- «Österreich zeigt mit seinem Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS), dass die Informationen der Normgeber, Gerichte und Parlamente für die Belange von Bürgern und Unternehmen über ein zentral verortetes Informationsportal zu koordinieren, zu administrieren und darzubieten sind. … Die Bevölkerung bekommt auf diese Weise einen umfassenden und direkten Zugang zu einer qualitativ hochwertigen E-Government-Informationsdienstleistung.» (Böhm-Leitzbach)1
Mit dem Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) verfügt Österreich über ein zentrales Instrumentarium der Rechtsinformation, das internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht, ja sogar in anderen Ländern immer wieder als vorbildhaft charakterisiert wird. Hervorgehoben werden dabei etwa das breite Angebot und der kostenlose Informationszugang.2
1.
Anfänge des Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) ^
Die Anfänge des RIS, das vom Bundeskanzleramt koordiniert und betrieben wird, reichen bis in das Jahr 1983 zurück.3 Bereits damals waren die heutigen Prinzipien erkennbar. Ein Ministerratsbeschluss über den Aufbau eines umfassenden Rechtsinformationssystems wurde am 7. Oktober 1986 gefasst4. Durch dieses umfassende Rechtsinformationssystem sollten vorerst die geltenden Rechtsvorschriften des Bundes, später die Judikatur der Höchstgerichte, allenfalls parlamentarische Materialien sowie im Wege eines Rechnerverbundes auch die Rechtsdokumentationen der Länder und privater Institutionen mittels EDV abfragbar sein. Das Rechtsinformationssystem soll ein Beitrag zur Rationalisierung der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit sein, aber auch durch einfache und kostengünstige Abfragemöglichkeiten den Zugang des Bürgers zum Recht erleichtern.
Aus Anlass der Schaffung des Rechtsinformationssystems wurde im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst eine eigene Organisationseinheit (Referat «Rechtsinformationssystem») geschaffen. Dieses sowie überhaupt die Zuständigkeit für Angelegenheiten der Rechtsinformation wurden im Jahr 19896 der von Friedrich Lachmayer geleiteten Abteilung zugewiesen. Vierzehn Jahre lang setzte er sich fortan maßgeblich für die Belange dieses Bereichs ein.
2.
Pionier für die Rechtsinformatik und das Rechtsinformationssystem ^
2.1.
Unentgeltlichkeit ^
2.2.
Rechtsinformation-Rundschreiben (RI-RS) ^
2.3.
Ausbildungs- und Informationsveranstaltungen ^
Mit der zunehmenden Nachfrage nach dem RIS entstand ein erhöhter Bedarf nach Informationen über das RIS. Deswegen wurde im Bundeskanzleramt ein EDV-Schulungsraum eingerichtet, in welchem einmal wöchentlich «RIS-Schulungen» stattfanden. Bei diesen RIS-Präsentationen gab es nach einer kurzen Einführung auch die Gelegenheit für praktische Übungen. Zunächst wurden flächendeckend alle Zentralbehörden des Bundes eingeladen, danach auch die nachgeordneten Dienststellen. Dies war nicht nur für die Benutzer-, sondern auch für die MitarbeiterInnen des RIS wichtig, denen dadurch die Möglichkeit geboten wurde, mit den bis dahin anonymen BenutzerInnen des RIS Kontakt aufzunehmen und mit ihnen gemeinsam ihre Bedürfnisse und Anforderungen aufzuarbeiten. Weiters wurden schriftliche Informationsmaterialien ausgearbeitet. Die Informationen für die BenutzerInnen des RIS waren Friedrich Lachmayer immer ein besonderes Anliegen. Darüber hinaus wurden einmal jährlich alle Ministerien und auch die Länder zu Informationsveranstaltungen geladen, die über die Neuerungen im RIS, etwa über neue Applikationen, neue technische Entwicklungen informiert wurden und auch ihre Anliegen an die RIS-Verantwortlichen herantragen konnten. Andererseits wurden auch in den Bundesländern vor Ort nach Bedarf Ausbildungs- und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Damit entwickelte sich damals die sogenannte «RIS-Familie».
2.4.
Erweiterungen der Datenbanken ^
Ursprünglich war das RIS wesentlich als Zweitnutzung der für die Produktion von Druckwerken erstellten Daten konzipiert; mittelbar galt das auch für die zu konsolidierenden Texte geltender Rechtsvorschriften, die wenigstens teilweise auf diesen BGBl-Texten beruhten. So konnte damals die Alimentierung einer juristischen Datenbank als «Abfallprodukt der Drucklegung des Bundesgesetzblattes» bezeichnet werden.9 Diesen Gedanken der (kostengünstigen) Zweitnutzung elektronischer Daten für das Rechtsinformationssystem verfolgte Friedrich Lachmayer konsequent weiter.
Nachdem das RIS also bereits das Recht des Bundes, der Länder und einiger Gemeinden dokumentierte, konnte Lachmayer im Jahr 2003 resümieren, dass «sich das RIS von einem Rechtsinformationssystem ‹des Bundes› bereits zu einem Rechtsinformationssystem ‹der Republik Österreich› entwickelt hat».10
2.5.
Internationales Rechtsinformatik Symposion – IRIS ^
Das erste «Internationale Rechtsinformatik-Kolloquium» fand 1998 zum Thema «Verweisungen und Hyperlinks im Recht» statt. Im Jahr 2000 wurde der Name auf «Salzburger Rechtsinformatik-Gespräche» geändert. Es erfolgte eine weitere Namensänderung, die bis heute gültig ist: «Internationales Rechtsinformatik Symposion – IRIS». In diesem Symposion werden unter anderem die Leistungen der Rechtsinformatik einem breiten Publikum vorgestellt. Das Internationale Rechtsinformatik-Symposion – IRIS findet einmal jährlich statt. Die zahlreichen unterschiedlichen Themengruppen machen es möglich, dass diese wissenschaftliche Plattform sich eines immer größeren Interessentenkreises erfreut.
2.6.
Klagenfurter Legistik-Gespräche ^
2.7.
E-Recht ^
Unbestritten handelte es sich um einen historischen «Meilenstein des Kundmachungswesens».12 In der Praxis erwies sich die einheitliche Produktionsschiene von der Begutachtung von den Rechtsvorschriften bis hin zur Kundmachung im Internet als äußerst positiv. Dieses System konnte und kann nicht nur Kosten vermindern, sondern auch etwaige Fehler reduzieren. Außerdem kann der Kundmachungsvorgang beschleunigt werden. Dem Bundeskanzleramt gelang es gemeinsam mit der Parlamentsdirektion, den von der Wirtschaftskammer Österreich vergebenen Sonderpreis E-Government (Amtsmanager 2005) für das Workflow-System im E-Recht zu erhalten. Österreich hatte innerhalb der EU-Staaten sowie für das Gemeinschaftsrecht selbst eine Beispielswirkung.
2.8.
EU-Ratsarbeitsgruppe «Rechtsinformatik» ^
2.9.
EU-Informationsveranstaltung ^
3.1.
Die Revolution von «RIS neu» ^
Anfang 2008 machte das RIS (nachdem das Bundesgesetzblatt dabei schon 2003/04 vorangegangen war) einen technologischen Sprung: Das RIS bietet einen barrierefreien Zugang (WAI-A nach WCAG 1.0). Die Dokumente werden im XML-Format gehalten und sind grundsätzlich in den Formaten HTML, PDF und RTF editierbar.15
- Nicht darstellbar waren daher – in Rechtsvorschriften durchaus vorkommende –
- Abbildungen (Verkehrszeichen, Prüfzeichen u.ä.)
- die meisten mathematischen Symbole (≤, ≥, ≠, ≈, √, ∫ … )
- mathematische Formeln
- griechische Buchstaben
Man behalf sich mit
- der Repräsentation der nicht wiedergebbaren Zeichen durch vorhandene Zeichenkombinationen, z.B. ≤ durch =<, α durch Alpha, H2 durch H tief 2 u.dgl.
- Weglassung entbehrlich erscheinender Formatierungen (Kursiv- und Fettschreibung, Unterstreichung, bei geläufigen Ausdrücken [CO2 u.dgl.] auch der Hoch- bzw. Tiefstellung
- Vermerken wie «Graphik nicht darstellbar» in Verbindung mit Verweisungen auf die zugrundeliegende BGBl-Nr. (bei Graphiken, mathematischen Formeln, manchen Tabellen)
- Es war nur reines Textformat möglich. Nicht darstellbar waren daher auch
- Unterschiedliche Schriftgrößen (z.B. bei Überschriften)
- Kursiv- und Fettschreibung, Unterstreichung
- hochgestellte Zeichen (z.B. Ziffern in Flächen- und Volumensangaben: m2, m3, … )
- tiefgestellte Zeichen (insb. in mathematischen und chemischen Formeln: CO2, …)
- Weglassung entbehrlich erscheinender Formatierungen (Kursiv- und Fettschreibung, Unterstreichung, größere oder kleinere Schrift, bei geläufigen Ausdrücken [CO2 u.dgl.] auch der Hoch- bzw. Tiefstellung)
3.1.1.
Probleme der Wiedergabetreue ^
3.1.2.
Verlinkungen ^
Ein großer Pluspunkt des «RIS neu» von 2008 ist die Verlinkung bestimmter Kategorien von Zitaten und Verweisungen: So sind im konsolidierten Bundesrecht die BGBl-Zitate mit dem entsprechenden BGBl-Dokument (oder wahlweise: mit der konsolidierten Fassung der Rechtsvorschrift, deren Stammfassung in dem entsprechenden BGBl-Dokument enthalten ist) verlinkt (für LGBl-Zitate im konsolidierten Landesrecht gilt Entsprechendes), die dokumentalistischen Hinweise auf Gesetzesmaterialien mit der Datenbank des Parlaments, CELEX-Nummern mit EUR-Lex. Auch die Bedeutung von Verlinkungen für die Benutzerbedürfnisse und damit für die Rechtsdokumentation hat Friedrich Lachmayer früh erkannt.16
3.2.
Gegenwart ^
Derzeit gibt es im Rechtsinformationssystem des Bundes folgendes Datenangebot:
Bundesrecht | (www.ris.bka.gv.at/Bund/) |
Landesrecht | (www.ris,bka.gv.at/Land/) |
Gemeinderecht | (www.ris.bka.gv.at/Gemeinde/) |
EU-Recht (extern) | (eur-lex-europa.eu/de/index.htm) |
Judikatur | (www.ris.bka.gv.at/Judikatur) |
Erlässe | (www.ris.bka.gv.at/Erlaesse) |
4.
Ausblick ^
Und eine nicht aus den Augen zu verlierende Vision ist die, dass eines Tages die Kluft zwischen dem aus dem Bundesgesetzblatt ersichtlichen Recht und der auf diesem aufbauenden Rechtsdokumentation aufgehoben werden kann, die Vision einer Einheit von gesetztem und konsolidiertem Recht.17 Auch diese Vision ist ein Beitrag des Jubilars.
Helga Stöger, Leiterin des Referats bzw. der Abt. «Rechtsinformation» im Bundeskanzleramt i.R.
Karl Irresberger, Leiter der Abt. V/2 des Bundeskanzleramts.
- 1 Böhm-Leitzbach, Monika: Rechtsinformation im Zeichen von E-Government (Masterarbeit: Fachhochschule Hannover, Fakultät III – Medien, Information und Design, Studiengang Informations- und Wissensmanagement), S. 53 f (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:960-opus-3501).
- 2 Lischka, Konrad: Jura-Datenbanken: So verdienen Finanzinvestoren am Verkauf deutscher Urteile. Spiegel online, 12. April 2011.
- 3 Vgl.Bundeskanzleramt (Hrsg.): Rechtsbereinigung durch automationsunterstützte Rechtsdokumentation [Inhalte der gleichnamigen, am 23. März 1983 im Bundeskanzleramt stattgefundenen Enquete]. (Schriftenreihe zur Verwaltungsreform 7, Wien oJ 1983); Vgl. bereits auch Stadler, Neue Wege der juristischen Information auch in Österreich. Das EDV-Versuchsprojekt Verfassungsrecht des Bundeskanzleramtes, AnwBl 1972, 72.
- 4 BKA-GZ 120.878/1-1/2/86 betreffend einen Antrag auf Zustimmung zum Aufbau eines umfassenden Rechtsinformationssystems.
- 5 Somitwar in technischer Hinsicht erforderlich, dass die jeweiligen Ressorts für den Anschluss von Bildschirmen, die über eine solche IBM-Schnittstelle «3270» verfügten, an das ZAS vorsorgten. 3270 war eine Abfrageschnittstelle der Firma IBM, die von den meisten EDV- und Textverarbeitungsanlagen und anderen Firmen ohne größeren technischen Aufwand realisiert werden konnte.
- 6 Zumdamaligen Stand des RIS Vgl. Wilfert, Der Aufbau des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS), in: EDV & Recht 1989, 104.
- 7 Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, BGBl 660, in der Fassung der am 12. Mai 1998 vom Nationalrat beschlossenen Novelle (BGBl I 1998/158).
- 8 Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt (Bundesgesetzblattgesetz – BGBlG), BGBl I 2003/100 Art. 4.
- 9 Lachmayer/Stöger, Österreichs Weg zur authentischen elektronischen Publikation – Zur Projektgeschichte des RIS; in: Traunmüller/Taudes/König/Schachel/Tiwald (Hrsg.), Von der Verwaltungsinformatik zum E-Government. Festschrift für Arthur Winter zum 60. Geburtstag ( 2004), 133–142.
- 10 Lachmayer/Weichsel, Veröffentlichung des Gemeinderechts im RIS, in: Rechts- und Finanzierungspraxis der Gemeinden (RFG) 5/2003, 38–40 (40).
- 11 [Bildungsprotokolle Band .. (.. Klagenfurter Legistik-Gespräche), herausgegeben von der Kärntner Verwaltungsakademie, Klagenfurt 20. http://www.verwaltungsakademie.ktn.gv.at/24803_DE-Service-Publikationen].
- 12 Kleiser, Die elektronische Kundmachung des Bundesgesetzblattes, in: Bildungsprotokolle Band 10: 2. Klagenfurter Legistik-Gespräche 2004, 19–36 (22).
- 13 Communitatis Europeae Lex, Vorgängerin der Datenbank EUR-Lex.
- 14 Vgl.den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union, KOM(2011) 162, mit deren Erlassung noch in der ersten Hälfte des Jahres 2013 zu rechnen ist.
- 15 Vgl. Winter, Update zum RIS neu, JAP 2007/2008, 196; Stöger/Weichsel, Neuerungen im RIS, jusIT 2009, 15, 30.
- 16 Vgl. Lachmayer/Stöger/Lebl, Links und Grenzen juristischer Datenbanken im Internet, in: Beiträge des Salzburger Rechtsinformatik-Symposiums, Juridicum-Homepage der Universität Wien (oJ ca 1999, nicht mehr verfügbar).
- 17 Vgl. Lachmayer/Stöger, Die Rechtsdokumentation als moderne Form der Rechtsbereinigung, in: Bussjäger/Lachmayer (Hrsg.), Rechtsbereinigung und Landesrechtsdokumentation, Band 82 der Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus (2001), 67–80 (69).