Jusletter IT

AGB in Providerverträgen

  • Author: Simon Schlauri
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Contract Law, Telecommunications law
  • Citation: Simon Schlauri, AGB in Providerverträgen, in: Jusletter IT 15 May 2014
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Im Sommer 2013 hatte die Deutsche Telekom AG angekündigt, das Datenvolumen ihrer «Flatrate»-Tarife für Internet zu limitieren und die Surfgeschwindigkeit nach dem Erreichen bestimmter Limiten zu drosseln.
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Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen klagte in der Folge vor dem Landgericht Köln und beantragte, der DT sei die Verwendung entsprechender AGB-Bestimmungen in Verträgen über Flatrate-Internet zu verbieten. Das Gericht hielt die AGB-Bestimmung über die Drosselung in der Folge tatsächlich für unwirksam.1
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Das Gericht erwog, zwar falle die Beschreibung der Hauptpflichten des Vertrags aufgrund der Vertragsfreiheit nicht unter die AGB-Kontrolle. Eine solche kontrollfreie Leistungsbeschreibung liege jedoch nur vor, wenn ohne sie der Vertrag gar nicht zustande käme, weil er dann zu unbestimmt sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
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Im Weiteren gefährde die Drosselung auf weniger als zehn Prozent der vereinbarten Mindestgeschwindigkeit die Erreichung des Vertragszwecks gerade in Zeiten mit stetig steigendem Leistungsbedarf. Die Klausel benachteilige den Kunden daher unangemessen und sei unwirksam.2
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Der Begriff der Flatrate sei im Weiteren aus Sicht des Durchschnittskunden als Festpreis für Festnetz-Internetzugang einer bestimmten Bandbreite und ohne Einschränkungen und versteckte Kosten zu verstehen. Weil der Kunde daher eine bestimmte Geschwindigkeit erwarte, wohne der Klausel ein Übertölpelungseffekt inne, der dazu führe, dass diese gar nicht Vertragsinhalt werde.3
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In der Schweiz dürfte eine entsprechende Klausel ebenfalls in diesem Sinne ungewöhnlich sein: Sie ist daher in den AGB zur Sicherheit besonders hervorzuheben (z.B. durch Fettdruck), und nach Möglichkeit ist der Kunde separat über die Klausel zu informieren.
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Die Bedeutung der in der Schweiz erst per 1. Juli2012 eingeführten AGB-Inhaltskontrolle4 ist in der Literatur bis heute umstritten. Immerhin liegt ein Entscheid nach altem Recht vor: In jenem Fall war eine Vollkaskoversicherung durch die AGB in ihrem Umfang wieder eingeschränkt worden, was das Gericht für unwirksam befand.5 Vergleichbares würde ein Gericht bei der Verwendung des Titels «Flatrate» und späterer Einschränkung des Datenvolumens wohl auch heute noch erkennen.
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Heikel ist insbesondere, dass die Anwendung der Inhaltskontrolle in einem gänzlichen Wegfall der fraglichen Klausel resultieren dürfte, man diese also z.B. nicht in eine weniger strenge «Fair-Use»-Klausel umdeuten könnte.
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Angesichts der aktuellen Unsicherheit empfehlen wir beim Umgang mit AGB eine Triage zwischen entbehrlichen Klauseln und Klauseln, bei denen ein Wegfall erhebliche Risiken birgt. Bei entbehrlichen Klauseln kann aus pragmatischer Sicht auch eine rechtlich problematische Formulierung in den AGB stehen bleiben, sofern man nicht aus Reputationsgründen und wegen möglicher Verbandsklagen eine rechtskonforme Formulierung wählen will.
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Klauseln, deren Wegfall zu untragbaren Problemen führt, sind jedoch wegen der neuen AGB-Inhaltskontrolle vorsichtiger abzufassen. Sie betreffen beispielsweise Haftungsfragen oder Kundenerklärungen, deren Ungültigkeit zu regulatorischen Problemen führt, wie etwa die Einwilligung von Telekom-Kunden in die Bearbeitung ihrer Fernmeldedaten im Ausland. Bei der vorsichtigen Formulierung kann die deutsche AGB-rechtliche Praxis als Richtschnur dienen.

Simon Schlauri

  1. 1 Urteil des LG Köln 26 O 211/13 vom 30. Oktober 2013.
  2. 2 AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
  3. 3 Ungewöhnlichkeitsregel nach § 305c Abs. 1 BGB.
  4. 4 Art. 8 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
  5. 5 BGE 119 II 443.