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Das Spannungsfeld von gesellschaftsbezogener Transparenz und Überwachung

  • Authors: Elisabeth Hödl / Sebastian Lukic
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Data Protection, Data Security
  • Citation: Elisabeth Hödl / Sebastian Lukic, Das Spannungsfeld von gesellschaftsbezogener Transparenz und Überwachung, in: Jusletter IT 15 May 2014
Digitization of society and global networking changed the handling with information. A stress field due to legal positions arised, whose consideration due to the complexity of the systems is becoming increasingly difficult. In the following article, this should be demonstrated by means of a concept, which currently plays a major role in law and society: transparency.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Dimensionen: Staatliche Transparenz für Presse und Wirtschaft
  • 3. «Informationsfreiheit» der Gesellschaft, «Dokumente» für die Wirtschaft
  • 4. PSI-RL und Transparenz
  • 4.1. Umsetzung in Österreich
  • 4.2. Telos der RL
  • 5. Spannungsfeld Gesellschaftsbezogener Transparenz und Überwachbarkeit
  • 6. Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

Im EU-Wahlkampf nennen praktisch alle wahlwerbenden Parteien Österreichs das erste der zehn EDRi-Gebote1 «mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung» als politisches Ziel. Die NSA-Spionage wird damit zum Top-Thema dieses Wahlkampfes. Wie sehr der Transparenzbegriff zugleich polarisiert, zeigt ein Blick auf das «Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013–2018»2. Der Begriff wird in 32 unterschiedlichen Kontexten genannt, so etwa in Bezug auf Kartellverfahren, Entbürokratisierung, Entlastung, Familien- und Jugendpolitik, sichere Energieversorgung, Gesundheit, Leistbares Leben, Pensionssicherung und internationale Steuerangelegenheiten. Die Frage ist, ob tatsächlich immer vom selben Transparenzbegriff die Rede ist, oder ob es angesichts der unterschiedlichen Ebenen und Materien des Rechts längst zu einer Vielfalt der Transparenzvorstellung gekommen ist.

[2]
So kann etwa zwischen gesellschaftsbezogener und wirtschaftsbezogener Transparenz unterschieden werden. Was gemeint ist, soll in diesem Beitrag anhand zweier Beispiele gezeigt werden. (1) Transparenz für die Presse und (2) Transparenz für die Wirtschaft. Die korrespondierenden Rechtsnormen stellen die grundrechtliche Informations- und Meinungsfreiheit und die technischen Normen der PSI-RL (Public Sector Information-RL)3 dar.

2.

Dimensionen: Staatliche Transparenz für Presse und Wirtschaft ^

[3]

Staatliche Transparenz hat mehrere Seiten, die zugleich unterschiedliche Ziele verfolgt. Zum einen sollen Prozesse der öffentlichen Hand nachvollziehbar sein: Das Ziel ist es, Normunterworfenen die Möglichkeit zu geben, festzustellen, ob politische Prozesse schlüssig und sinnvoll sind. Zum anderen sollen Informationen und Daten der öffentlichen Hand allgemein zugänglich sein: Das Ziel ist hier wiederum, dass die Wirtschaft diese Daten nutzen kann. Staatliche Transparenz erlangt daher auf symbolischer Ebene zweierlei Facetten, nämlich (1) die Einsichtnahmemöglichkeit der Bevölkerung in staatliche Prozesse und (2) die Zurverfügungstellung eines Informationspools offener Quellen, aus dem die Allgemeinheit schöpfen kann.

[4]

Beide Ebenen haben in der digitalisierten Gesellschaft große Relevanz und beeinflussen sich gegenseitig. Dieses besondere Zusammenspiel der Transparenzebenen in der digitalen Gesellschaft und die daraus resultierenden Folgen wurden bisher noch kaum untersucht. Zwei Ebenen sollen im Folgenden dargestellt und analysiert werden.

  1. Staatliche Transparenz für die Presse: Es ist die Aufgabe einer guten Presse, dafür zu sorgen, dass Machtungleichgewichte im Staat relativiert werden. Ein Blick auf das alljährlich von Reportern ohne Grenzen erstellte Ranking zu Pressefreiheit4 zeigt, dass die USA wegen ihres Vorgehens gegen Whistleblower im Zuge des NSA-Skandals um 13 Plätze zurück gefallen sind. Sie liegen damit hinter Staaten wie El Salvador und Rumänien.5 «In den USA habe die staatliche Verfolgung von investigativen Journalisten und ihren Hinweisen aus den Sicherheitsbehörden ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. Die 35-jähige Haftstrafe für Bradley Chelsea Manning und die Jagd auf den NSA-Whistelblower Edward Snowden schrecken Nachahmer offenkundig ab», heißt es im Bericht der Reporter ohne Grenzen.6 Dies sei überaus besorgniserregend, denn schließlich handle es sich um Staaten, die als traditionelle Demokratien gelten würden.
  2. Staatliche Transparenz für die Wirtschaft: Daten und Datensammlungen sollen im Big Data nach Ansicht der Europäischen Union ein gewaltiges Wirtschaftspotential haben. Die Rede ist vom Goldschatz der EU.7 In der weltweit vernetzten Gesellschaft hat dies auch zur Folge, dass sämtliche Informationen, die Staaten veröffentlichen, durchsucht und gefiltert werden können. Dies macht beispielsweise eine globale Wirtschaftspionage einfacher.
[5]
Zunächst soll aber die Frage des Rechtsrahmens dieser beiden Transparenzebenen in der Europäischen Union aufgezeigt werden.

3.

«Informationsfreiheit» der Gesellschaft, «Dokumente» für die Wirtschaft ^

[6]

Die Meinungs- und Informationsfreiheit gehört zu den konstitutiven Elementen eines jeden Verfassungsstaates.8 Die rechtliche Grundlage findet sich in der für Mitgliedstaaten der europäischen Union geltenden «Trinität der Grundrechte» in (für Österreich) Art. 13 des Staatsgrundgesetzs (StGG), Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 11 der Grundrechtecharta (Gr-Ch), wobei stets das Günstigkeitsprinzip (Art 53 EMRK, Art. 53 Gr-Ch) zu berücksichtigen ist.9 Art. 10 EMRK geht jedenfalls über Art. 13 StGG hinaus, lediglich die absolute Schranke der Vorzensur bleibt unberührt.10 Der Anwendungsbereich ist weit, wobei zweierlei bei der Frage nach Transparenz und Wahrheit Beachtung zu finden hat: Nicht nur Werturteile werden geschützt,11 sondern eben auch Tatsachenaussagen.12 Vom Anwendungsbereich umfasst ist aber auch der Empfang von Nachrichten, also die aktive Informationsfreiheit.13

 

[7]

Dass der Begriff Transparenz nicht expressis verbis in den grundrechtlichen Verbürgerungen zu finden ist, ändert nichts an der Tatsache, dass sie unter Art. 10 EMRK, Art. 11 Gr-Ch zu subsumieren ist. Ins Kalkül zu ziehen ist nämlich, dass der EGMR die EMRK als «living instrument» versteht, sodass die verbürgten Rechte stets den gewandelten sozialen Verhältnissen, modifizierten gesellschaftlichen Normen Rechnung tragen.14 Zum anderen sind für den europäischen Rechtsraum die Grundrechtsentwicklungen rund um die Grundrechtecharta der Europäischen Union nicht außer Acht zu lassen: In den Kompromissvorschlägen (CONVENT 37) hatte das Präsidium des Grundrechtekonvents die Anregungen der Plenumsmehrheit angenommen, der Vorschrift über das Recht auf freie Meinungsäußerung einen Absatz 2 über die Pressefreiheit hinzuzufügen und formuliert, dass Presse- und Informationsfreiheit «unter Achtung der Transparenz und des Pluralismus gewährleistet» seien.15 Gegen diese gewählte Formulierung «Transparenz und Pluralismus» wurden aber letzten Endes Einwendungen erhoben, nämlich dass sie in concreto zu große Auslegungsspielräume eröffne.16 In Wirklichkeit wird dadurch nur deutlich, dass Transparenz jedenfalls von den zwei Erscheinungsformen, Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit erfasst ist.

[8]

Dieses Freiheitsrecht schützt vor Eingriffen der «staatlichen Gewalt», wobei dazu Gesetzgebung und Vollziehung zählen.17 Art. 10 EMRK und Art. 11 Gr-Ch i.V.m. Art. 52 Gr-Ch statuieren einen materiellen Gesetzesvorbehalt. Grundrechtseingriffe sind nur zulässig, wenn eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist und es sich um einen verhältnismäßigen Eingriff handelt, der in einer demokratischen Gesellschaft nötig ist, um eines der Ziele in Art. 10 (2) EMRK zu erreichen.18 Kern der Prüfung, ob ein gerechtfertigter Eingriff vorliegt, ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung.19 Der EGMR nimmt an, dass es sich um ein «zwingendes soziales Bedürfnis» handeln muss, welches vom Staat nachzuweisen ist.20 Nach Ansicht des EGMR ist «der staatliche Beurteilungsspielraum durch das Interesse der demokratischen Gesellschaft begrenzt, der Presse zu ermöglichen, ihre wichtige Rolle eines «Wachhundes» bei der Mitteilung von Informationen über Fragen großen öffentlichen Interesses zu spielen» und eine besonders sorgfältige Prüfung ist dann nötig, wenn sie geeignet ist, die Presse zu entmutigen, an der Diskussion und Information über die öffentlichen Interessen teilzunehmen.21 Normen (insbesondere jene des Disziplinarrechts, etwa die Frage der Zulässigkeit von Beschränkungen stellen sich in diesem Rechtsgebiet besonders oft)22, die keinen Spielraum für eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung geben, werden dort, wo es darum geht, Personen zu schützen (seien es investigative Journalisten, seien es ehemalige Mitarbeiter eines Geheimdienstes), die aufzeigen, dass jahrelang Datenschutzrechte missachtet werden, einer menschenrechtlichen Prüfung nicht Stand halten können.

[9]

Das Internet mit seinem freien und grenzüberschreitenden Informationsfluss («free flow of informations»)23 sowie der einfachen und günstigen Zugänglichkeit wird zu einem der wichtigsten Medien (oder schon das wichtigste?) für die Ausübung der Meinungsfreiheit.24

4.

PSI-RL und Transparenz ^

[10]

Die Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (kurz: PSI-Richtlinie) soll es Privaten und Unternehmen ermöglichen, Informationen der öffentlichen Hand weiterzuverwenden. Die PSI-Richtlinie setzt die Kernaussage des Aktionsplanes eEuropa 2002 «Eine Informationsgesellschaft für alle» KOM(2000) 330 um. Dabei geht es insbesondere um den Bereich elektronischer Behördendienste und digitaler Inhalte. Nach Ansicht der EU seien europäische Inhalteanbieter im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Konkurrenten im Nachteil; diese könnten bei der Entwicklung von Informationsprodukten und Diensten ein hoch entwickeltes und gut funktionierendes System öffentlicher Informationen nutzen.25 Alle öffentlichen Informationen, die nicht eindeutig unter eine der Ausnahmen fallen, dürfen für gewerbliche und nichtgewerbliche Zwecke weiterverwendet werden. Öffentliche Stellen erfassen und besitzen große Mengen an Informationen: Finanzielle Daten, Geographische Daten und Touristische Daten.

[11]

Die EU schätzt das Potential der Entwicklung neuer Informationsprodukte und -dienste auf 68 Milliarden Euro. Dieses Potential von Informationen des öffentlichen Sektors soll rechtlich und praktisch zur Verfügung gestellt werden. Behörden dürfen die Ausgaben für das Anbieten der Daten oder der Vervielfältigung allerdings in Rechnung stellen. Die PSI-RL enthält zudem Regelungen für die Digitalisierung kultureller Werte. So sind öffentlich-private Partnerschaften vorgesehen, bei denen private Partner exklusive Nutzungsrechte an der Digitalisierung bekommen sollen, etwa um Investitionen auszugleichen (Public-Private Partnership). Die PSI-RL war bis zum 1. Juli 2005 umzusetzen. Die Richtlinie wurde in Österreich auf Bundes- und Landesebene umgesetzt.26

[12]

Mit der Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie auf Bibliotheken (einschließlich Universitätsbibliotheken), Museen und Archive ausgeweitet, da deren Sammlungen zunehmend wertvolles Material für die Weiterverwendung in vielen Produkten (beispielsweise mobilen Anwendungen) darstellten. Andere kulturelle Einrichtungen (wie Orchester, Opern, Ballette sowie Theater), einschließlich der zu diesen Einrichtungen gehörenden Archive, sollen auch weiterhin außerhalb des Anwendungsbereichs verbleiben, zumal es sich in diesen besonderen Fällen um «darstellende Künste» handle. Da fast ihr gesamtes Material geistiges Eigentum Dritter sei und daher nicht in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinie fallen würde, wäre wenig damit erreicht, sie in deren Anwendungsbereich aufzunehmen, hieß es. Auch die neue RL 2013/37/EU spricht eigentlich nicht von «Daten», sondern von «Dokumenten» und geht ganz offenbar von Rechten an diesen aus.27 Das steht auch im Einklang mit Art. 42 GrCh, das vom Recht auf Zugang zu «Dokumenten» spricht.

[13]
Art. 2 (1) Richtlinie 2013/37/EU bestimmt, dass die Mitgliedstaaten bis zum 18. Juli 2015 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen haben, um dieser Richtlinie nachzukommen.

4.1.

Umsetzung in Österreich ^

[14]

Was die Umsetzung der PSI-RL betrifft, so wurde eine geteilte Kompetenz zwischen Bund und Ländern in Bezug auf die Regelungen zur Auskunftsplicht und des Archivwesens gesehen.28 Eine Folge der Kompetenzteilung zwischen Bund und Ländern ist die unterschiedliche Behandlung im Fall von Rechtsstreitigkeiten, da das IWG des Bundes die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorsieht, während die Länder den Rechtsschutz auf den Verwaltungsweg übertragen.29 Die Umsetzung der PSI-RL erfolgte auf Bundesebene durch das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG)30. Das IWG zielt darauf ab, die Weiterverwendung von Informationen, welche durch die öffentliche Hand erstellt werden, zu erleichtern (§ 1 IWG). Öffentliche Stellen definieren die Bedingungen zur Weiterverwendung, diese muss bei der jeweils betroffenen Behörde beantragt werden. Die Weiterverwendung bestimmter Informationen aus Registern, wie etwa Grundbuch, Gewerberegister und Firmenbuch werden in bestimmten Materiengesetzen geregelt.31

[15]

In einem gegen die Republik Österreich geführten Verfahren wurde versucht, die uneingeschränkte Weitergabe des Firmenbuchs zu erreichen und die Einhebung des Entgeltes zu untersagen. Der Urteilsspruch des EuGH32 attestiert der Republik Österreich die Möglichkeit den Zugang zum Firmenbuch weiterhin einzuschränken. Das IWG fungiert insbesondere als Schnittstelle mit den unterschiedlichen Rechtsbereichen. Auf Landesebene wurde die PSI-RL in folgenden Landesgesetzen umgesetzt: Gesetz vom 22. November 2006 über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Tiroler Informationsweiterverwendungsgesetz – TIWG), Landesgesetz, mit dem das Oö. Auskunftspflicht- und Datenschutzgesetz geändert wird, Kärntner Informations- und Statistikgesetz (K-ISG), Steiermärkisches Dokumenten-Weiterverwendungsgesetz (StDWG), Wiener Informationsweiterverwendungsgesetz (WIWG), Burgenländisches Auskunftspflicht-, Informationsweiterverwendungs- und Statistikgesetz (Bgld. AISG) und Niederösterreichische Auskunftsgesetz (NÖ Auskunftsgesetz).33

[16]

Hervorzuheben ist insbesondere das NÖ-Auskunftsgesetz, das drei Richtlinien umsetzt:

  • Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl.Nr. L 41 vom 14. Februar 2003, S. 26.
  • Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, ABl.Nr. L 345 vom 31. Dezember 2003, S. 90.
  • Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE), ABl.Nr. L 108 vom 25. April 2007, S. 1.
[17]

Beachtlich ist, dass den drei Abschnitten, die der Umsetzung der Richtlinien dienen, Abschnitt 1 als vorgezogene Klammer ein allgemeines Auskunftsrecht statuiert: Gem. § 2 NÖ-Auskunftsgesetz hat jeder das Recht, Auskunft von Organen des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung zu erhalten, vorbehaltlich der Beschränkungen, die in § 5 NÖ-Auskunftsgesetz normiert sind. Aus § 5 (1) Z 5 NÖ-Auskunftsgesetz ergibt sich somit eine Subsidiariät des allgemeinen Auskunftsrechts: Eine Auskunft kann verweigert werden, wenn die Information dem Auskunftssuchenden anders zugänglich ist.

4.2.

Telos der RL ^

[18]
ErwGr 1 der RL 2013/37/EU spricht davon, dass die Dokumente, die von öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten erstellt werden, einen umfassenden, vielfältigen und wertvollen Fundus an Ressourcen bilden, der der Wissenswirtschaft zugutekommen kann. ErwGr 3 der RL 2013/37/EU spricht zwar von «gewerblichen und nichtgewerblichen Zwecken» hinsichtlich der Verwendung der Daten und Dokumente der öffentlichen Stellen, doch ist nicht zu übersehen, dass die Stoßrichtung der RL 2013/37/EU nicht so sehr die Transparenz für die Zivilgesellschaft, als vielmehr die Transparenz zur Förderung der Wirtschaft ist. An diesem Ergebnis ändern auch die Formulierungen nichts, die von einer geförderten Rechenschaftspflicht der öffentlichen Stellen sprechen.34 Die Verwendung der «Dokumente» öffentlicher Stellen dient dem Telos der Richtlinie nach erstens der Wissenswirtschaft und zweitens der Gesellschaft. Das ergibt sich auch daraus, dass an keiner Stelle (weder in den ErwGr, noch im eigentlichen Normentext) auf die Meinungs-, Informationsfreiheit rekurriert wird. Lediglich vom Datenschutz ist die Rede.35
[19]
Dass die europäischen Normensetzer primär wirtschaftliche Gesichtspunkte im Auge haben und weniger die Förderung der gesellschaftlichen Meinungs- und Informationsbildung ist legitim und verständlich, doch ist klar zu erkennen, dass Transparenz in verschiedenen Dimensionen auf unterschiedliche Weise wirkt. Ursprung, Kern und eigentliche Bedeutung des Begriffes sind aber jedenfalls weniger wirtschaftsbezogen, als vielmehr gesellschaftsbezogen im Sinne eines allgemeinen Auskunftsrechtes, wie oben zum NÖ-Auskunftsgesetz gezeigt wurde. Transparenz dient hier der Überprüfung der Politik durch die Bürger anhand weitgehender Einsichtnahme in das politische Agieren.

5.

Spannungsfeld Gesellschaftsbezogener Transparenz und Überwachbarkeit ^

[20]

Die Nutzung der Informationen und Daten, die von der öffentlichen Hand erstellt und generiert werden, gelten nach Auffassung der Europäischen Union als ökonomisches Potential, das die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der EU stärken soll. Angesprochen ist der wachsende «App-Markt» mit der zunehmenden Smartphone- und Tabletnutzung sowie das «Internet der Dinge». Die datenverarbeitende Wirtschaft wächst und immer mehr Unternehmen und Branchen erkennen und nutzen das Potential, das in diesen neuen Möglichkeiten liegt. Genannt werden Unterhaltungs- und Medienindustrie, Tourismusbranche und Anbieter von Smart-Devices. In der EU soll die PSI-RL diesen wirtschaftlichen Prozess unterstützen und der Digitalwirtschaft dienen. Nun hat Posch36 darauf aufmerksam gemacht, dass es im Augenblick in Europa kaum Unternehmen gibt, die zur Verarbeitung großer Datenmengen überhaupt fähig seien, von einem Wettbewerb könne daher gar nicht gesprochen werden. In diesem Kontext steht auch die Berichterstattung der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission hinsichtlich des Ausmaßes der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors.37 Jene Unternehmen, die dazu die Ressourcen hätten, seien in den USA und China angesiedelt. Die eigentliche Wertschöpfung bei der Weiterverarbeitung erfolge daher auch in diesen Ländern. So sei die Schlussfolgerung, dass ein leichter und allgemeiner Zugang zu öffentlichen Informationen zu einem Ankurbeln der europäischen Wirtschaft führe, nicht so ohne weiteres zu ziehen.

[21]

Hatte man zunächst Datenmaterial, wie Geodaten und Statistiken, sowie staatlich geführte Register, wie Grundbuch, Gewerberegister oder Firmenbuch, sowie bestimmte Dokumente im Auge, wird der Raum verfügbarer Informationen des öffentlichen Sektors nun auch auf Anwendungsbereiche erweitert, die zunächst definitiv ausgeschlossen waren. So waren Dokumente ausgeschlossen, die im Besitz von Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie im Besitz kultureller Einrichtungen sind.38 Diese Bestimmungen sind in Folge der novellierten Fassung der PSI-RL zu ändern. Es sind Bibliotheken (einschließlich Universitätsbibliotheken), Museen und Archive, also Sammlungen, die nun betroffen sind. Diese stellen – in Summe betrachtet – auch das intellektuelle Kapital einer Gemeinschaft dar. Es wurde zudem kritisiert, dass in diesen Bereichen (Ausstellungen, Sonderdruck, Digitalisierung von Dokumenten) viele «public private partnerships» bestehen, die durch eine verpflichtende zur Verfügung-Stellung von Informationen den Mehrwert einer PPP unterminieren würden.

[22]
Diese Öffnung des intellektuellen Kapitals einer Gemeinschaft ist durchaus sinnvoll, jedoch nur, wenn gleichzeitig ein öffentlicher Diskurs stattfinden kann. Hier ist die verstärkte Einbeziehung der Presse und der Zivilgesellschaft («civil-society approach») angesprochen. Bevor Einbeziehung jedoch überhaupt stattfinden kann, muss sich diese Zivilgesellschaft zuerst organisieren und formen können. Hier kommt die politische Rolle des investigativen Journalismus ins Spiel: Nicht nur durch die Enthüllungen werden Missstände bekannt, sondern auch durch die Deutung und durch Bewusstseinsbildung. Die Analyse des NSA-Skandals und der Snowden-Effekt haben aber in Wahrheit weniger bewirkt, als man hätte annehmen können. Hätte eine sich organisierende «civil society» den entlarvten Missstand nicht mit noch größerer Empörung aufnehmen müssen?
[23]

Außer in Zirkeln professionell besorgter Intellektueller war die Aufmerksamkeitsschwelle des NSA-Skandals vergleichsweise gering. Die Washington Post hat kürzlich mit einer simplen Google-Suche herausgefunden, dass die Begriffe «Snowden» und «Datagate» nicht einmal in die Top-Themen des Jahres 2013 gebracht hatten.39 «Nelson Mandela», «Paul Walker» und «Miley Cyrus» rangierten vor «Snowden». Die «Playstation 4», das «iPhone» und der «Harlem Shake» lagen vor dem «Daten- und Abhörskandal».40 Der NSA-Skandal zeigt also auch, dass es in einer Welt zunehmend fragmentierter Medienproduktion immer schwieriger wird, eine kritische Masse zu generieren. Um eine kritische Masse der weltweiten Zivilgesellschaft erreichen zu können, müssten Redaktionen weltweit zusammenarbeiten. Den alten Medien käme eine organisatorische, methodische und inhaltliche Schlüsselrolle zu. Laut Studien des «Project for Excellence in Journalism»41 produzieren alte Medien heute im Augenblick den Großteil der Inhalte, die in den neuen Medien zirkulieren. Die Watchdog-Rolle spielen Medien in den USA daher definitiv anders als in alten Zeiten, denn in der Watergate-Affäre musste der amerikanische Präsident Richard Nixon beispielsweise zurücktreten.

6.

Fazit ^

[24]
Daten und Datensammlungen werden ihren Wert für Wirtschaft und Gesellschaft nicht allein durch Offenlegung und Enthüllung, sondern durch Analyse, Deutung und Interpretation erlangen. Die Forderung nach Transparenz wird verbunden mit der Forderung nach bürgerlicher Partizipation, die Macht dort begrenzen soll, wo sie missbraucht wird. So stehen die Tätigkeiten von Sicherheitsbehörden oftmals im Spannungsverhältnis zur Tätigkeit von Journalisten, die für Transparenz sorgen sollen. Im Kern sind das öffentliche Interesse der Sicherheit sowie das Interesse der Meinungs- und Informationsfreiheit angesprochen.
[25]

Am Beispiel der Staatlichen Transparenz für die Presse wurde das Zusammenspiel von Journalismus und Zivilgesellschaft sichtbar. Es ist die Macht der Vielen, die in der digitalen Gesellschaft in die Idee einer weltweiten Zivilgesellschaft mündet, deren rechtliche Absicherung in der Meinungs- und Informationsfreiheit zu finden ist. Es ist kein Zufall, wenn ein Blick in die Geschehnisse der Weltpolitik zeigt, dass in Regionen, in denen Freiheitsrechte als Neokolonialismus verstanden werden und Journalisten Repressionen erleben und zensuriert werden, der Zivilgesellschaft die Möglichkeiten fehlen, sich zu formieren. In demokratisch-rechtstaatlichen Ländern kann investigativer Journalismus, der zwar nicht inhärent emanzipatorisch ist, emanzipatorischen Zwecken dienen und von einer sich zunächst organisierenden Zivilgesellschaft in eine organisierte münden, die durch «public pressure» Politiker, die zwischenstaatliche Institutionen geradezu herausfordern, ihre Transparenz, Rechenschaft und Legitimität zu erhöhen. Die daraus resultierende Erkenntnis kann sein, dass es unerlässlich ist, sich zu organisieren und eine mutige Zivilgesellschaft darzustellen, die sich den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtstaatlichkeit und der Menschenrechte verpflichtet sieht.

[26]

Am Beispiel der Staatlichen Transparenz für die Wirtschaft konnte die Bedeutung von Big Data demonstriert werden. Die Rede ist von großen Datenmengen aus Quellen der öffentlichen Hand, die mit Hilfe neu entwickelter Methoden und Technologien erfasst, verteilt, gespeichert, analysiert, visualisiert und schließlich verkauft werden können. Am Beispiel der PSI-RL und ihrer Umsetzung wurde gezeigt, dass die Europäischen Staaten nun nicht nur statistisches und kartographisches Material offenlegen, sondern zunehmend auch Inhaltsdaten, aus Universitätsbibliotheken, Archiven und Museen. Die Stoßrichtung der PSI-RL ist wirtschaftlicher Natur, während in der Umsetzung der Richtlinie in den österreichischen Bundesländern eher eine Akzentuierung des Auskunftsinteresses der Bürger sichtbar wird.

[27]
Der NSA-Skandal offenbart zweierlei:
  1. Transparenz gilt als eines der wichtigsten Prinzipien für die Verteidigung digitaler Freiheitsrechte (Protecting Digital Freedom) und
  2. Überwachung wird einfacher, wenn die Transparenz ansteigt.
[28]
Dies ist der mediale Zustand im Ubiquitous Computing. Die Frage der Transparenzforderungen zu verbinden und die Folgen ihrer Realisierung abzuschätzen, wird nicht zuletzt die Aufgabe von Juristen sein. Hier eröffnet sich die Frage, wie in Zukunft mit Anonymität und Geheimnis umzugehen sein wird. Kryptologische Verfahren werden zunehmen, wenn es um die Sicherung der Privatsphäre geht. Transparenz und Geheimnis werden damit zu Metaphern der Macht.

 

Dr. Elisabeth Hödl

Lektorin, Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik an der Karl-Franzens-Universität Graz

Universitätsstraße 15/BE, 8010 Graz, AT

www.ubifacts.org, office@ubifacts.org

 

Sebastian Lukic

Studienassistent, Institut für Europarecht/Institut für Zivilrecht an der Karl-Franzens Universität Graz

Universitätsstraße 15/C1/B4, 8010 Graz, AT

  1. 1 edri.org/ (alle Internetquellen zuletzt abgerufen am: 15. Februar 2014). EDRi ist im EU «Register of Interest Representatives» unter der Nummer 16311905144-06 registriert.
  2. 2 www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264.
  3. 3 RL 2003/98/EG und RL 2013/37/EU.
  4. 4 https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressearchiv/ranglisten-pressefreiheit/.
  5. 5 www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2013/.
  6. 6 www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2014/130130_PM-RANGLISTE_PDF.pdf.
  7. 7 Vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission MEMO/13/555 vom 13. Juni 2013, in der von «open data goldmine» gesprochen wird.
  8. 8 Norbert Bernsdorff in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 11, Rz. 1.
  9. 9 Robert Walter/Heinz Mayer/Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 10. Auflage, Rz. 1456; vgl. VfSlg 12.086.
  10. 10 Heinz Mayer, B-VG, Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar (f. Österreich), 4. Auflage, Wien 2007, Art. 13 StGG.
  11. 11 EGMR 2. November 2006, Kobenter und Standard Verlags GmbH v. Austria (no. 60899/00), ÖJZ 2007, 342.
  12. 12 VfSlg 10.393.
  13. 13 EGMR 26. April 1979, Sunday Times v. the United Kingdom (no. 6538/74), EuGRZ 1979, 386; 24. September 1992, Herczegfalvy v. Austria (no. 10533/83), ÖJZ 1993, 96; Jochen Abraham Frowein in Frowein/Peukert, EMRK, S. 390.
  14. 14 Jürgen Kühling, Die Kommunikationsfreiheit als europäisches Gemeinschaftsgrundrecht, 1999, S. 82 ff.; Holger Trenkelbach, Internetfreiheit. Die Europäische Menschenrechtskonvention als «Living Instrument» vor neuen Herausforderungen?, 2005, S. 59.
  15. 15 Norbert Bernsdorff in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 11, Rz. 9.
  16. 16 Ebenda.
  17. 17 Heinz Mayer, B-VG, 4. Auflage (2007), Art. 10 EMRK, III.2.
  18. 18 VfSlg 12.086.
  19. 19 Heinz Mayer, B-VG, 4. Auflage (2007), Art. 10 EMRK, III.3.
  20. 20 EGMR 29. August 1997, Worm v. Austria (no. 83/1996/702/894), ÖJZ 1998, 35.
  21. 21 EGMR 21. Januar 1999, Fressoz and Roire v. France (no. 29183/95); EGMR 20. Mai 1999, Bladet Tromsø and Stensaas v. Norway (no. 21980/93).
  22. 22 EGMR 20. Mai 1998, Schöpfer v. Switzerland (no. 56/1997/840/1046), ÖJZ 1999, 237; VfSlg 13.694, 13.978, 14.005, 14.006, 14.007, 14.037, 14.218, 14.233, 14.316.
  23. 23 Christine M. Schenone, CWILJ 14 (1984), 501/529.
  24. 24 Robert Uerpmann-Wittzack/Magdalena Jankowska-Gilberg, Die Europäische Menschenrechtskonvention als Ordnungsrahmen für das Internet, MMR 2008, S. 8.
  25. 25 Rainer Knyrim, PSI-Richtlinie und Informationsweiterverwendungsgesetz: ein neuer Rechtsbereich, ÖGZ 8/2005.
  26. 26 Barbara Posch, Die Novelle der PSI-Richtlinie – bisherige Entwicklungen, in: Jusletter IT 20. Februar 2013, Rz. 11.
  27. 27 Elisabeth Staudegger, Datenhandel-ein Auftakt zur Diskussion, ÖJZ 2014/21, 116.
  28. 28 Barbara Posch, Die Novelle der PSI-Richtlinie – bisherige Entwicklungen, in: Jusletter IT 20. Februar 2013, Rz. 11.
  29. 29 Rainer Knyrim/Elisabeth Weissenböck, IWG. Informationsweiterverwendungsgesetz. Public Sector Information (PSI). Kommentar. Verlag Österreich GmbH, Wien 2007, S. 38.
  30. 30 Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG), BGBl I 135/2005.
  31. 31 Grundstücksdatenbankverordnung, Gewerbeordnung, Firmenbuchgestz.
  32. 32 Urteil des EuGH C-138/11 vom 12. Juli 2012.
  33. 33 Vgl. etwa zur Steiermark Beatrice Sommerauer, Informationsweiterverwendungsgesetz – dargestellt am Beispiel der Steiermärkischen Dokumenten-Weiterverwendungsgesetzes. Genes – Rechtsbestand – Ausblick (Teil II), jusIT 2013, S. 134.
  34. 34 ErwGr 4 der RL 2013/37/EU.
  35. 35 ErwGr 11 der RL 2013/37/EU.
  36. 36 Barbara Posch, Die Novelle der PSI-Richtlinie – bisherige Entwicklungen, in: Jusletter IT 20. Februar 2013, Rz. 34.
  37. 37 ErwGr 35 der Richtlinie 2013/37/EU.
  38. 38 Vgl. § 3 Abs. 1 Z 7 und 8 IWG.
  39. 39 Vgl. Stephan Russ-Mohl, Der Snowden-Effekt, WikiLeaks und Watergate, de.ejo-online.eu/11321/pressefreiheit/der-snowden-effekt-wikileaks-und-watergate.
  40. 40 Ebenda.
  41. 41 www.journalism.org/.