50 rückt die Frage der «Beseitigung» von unerwünschten Daten zum Schutz der Privatsphäre vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Viele Stimmen werten daher den Google-Spanien-Entscheid des EuGH und das darin enthaltene Recht auf Vergessen(werden) als wichtigen Schritt in Richtung Schaffung eines selbstbestimmten Internets.
[18]

Obgleich Google nach wie vor die Meinung vertritt, dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit folgend seien Löschungsanträge an den Herausgeber der Internetseite zu richten, der eher in der Lage sei, die Rechtmässigkeit der Veröffentlichung zu beurteilen und zudem über wirksame Mittel zur Beseitigung der veröffentlichten Informationen verfüge, hat der Suchmaschinenbetreiber unmittelbar nach Erlass des Urteils ein Verfahren für Löschungsanträge vorgestellt. Zur Prüfung eines Löschungsbegehrens ist dieses im bereitgestellten Onlineformular ausführlich zu begründen; um den Missbrauch der Funktion zu vermeiden, muss zudem die Kopie eines gültigen Ausweises hochgeladen werden. Google prüft sodann für jeden Antrag individuell, «ob ein öffentliches Interesse an den Informationen besteht, zum Beispiel, ob es um finanzielle Betrugsfälle, Berufsvergehen oder Amtsmissbrauch, strafrechtliche Verurteilungen oder das öffentliche Verhalten von Regierungsbeamten geht». Darüber hinaus hat Google bereits angekündigt, in den nächsten Monaten eng mit Datenschutzbehörden und anderen Stellen zusammenzuarbeiten und die eigenen Mechanismen kontinuierlich zu verbessern.51 Zur Umsetzung des EuGH-Urteils hat Google einen unabhängigen Beirat zur Erarbeitung von Richtlinien eingerichtet, dem neben Wikipedia-Gründer Jimmy Wales unter anderem auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angehört; am 26. November 2014 verabschiedeten darüber hinaus die in der Artikel 29 Data Protection Working Party (WP 29) zusammengeschlossenen europäischen Datenschutzbehörden eigene Leitlinien für die Umsetzung des Google-Urteils des EuGH.52

[19]

Ungeachtet der mit dem Urteil verbundenen Möglichkeit, freier über die eigenen, im Netz veröffentlichten Daten zu verfügen und damit den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart zu minimieren,53 nimmt die Kritik am EuGH-Urteil und der Umsetzung seitens Google zu. Hauptkritikpunkt ist hierbei die Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit, und zwar mit dem Hinweis darauf, den Internetnutzern werde infolge des Löschens von Verlinkungen aus Suchergebnislisten der Zugang zu den gesuchten Informationen erschwert oder praktisch verunmöglicht. Hinsichtlich der Umsetzung des EuGH-Urteils steht Google zudem in der Kritik, Löschungsanträgen im Zweifel vorschnell stattzugeben.54

C.

Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit durch das Google-Urteil? ^

I.

Verankerung der Meinungsäusserungsfreiheit ^

[20]
Die Meinungsäusserungsfreiheit, d.h. das subjektive Recht auf die freie Rede, stellt eines der grundlegendsten Rechte demokratischer Systeme dar. In engem Zusammenhang mit dem Recht auf freie Äusserung der eigenen Meinung sichert darüber hinaus die Informationsfreiheit den Zugang zu wichtigen Informationen, ohne die eine kritische Meinungsbildung gar nicht erst möglich wäre. Angesichts seiner fundamentalen Bedeutung ist das Recht auf die freie Äusserung und öffentliche Verbreitung einer Meinung in Wort, Schrift und Bild heute in einer Vielzahl von Regelsammlungen verankert, so beispielsweise in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

1.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ^

[21]
Gemäss Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen55 beinhaltet das jedermann zustehende Recht auf die freie Äusserung der eigenen Meinung neben der Freiheit, die eigene Meinung ungehindert preiszugeben, auch den subjektiven Anspruch, über jegliche Medien ungeachtet jeglicher Grenzen Informationen und Meinungen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

2.

Menschenrechtskonvention des Europarates ^

[22]
Die zwei Jahre später in Rom unterzeichnete56 und am 3. September 1953 allgemein in Kraft getretene Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) räumt in Art. 10 jeder Person das Recht auf freie Meinungsäusserung ein, hebt jedoch auch hervor, dass die Ausübung der Freiheit mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist. Neben der Meinungsfreiheit schliesst die Freiheit der Meinungsäusserung die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

3.

Charta der Grundrechte der Europäischen Union ^

[23]

Mit ähnlichem Wortlaut findet sich die Meinungsäusserungsfreiheit in Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert.57 Über die Meinungsäusserungsfreiheit hinaus ist auch hier das Recht erfasst, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.58 Hierauf nimmt der Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung Bezug, der ausdrücklich betont, dass das «Recht auf Schutz der Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäusserung geltenden Vorschriften nach Massgabe der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Einklang zu bringen» ist.59

II.

Recht auf Vergessen(werden) des EuGH vs. Meinungsäusserungsfreiheit ^

1.

Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit ^

[24]

David Drummond, Chef der Rechtsabteilung von Google, sieht das EuGH-Urteil im Widerspruch zum in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verankerten Recht auf freie Meinungsäusserung.60 In diesem Zusammenhang trägt der (hauptsächlich betroffene) Suchmaschinenbetreiber unter anderem vor, dass das Entfernen von Verlinkungen auf unzureichende oder nicht länger relevante Informationen einer Zensur der betreffenden Informationen ohne zureichenden Grund gleichkäme.61 Hierdurch könnten beispielsweise Politiker versuchen, unliebsame Kritik entfernen zu lassen oder straffällig gewordene Personen könnten versuchen, Berichte über ihre Straftaten praktisch unauffindbar zu machen. Selbst wenn durch die Löschung von Verlinkungen die in Frage stehenden Informationen nicht entfernt und im Netz verbleiben würden, sei dennoch der Zugang zu diesen Daten stark erschwert; dies könnte zur Folge haben, dass Informationen praktisch nicht mehr auffindbar seien, was einer Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit gleichkäme.

[25]

Mit seiner Kritik am EuGH-Urteil und den Bedenken im Hinblick auf die Gefährdung der Meinungsäusserungsfreiheit steht Google nicht allein da. So betonte bereits der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Niilo Jääskinen, im Rahmen seiner Schlussanträge vom 25. Juni 2013, dass es infolge des Siegeszugs des Internets zu bisher unbekannten Verhältnissen gekommen sei, «in deren Rahmen verschiedene Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäusserung, die Informationsfreiheit und die unternehmerische Freiheit auf der einen Seite und der Schutz personenbezogener Daten sowie der Privatsphäre des Einzelnen auf der anderen Seite in ein Gleichgewicht gebracht werden müssen».62 Im Hinblick auf die Frage, ob Personen in Bezug auf (rechtmässig) veröffentlichte Daten ein Recht auf Vergessenwerden zustehe, hat der Generalanwalt ausgeführt, dass die Datenschutzrichtlinie kein allgemeines Recht auf Vergessen enthalte, dass aber Betroffene berechtigt seien, die Datenverbreitung zu beschränken oder sogar zu unterbinden, und zwar allein mit der Begründung, die in Frage stehenden Informationen wären für sie abträglich oder würden ihren Interessen zuwiderlaufen.63

[26]
In diesem Zusammenhang hat der Generalanwalt darauf verwiesen, dass die in Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Meinungsäusserungsfreiheit neben dem Recht der Webseitenurheber auf Verbreitung der eigenen Meinung durch das Veröffentlichen von Inhalten insbesondere auch das Recht der Internetnutzer schütze, nach im Internet verfügbaren Informationen zu suchen, sei es nun auf den Quellenwebseiten oder im Rahmen der durch Internetsuchmaschinen bereitgestellten Suchergebnislisten;64 dabei stelle die mit Hilfe von Suchmaschinen durchgeführte Suche nach im Internet veröffentlichten Informationen in der heutigen Informationsgesellschaft eine wichtige Konkretisierung der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit dar.65
[27]
Zwar könnten Betroffene auch im Hinblick auf bereits veröffentlichte Informationen das Recht auf Achtung des Privatlebens geltend machen, dennoch müsse dieses Grundrecht sorgfältig gegen andere Grundrechte und insbesondere gegen die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit abgewogen werden.66 Im Ergebnis hat der Generalanwalt festgehalten, dass die Datenschutzrichtlinie betroffenen Personen nicht das Recht verleihe, von Suchmaschinenanbietern zu verlangen, die Indexierung der sie betreffenden Informationen zu verhindern, weil ein solches Recht seiner Ansicht nach einer Opferung der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit gleichkommen würde.67 Ungeachtet dieser ausführlichen Grundrechtserwägungen des Generalanwalts hat sich der EuGH in seinem anschliessend ergangenen Urteil weder mit der Meinungsäusserungs- noch mit der Informationsfreiheit konkret auseinandergesetzt.
[28]
Im Rahmen der Debatte um mögliche Eingriffe in die Meinungsäusserungsfreiheit äusserte sich Johannes Masing, Richter am Deutschen Bundesverfassungsgericht, in seinem Mitte August veröffentlichten Positionspapier dahingehend, dass seiner Ansicht nach die Entscheidung des EuGH ein Ungleichgewicht in die Balance von Persönlichkeitsschutz und Kommunikationsfreiheit bringe, welches «die liberalen Linien des Äusserungsrechts zu unterlaufen drohe».68 Darüber hinaus seien Suchmaschinen gar nicht in der Lage, die sich gegenüberstehenden Interessen von Internetseitenbetreibern (Kommunikationsinteresse) und Betroffenen (Schutz der Privatsphäre) zu beurteilen.69 Infolge des EuGH-Urteils werde Google zu einer «privaten Schiedsinstanz mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen über die Kommunikation im Netz» erhoben70 und müsste gleich einem Verfassungsrichter zwischen zwei Grundrechten abwägen, im Detail dem Recht des Einzelnen auf Schutz der Privatsphäre und dem Recht der Öffentlichkeit auf Informationsweitergabe.

2.

Vereinbarkeit mit Meinungsäusserungsfreiheit ^

[29]
Die Verfechter des EuGH-Urteils sehen im (einzelfallbezogen nach Abwägung aller Interessen) zugestandenen Recht auf Vergessenwerden hingegen keine Bedrohung für die Freiheit der Meinungsäusserung.71 Indem das Urteil die Löschung der Links zu den Informationen erfasse, nicht jedoch die Löschung der Information an sich, werde praktisch der Bibliothekskatalog zensiert, während die Bücher weiter im Regal stehen blieben. Das Entfernen einer Verlinkung aus der Liste der Suchergebnisse habe keinen direkten Einfluss auf die Information an sich, selbst wenn das Auffinden derselben in Anbetracht der überbordenden Menge an im Netz verfügbaren Informationen (unbestritten) erschwert werde.
[30]

Zur Entkräftung des Verletzungsvorwurfs wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Öffentlichkeit schon per se kein Recht darauf habe, von jedem einzelnen Menschen unbegrenzt alles zu wissen.72 Zudem habe Google unter Einsatz von (nur dem Suchmaschinenbetreiber bekannter) Algorithmen lediglich vorhandene Daten zusammengeführt und damit Informationen überhaupt erst sichtbar gemacht, die der Einzelne ohne Einsatz einer Suchmaschine wahrscheinlich nie «gefunden» hätte. Indem nur die Verlinkung auf eine Information, jedoch nicht die Information selbst gelöscht werde, sei eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäusserung nicht gegeben.

[31]

Zudem bezieht sich das EuGH-Urteil einzig auf Suchergebnisse, die infolge der ausschliesslichen Eingabe eines Namens erscheinen; Suchanfragen mit ergänzenden Angaben wie beispielsweise «Monika Müller, Anwalt» werden hingegen nicht erfasst. Darüber hinaus löscht Google die Verlinkungen lediglich auf den jeweiligen Länderseiten, nicht jedoch auf www.google.com, d.h. die Informationen bleiben damit nach wie vor abrufbar. Selbst wenn der Internetnutzer nach Eingabe von www.google.com zunächst auf die jeweilige Länderkennung umgeleitet werden sollte, lässt sich die .com-Seite mittels eines Mausklicks aufrufen.

[32]

Schliesslich verweist Google im Falle einer Löschung von Links darauf, dass «Suchergebnisse möglicherweise aufgrund europäischen Datenschutzrechts modifiziert» wurden.73 Indem der Internetnutzer durch diesen Hinweis darüber informiert wird, dass es weitergehende Datensätze über die fragliche Person im Internet geben könnte und er diese dann über google.com suchen kann, liegt auch keine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit vor.

3.

Würdigung/Analyse ^

[33]

Ungeachtet der Tatsache, dass der Begriff «Recht auf Vergessenwerden» terminologisch bereits widersprüchlich ist – Vergessen läuft im Gehirn ab und lässt sich nicht direkt steuern, das heisst es geht eher um eine «Unterlassung des öffentlichen In-Erinnerung-Rufens»74 – kann der Kritik, mit dem Löschen eines Links werde der Zugang zur fraglichen Information verhindert und damit die Meinungsäusserungsfreiheit verletzt, nur bedingt gefolgt werden.

[34]
Wie bereits dargelegt, beinhaltet das Recht auf freie Äusserung der eigenen Meinung neben der Freiheit, die eigene Meinung ungehindert preiszugeben, auch den subjektiven Anspruch, über alle Medien ungeachtet jeglicher Grenzen Informationen und Meinungen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Indem auf Antrag die Verlinkung zu einer Information entfernt wird, die Information selbst jedoch nach wie vor auf der Quellenseite abrufbar bleibt, wird die Preisgabe der Meinung des Verfassers/Bereitstellers der fraglichen Information nicht direkt beeinträchtigt.
[35]

Jedoch könnte die Meinungsäusserungsfreiheit dahingehend angetastet worden sein, dass Informationssuchende in ihrer Suche eine (mehr oder weniger starke) Behinderung erfahren. Aufgrund der überbordenden Menge an im Internet verfügbaren Daten wird der Internetnutzer ohne Einsatz einer sich bestimmten Algorithmen bedienenden Suchmaschine wahrscheinlich nicht oder zumindest nicht so schnell auf die gesuchte Information zugreifen können. Sollte sich Google zudem nachweisbar auf der Seite der Antragsteller positionieren und im Zweifel Verlinkungen eher löschen, als sich der Gefahr rechtlicher Schritte seitens der Antragsteller auszusetzen, würde dies eine nicht unbeachtliche Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit zur Folge haben.75

[36]

Fraglich ist jedoch, ob der schnelle und leichte Informationszugang überhaupt von der Meinungsäusserungsfreiheit abgedeckt ist. Haben Internetnutzer einen Anspruch auf die Vollständigkeit der Suchergebnislisten von Suchmaschinenanbietern?76 Und wenn ja, wie wäre es in diesem Kontext beispielsweise zu werten, dass Google seinen verwendeten Suchalgorithmus bis heute nicht offengelegt hat? Für Internetnutzer ist damit nach wie vor nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien der Suchmaschinenanbieter seine Ergebnisse sortiert. So steht Google schon seit geraumer Zeit in der Kritik, das Unternehmen würde die angezeigten Suchergebnislisten zu seinen eigenen Gunsten manipulieren und bevorzugt eigene Dienste in den Suchergebnissen anzeigen; ein diesbezügliches Verfahren ist seit 2010 bei der EU-Wettbewerbskommission anhängig.77

[37]
In diesem Zusammenhang forderte (neben anderen) der deutsche Bundesjustizminister Heiko Maas Google Ende September 2014 (wiederholt) auf, bezüglich seiner Suchalgorithmen mehr Transparenz zu schaffen. Mit Blick auf die stetig zunehmende Bedeutung von Suchmaschinen für das tägliche Leben und die Dominanz von Google mit einem Marktanteil von über 90 Prozent in Europa78 müsse darauf geachtet werden, dass diese Macht nicht missbraucht werde.79 Google selbst sieht sich zu Unrecht kritisiert und weist jegliche Manipulationen zurück.80
[38]

Zur Sicherstellung der Transparenz von Suchergebnissen stimmte überdies die Mehrheit der Abgeordneten des EU-Parlaments am 27. November 2014 in einer nicht bindenden Resolution für die Entflechtung von Internet-Suchmaschinen und kommerziellen Angeboten. Obgleich Google im Rahmen der Entschliessung, das Suchmaschinengeschäft von anderen Unternehmensbereichen abzutrennen, nicht ausdrücklich genannt wird, wären die Folgen für den Internetgiganten im Falle einer Bestätigung durch die EU-Kommission am gravierendsten. Die EU-Kommission ist zwar nicht an das Votum gebunden, wird hierdurch jedoch einem verstärkten politischen Druck ausgesetzt.81

III.

Exkurs: Recht auf Vergessen (im eigentlichen Sinn) vs. Meinungsäusserungsfreiheit ^

[39]

Im Unterschied zum Recht auf Vergessenwerden des EuGH, welches lediglich die Verlinkung zu einer Information beseitigt, zielt das Recht auf Vergessen (im eigentlichen Sinne) auf die vollständige, dauerhafte Löschung von Daten aus dem Internet. Wie vorab bereits ausgeführt, sollen Internetnutzer hierdurch selbst über ihre «eigenen» Daten verfügen können, was auch die zukünftige Verfügbarkeit einschliesst.

[40]
Ein solches Recht auf Datenbeseitigung wäre unbestritten dazu geeignet, bei fehlender Interessenabwägung das Recht auf freie Meinungsäusserung zu tangieren, vorausgesetzt die vollständige Löschung der Information ist überhaupt noch möglich. Wurde die fragliche Information bereits kopiert und weiterverbreitet oder erfolgt die Löschung (wie aktuell im Fall von beispielsweise google.ch und google.com) nur partiell, ist das anvisierte vollständige Vergessen praktisch ausgeschlossen. Wird dem Informationssuchenden der Zugang zu den in Frage stehenden Informationen hingegen vollständig verunmöglicht, kann die Meinungsäusserungsfreiheit verletzt sein.82

D.

Ausblick ^

[41]
Inwieweit das durch den EuGH statuierte Recht auf Vergessen(werden) letztlich dazu geeignet ist, die (seitens des EuGH in Einzelfällen höher gewichtete) Privatsphäre von Privatpersonen zu schützen, bleibt in der Realität fraglich. Zum einen wirkt sich das Löschen bislang nur in Europa aus; Verlinkungen werden lediglich auf der jeweiligen europäischen Länderseite gelöscht,83 hingegen nicht auf www.google.com. Auch erfasst das «Recht auf Vergessenwerden» des EuGH nur Suchanfragen, die sich ausschliesslich auf einen einzelnen Namen beziehen, um so ein Ausforschen nach dem Zufallsprinzip zu unterbinden. Folglich bleiben die umstrittenen Informationen über einen kleinen Umweg, sei es über google.com oder eine umfangreichere Suchanfrage, nach wie vor abrufbar. Indem Google nunmehr standardmässig darauf verweist, dass die angezeigten Suchergebnisse infolge des Google-Urteils unvollständig sein könnten, bringt der Suchmaschinenbetreiber die Informationssuchende wohl oft erst auf die Idee, ihre Suche (gerade auch) auf diese unerwünschten Informationen auszudehnen, was wiederum dem Grundgedanken des EuGH zuwiderläuft. Diesen sogenannten Streisand-Effekt84 hat der US-amerikanische Komiker John Oliver treffend auf den Punkt gebracht: «The only thing I know about him is the only thing he didn’t want me to know».85 Das stark umstrittene «Recht auf Vergessenwerden» des EuGH stellt sich bei genauerer Betrachtung eher als «Recht, schwer gefunden zu werden» heraus. Wer (wirklich) sucht, der findet (noch immer). Folglich verletzt das «Recht Vergessen zu werden» des EuGH per se nicht die Meinungsäusserungsfreiheit.

 

Prof. Dr. Rolf H. Weber ist Ordinarius für Privat-, Wirtschafts- und Europarecht an der Universität Zürich und Visiting Professor an der Hong Kong University, Hong Kong, sowie Konsulent in der Anwaltskanzlei Bratschi, Wiederkehr & Buob, Zürich.

 

RAin Ulrike I. Heinrich ist Forschungsassistentin an der Universität Zürich.

  1. 1 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014, Google Spain SL, Google Inc. / Agencia Espanola de Protección de Datos, Mario Costeja González, CR 2014, 460, Tenor Nr. 1.
  2. 2 Vgl. Google Transparenzbericht, Ersuchen zur Löschung von Suchergebnissen gemäss europäischem Datenschutzrecht, abrufbar unter http://www.google.com/transparencyreport/removals/europeprivacy/?hl=de (alle Internetquellen zuletzt besucht am 16. November 2014).
  3. 3 Vgl. dpa, Google reagiert auf das EuGH-Urteil, NZZ Nr. 112, 16. Mai 2014, S. 2.
  4. 4 Vgl. Rolf H. Weber, The Right to be Forgotten – More than a Pandora’s Box?, JIPITEC 2011, 120–130, S. 120 f.
  5. 5 Der Unterabschnitt basiert auf Ulrike I. Heinrich/Rolf H. Weber, Braucht die Schweiz ein Recht auf Vergessen im Internet?, in: Astrid Epiney/Stefan Diezig (Hrsg.), Jahrbuch Europarecht, Zürich 2014, S. 302–309.
  6. 6 Schon seit geraumer Zeit wird darüber diskutiert, ob es nicht angebracht sei, historische Ungerechtigkeiten zu «vergessen», um etwa Rassendiskriminierungen oder Völkerrechtsverletzungen nach Ablauf einer (längeren) Frist nicht mehr als Anlass für politische «Sanktionen» benutzen zu können. Dieser Kontext betrifft in der englischen Sprache jedoch das «right to forget» (Recht zu vergessen) und nicht das vorliegend in Frage stehende «right to be forgotten» (Recht, vergessen zu werden); vgl. dazu Gregory W. Streich, Is There a Right to Forget? Historical Injustices, Race, Memory, and Identity, New Political Science 2002, 525–542, S. 525 ff.
  7. 7 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn.1).
  8. 8 Vgl. Laurent Checola, «Droit à l'oubli» sur Internet : une charte signée sans Google ni Facebook, 13. Oktober 2010, http://www.lemonde.fr/technologies/article/2010/10/13/droit-a-l-oubli-sur-internet-une-charte-signee-sans-google-ni-facebook_1425667_651865.html.
  9. 9 Die EU-Kommission hat in dem Zusammenhang vorgeschlagen, im Rahmen der Revision der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG vertieft über ein Recht auf Vergessen nachzudenken, vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Gesamtkonzept für den Datenschutz in der Europäischen Union, KOM(2010) 609 endg., 4. November 2010.
  10. 10 Vgl. Marian Arning/Flemming Moos/Jens Schefzig, Vergiss(,) Europa, Computer und Recht, 7/2014, 447–456, S. 447.
  11. 11 In den seltensten Fällen handelt es sich nur um auf die eigene Internetseite gestellte Bilder, welche sich in der Regel problemlos entfernen lassen.
  12. 12 Dass viele Webseitenbetreiber ihren Sitz im Ausland haben, erschwert die (gerichtliche und aussergerichtliche) Verfolgung und Durchsetzung der Ansprüche ungemein.
  13. 13 So zum Beispiel «reputation-defender», «secure.me» oder «dein guter Ruf».
  14. 14 Vgl. http://www.reputation-defender.de/; neben der Analyse der bereits im Netz kursierenden Daten bieten die «digitalen Kehrmaschinen» auch ein sog. Reputationsmanagement an, das alte Einträge durch das Hochladen aktuellerer Texte in der Google-Suchergebnisliste nach hinten verschiebt, was deren Auffinden für den Durchschnittsnutzer schwieriger macht, vgl. Diana Fröhlich, Die digitalen Kehrmaschinen, Das Handelsblatt, 11. September 2012, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/strategie/ruf-verteidiger-im-netz-die-digitalen-kehrmaschinen/7118542.html.
  15. 15 Vgl. Lukas Kurtz/Melanie Studer/Elke Brucker-Kley, Technische Möglichkeiten des digitalen Vergessens im Internet, 25. Juni 2012, abrufbar unter http://ares.zhaw.ch/digitalessterben/?p=1439; bereits 2009 wurde an der Universität Washington D.C. der Daten-Selbstzerstörungsmechanismus «Vanish» zur gezielten Löschung elektronischer Nachrichten entwickelt, basierend auf verschlüsselten, nur für ein vorher festgelegtes Zeitfenster lesbaren Datenelementen; binnen kurzer Zeit gelang es Hackern jedoch, die Verschlüsselung zu umgehen und bereits zerstörte Datenelemente zu rekonstruieren, vgl. Ed Felten, Breaking Vanish: A Story of Security Research in Action, 29. September 2009, abrufbar unter https://freedom-to-tinker.com/blog/felten/breaking-vanish-story-security-research-action/.
  16. 16 Backes SRT.
  17. 17 Hierbei bleibt jedoch zu beachten, dass das Bild nicht gelöscht wird; vielmehr wird nur der Zugriff darauf blockiert.
  18. 18 Zur Kritik vgl. n.a. Ekkehard Kern, «Digitaler Radiergummi» bekommt schlechtes Zeugnis, Berliner Morgenpost, 24. Januar 2011, abrufbar unter http://www.morgenpost.de/wirtschaft/article1521180/Digitaler-Radiergummi-bekommt-schlechtes-Zeugnis.html.
  19. 19 Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich Kontrollstellen und grenzüberschreitendem Datenverkehr, SEV Nr. 108, 28. Januar 1981, abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/108.htm; am 8. November 2001 einigten sich die Vertragspartner zudem auf die Ergänzung der Europäischen Datenschutzkonvention durch ein Zusatzprotokoll, vgl. Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich Kontrollstellen und grenzüberschreitendem Datenverkehr, SEV Nr. 181, 8. November 2001, abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/181.htm; mit der Unterzeichnung mussten die in der Konvention enthaltenen Datenschutzprinzipien (Grundsatz der Datenverarbeitung nach Treu und Glauben, Erforderlichkeitsprinzip, Zweckbindungsgrundsatz, Informationsanspruch des Betroffenen) in nationales Recht umgesetzt werden.
  20. 20 Verarbeitung der personenbezogenen Daten mit IT-Unterstützung; ausschliesslich manuell verarbeitete personenbezogene Daten unterliegen nicht dem Anwendungsbereich der Datenschutzkonvention.
  21. 21 Darüber hinaus soll jedermann über ein Rechtsmittel verfügen, «wenn seiner Forderung nach Bestätigung oder gegebenenfalls nach Mitteilung, Berichtigung oder Löschung [...] nicht entsprochen wird» (Art. 8 lit. d DSK).
  22. 22 Vgl. Joachim Güntner, Digitaler Exhibitionismus: Soziale Online-Netzwerke wie Facebook fördern den laxen Umgang mit Privatheit – ist der Vorwurf berechtigt?, NZZ online vom 14. April 2010.
  23. 23 Kern der Reformüberlegungen ist die Überarbeitung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Gesamtkonzept für den Datenschutz in der Europäischen Union, KOM(2010) 609 endgültig, 2 ff., 4. November 2010, abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/news/consulting_public/0006/com_2010_609_de.pdf.
  24. 24 Vgl. Europäische Kommission, Kommission schlägt umfassende Reform des Datenschutzrechts vor, um Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben und die Kosten für Unternehmen zu verringern, Presseerklärung vom 25. Januar 2012, IP/12/46, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-46_de.htm.
  25. 25 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), KOM(2012) 11 endgültig, 25. Januar 2012, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0011:FIN:DE:PDF.
  26. 26 Dieser durch die Justizkommissarin Viviane Reding erarbeitete Verordnungsentwurf sieht neben umfassenderen Sanktionsmöglichkeiten bei Datenschutzverstössen u.a. vor, dass Daten von EU-Bürgern nur unter ausdrücklicher und zweckbezogener Einwilligung der Betroffenen erhoben und verwendet werden dürfen. Zudem stärkt der Entwurf den betrieblichen Datenschutz und erhöht die Anforderungen an das Erstellen von. Dabei gelten die EU-Datenschutzbestimmungen auch für nicht-europäische Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon, wenn diese ihre Dienste in der EU anbieten.
  27. 27 Entwurf Datenschutz-Grundverordnung (Fn. 25), Erwägung 53.
  28. 28 Entwurf Datenschutz-Grundverordnung (Fn. 25), Art. 17 Abs. 2, Erwägung 54; dabei hat der für die Verbreitung der Daten Verantwortliche umgehend für deren Löschung zu sorgen, sofern eine Speicherung nicht beispielsweise zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäusserung oder aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der Gesundheit erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 DS-GVo); in Ausnahmefällen kann der Verantwortliche anstelle der Datenlöschung auch (nur) deren Verarbeitung beschränken, etwa um die Richtigkeit der betroffenen Daten zu überprüfen (Art. 17 Abs. 4 a) DS-GVo), oder wenn die streitgegenständlichen Daten zu Beweiszwecken weiter aufbewahrt werden müssen (Art. 17 Abs. 4b) DS-GVo).
  29. 29 In den EU-Gremien muss der Entwurf nach dem Mitentscheidungsverfahren behandelt werden, vgl. Art. 294 AEUV (ordentliches Gesetzgebungsverfahren). Darüber hinaus wird der Verordnungsentwurf auch an die Parlamente der Mitgliedstaaten weitergeleitet; diese prüfen sodann, ob der Entwurf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit entspricht.
  30. 30 Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments (sog. LIBE-Ausschuss) hat den Kommissionsentwurf am 21. Oktober 2013 mit grosser Mehrheit angenommen und zum besseren Schutz der Rechte der europäischen Bürger zahlreiche Änderungen des ursprünglichen Kommissions-Vorschlags verabschiedet. Anschliessend hat das Europäische Parlament den bearbeiteten Verordnungsentwurf am 12. März 2014 in erster Lesung ohne weitere Änderungen mit grosser Mehrheit angenommen (621 der 653 abgegebenen Stimmen votierten für den Entwurf bei 10 Gegenstimmen und 22 Enthaltungen) und ist damit den Empfehlungen des LIBE-Ausschusses gefolgt.
  31. 31 Vgl. Datenschutz-Grundverordnung (inoffizielle, konsolidierte Fassung), 28. Juni 2014, abrufbar unter http://www.delegedata.de/datenschutz-grundverordnung-konsolidierte-fassung/; Haufe Online Redaktion, EU-Datenschutzverordnung: Stand des Verfahrens, 12. März 2014, abrufbar unter http://www.haufe.de/recht/datenschutz/eu-datenschutzverordnung/stand-des-verfahrens_224_95630.html.
  32. 32 Vgl. Spiegel Online, cis/dpa/AFP, Brüssel: EU-Ministerrat bremst Datenschutzreform, 6. Juni 2013, abrufbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/bruessel-eu-ministerrat-bremst-datenschutzreform-a-904266-druck.html.
  33. 33 Der EU-Ministerrat hat am 6. Dezember 2013 in Brüssel getagt, vgl. Council of the European Union, Press Release, 17342/13, 5.–6. Dezember 2013, abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/jha/139938.pdf.
  34. 34 23.–24. Januar 2014.
  35. 35 Damit war das Vorhaben der EU-Kommission, die Gesetzesinitiative noch vor den Neuwahlen im Mai zu Ende zu führen, gescheitert. Das vom 22. bis 25. Mai 2014 gewählte EU-Parlament nahm seine Tätigkeit im Juli 2014 auf, konzentriert sich vorerst aber auf Personal- und Sachfragen (achte Legislaturperiode).
  36. 36 Haufe Online Redaktion, EU-Datenschutzgrundverordnung: Stand des Verfahrens (Fn. 31); Informationen zum Beratungsstand der Gremien des EU-Rats sind abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/IT_Netzpolitik/Digitale_Agenda/datenschutzgrundverordnung.pdf?__blob=publicationFile; es wird davon ausgegangen, dass die Reform nicht vor Ende 2015 abgeschlossen sein wird, vgl. dpa/Haufe Online Redaktion, EU-Justizminister bringen europäische Datenschutzreform einen Schritt weiter, 15. Oktober 2014, abrufbar unter http://www.haufe.de/recht/datenschutz/eu-justizminister-bringen-europaeische-datenschutzreform-weiter_224_277538.html.
  37. 37 Zur Begründung hat der Verleger vorgetragen, dass die Veröffentlichung auf Anordnung des spanischen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung erfolgt sei.
  38. 38 «Once removed from the source webpage, content will disappear from a search engine’s index», vgl. William Echikson, Judging freedom of expression at Europe’s highest court, 26. Februar 2013, abrufbar unter http://googlepolicyeurope.blogspot.de/2013/02/judging-freedom-of-expression-at.html.
  39. 39 «People shouldnt be prevented from learning that a politician was convicted of taking a bribe, or that a doctor was convicted of malpractice.», vgl. Echikson (Fn. 38).
  40. 40 Die Beschwerde richtete sich auch gegen den Verleger der Tageszeitung; die Datenschützer forderten zudem die Löschung der Suchergebnisse in 180 ähnlich gelagerten Fällen.
  41. 41 Während Google zur Löschung der Daten aus den Suchergebnissen aufgefordert wurde, durfte der Verlag den Artikel im Onlinearchiv belassen.
  42. 42 Urteil des EugH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1).
  43. 43 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Tenor Nr. 1; damit ist der EuGH für einmal nicht der (das Gericht nicht bindenden) Argumentation des Generalanwalts gefolgt, der vorgetragen hatte, dass Suchmaschinenbetreiber nicht für personenbezogene Daten auf den von ihnen durchsuchten Internetseiten verantwortlich sind, vgl. Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Schlussanträge des Generalanwalts, Pressemitteilung Nr. 77/13, 25. Juni 2013, abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2013-06/cp130077de.pdf.
  44. 44 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Rz. 21–41; der Einstufung als «für die Datenverarbeitung Verantwortlicher» stehe auch nicht entgegen, dass die Daten bereits im Internet veröffentlicht worden sind und Suchmaschinenbetreiber keine Veränderung daran vornehmen; mittels der durch den Suchmaschinenbetreiber bereitgestellten Ergebnislisten würden «Suchende» leicht an eine Reihe von Informationen gelangen, welche sie ohne Inanspruchnahme des Dienstes höchstwahrscheinlich nicht gefunden hätten. Dadurch könne praktisch Jedermann ohne grosse Bemühungen einen strukturierten Überblick über zahlreiche Aspekte des Privatlebens einer natürlichen Person erhalten, vgl. Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Rz. 29.
  45. 45 Der potentielle Löschungsanspruch greift nur bei Suchanfragen, die sich explizit auf einen Namen (ohne weitere Zusätze) beziehen.
  46. 46 Pressemitteilung des EuGH Nr. 70/14 zum Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-05/cp140070de.pdf; der Generalstaatsanwalt hatte hierzu noch vorgetragen, dass die Datenschutzrichtlinie kein allgemeines «Recht auf Vergessenwerden» enthalte, weswegen Google ein solches Recht auch nicht aufgrund dieser Richtlinie entgegengehalten werden könne, vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43).
  47. 47 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Tenor Nr. 4; unter Berufung auf das EuGH-Urteil (Fn. 1) entschied das Madrider Berufungsgericht am 17. Juli 2014 in einer seit dem 22. März 2011 anhängigen Schadensersatzklage zu Lasten von Google und verpflichtete den Suchmaschinenbetreiber aufgrund der Verletzung von Datenschutzrechten zur Zahlung von Schadensersatz; Google kam der ursprünglich beantragten Löschung von Verlinkungen auf eine 30 Jahre zurückliegende Verurteilung erst sehr spät nach, wodurch der Kläger einen moralischen Schaden erlitten habe, vgl. Miquel Peguera, Right to be forgotten: Google sentenced to pay damages in Spain, 14. Oktober 2014, abrufbar unter http://cyberlaw.stanford.edu/blog/2014/10/right-be-forgotten-google-sentenced-pay-damages-spain.
  48. 48 Den Ausführungen des Gerichts zufolge liegen nach 16 Jahren «offenbar keine besonderen Gründe vor, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran rechtfertigen, im Rahmen einer Suche anhand des Namens der betroffenen Person Zugang zu den genannten Informationen zu erhalten, vgl. Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Rz. 98.
  49. 49 Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014 (Fn. 1), Rz. 77.
  50. 50 Vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Einführung.
  51. 51 Google, Antrag auf Entfernung aus den Suchergebnissen gemäß Europäischem Datenschutzrecht (Google-Löschungsantrag), abrufbar unter https://support.google.com/legal/contact/lr_eudpa?product=websearch&hl=de.
  52. 52 Für den Google-Beirat vgl. https://www.google.com/advisorycouncil/; für die Leitlinien der WP 29 vgl. http://www.ip-rechtsberater.de/38571.htm.
  53. 53 Vgl. hierzu auch Douglas Rushkoff, Present Shock: Wenn alles jetzt passiert, Freiburg 2014, S. 160–163.
  54. 54 Vgl. Benedikt Fuest, Google entscheidet im Zweifel für die Löschung, 13. Juli 2014, abrufbar unter http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article130099329/Google-entscheidet-im-Zweifel-fuer-die-Loeschung.html.
  55. 55 Vereinte Nationen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution der Generalversammlung Nr. 217 A (III), 10. Dezember 1948.
  56. 56 Europarat, Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 4. November 1950 (SR 0.101).
  57. 57 Europäische Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010/C 83/02, ABl. Nr. C 83, S. 389 ff.
  58. 58 So auch der Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 EMRK in der Fassung des Protokolls Nr. 11, 4. November 1950, abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/005.htm.
  59. 59 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), Synopse der Fassungen des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 25. Januar 2012 (KOM(2012) 11 endgültig; 2012/0011 (COD) und des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 12. März 2014 im Rahmen der ersten Lesung zu dem o.g. Vorschlag der Europäischen Kommission (Interinstitutionelles Dossier des Rats der Europäischen Union vom 27. März 2014; 2012/0011 (COD); 7427/1/14, REV1, Art. 80, abrufbar unter http://www.lda.bayern.de/lda/datenschutzaufsicht/lda_daten/Synopse_DS_GVO_EU_Parlament_BayLDA.pdf.
  60. 60 Vgl. Heise online, Google: EuGH-Urteil berücksichtigt Auswirkungen auf Meinungsfreiheit nicht ausreichend, 15. Mai 2015, abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/Google-EuGH-Urteil-beruecksichtigt-Auswirkungen-auf-Meinungsfreiheit-nicht-ausreichend-2190628.html .
  61. 61 Vgl. Amir Tamannai, Google: Recht auf Vergessen versus Meinungsfreiheit, 17. Juli 2014, abrufbar unter http://snip.ly/uYD#https://curved.de/news/google-recht-auf-vergessen-versus-meinungsfreiheit-102249 .
  62. 62 EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 2, 103.
  63. 63 EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 108.
  64. 64 Insbesondere verweist Jääskinen im Hinblick auf die Tendenz autoritärer Regimes, den Internetzugang in ihrem Wirkungsbereich zu beschränken bzw. ausgesuchte Inhalte zu zensieren, sowie auf die besondere Relevanz des Grundrechts auf Information, vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 121.
  65. 65 EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 131.
  66. 66 EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 127, 128.
  67. 67 EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts (Fn. 43), Nr. 133.
  68. 68 Vgl. Johannes Masing, RiBVerfG Masing: Vorläufige Einschätzung der «Google-Entscheidung» des EuGH vom 21. Mai 2014, veröffentlicht am 14. August 2014, abrufbar unter http://www.verfassungsblog.de/ribverfg-masing-vorlaeufige-einschaetzung-der-google-entscheidung-des-eugh/.
  69. 69 Vgl. Masing (Fn. 68), These 2; in diesem Sinne äusserte sich auch das britische Oberhaus, indem es als erstes europäisches Parlament das Urteil des EuGH öffentlich als «nicht ausführbar» und «fehlgeleitet in den Grundannahmen» bezeichnet hat, weil dadurch die schwierige Abwägung zwischen Persönlichkeits- und Informationsrechten einem privaten Anbieter aufgebürdet werde, ohne dass hierfür echte Kriterien existieren würden, vgl. Simon Hurtz, Das Google-Urteil in der Schweiz, Medienwoche, 8. August 2014, abrufbar unter http://medienwoche.ch/2014/08/08/das-google-urteil-in-der-schweiz/.
  70. 70 Vgl. Masing (Fn. 68), These 1.
  71. 71 Im einem im September 2014 vor dem Bezirksgericht Amsterdam verhandelten Fall stellte der im Jahr 2012 wegen versuchter Anstiftung zum Auftragsmord zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilte Betreiber einer Begleitagentur den Antrag auf Löschung der Links, die auf Texte zu seinem Fall führten. Das Gericht lehnte den Antrag ab und führte in seinem Urteil C/13/569654 / KG ZA 14-960 vom 18. September 2014 unter anderem aus, dass das EuGH-Urteil nicht verlange, Betroffene vor sämtlichen negativen Kommentaren im Internet zu schützen; vielmehr solle der Betroffene vor der unnötig langen Verbreitung von irrelevanten, übermässigen oder unnötig diffamierenden Informationen geschützt werden. Die Verurteilung infolge der Begehung eines ernsthaften Verbrechens und die damit verbundene negative Publizität seien dem Gericht zufolge kein Grund, die Löschung der Links im Internet verlangen zu können.
  72. 72 Diese Ansicht vertritt auch die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, vgl. Julia Wadhawan, Bedroht das Google-Urteil die Meinungsfreiheit? Ex-Justizministerin sagt: Nein!, 7. August 2014, abrufbar unter http://meedia.de/2014/08/07/bedroht-das-google-urteil-die-meinungsfreiheit-ex-justizministerin-sagt-nein/.
  73. 73 Vgl. Google, Datenschutzerklärung & Nutzungsbedingungen, Häufig gestellte Fragen, abrufbar unter: http://www.google.de/policies/faq/.
  74. 74 Vgl. Christian Brückner, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, Rz. 498 N 60.
  75. 75 Vgl. Hurtz (n 69).
  76. 76 In diesem Zusammenhang verweist Kühling darauf, dass die Möglichkeit, dass jeder «Sender», ohne eine eigene Sendeinfrastruktur zu benötigen, potentiell jeden «Empfänger» erreichen kann, eine der wichtigsten Errungenschaften von Suchmaschinen darstellt, was nicht gefährdet werden dürfe, vgl. Jürgen Kühling, Rückkehr des Rechts: Verpflichtung von «Google & Co.» zu Datenschutz, EuZW, Heft 14/2014, 527–532, S. 529.
  77. 77 Vgl. Florian Eder, Sie soll den Kampf gegen Google weiterführen, 11. September 2014, abrufbar unter http://www.welt.de/wirtschaft/article132139250/Sie-soll-den-Kampf-gegen-Google-weiterfuehren.html.
  78. 78 Dass die im Zusammenhang mit den EuGH-Urteil-bedingten Löschungsanträgen anfallenden Kosten von den kleineren Suchmaschinenbetreibern praktisch nicht tragbar sind, verstärkt die Monopolstellung von Google zudem noch.
  79. 79 Vgl. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, Interview Bild am Sonntag: Justizminister Heiko Maas nutzt Google beinahe täglich, 28. September 2014, abrufbar unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Interviews/DE/2014/Print/20140929_Maas_BAMS.htm.
  80. 80 Vgl. Google Deutschland, öffentlich zugestellter Antwortbrief an den Bundesminister Maas, 28. September 2014, abrufbar unter https://plus.google.com/+GoogleDeutschland/posts/FgeXzAQPACR.
  81. 81 Vgl. René Höltschi, Google im Visier: Parlament fährt grobes Geschütz auf, NZZ online vom 27. November 2014.
  82. 82 Interessenabwägung im Einzelfall notwendig.
  83. 83 Google verfügt mittlerweile über mehr als 50 Länderseiten, so beispielsweise http://www.google.ch oder www.google.de, etc.; um keine Insellösung zu schaffen, bearbeitet Google zuzüglich zu den Anträgen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch solche aus den EFTA-Ländern.
  84. 84 2003 hatte die Schauspielerin Barbara Streisand gerichtlich unterbinden wollen, dass eine Luftaufnahme ihres Hauses im Internet veröffentlicht wird; infolge der Berichterstattung wurde die Aufnahme in der Öffentlichkeit erst richtig bekannt. Seitdem steht der Begriff «Streisand-Effekt» für Fälle, in denen sich jemand gegen eine unliebsame Berichterstattung wehrt und gerade dadurch die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
  85. 85 Vgl. Sydney Smith, Where’s the «Right to be Forgotten»? What’s the point if media re-report stories meant to be forgotten?, 20. September 2014, abrufbar unter http://www.imediaethics.org/News/4789/Wheres_the_right_to_be_forgotten_whats_the_point_if_media_re-report__stories_meant_to_be_forgotten_commentary__.php.