[1]
X. postete am 22. März 2012 eine Nachricht auf «Facebook», in der er sich darüber beschwerte, dass ihm niemand zum Geburtstag gratuliert hatte. Unter anderem drohte er deswegen allen mit Vernichtung. Das Bezirks- und in der Folge das Obergericht Zürich verurteilten X. wegen versuchter
Schreckung der Bevölkerung gemäss Art. 258 des Strafgesetzbuches (
StGB).
Das Bundesgericht hob die Verurteilung am 8. April 2015 auf.
[2]
Nach Art. 258 StGB wird bestraft, «wer die Bevölkerung durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt.» Als Erfolgsdelikt setzt der Tatbestand voraus, dass ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Personenkreises tatsächlich in Schrecken versetzt wird.
[3]
Das Zürcher Obergericht befand, es bestünden zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine grössere Zahl von Personen in Angst und Schrecken versetzt worden sei, indessen sei von einem entsprechenden Versuch auszugehen. Die Äusserung sei öffentlich, weil nicht nur die 290 Facebook-«Freunde» von X., sondern auch deren «Freunde» die Nachricht hätten sehen können, was X. nicht mehr habe kontrollieren können.
[4]
Das Bundesgericht legte Art. 258 StGB zunächst gemäss Wortlaut aus. Mit «Bevölkerung» sei nicht einfach die Öffentlichkeit, sondern vielmehr ein grösserer Personenkreis, eine unbestimmte Vielzahl von Personen, umfasst. Der allgemeine Sprachgebrauch (u.a. Duden) bezeichne so alle Bewohner eines bestimmten Gebietes. Hinzu kämen bei Art. 258 StGB aber auch jene Personen, die sich eher zufällig und kurzfristig gleichzeitig an einem bestimmten Ort befänden (z.B. in einem Kaufhaus). Der Personenkreis, mit welchem der Urheber einer Äusserung durch Freundschaft oder Bekanntschaft im realen oder virtuellen Leben verbunden sei, sei demgegenüber nicht als «Bevölkerung» anzusehen, weil hier ein Bezug zu einem bestimmten Ort fehle. Entsprechend sei Art. 258 StGB vorliegend nicht erfüllt, und X. sei freizusprechen.
[5]
Das Urteil, wie auch die Urteile der Vorinstanzen, befriedigen nur teilweise, wenngleich die Korrektur durch das Bundesgericht im Ergebnis gerechtfertigt sein dürfte. Es erscheint nämlich als höchst unwahrscheinlich, dass sämtliche 290 Freunde des X. das Posting jemals zu Gesicht bekommen haben. Dies daher, weil Facebook einem Mitglied nur eine Auswahl von wenigen Prozent der von dessen «Freunden» geposteten Meldungen im «Newsfeed» anzeigt. Dementsprechend wäre m.E. zu klären gewesen, ob sich X. dieser Beschränkung beim Verfassen seines Postings bewusst war, womit wohl selbst der Vorsatz einer «Schreckung der Öffentlichkeit» im Verständnis der Vorinstanzen zu bestreiten gewesen wäre.
[6]
Das Bundesgericht nimmt im Facebook-Entscheid beim Tatbestandsmerkmal der «Bevölkerung» zudem zwar einerseits gestützt auf den allgemeinen Sprachgebrauch eine Einschränkung auf Personengruppen mit Ortsbezug vor. Andererseits lässt es aber unberücksichtigt, dass es vom genauso allgemeinen Sprachgebrauch her nicht darum gehen kann, im blossen Austausch mit Einzelnen Drohungen gegen die Bevölkerung auszustossen, sondern nur darum, zumindest einen grösseren Teil der Bevölkerung auch tatsächlich in Angst und Schrecken zu versetzen. Dies wiederum setzt eine Kenntnisnahme der betroffenen Personen von der Drohung voraus, was im aktuellen Entscheid zu Facebook womöglich gar nicht der Fall bzw. nicht gewollt war.